10. Dezember 2024

Gomaringen, Schloss- und Gustav-Schwab-Museum

Das Schloss, die Ausstellungen, der Geschichtsverein

Von Wolfgang Sannwald

Das Gomaringer Schloss ist nicht nur ein Museum, sondern vor allem ein Vorzeigebetrieb für Museumsarbeit im ländlichen Raum. Dieses Museum deckt fast alle Kriterien für erfolgreiche Museumsarbeit vorbildlich ab: Es ist ein auratischer Ort, den ein Geschichtspfad mit dem Ort verwebt, hat eine traditionelle heimatmuseale Sammlung und hochspezialisierte Museumsabteilungen. Ehrenamtliche tragen das Museum im dritten Jahrzehnt, betreiben dazu im Hammelstall eine wahre Geschichtswerkstatt und stemmen von dort aus jährlich zwei ansehnliche Wechselausstellungen.

Der Motor dieses musealen Musterbetriebs ist seit 1991 der Gomaringer Geschichts- und Altertumsverein. Dessen Gründungsvorsitzender Willi Kemmler engagiert sich seit 1986 kontinuierlich für die Heimatgeschichte seines Geburtsortes. Er und langjährige Vereinsmitglieder wie Siegfried Deiß oder Manfred Kuttler schufen die Grundlagen und bauten seit 1998 das Schloss als Museumsstandort aus. Die Gemeinde ermöglichte dies, indem sie Räume und Sachmittel stellte.

Das größte Ausstellungsstück des Gomaringer Schloss- und Gustav-Schwab-Museums ist das Schloss selbst. Im Souterrain bietet ein Stahlsteg sinnlichen Zugang zu einer in diesem Umfang einmaligen und unverfälscht belassenen Fachwerkkonstruktion des 14. Jahrhunderts. Darüber, im Erdgeschoss, öffnet das „Zwischengeschoss“ Zugang zu Resten des 15. und 16. Jahrhunderts. Diese burgenkundliche Abteilung eröffnet nicht nur Erwachsenen, sondern auch Kindern und Jugendlichen einen sinnlich erlebbaren Zugang zur mittelalterlichen Geschichte. Im Obergeschoss schließen sich Räume der Barockzeit an. Andernorts bilden Räume in einem solchen Erhaltungszustand alleine schon ein komplettes Museum. In Gomaringen schafft das Museum ebenfalls Zugang zu diesen baugeschichtlichen Dimensionen, sie sind hier jedoch gleichzeitig Hülle für wesentlich mehr.

Im „Zwischengeschoss“ des Schlosses haben die Mitglieder des Gomaringer Geschichts- und Altertumsvereins handwerkliche und landwirtschaftliche Objekte arrangiert, mit denen andernorts ein komplettes Heimatmuseum bestückt werden könnte. Hier kommt Entdeckerfreude auf: Von einem kompletten und funktionstüchtigen Webstuhl bis hin zu Haushaltsartikeln reicht die Bandbreite in diesem Raum. Vor allem ist es das Arrangement des Gesammelten unter der niedrigen und durchgebogenen mittelalterlichen Balkenkonstruktion, das dieser Ausstellung ihren ganz besonderen Charme verleiht: Ein Raum, in dem man sich stundenlang verzetteln kann. Im Obergeschoss betreibt der Verein ein literarisches Museum: Zwei „Stuben“ stellen den Dichter der Schwäbischen Romantik und deutschen Literaturfürsten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gustav Schwab vor. Zu den Museumsstuben haben 2012 die Arbeitsstelle Literarische Museen beim Literaturmuseum Marbach am Neckar und das Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen beigetragen. Durch die Kooperation und durch Sammeltätigkeit des Vereins kamen Erstausgaben und Originalhandschriften Schwabs zurück ins Gomaringer Schloss, wo er 1837 bis 1841 seine Unterkunft als Ortspfarrer hatte. Während dieser Zeit verfasste er zahlreiche Gedichte, schrieb eine bedeutende Biographie über Friedrich Schiller und gab seine bis heute bekannten „Sagen des klassischen Altertums“ heraus.

Seinen lebendigen Rückhalt hat dieser Museumsbetrieb in einer wirklichen Geschichtswerkstatt, von der aus Ehrenamtliche die Ausstellungsräume im Schloss zweimal jährlich mit Sonderausstellungen neu bestücken. Pensionäre in den Reihen des Geschichtsvereins arbeiten seit Jahrzehnten jeden Dienstag an Sammlungsstücken ihres Museums. Sie restaurieren, inventarisieren, tüfteln und schwätzen. Sie machen alte Apparate und Gegenstände fit für die ewige Aufbewahrung im Depot oder bereiten sie für die Präsentation in einer der zahlreichen Wechselausstellungen vor. Seit 2008 stellt ihnen dafür die Gemeinde den ehemaligen Hammelstall im Vorhof des Schlosses zur Verfügung, der auch gleichzeitig als Museumsdepot dient.

Besonders vorbildlich ist der Gomaringer Museumsbetrieb dadurch, dass er sich nicht in einer ständigen Ausstellung erschöpft, sondern immer wieder Neues bietet. Landauf, landab dümpeln viele Museen wenige Jahre nach ihrer Eröffnung vor sich hin, weil die Dauerausstellungen ihr Potential an möglichen Besuchern weitgehend erschöpft haben. Das ist meist der Fall, wenn der letzte Verwandte aus den USA und die letzte Anreisende aus der Partnergemeinde durchgeführt wurde. Wenn es gut läuft, kommt dann noch jährlich die Grundschulklasse eines bestimmten Jahrgangs. Und sonst? Deshalb stehen im Konzept des Gomaringer Schloss- und Gustav-Schwab-Museums jährlich zwei wechselnde Ausstellungen. Diese richten Vereinsmitglieder meist in drei Räumen des Obergeschosses im Schloss ein. Lange Jahre vergab der Verein für die Ausstellungsleitung Werkverträge an die Empirische Kulturwissenschaftlerin Birgit Walliser-Nuber. Kooperationen mit den meisten Vereinen im Dorf schufen eine tiefe Verankerung im Kollektiv. Von der Eröffnung bis 2018, in 20 Jahren, hat der Gomaringer Geschichts- und Altertumsverein 45 Wechselausstellungen erstellt und veranstaltet. Diese fanden dank eines empathischen Zugangs zu Zeitzeugen und stimmigen gestalterischen Ideen große Beachtung, mehr als 100.000 Menschen besuchten das Museum. Die Vernissagen zu den Sonderausstellungen gehören zu den Höhepunkten des Kulturlebens im Dorf. Sonst können höchstens hauptamtlich betriebene Museen ein solches Arbeitsergebnis vorweisen.

Das Gomaringer Schloss- und Gustav-Schwab-Museum lohnt einen Besuch alleine schon, um das historische Gebäude und seine Baugeschichte kennenzulernen. Ein zweiter Besuchstag kann den Dauerausstellungen gelten, dem Heimatmuseum im Zwischengeschoss und den Gustav-Schwab-Stuben im Obergeschoss. Wenn der Geschichts- und Altertumsverein eine Sonderausstellung präsentiert, ist das immer ein Grund, nochmals ins Wiesaztal zu kommen. Schließlich erschließt der Gomaringer Geschichtspfad aus dem Jahr 1991 bis heute die Ortsgeschichte vom Schloss aus.

Autor: Wolfgang Sannwald

Gomaringer Schloss- und Gustav-Schwab-Museum, Im Schlosshof 1, 72810 Gomaringen

www.schlossmuseum-gomaringen.de