Am 10. April 2024 hat das Europäische Parlament der seit acht Jahren geplanten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zugestimmt. Diesem sogenannten Asylkompromiss müssen nun im Mai noch alle EU-Länder im Rat der EU zustimmen, was als sicher gilt. Danach treten die beschlossenen Gesetzestexte in Kraft. Sie sehen jedoch für die Länder der EU einen Zeitraum von zwei Jahren für die Umsetzung vor und werden damit erst ab der zweiten Jahreshälfte 2026 angewandt. Die Bundesregierung muss bis Ende dieses Jahres einen Umsetzungsplan vorlegen. Hierzu müssen verschiedene Gesetzesänderungen erarbeitet und beschlossen werden.
Die Reform sieht vor allem verschärfte Regelungen, schnellere Abschiebungen und die Entlastung jener EU-Länder vor, in denen besonders viele Geflüchtete ankommen. 2023 wurden laut der EU-Asylagentur rund 1,1 Millionen Asylanträge gestellt, so viele wie seit 2016 nicht mehr.
Zu den zahlreichen Verordnungen der Reform gehört ein neues Screening-Verfahren an den EU-Außengrenzen. Personen, die ohne Visum die Außengrenzen überschreiten, werden ihre Fingerabdrücke abgenommen und ihre Identität, der Gesundheitszustand sowie potentielle Sicherheitsrisiken festgestellt. Das Verfahren soll in der Nähe der Grenzen stattfinden und maximal sieben Tage dauern. Die einreisenden Personen können für die Zeit des Verfahrens festgehalten werden. Nach dem Screening werden die einreisenden Personen entweder in das Asyl- oder in das Rückführungsverfahren verwiesen.
Eine neue Verfahrensverordnung verändert grundsätzlich den Zugang zum Asylsystem für Personen, die Schutz in der EU suchen. Bei Schutzsuchenden, die die EU-Außengrenzen ohne Visum betreten, an den EU-Außengrenzen festgenommen werden oder im Meer gerettet werden, wird künftig geprüft, ob ihr Asylgesuch im sogenannten Grenzverfahren bearbeitet werden muss. „Grenzverfahren“ finden unter der sogenannten „Fiktion der Nicht-Einreise“ statt. Es wird also rechtlich angenommen, dass sich die schutzsuchende Person noch nicht auf EU-Boden befände – obwohl sie tatsächlich dort eingetroffen ist. Das bedeutet, dass ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt werden kann. Die Betroffenen haben in solchen Verfahren nur einen eingeschränkten Zugang zu Rechtsmitteln gegen ablehnende Asylbescheide. Die Grenzverfahren sind vor allem für Personen vorgesehen, die aus Ländern kommen, die eine „Schutzquote“ von 20 Prozent oder weniger aufweisen. Aber auch Personen, die keine Dokumente vorweisen können oder die bei der ersten Anhörung widersprüchliche Aussagen gemacht haben, müssen das Grenzverfahren durchlaufen. Dabei werden die Schutzsuchenden maximal 12 Wochen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten, was auch für Familien mit Kindern gilt. Die Bundesregierung hatte eine Ausnahmeregelung für Familien angestrebt, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Insgesamt sind für das Verfahren 30.000 Plätze in Einrichtungen an den EU-Grenzen vorgesehen.
Darüber hinaus prüfen die Asylbehörden der Einreiseländer, ob die Schutzsuchenden aus einem Land eingereist sind, in dem sie Asyl hätten beantragen können, oder aus einem „sicheren Drittstaat“ kommen. Als „erstes Asyl-Land“ und „sicherer Drittstaat“ werden Staaten bezeichnet, in denen angenommen wird, dass den Schutzsuchenden keine Verfolgung oder unmenschliche Behandlung drohen. Auch dürfen sie von dort nicht in lebensgefährliche Situationen abgeschoben werden. Die Staaten müssen Menschenrechte beachten und den AsylbewerberInnen Zugang zu Gesundheitsversorgung und Lebensunterhalt gewähren. Die Bezeichnung „sicherer Drittstaat“ kann sich zudem auch nur auf eine oder mehrere Regionen eines Staates beziehen, es muss also nicht der gesamte Staat sicher sein. Auch soll es genügen, dass der Staat für bestimmte Personengruppen sicher ist. Wenn ein Asylgesuch für unzulässig erklärt wird, müssen die AsylbewerberInnen die EU verlassen und werden in den „sicheren Drittstaat“ abgeschoben.
Die Zuständigkeit für Asylsuchende bleibt prinzipiell bei den Staaten, in denen sie zuerst einreisen. Wenn diese jedoch unter erhöhtem „Migrationsdruck“ stehen, können sie die anderen Mitgliedstaaten um Hilfe bitten. Dafür ist ein „Solidaritätspaket“ vorgesehen. Die Mitgliedstaaten sollen jährlich mindestens 30.000 Schutzsuchende verteilen und 600 Millionen Euro für Aufnahmemaßnahmen zur Verfügung stellen. Staaten der EU sichern eine bestimmte Zahl an Plätzen für die Verteilung zu. Staaten, die keine Schutzsuchenden aufnehmen wollen, können sich finanziell an dem „Solidaritätspaket“ beteiligen oder eigene Mittel und Personal zur Verfügung stellen.
Eine Krisenverordnung sieht für Staaten, in denen die Zahl der Schutzsuchenden außergewöhnlich steigt, ein Notfallsystem mit beschleunigten Eilverfahren vor.
Weitere Informationen und Quellen:
https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20240408IPR20290/parlament-nimmt-neues-migrations-und-asylpaket-endgultig-an
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