der französischen Kreisdelegierten Oberst H. Brochu, in der (unkorrigierten) Übersetzung von Wolfgang Sannwald von 1995. Damalige Quelle: Quelle: Archives de l´occupation francaise en Allemagne et en Autriche, Colmar, Bestand WH, Caisse 2557. Titel des Originals: Commissariat du Land „Wurtemberg-Hohenzollern“, Delegation du cercle de Tubingen, Apercu historique sur le cercle de Tubingen (Mai 1945 – Décembre 1949) par l’administrateur Brochu, délégué de cercle de Tubingen.
86000 Einwohner, 482 qkm. Tübingen, Hauptort, Universitätsstadt, Klinikenstadt, 35000 Einwohner; Rottenburg, katholische Bischofsstadt von Württemberg, 7750 Einwohner; einige größere Orte: Mössingen 4350 Einwohner, Dußlingen 2400 Einwohner, Kirchentellinsfurt 2350 Einwohner, Bodelshausen 1700 Einwohner. Alle anderen Kommunen sind fast ausschließlich ländlich. Die Wälder nehmen 33% des Gebietes ein, vor allem der Schönbuch mit dem alten Kloster Bebenhausen, das früher Jagdschloß des ehemaligen Königs von Württemberg war und Sitz des Landtags von Württemberg-Hohenzollern geworden ist, und der Rammert. Der Neckar durchquert den Kreis.
(2) Hauptindustrien: Tübingen: Himmelwerk, Elektromotoren, 450 Arbeiter, L.T.P., Radioapparate, 450 Arbeiter, Württ. Frottierweberei, 400 Arbeiter, Tübingen, Montanwerke, Werkzeugmaschinen, 200 Arbeiter, Astra-Wollwerke, Textilien, 150 Arbeiter, Zanker. Metallverarbeitung, 150 Einwohner; Bodelshausen: Maute, Trikotagen 150 Arbeiter; Mössingen: Merz, Trikotagen, 150 Arbeiter, Pausa, Weberei, 150 Arbeiter; Rottenburg: Fouquet – Frauz, Werkzeugmaschinen, 400 Arbeiter, Junghans, Uhren, 150 Arbeiter; Kirchentellinsfurt: Schirm, Nähgarne, 300 Arbeiter, Zeeb, Hemden, 250 Arbeiter.
(3) I. Ziel: Das Ziel der Arbeit bestand darin, die Entwicklung der Lage und des Lebens in Deutschland im Landkreis Tübingen während der französischen Besatzungszeit von Mai 1945 bis Dezember 1949 aus der Sicht der Délégation des Kreises darzustellen. Es handelt sich kurzgefaßt um einen historischen Überblick über die Ereignisse, die sich im Kreis Tübingen ereignet haben, so, wie sie sein Délégué erlebt und häufig auch bestimmt hat.
II. Gliederung:
Es können fünf Perioden definiert werden, um die Ereignisse herauszuarbeiten, die sich von Mai 1945 bis Dezember 1949 abgespielt haben:
1. Periode (Mai bis September 1945) die sich vom Anfang der Besatzung bis zur Errichtung der Délégation Supérieure pour le Gouvernement Militaire du Wurtemberg erstreckt.
2. Periode (September 1945 – September 1946) die mit der ersten Volkswahl endet (Anfang der demokratischen Regierung).
3. Periode (September 1946 – Juni 1948) die bis zur Währungsreform geht.
4. Periode (Juni 1948 – September 1949) die mit der Bildung der westdeutschen Bundesregierung endet (Ende des Gouvernement Militaire).
5. Periode (September 1949 – Dezember 1949) während der das Gouvernement Militaire zum Haut-Commissariat umgewandelt wurde.
1. Periode
Délégué des Kreises: von Mai bis Juli 1945: Marineleutnant Metzger; von Juli bis September 1945: Oberst der Sanitätstruppen Huchon.
Die Délégation du Cercle, die sich damals „Gouvernement Militaire du Cercle“ nannte, wurde vom Marineleutnant Metzger geleitet. Dieser war direkt aus Frankreich gekommen und vom Chef des 5éme Bureau der 1. französischen Armee in Tübingen an der Spitze einer Abteilung „I“ eingesetzt worden. Die Initialen korrespondierten mit der unterschiedlichen Bedeutung veschiedener Abteilungen der alliierten Militärbehörden. Die Abteilung „I“ entsprach der Ebene eines Kreises. Seit seiner Ankunft in Tübingen sah sich der Marineleutnant Metzger sehr großen Problemen gegenüber, den gleichen, die sich in allen Kreisen stellten: Einrichtung seiner eigenen Dienststelle, Ordnungsmaßnahmen, Wiederingangsetzung der Verwaltungsmaschinerie so bald wie möglich, Einrichtung einer Behörde für DPs (Unterkünfte, Lebensmittelversorgung…), Maßnahmen zur Entnazifizierung, Wiederankurbelung der Wirtschaft, alles dies, ohne eine Fülle verschiedenartigster Tagesprobleme mitzurechnen. Dies ist die Periode totaler direkter Verwaltung durch das Militärgouvernement. Marineleutnant Metzger hatte das große Glück, in Tübingen General Mozat vorzufinden, dessen Truppen (CC5) ohne Kämpfe in die Stadt einmarschiert sind und der ihm mit seiner ganzen Autorität und mit seinem ganzen Verständnis für das Ergreifen von Maßnahmen nach den ersten Tagen der Besetzung half. Der Kreis Tübingen hatten den Vorteil, sehr wenig unter Bombardierungen gelitten zu haben. Die Universitätsstadt Tübingen war fast völlig intakt, ebenso die Bischofsstadt Rottenburg mit Ausnahme der Neckarbrücken. Auch die anderen Orte erlitten geringe Schäden.
Keine öffentliche Einrichtung funktionierte mehr, nicht der Verkehr (Brücke hatten vor allem deutsche Truppen während ihres Rückzugs zerstört), nicht die Post, nicht das Telefon, nicht die Presse. Die Schulen waren geschlossen, ebenso die Tübinger Universität. Das Wasser war rar. Andererseits waren Gas und Elektrizität nicht vollständig eingestellt. Die Bevölkerung hatte Angst vor allem: vor den Truppen, vor dem Militärgouvernement, vor allem aber vor den DPs, insbesondere den Polen und Russen, die, frisch befreit, zahlreiche Plünderungen begingen. Dies war das Chaos, freilich ein friedliches Chaos (seitens der Deutschen), dem sich der Délégué des Kreises, oder vielmehr der „Herr Gouverneur“ gegenüberfand. Welche Maßnahmen mußten ergriffen werden? Zuerst mußte man sich auf die örtlichen Militärkommandanturen stützen (und das war einfach), nicht etwa, um Handlungen des Feindes (das war er immer noch) zurückzuwerfen, sondern um Ordnung im Feld der Alliierten und vor allem der DPs wiederherzustellen. In dieser Periode existierte praktisch keine höhere administrative Gewalt über jener des Délégué des Kreises. Es gab zwar tatsächlich eine Abteilung „E“, die bis zur Mitte des Juli 1945 in Stuttgart, dann bis zum September 1945 in Freudenstadt residierte, aber sie machte sich durch keinerlei Verordnung bemerkbar. Im Prinzip hingen die Militärgouvernements in den Kreisen auch von den Kommandanten der größeren Einheiten (5éme Bureau), im Besonderen dem Kommandanten der 1. DI in Riedlingen ab. Diese Unterstellung war völlig illusorisch. Welches waren die Direktiven, auf die sich der Délégué des Kreises stützen konnte, um die Herausforderungen zu bewältigen? Es gab wohl das „Handbook“, das die SHAEF (Dommandement supréme interallié) herausgegeben hatte und das ins Französische übersetzt worden war. Es fixierte die begrenzten Regeln unter der Hauptrolle des Militärgouvernements. Der Délégué sollte es zur Verteilung der Aufgaben unter seinen Mitarbeitern anwenden: Stellvertreter, Verwaltungsangelegenheiten, Wirtschaftsangelegenheiten, Sicherheit, DPs, Vermögenskontrolle. Der Délégué nahm auch an einem dreiwöchigen Kurs in Paris teil, der der Vorbereitung zukünftiger Verwaltungsfunktionäre in Deutschland dienen sollte, wo bedeutende Professoren und anerkannte Germanisten ihn in die deutsche Geologie, die deutsche Geschichte und Spekulationen über die deutsche Mentalität einführten. Indessen fand er sich hier, in Tübingen, vor sehr viel erdhafteren Problemen. Es zeigte sich sehr schnell, daß der rechte Sinn eine vorherrschende Rolle spielte, weil die Situation, für die es täglich eine Lösung zu finden galt, sich ständig entwickelte und das „Handbook“, sofern es nützlich ist, nicht alles voraussah. Während der ersten Periode wechselte die Délégation des Kreises viermal die Örtlichkeiten. Das erleichterte die Arbeiten nicht gerade.
Was sollte die essentielle Rolle des Délégué des Kreises sein? a) Einrichten eines deutschen Verwaltungsaufbaus, wobei kompromittierte Funktionäre – und die sind zahlreich – eliminiert werden sollten. b) Jagd auf den Mißbrauch aller Arten.
1) Verwaltung
a) Die deutsche Verwaltung. Landratsamt: Dr. Koch aus Stuttgart hatte bei der Ankunft der Okkupationstruppen die Funktion des Landrats inne. Er wurde durch Herrn Geissler ersetzt, der, obwohl er dieselben Funktionen schon während des Dritten Reiches ausgeübt hatte, kein wilder Nazi war. Er erwies sich als korrekt, gab keinem Vorwurf Raum und gab dem Délégué nützliche Hinweise. Die alten „Landräte“ mußten dann alle gemäß höherer Vorschriften ersetzt werden, Herr Geissler wurde durch Dr. Renner ersetzt, früherer Richter, kein Nazi, von demokratischer Gesinnung. Er sollte schließlich Innenminister des Landes Württemberg-Hohenzollern werden und hat diese Funktion Ende 1949 immer noch inne. Herr Kobel, ehemaliger Richter in Stuttgart, stand ihm als Stellvertreter bei.
Bürgermeisteramt Tübingen: Dr. Renner wurde durch den Délégué des Kreises gleichzeitig im Juni 1945 zum Oberbürgermeister von Tübingen ernannt, eine Funktion, die er bis Januar 1946 mit jener des Landrats vereinigte. Er folgte Herrn Haussmann, den der „Kreisleiter“ von Tübingen kurz vor der Okkupation zum vorläufigen Bürgermeister ernannt hatte. Dem neuen Oberbürgermeister Renner half Herr Karrer, ehemaliger Bürgermeister in Berlin.
Andere Kommunen: Während des Juli 1945 wurden 17 Bürgermeister, im einzelnen gekennzeichnet, durch die Bemühungen des Délégué abgesetzt und durch neue ersetzt, die in der Regel ehemalige Bürgermeister oder Kommunalbeamte waren, die vor 1933 amtiert hatten und dann abgesetzt worden waren.
Kampf gegen den Mißbrauch: Diese Mißbräuche waren unterschiedlicher Art, aber sie gingen nicht, das muß wohl bemerkt werden, von der Bevölkerung aus, die immer noch zu niedergeschlagen und nach 12 Jahren Nazizucht (férule nazi) zu diszipliniert war. Es gab noch keinen Schwarzmarkt! Zunächst mußten den Ausschreitungen der DPs Zügel angelegt werden, von denen es etwa 6500 im Kreis gab, vor allem einigen Polen und Russen, welche die Mehrheit bildeten. Es verging kein Tag, an dem nicht Plünderungen oder bewaffnete Überfälle vorkamen. Für ihre Unterbringung wurden ihrem Willen gemäß Lager gegründet in Tübingen und Obernau. Ihre Verpflegung wurde durch den Eifer der Bürgermeister, die sich nach den vom Délégué festgesetzten Rationen richteten, sichergestellt, aber andererseits waren sie sehr anspruchsvoll, das ist verständlich nach vier Jahren Zwangsarbeit. Der Délégué des Kreises hatte die Aufgabe, sie zu beschützen, aber er konnte keine Unordnung tolerieren. Gerade hierbei erwies sich die Unterstützung durch General Mozat oft als notwendig und wirkungsvoll. Andererseits war die Autorität des Délégué des Kreises nicht sehr gefestigt. In einer Anzahl von Orten ignorierten die Ortskommandanten das Militärgouvernement und wollten es ignorieren. Sie mischten sich mißbräuchlich in die deutschen Angelegenheiten ein. Es regnete Requisitionsscheine, die oft von Leuten unterzeichnet waren, die keiner kannte. Die „Bürgermeister“ waren überflüssig (? débordé). Man durfte nicht länger einige bedauerliche Gewaltakte seitens einiger Militärs leugnen, sie waren bei jenen Einheiten wenig zahlreich, die ihre Chefs gut in der Hand hatten. In einigen Kommunen nannten sich Franzosen, Ex-Häftlinge, Deportierte oder besonders Fremdarbeiter, selbst Ortskommandanten oder Chefs des Militärgouvernements und richteten sich auf dem Rathaus ein und maßten sich diktatorische Macht an. Mißbrauch, den es auch zu nennen gilt, ging von einigen französischen Institutionen aus wie Intendanz, wissenschaftliche Mission, Einrichtungen der Wiedergutmachung usw., die ihre Angestellten beauftragten, darunter sicherlich einige zweifelhaft, massive Entnahmen von Handelswaren, Maschinen, Autos etc. vorzunehmen, die alle nicht den Bestimmungsort erreichten, der für sie regulär bestimmt war! Das ist die Zeit der Razzias nach Radiogeräten, Fotoapparaten und Fahrrädern. Es wimmelte von Requsitionen von Autos, häufig mißbräuchlich. Der Délégué des Kreises war in den meisten Fällen machtlos. Es gab wohl eine örtliche Militärkommandantur, es gab wohl eine frisch eingetroffene französische Gendarmeriebrigade, aber insgesamt ging der Délégué unter. Einige Militäreinheiten, die im Kreisgebiet stationiert waren, unterstanden nicht General Mozat, sondern der 3. DIA in Stuttgart, das vereinfachte die Sache keineswegs! Diese Periode, die man ironischerweise als „heroisch“ bezeichnen könnte dauerte bis Juli 1945. Schon ab diesem Zeitpunkt machte sich eine Periode des in Ordnung bringens bemerkbar. Die Autorität des Délégué des Kreises hatte sich ein wenig gefestigt und das war auch (seit Anfang Juli 1945, daß der Marineleutnant Metzger durch den Oberst der Sanitätstruppen Huchon ersetzt wurde.
2) Deplazierte:
Nach und nach festigte sich die Situation. Missionen zur Heimführung, vor allem Polen und Russen, wobei letzte besonders aktiv waren, waren gekommen und nahmen Kontakt mit ihren Nationalitäten auf. Auf ihren Wunsch hin waren Lager eingerichtet worden und ihre Ernährung (in Priorität, und das stimmt) wurde in der Regel durch die Städte sichergestellt.
3) Denazifikation – Säuberung: Die Maßnahmen entsprachen den Direktiven im „Handbook“. Die deutschen Behörden arbeiteten in Übereinstimmung mit dem Militärgouvernement des Kreises eng mit ihm zusammen, aber das allergrößte Problem bestand darin, geeigneten Ersatz für die entfernten Personen zu finden. So gut wie möglich lief die Verwaltungsmaschinerie, sicherlich manchmal mit einigen Fehlzündungen! Das war die große Zeit der „Fragebogen“. Zu hunderten häuften sie sich im Militärgouvernement. Man mußte schnell handeln, mit einem gewissen Mißtrauen, weil fast alle Deutschen, die plötzlich jede Verbindung zum Dritten Reich leugneten, einen Geist des Widerstands gegen das Naziregime entdeckten. Die neuen deutschen Behörden erwiesen sich als Korrekt und halfen auch dem Délégué gewisse Irrtümer auszuräumen. Die strikte Anwendung von Maßnahmen, welche das „Handbook“ festlegte, hatte einen Zufluß von politischen Internierten in den Gefängnissen von Tübingen und Rottenburg mit sich gebracht. Indessen konnte kein großer Nazi entdeckt werden, der vom Nürnberger Tribunal hätte abgeurteilt werden müssen. Es ist festzuhalten, daß kein Denunziationsbrief den Délégué des Kreises erreichte.
4) Öffentliche Bildung:
Die Schulen blieben geschlossen. Die Entnazifizierung der Lehrerschaft, die sich als äußerst schwierig erwies, war im Gang. Nur einige spezielle Kurse (Gymnastik, Steno, Schreibmaschine) wurden genehmigt.
5) Religiöse Angelegenheiten:
2/3 der Bevölkerung im östlichen Teil des Kreises sind protestantisch, 1/3 im Osten des Kreises sind katholisch mit Rottenburg, dem Bischofssitz. Der Délégué des Kreis gab sofort alles Freiheiten zur Ausübung der Religion, die niemals ganz unter dem Naziregime unterdrückt wurde außer dem israelitischen Religion. Konsequenz: die Pfarrer und Pastoren, die während des Dritten Reiches sehr vorsichtig waren, erhielten sofort ihre Bedeutung für die geistige und politische Richtung ihrer Schäfchen wieder. Sie waren erneut die Führer, und dieser Einfluß wird nicht mehr aufhören. In Rottenburg wurde Bischof Sproll, der nach seiner Verstoßung und nach der Plünderung durch die SS 1938 als Märtyrer und Widerstehender betrachtet wird, am 15. Juli 1945 inmitten einer unzähligen Menschenmenge auf seinem Bischofsthron wiedereingesetzt.
6) Universität Tübingen:
sie ist Teil der Stadt, aber sie hat einen spezielle Status, die sie zu einer Stadt in der Stadt macht. Sie bleibt geschlossen. Die Entnazifizierung hat dank der Bemühungen des Militärgouvernements des Kreises begonnen. Eine Kommission, der Dr. Schmid vorsitzt, arbeitet in Zusammenarbeit mit dem Délégué des Kreises. Im Juli 1945 zeigt sich die Situation folgendermaßen, bei etwa hundert Professoren: 7 notorische Nazis sind verhaftet, 5 sind auf der Flucht, 19 sind ihres Amtes enthoben.
7) Rechtsprechung:
ein Eilgericht (tribunal sommaire), dem ein stellvertretender Offizier des Délégué des Kreises vorsitzt, wurde Ende Juni eingerichtet, um über jene Deutschen zu richten, die sich Delikten gegen die Befehle des Militärgouvernements schuldig gemacht haben. Alles harmlose Fälle: Fehlen eines Passierscheines, Verstoß gegen die Sperrstunde usw. Ein Zahlreiches Publikum wohnt ihm bei. Seit Juli ist eine Gruppe des deutschen Justizdienstes autorisiert, seine Tätigkeit wieder aufzunehmen.
8) Polizei:
Die städtische Polizei genauso wie die deutsche Gendarmerie sind, nach der Entnazifizierung, seit Ende Mai 1945 wieder erneut zur Stelle.
9) Wirtschaft:
Großer Leerlauf. Die massiven Entnahmen an Waren der Fabrikane erlauben lediglich eine sehr kleine Produktion und die Industriellen (innerhalb des Rahmens, wo sie es können, sofern ihre Räumlichkeiten nicht durch die Truppe belegt sind) beschäftigen sich damit, das Material instand zu halten und die Inventare aufzustellen. Das Handwerk indessen beginnt innerhalb der Grenzen seiner Möglichkeiten nach und nach, aber die Rohstoffe, die blockiert sind, fehlen.
10) Versorgung:
Ist gesichert. Zusätzlich gibt es einige Lebensmittelvorräte. Nicht zu vergessen, daß der Kreis Tübingen vor allem landwirtschaftlich geprägt ist. Andererseits haben viele Bewohner Vorräte vor dem Ende der Feindseligkeiten angelegt. Die Kartoffelernte war besonders gut. Man ist immer noch in der Periode der halbfetten Kühe. Das Militärgouvernement stellt keinerlei Schwierigkeiten in dieser Hinsicht fest, es wird auch ein bißchen später keine derartigen geben.
11) Kulturelles Leben:
der neue Délégué des Kreises interessierte sich dafür insbesondere. Zwei örtliche Theatertruppen hatten begonnen, Vorstellungen in Tübingen zu geben. Musikkonzerte wurden gegeben. Die Tübinger Einwohner besuchten die Theater- und Konzertsäle mit großem Interesse. Romeo und Julia wurde unter freiem Himmel im mittelalterlichen Rahmen des Marktplatzes mit großem Erfolg gespielt.
12) Diverses:
Die erste sehr unpopuläre Maßnahme, die von der militärischen Autorität vorgeschrieben wurde, fand Ende Juni 1945 statt, sie fand auf Betreiben der Ortskommandanten hin statt. Sie bestand darin, daß jede deutsche Familie verpflichtet wurde, an die Okkupationsbehörden Kleidungsstücke in gutem Zustand abzuliefern: 1 komplette Jacke oder 1 Überzieher, 1 Paar Schuhe und Unterkleidung. Diese Kleidungsstücke mußten nach Frankreich geschickt werden und waren dazu vorgesehen, an Deportierte verteilt zu werden, die von anderswoher zurückkamen. Es ist kaum wahrscheinlich (und die Bestätigung dafür wurde später gegeben), daß die Franzosen für ihre persönlichen Bedürfnisse Kleidungsstücke akzeptieren würden, die einen sehr ordinären Schnitt hatten und die aus einer Region stammten, die nicht gerade wegen ihrer Eleganz reputiert war. Das örtliche Militärgouvernement hatte das vorausgesehen, aber drang in dieser Angelegenheit nicht durch.
13) Lage im September 1945:
Ein Rückblick des Délégué des Kreises auf die Entwicklung der Lage zwischen Mai und September erlaubt es, die wichtigen Ergebnisse, die bereits erreicht wurden, zu würdigen und das Kommende mit einem gewissen Optimismus anzugehen. Er nahm zuvorderst wahr, daß sein Kreis „Schwaben“ ist und daß seine Einwohner, wenn sie Deutsche sind (sicherlich!), nicht den militärischen Charakter des typischen Deutschen haben, so, wie er sich ihn vor seiner Ankunft in Tübingen gedacht hatte. Der Schwabe ist hörig gegenüber allen Behörden, (leider: welche auch immer es sein mögen!), er ist Arbeiter, friedfertig, leicht von Begriff, und all das ist beruhigend für den Délégué des Kreises! Der mußte feststellen, daß er unter seinen Bürgern keine der ganz großen Nazis traf, daß, sicherlich, es etwa zu tun geben wird, um alles wieder in Gang zu bringen (vor allem bei der Jugend), aber daß seine Arbeit insgesamt relativ leicht sein würde. Der Délégué bemerkt, daß er nie mehr eine Anspielung an Hitler oder an das Regime machte. Man hat den Eindruck, daß dioe Bevölkerung aus einem bösen Traum zu erwachen scheint und daß sie diesen Alptraum nie mehr heraufbeschwören will. Andererseits hat das Leben zum Teil wiederbegonnen. Man darf nicht etwa schließen, daß der Okkupant geliebt ist, aber er ist gerne toleriert. Ein Ende war den anfänglichen Anstrengungen gesetzt. Die Autorität des Délégué des Kreises hatte sich gefestigt, die französischen Militärs hatten begonnen, sie anzuerkennen. Die Einwohner, vor allem die auf dem Land, aßen genügend, die Versorgung der Städte hatte keine großen Probleme verursacht. Die Menschen begannen, sich wieder um ihre Sachen zu kümmern. Die „collaboration feminine“ war effektiv! Freilich, die Industrie ist praktisch im Schlaf, aber die Zukunft wird erlauben, sie wieder auf die Füße zu stellen. Das Problem der Unterkünfte, angesichts dessen, daß die französischen Familien noch nicht nachgekommen waren, stellte sich praktisch noch nicht. Die Rekrutierung von Zivilpersonal für den französischen Bedarf ging leicht vonstatten. Die zahlreichen Kliniken Tübingens funktionierten normal. Das Theater und das Kino hatten wiedereröffnet. Lokale Informationsbulletins zum Gebrauch der Öffentlichkeit erschienen unter der Kontrolle des Militärgouvernements. Die Truppen richteten sich in Militärkasernen ein und verließen nach und nach einige öffentliche und Private Immobilien. Die öffentliche Dienste nahmen nach und nach ihre Aktivitäten wieder auf: Kunstbauten waren repariert worden, Brücken wiederhergestellt und einige Eisenbahnlinien wurden wiedereröffnet. Der Postdienst funktionierte wieder. Die Telefonleitungen waren teilweise repariert. Man sah auf den Straßen wieder einige Lastwagen und auch insbesondere einige deutsche Autos fahren. Kein einziger Zwischenfall, den Deutsche prvoziert hätten, wurde gemeldet. Die Sperrstunde erschien nutzlos, sie sollte folglich Ende 1945 abgeschafft werden. Es gibt kein eigentliches Proletariat, der Fabrikarbeiter bearbeitet sein Feld und das ist gleichzeitig ein soziales Gleichgewicht und beruhigend.
Insgesamt konnte der Délégué des Kreises mit der in den fünf Monaten geleisteten Arbeit zufrieden sein und konnte der Zukunft mit einem gewissen Vertrauen entgegenblicken. Gleichwohl bereitete ihm das Heranrücken des Winters einige Sorgen.
2. Periode (September 1945 bis September 1946)
Délégué des Kreises: von September bis November 1945: Oberst der Sanitätstruppen Huchon, von November 1945 bis September 1946 Oberstleutnant Courtois.
Diese Periode beginnt mit der Einrichtung der Délégation Supérieure von Württemberg-Süd und deren Chef, Herrn Gouverneur Widmer mit Sitz in Tübingen und endet nach den ersten freien Wahlen seit 1933, sie waren ein erster wichtiger Test der öffentlichen deutschen Meinung.
Die Periode ist durch grundsätzliche Änderungen in der Organisation der französischen Verwaltung im besetzten Deutschland gekennzeichnet. Das hohe interallierte Kommando (SHAEF) verschwand und jeder der befehlshabenden Generalkommandanten wurde absoluter Herr in seiner Zone. Eine Reglementierung der französischen Verwaltung konkretisierte sich Tag für Tag. Diese Periode kennzeichnet auch das Ende des autarken Regimes des Délégué des Kreises. Dieser hatte von jetzt an einen Chef, von dem er die Direktiven erhielt, aber er wußte zum großen Vorteil von jetzt an, an welche Türe er klopfen mußte. Kurz gesagt, er würde Unterstützung haben (sera épaulé). Welches sind die Veränderungen in den Kompetenzen des Délégué des Kreises Tübingen nach der Einrichtung der Délégation Supérieure?
1) Die Funktion der Universität hing nicht länger von ihm ab (Nachfolge direkt beim Kabinett des Gouverneurs). Zu bemerken ist, daß die Wiedereröffnung offiziell am 15. Oktober 1945 stattfand.
2) Was die Denazifizierung anbetrifft, sollte er nur noch Zwischenträger sein, der Anweisungen zu geben hatte. Die Entscheidung ging ihn nichts mehr an.
3) Die Wirtschaftsangelegenheiten in Form einer strikt dirigierten Wirtschaft, entglitt ihm nach und nach praktisch vollständig.
4) Das Schnellgericht, welches zu seinem Ressort gehört hatte, ging vollständig in die Hände der Justiz-Sektion der Délégation Supérieure über.
5) Die Zensur der lokalen Presse entglitt seiner Zuständigkeit.
6) Die „Bons de réquisition“ mit Ausnahme jener, die Mobilien und Immobilien für den Bedarf der Besatzungsmacht angingen, gehörten nicht mehr in seine Zuständigkeit.
So bahnte sich nach und nach die zukünftige und wirkliche Stellung des Délégué des Kreises an, nämlich: eine politische Stellung par excellence, die eines Beobachters und Beraters, kurz, diejenige des Repräsentanten Frankreichs in seinem Kreis mit all den persönlichen Kontakten die davon herrühren.
Es ist festzuhalten, daß der Délégué des Kreises Tübingen seine Autorität umso mehr festigen konnte, da sein Sitz Tübingen auch derjenige des Gouverneurs des Landes war, dessen Präsenz gleichzeitig dazu tendierte, ihn teilweise in den Schatten zu stellen.
Die Kehrseite der Medaille sollte die Übernahme der französischen Verwaltung im Kreis sein (Unterkunft, Leistungen, Lebensmittelscheine etc.) die nach und nach schwerer und lästiger wurden, vor allem in der Stadt Tübingen.
Diese Periode kennzeichneten auch große Veränderungen im deutschen politischen Leben:
1) die Einrichtung eines deutschen Staatskommisariats durch daen Gouverneur, das für Südwürttemberg die Rolle eines veritablen Ministeriums spielen sollte, den Landräten vorgesetzt, analog zur Unterstellung des Délégué des Kreises unter den Délégué Supérieur. Sein Sitz wurde in Tübingen eingerichtet.
2) Die Bildung der vier großen politischen Parteien CDU, SPD, DVP, KPD.
3) Die Bildung der Gewerkschaften.
4) Die ersten demokratischen Wahlen seit 1933.
Bei der Bildung örtlicher Verbände der unterschiedlichen politischen Parteien genauso wie der Gewerkschaften kam dem Délégué des Kreises seine Rolle zu, vor allem zu beraten. Viel später sollte er zwangsläufig aussähen (das ist die Regel des demokratischen Spiels!).
Schauens wir uns nun die Entwicklung der Ereignisse innerhalb des Kreises Tübingen an. Zunächst der Wechsel des Délégué des Kreises: Der Oberstleutnant Courtois ersetzte den Obersten der Sanitätstruppen Huchon ab Anfang November 1945.
1) Deutsche Verwaltung:
Herr Renner war weiterhin Landrat zur völligen Zufriedenheit des Délégué des Kreises. Er verlangte, die Funktionen des Landrates nicht länger mit jenen des Oberbürgermeisters von Tübingen zu vereinigen (zusätzliche Arbeit) und im Januar 1946 wurde Herr Hartmeyer, Chef des Sozialamts, Freund von Renner und Dr. Schmid (der Staatskommissar ist, das waren seine Anfänge!), ein alter Demokrat, bestimmt, die Funktionen des Oberbürgermeisters bis zu den Kommunalwahlen, die am Ende des Jahres stattfinden sollten, auszuüben. Der deutsche Verwaltungsapparat im Kreis ist von Neuem fast vollständig vorhanden. Einige Bürgermeister sollten abgesetzt werden, aber das waren provisorische Maßnahmen, man mußte die Wahlen abwarten. In jeder Kommune wurden „Gemeinderatskomités“ bestimmt, um dem Bürgermeister beizustehen. Sie waren „Ersatz“ der Gemeinderäte vor dem allgemeinen Aufruf zur Stimmabgabe.
2) Politische Parteien:
sie organisierten sich, aber wurden durch die Apathie der Bevölkerung beeinträchtigt. Die Zahl Erwachsener in jeder der unterschiedlichen Parteien (außer den Kommunisten, in sehr schwacher Minderheit im Kreis, die aber nicht zögerten, ihre Beitrittserklärung abzugeben) war sehr schwach. Es ist zu bemerken, daß das Zaudern der Deutschen, sich bei einer politischen Partei einzuschreiben (ungeachtet ihrer Sympathie für eine unter ihnen) daran hängt, daß der bittere Beigeschmack, den das Wort „Partei“ bei ihnen hinterlassen hat, immer noch zu lebhaft ist. Politische Fragen interessieren sie nicht, und es wird schwierig für die unterschiedlichen Persönlichkeiten sein, diese stumpfe Masse aufzurütteln. Andererseits entwickeln sich die Schwaben politisch fast gar nicht und sie begeistern sich nicht in diesem Bereich, während der kommenden Jahre. Im Augenblick der Wahlen folgte die Mehrheit dem „Wort der Ordnung“ des Pastors oder Pfarrers.
3) Wirtschaft:
Die Fabriken arbeiten im Leerlauf, fast alle ausschließlich für die Bedürfnisse Frankreichs (Befehle der Militärbehörde und der unterschiedlichen Ministerien, vor allem jenes der Luftfahrt). Die Sägewerke sind unter absoluter Kontrolle der französischen Behörden. Das Abholzen der Wälder geht weiter, aber erreicht noch nicht das schnelle Tempo, das, viel später, so sehr die Sensibilität der deutschen Seele bewegte über all das, was ihre Wälder berührt. Kohle mangelt (es gibt keine für den häuslichen Bedarf und das wenige, was ankommt, ist für die Fabriken reserviert), die Rohstoffe mangeln. Die totale Schließung der Demarkationslinie mit der amerikanischen Zone ist ein großes Hindernis für die Entwicklung der örtlichen Industrien. Vor allem organisiert es heimliche Pfade, welche vor allem das Handwerk begünstigen. Die Industriellen, unter der Kontrolle französischer Dienststellen der „Production industrielle“ versuchen, im sogenannten Kompensationsmarkt zu handeln, vor allem mit der amerikanischen Zone: „Schicken Sie mir (von München oder Stuttgart) Wolle oder Altkleider und ich werde ihnen Unterhosen, Pullover oder Elektromotoren liefern“. Das ist die Epoche der Wirtschaft der kleinen Woche, die nicht lange dauern konnte. Während dieser Periode (etwa Juni bis Juli 1946) hatte die französische Regierung entschieden, aus seiner Zone für den eigenen Profit Industrieausstattung unter dem Titel der „Reparationen“ zu entnehmen, gewisse Demontagen von Maschinen fanden in einigen Fabriken statt. Diese Demontagen (obgleich nicht sehend das äußerst moderne Material) beeinflußten das ökonomische Potential des Kreises nicht über die Maße. Die Deutschen, die wußten, daß diese Maßnahme einseitig war (sie wurde nicht in der amerikanischen und englischen Zone angewandt), reagierten trotzdem nicht besonders. Das war die zweite Operation der Entnahme von Maschinen (nach jener, welche die Militärbehörden, beschrieben während der vorhergehenden Periode, vorgenommen hatten) die ausgeführt wurde. Die Arbeit der wirtschaftlichen Entnazifizierung ist langsam und erwies sich als schwierig. Das „Officomex (Office de Commerce Extérieur)“ wurde eingerichtet.
4) Gewerkschaften:
ihre Entstehung war schwierig, aber sie organisierten sich nach und nach, und die Zahl der Mitglieder stieg an. Sie hatten die Tendenz, kommunistischem Einfluß zu verfallen, ungeachtet der geringen Gunst, welche die marxistischen Ideen bei den Mitgliedern fanden, aber das erklärt sich durch die Dynamik der Gewerkschaftsführer. Man muß indessen ehrlicherweise bemerken, daß die Forderungen der Gewerkschaften einzig korporativer und materieller Art waren.
5) Vereinigungen:
Die Genehmigungen zur Bildung von Vereinigungen gehörten nicht mehr zum Aufgabenbereich des Délégué des Kreises, der, indessen, seine Ansicht über das Für und Wider ihrer Gründung mitteilte. Die Bewegungen der Jugend und des Sports fielen unter die Zuständigkeit spezieller Funktionäre und wurden vom Délégué nur noch beaufsichtigt. Nach einem schwierigen Beginn, traten die Schwaben, vor allem die jungen, nach und nach zahlreicher den Vereinigungen bei, die ihnen gestatteten, sich in Gruppen zu bewegen. Diese waren zum Großteil religiöser Art (evangelisch und katholisch).
6) Deplazierte:
die originären Russen (insgesamt und häufig ohne Zwang) und ein sehr großer Teil der Polen, genauso wie viele die anderen Nationalitäten angehörten, hatten ihr Vaterland wiederaufgesucht. Ein Zustrom von Balten (Letten, Litauer, Esten), die anscheinend die Weisung erhalten hatten, sich in Tübingen zu konzentrieren, stürzten auf diese Stadt ein (vermutlich wegen der Universität. (s’abat sur cette ville). Der Zahl der DPs pendelte sich bei etwa 1400 (davon 530 Studenten) ein. Etwa 2/3 waren Balten. Die UNRRA nahm sich ihrer an, ebenso der Service der DP. Die Balten paßten sich schnell dem deutschen Leben an (übrigens waren viele von ihnen während des Krieges freiwillig nach Deutschland gekommen).
7) Öffentliche Bildung:
Alle Schulen sind wiedereröffnet. Die „Controle de l’Enseignement“ wurde von einem Spezialisten ausgeübt, den der Délégué des Kreises ausgesandt hatte. Er leistete gute Arbeit. Die Einrichtung neuer Lehrpläne ist schwierig. Die Lehrerschaft machte sich mit großer Gefälligkeit an diese Aufgabe. Andererseits waren große Schnitte im Namen der Entnazifizierung erfolgt (viele der Fälle sollten später revidiert werden) und man mußte einen neue Lehrerschaft erzeugen, nach einer Bildung in den neuen Grundschulen, von demokratischer Gesinnung.
8) Zwei große Probleme beschäftigten den Délégué (Periode2 ):
a) die Versorgung, b) die Requsition von Unterkünften. Sie beschäftigten auch die Bevölkerung sehr stark, die eine Tendenz dazu hatte, nicht alles zu sehen, außer dem was ihren Bauch und ihre Wohnungen anging.
a) Versorgung
Ein sehr strikter Rationierungsplan, den die zuständigen französischen Behörden (die aus der Umgebung des Kreisdelegierten einen Kontrolleur der Landwirtschaft und der Versorgung abstellten) aufgestellt hatten, wurde den Deutschen auferlegt.
Die Verpflegungsrationen schwankten während dieser Periode um etwa 1000 Kalorien (die Bauern, die immer zu essen haben, sind in diese Betrachtung nicht einbezogen).
Es ist sicher, daß dies nicht ausreicht und die Beschäftigung aller ist es, sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Das ist eine wahre Jagd nach letzteren, besonders nach Fettstoffen (von denen man keine Spur mehr sieht), die stattfindet.
Man kann sagen, daß die Periode von Mai 1945 bis September 1946 durch das Verschwinden der Fettstoffe gekennzeichnet ist!
Das System der Tauschwirtschaft bei den Bauern (die kein Geld mehr wollen) etabliert sich.
Der Schwarzmarkt etabliert sich und wächst!
Der Kreisdelegierte kann nicht viel tun, außer daß er die Augen schließt vor einigem Handel in kleinem Maßstab für familiäre Bedürfnisse.
Er hat, assistiert durch seinen Spezialisten, die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die übergeordneten Vorschriften hinsichtlich der nötigen Abgaben für die Versorgung der Okkupationstruppen und der Zivilbevölkerung befolgt werden. Diese Rolle, häufig undankbar, wird er vollenden, denn von den Lieferungen hängt die Versorgung ab, die, wenn sie nicht sichergestellt ist, soziale Unruhen verursachen kann, die er vermeiden will.
b) Requisitionen
Das ist das zweite Problem, das dem Kreisgouverneur häufig Schlafstörungen verursachen wird und das ihn während der folgenden Jahre weiterhin heimsuchen („empoisonner“) wird.
Die Behörden der Délégation Supérieure und Anhang werden immer zahlreicher und die französischen Familien kommen mit verstärktem Tempo an!
Man muß Räume für die Büros, die Wohnungen (etwa 3000 Franzosen) mit allem Material an Möbeln, Wäsche, Geschirr, etc. finden…
Man muß auch Rechnung tragen:
a) den Bedürfnissen für die Einrichtung des deutschen Staatskommissariats (Büros, Wohnungen…)
b) der Tatsache, daß die Wohnungen der Universitätsprofessoren vor allen Requisitionen geschützt sind (Instruktionen des Commandant en Chef).
Das ist ein wirklicher Totschläger („casse-tête“)!
Die Franzosen sind häufig anspruchsvoll und drängend!
Es sind massive Requisitionen durchgeführt worden (Immobilien und Mobilien), die, in einer kleinen Stadt wie Tübingen, eine erhebliche Verstörung bringen, deren Effekte in den kommenden Jahren nicht aufhören sollten.
Auf den Kreisdelegierten sind Proteste und Demarchen sowohl von Behörden wie von Einzelpersonen eingestürmt.
Er hat natürlich die Pflicht, an seine Mitbürger zu denken, aber er kann in seinem Innersten nicht verhindern, zu bedauern, daß diese Maßnahmen teilweise seine Mission hinsichtlich der Bevölkerung paralysieren.
Ein „Bureau Francais“ (unterteilt in verschiedene Sektionen: Wohnung – Bezugsscheine – Heizung – Lieferungen – Requistionen) wurde unter der Leitung des Kreisdelegierten eingerichtet.
9) Wahlen vom September 1946:
Schließlich fanden die ersten freien Wahlen statt. (Deren sehr demokratische Regeln warem vom befehlshabenden Generalkommandanten festgelegt worden). Die Einrichtung der Wahllisten fand sehr regelmäßig statt. Überhaupt fand alles sehr regelmäßig ohne Zwischenfall statt. Das ist ein sehr wichtiges Ereignis für die hohen französischen Verwaltungsbehörden und für den Kreisdelegierten. Es ist keines für die Deutschen! Einige Leiter von örtlichen Kommitees unterschiedlicher politischer Parteien hatten sich schön eingesetzt! Nichts bewegte die Gleichgültigkeit der Wähler die ohne große Überzeugung zur Urne gingen, und von denen ein guter Teil treuherziger dem Machtwort des Pastors und des Priesters in der Wahl seiner Stimme folgte. Es handelte sich um Wahlen der Gemeinderäte, der Kreisräte und der Bürgermeister. Ergebnis? Schwaben bleibt Schwaben (so, wie es der Kreisdelegierte sehr genau von Mai bis Juni 1945 kennengelernt hat). Es wählte in seiner sehr großen Mehrheit ”modéré”, gemäßigt. Und mehr noch (das ist ein sehr großer Sieg für das Kreisgouvernement) es bestätigte zu mehr als zwei Dritteln die Bürgermeister, die vom Kreisdelegierten persönlich eingesetzt worden waren. In Tübingen erzielte Oberbürgermeister Hartmeyer (SPD) einen persönlichen Erfolg, indem er das Vertrauen seiner Mitbürger erreichte, trotz der Farbe seines politischen Etiketts und im Gegensatz zu den sehr moderaten Ideen der Mehrheit. Das ist ein wirklicher Erfolg des Kreisgouvernements, das eine nicht feindliche Einstellung gegenüber der Okkupation verrät. Es gab viel große Befürchtungen um den Erfolg jener, die sich mit den Franzosen ”mouillés”, eingelassen hatten und sie wurden zum Großteil von der Bevölkerung gewählt! Tatsächlich, das ist leicht zu behandeln (zu leicht könnte man sagen, denn darin liegt die Gefahr der Zukunft).
Stand der Verfassung der Bevölkerung:
Was denkt der Einheimische, der Bewohner des Kreises, während dieser Periode? Man muß es sagen: er denkt nichts Großes. Er ist immer noch (ahuri), beginnt aber, die Konsequenzen der Niederlage zu realisieren. Sicherlich, der Alptraum des Krieges ist vorbei, aber er versteht nach und nach den Umfang des Desasters, in das ihn die Führer des 3. Reiches geleitet haben. Der Nürnberger Prozess, der jene verurteilt hat, wurde unterschiedlich eingeschätzt. Die amerikanischen Illustrierten schockierten sie, indem sie alle Details der letzten Momente der Verurteilten (mit Fotos) gaben. Der Selbstmord von Goering (das verzogene Kind der Deutschen), mit dem er vor der (pendaison) entkam, erregte bei der sehr großen Mehrheit kein Mißfallen. Die Verurteilung der Militärs erschien ihnen als Ungerechtigkeit. Die Deutschen denken an ihre Kriegsgefangenen, die noch immer in Gefangenschaft gehalten werden. Jedoch ist ihr beherrschender Gedanke jener der Ernährung und es gibt keine Gemeinheit, vor der sie zurückschrecken, um sich damit zu versorgen. Den Männern fehlt der Tabak (der Zigaretten – Schwarzmarkt ist sehr aktiv). Man gefällt sich darin, Parallelen mit dem Leben in der amerikanischen Zone zu ziehen. Einige würden es vorziehen, andere nicht. Es zirkulieren Gerüchte über einen Austausch zwischen dem amerikanischen Nord-Baden und dem französischen Süd-Württemberg. Die absolute Schließung der Demarkationslinie stört sie sehr. Trotz allem hat das Leben wiederbegonnen, sicherlich in Zeitlupe, aber es hat wiederbegonnen und viele schätzen sich glücklich, daß sie besser davonkamen wie sie geglaubt hatten. Die behandelte Periode ist die der ”vaches maigres”, der mageren Kühe. Was bringt uns die Zukunft? hört man sagen. Keinerlei Interesse für die Politik ist der vorherrschende Charakterzug. Im lokalen Raum ist das Ableben der Ex-Königin von Württemberg im Schloß von Bebenhausen, wo sie seit langem zurückgezogen lebte, zu vermerken. Sie war von der Bevölkerung, die traditionellerweise mit ihren Fürsten sehr verbunden war, geschätzt worden, sie galt als ”grande dame”. Jedenfalls geschieht ihr Verschwinden in diesem Moment insgesamt unbemerkt. Wie reagiert der Besetzte gegenüber dem Besetzer? Ein einzelner Vorfall in Tübingen: Eine Affäre (de vols) der französischen Flagge, nicht sehr deutlich etabliert, wird vom Kreisgouverneur heftig sanktioniert, indem er die Garde durch Ex-SS vorschreibt, an 15 aufeinanderfolgenden Tagen, im Zentrum der Stadt, zum französischen Nationalpavillon. Die Bevölkerung äußert keinerlei Protest. Der normale Deutsche hat sehr gut die (exactions du début) der Besatzung eingesehen (”c´est la guerre”), aber bestimmte Gewalttaten (etwa jene, welche Truppen gegenüber dem Bürgermeister von Dußlingen ausgeübt haben) werden sehr ungünstig kommentiert. Der normale Deutsche ”Allemand moyen” ist eifersüchtig sowie hinsichtlich des Lebenslaufs (besonders was die Nahrung betrifft) wie…. Seine Gefühle äußern sich besonders gegenüber den Frauen! ”Ach, wenn die französischen Familien nicht gekommen wären, wäre alles viel leichter” ist das vielgehörte Echo. (Herr Bischof Sproll selbst sollte dies viel später dem Kreisdelegierten sagen). Zusammengfaßt: die Okkupation beginnt zu drücken! Die Deutschen denken in dieser Epoche, daß Frankreich als ein erschöpftes Land, sei jedoch gut dran und könne vom Sieg der Angelsachsen profitieren. (Es wird nie von den Russen gesprochen, vor denen man sich fürchtet. Man darf nicht vergessen, daß fast alle ehemaligen deutschen Soldaten an der Ostfront gekämpft hatten und keineswegs enthusiastisch über die russische Zivilisation zurückgekehrt sind). Jedoch hat General de Gaulle in diesem Moment eine starke Seite. Sein Ausscheiden aus der französischen Regierung wird als Katastrophe gewertet (sie änderten ihre Meinung viel später). Viele denken, daß Frankreich sich in seiner Zone für den Schaden entschädigt, den es durch die deutsche Okkupation erlitten hat. Man muß sagen, daß sich die französische Presse der Zeit nicht besonders (disposés) über Deutschland, und ihre Sorgen sind nicht völlig ungerechtfertigt. Die Deutschen, die uns anfangs am meisten zugetan waren, sind enttäuscht. Sie erwarten sich ökonomisches Heil von den Amerikanern (die sie in anderer Hinsicht kritisieren). Jede Familie ist auf der Suche nach einem Onkel oder nach einem Cousin, der in der Schweiz oder in den Vereinigten Staaten lebt, von dem man Pakete erhalten kann. Die französische Kultur ist deshalb von einer Elite geschätzt. Während 12 Jahren völliger Isolation… Aber für die sehr große Mehrheit ist alles, was wichtig ist, zu wissen, wie man essen wird und wie man wohnen wird! Insgesamt präsentiert sich die Situation für den Kreisdelegierten im September 1946 weniger günstig als zuvor. Er muß für die Aufrechterhaltung des französischen Prestiges kämpfen und angesichts der administrativen Mittel, die ihm genommen wurden, konnte er dies nur durch seinen persönlichen Einsatz tun. Zusätzlich stand ein neuer Winter vor der Tür, der sich ziemlich dunkel angekündigt hat.
3. Periode
Délégué du Cercle: Oktober 1946 – Juli 1947: Oberstleutnant Courtois; August 1947 – Juni 1948: Oberst Brochu.
Die französische Verwaltungsmaschinierie ist (rodée). Sie wird völlig effektiv funktionieren. Alle Dienste und Kontrollen sind eingerichtet und der Kreisdelegierte hat von mal zu mal weniger administrative Gewalt in seinen Händen. Er hält sich selbstverständlich auf dem Laufenden, erhält eine Dokumentation über die Tätigkeit der unterschiedlichen Dienste, und er hat immer wieder Kontakt zu deren Funktionären. Trotz allem bleibt er der Meister in seinem Kreis und behält die schönste und nobelste Rolle: Der Repräsentant Frankreichs. Die Deutschen wissen das und kommen ihn sehen. Er hört zu, er beobachtet, was in seinem Kreis passiert und er informiert seinen Chef: den Gouverneur des Landes. Dieser hält ihn im Verlauf periodischer Treffen über die Situation auf dem Laufenden und gibt ihm seine Anweisungen. Das sind der Einfluß und das persönliche Prestige des Delegierten, die sich als Vorherrschaften erweisen um die sich stellenden Fragen aufs Beste zu regeln. Sein normaler Gesprächspartner? Das ist der Landrat und das sind dessen Berichte von dem zum großen Teil der Erfolg seiner zugeteilten Mission abhängt. Der Kreisdelegierte nimmt an Treffen der Bürgermeister teil, und zeigt bei den Versammlungen des Stadt-rats und Kreistags Präsenz. Dank seiner ausreichenden Kenntnisse des Deutschen, richtet der neue Kreisdelegierte bei jeder dieser Gelegenheiten einige Worte in der Sprache an sein Auditorium. Er macht sich bekannt, beginnt einige Persönlichkeiten an seinem Tisch zu empfangen. Er bietet Cocktails an. Er befaßt sich damit, eine günstige Stimmung für die Interessen seines Landes zu erzeugen und man kann sagen, daß es ihm gelohnt wird. Es finden fast herzliche Treffen zwischen ihm und seinem Landrat statt, der ihn auf dem Laufenden hält (das wird sehr … am Vorabend des Tages des Generalstreiks, ausgelöst von den Gewerkschaften als Protest gegen die Demontagen). Der Kreisdelegierte fährt in die Orte, pludert mit den Bürgermeistern und einigen lokalen Persönlichkeiten. Er begibt sich in die Fabriken, sieht ihre Leiter, die er auch zu sich einlädt. Dies ist die schöne Seite der Frage, aber es gibt für den Delegierten des Kreises Tübingen eine sehr unangenehme Kehrseite: das ist jene der Requisitionen (Wohnungen und Immobilien) für die französischen Bedürfnisse, und (impositions alimentaires de toute nature). Wir lassen nun nacheinander die wichtigsten Ereignisse, die während dieser Periode stattfanden, die sich fast über zwei Jahre erstreckt, Revue passieren: I) Ereignisse genereller Art; II) Ereignisse lokaler Art.
I)
1. Interalliierte Konferenzen in Moskau (Anfang 1947) und London (Ende 1947), die eine totale Trennung der Ostzone von den westlichen Zonen festschrieben.
2. Die Schaffung der Bizone, die französische Zone fuhr fort, isoliert verwaltet zu werden.
3. Die Affäre der Demontagen von industrieller Ausrüstung (Ausführung interalliierter Vorschriften, gemäß den Übereinkünften von Jalta), die sehr große Emotionen hervorrufen sollte, die nicht nur die französische Zone betrifft.
4. Die Saaraffäre (ökonomische Angliederung an Frankreich) und die Ruhraffäre (Besitz der Minen).
5. Die Frage der Abholzungen, die, verstärkt durch eine Flüsterpropaganda, das in dieser Hinsicht sensible Empfinden jedes Deutschen traf.
6. Die Ausnützung (durch die Presse, vor allem) des Betrages der Okkupationssteuern, die in der französischen Zone fast 70 Prozent der Einkünfte der Länder erreichten.
Zusätzlich verschärften sich die Schwierigkeiten der Existenz mit unnormal niedrigen Löhnen (der Schwarzmarkt war König), zwei besonders schweren Wintern (vor allem jener von 1946/47) infolge von strikten Rationierungen und Mangel an Kohle, wovon Groll und Eifersucht gegen den Okkupanten entstanden.
II. Lokale Ereignisse
Was geschah auf lokaler Ebene?
Natürlich beeinflußten die generellen Ereignisse das örtliche Leben, aber es kamen andere Faktoren sekundärer Art auf Kreisebene hinzu. Untersuchen wir nacheinander die unterschiedlichen Bereiche der Aktivitäten innerhalb des Kreises Tübingen.
1. Verwaltungsangelegenheiten.
Der Landrat ZAHR erwies sich gegenüber dem Kreisgelegierten als sehr loyal.
Er ist sicherlich ein bißchen üppig (er liebt es, gut zu leben), aber er ist intelligent, und, obwohl kein Schwabe, hat er seine Bürgermeister gut in der Hand und es fanden ausgezeichnete Gespräche zwischen ihm und dem Kreisdelegierten statt.
Sehr demokratisch von seiner Gesinnung her (SPD), dabei ganz deutsch bleibend (man kann es ihm nicht vorwerfen) ist er sehr verständnisvoll und gab dem Delegierten manche manifeste Beweise perfekter Kollaboration. Er verteidigt, und das ist normal, die Interessen seiner Bürger, aber er ist nicht eigensinnig und es gibt immer die Möglichkeit, sich mit ihm zu unterhalten.
Er hat einen exzellenten Vertreter, Dr. Heuer, jung, sehr verwaltungsmäßig, aber intelligent, und es gibt keinerlei Schwierigkeit zwischen ihm und dem Kreisdelegierten.
Das Personal des Landratsamtes gibt keinerlei Anlaß zu einer Bemerkung (es gibt darin eine gewisse Anzahl von ehemaligen Wehrmachtsoffizieren: keinerlei Ärger).
Der Tübinger Oberbürgermeister, Herr Hartmeyer, ein alter Demokrat (SPD), erfüllt seine Funktionen zur Zufriedenheit des Delegierten.
Vielleicht hat er, ungeachtet seiner sehr hochentwickelten sozialen Gesinnung (er tat für die Stadt Tübingen in dieser Hinsicht sehr viel), eine zu offensichtliche Tendenz, seinen persönlichen Komfort nicht zu vergessen (er sollte es später bezahlen!).
Die Bürgermeister der Kommunen (von denen einige frisch gewählt waren, bei denen sich in der Folge einige Schwierigkeiten wegen ihrer Unerfahrenheit ergaben) geben zu keinerlei besonderer Bemerkung Anlaß.
Der Kreisdelegierte lernt bei den Treffen mit ihnen, und eine Welle des Verständnisses und mehr der Sympathie stellt sich zwischen beiden ein.
2. Politisches Leben
Markantea Faktum ist, daß kein einziger politischer Mensch von Format aus der Menge jener auftaucht, die sowohl in den lokalen Kommitees als Leiter unterschiedlicher Parteien wie auch in unterschiedlichen Kreis- oder Kommunversammlungen erscheinen.
Auf der Stufe Kreis (man darf nicht vergessen, daß die Stadt Tübingen selbst Sitz einer Universität und der deutschen Regierung für Württemberg-Hohenzollern ist, wobei die Bildung der Mitglieder, die sie bilden, nicht in den Bereich dieses Berichtes gehören), ”ce sont de tout petits politiciens!”
Derjenige, der den größten Ehrgeiz zu haben scheint ist ZEEB (50 jahre), örtlicher Führer der kommunistischen Partei, Tübinger Kind, ehemaliger Polizeibeamter, Abgeordneter im Stadt- und Kreisrat, der es, durch seine familiären und persönlichen Beziehungen und seine Gewandtheit, versteht, um sich einen Kreis treuer Wähler zu schaffen. Diese geben ihm ihre Unterstützung mehr, weil er einer von ihnen ist als wegen des politischen Etiketts, für das er steht.
Danach kommt ERBE (DVP, 60 Jahre), Optiker, an der Spitze eines bedeutenden lokalen Unternehmens, ebenfalls Kind des Landes, der das Vertrauen einer großen Mehrheit seiner Mitbürger hat, weil er Repräsentant einer ”moderaten” Partei ist (die die Mehrheit in Tübingen hat) und der bekannt ist für seine Redlichkeit und Zähigkeit bei der Verteidigung der Interessen der Stadt Tübingen.
Der ganze Rest (im Allgemeinen brave Leute) ”n´e pas grande valeur”.
Herr Renner (schon genannt) hat die Grenzen des Kreises verlassen, um den Posten des Innenministers in der Regierung von Württemberg-Hohenzollern zu übernehmen.
Hinsichtlich Herrn C. Schmid (der später einen sehr viel beachteteren Posten einnehmen sollte, als Vizepräsident der SPD von Westdeutschland und der noch immer viel höher strebt: Kanzler oder Präsident der BRD?) ist es lange her, daß er sich herabließ, sich mit lokalen Fragen des Kreises Tübingen zu befassen (wo er weiterhin seinen Sitz an der Universität beibehält).
Die unterschiedlichen politischen Parteien zeigen überdies wenig Aktivitäten (die KPD alleine bewegt sich ein wenig).
Die Anzahl der Zuhörer bei jeder der unterschiedlichen politischen Versammlungen ist winzig klein (mit Ausnahme einiger, die Leute wie C. Schmid oder solche, die von außen kamen, abhielten).
Schwaben bleibt indifferent. Wir werden sehen, daß sie andere Sorgen materieller Art mehr beanspruchten.
Das einzige politische Ereignis, das interessiert, um den Verlauf dieser Periode zu unterstreichen, sind die Abgeordnetenwahlen zum Landtag (Württemberg-Hohenzollern).
Sie änderten in keiner Weise die politische Karte des Kreises, so, wie sie nach den Wahlen vom September 1946 gezogen war.
Die Partei DVP, die die Unterstützung von Industriellen hat, erzielte einen ähnlich großen Erfolg in Tübingen.
Die CDU verlor einige Stimmen zugunsten der DVP, bleibt aber trotzdem Sieger.
Der Kreis behält sein moderates Etikett (der Einfluß der konfessionellen Führer bleibt stark).
3. Gewerkschaften
Sie prosperieren im Kreis Tübingen (fast 5000 Mitglieder bei einer Gesamtzahl von 20000 Arbeitern).
Das Hauptthema der Gewerkschaften ist nicht politischer Art, sondern, vor allem, professioneller Art (materielle Entlohnung vor allem).
Betriebsausschüsse haben sich wohl konstituiert, aber der Chef (patron) bewahrt seine ganze Autorität.
Der „Schwabe“ ist noch nicht reif für Veränderungen der Sozialordnung!
4. Verbände (Vereine)
Nach und nach, den übergeordneten Vorschriften entsprechend, ist das Verbands- (Vereins-) Recht immer weniger einschränkend.
Der Kreisdelegierte wird sicherlich bei künftigen Neugründungen von Verbänden (Vereinen) auf dem Laufenden gehalten werden, ( sie sind zahlreich und zeigen in allen Bereichen einen sehr germanischen Hang, sich in Gruppen zusammen zu schließen) aber er wird dabei nur noch eine beratende, sich mehr und mehr reduzierende Funktion einnehmen.
Trotzdem wird er sie, im Rahmen des Möglichen, überwachen müssen.
5. Öffentliche Bildung:
Die Schulen funktionieren normal.
Die Säuberung der Lehrerschaft, bei den zahlreichen Wiederaufnahmen in die Anstellung ???? ( Revision der am Anfang ein wenig zu eilig beurteilten Fälle), ist langsam.
Im Ganzen läuft alles gut.
Vesper und Verteilung von Vitaminen, auf Betreiben der deutschen Behörden, sind in den Schule organisiert.
Was den Delegierten erstaunt, ist, daß der deutsche Unterricht viel weniger mühselig ist, als der den französischen Schülern auferlegte ( weniger Schulstunden, besser aufgeteilte Ferien…) Es ist ein Kompromiß (Vermittlungsformel, wörtl.) zwischen der vielleicht ein wenig zu liberalen angelsächsischen Erziehung und der französischen, dem Halb- Intelektuellen nahekommend.
Alle schulischen Bereiche wurden den deutschen Behörden wieder unterstellt: der Kreisdelegierte war gezwungen sich mit den Militärbehörden herumzuschlagen, um definitiv die (Schulen, d.Üs.) der Gemeinden Dußlingen, Kirchentellinsfurt und Mössingen freizumachen, die, obwohl nicht mehr besetzt, weiterhin für militärische Ziele (?) requiriert waren.
Allein die landwirtschaftlche Schule von Rottenburg, die in eine Kaserne umgewandelt wurde ( abkommandiertes Schwadron (escadron, d.Üs.) der 12ten (Panzer- ,d.Üs.) Kürasiere in Tübingen) blieb weiterhin besetzt ( sie ist es noch Ende 1949).
Der Kontrolleur des Erziehungswesens, abkommandiert beim Kreisdelegierten, verichtete seine Arbeit mit Gewissenhaftigkeit.
Keinerlei Schwierigkeit von dieser Seite.
Die Universität Tübingen funktioniert mit voller Leistung (4000 Studenten, aus allen Ecken Deutschlands kommend, und deren materielle Existenz besonders (auch: im einzelnen, d.Üs.)) schwierig ist).
6. Verschleppte Personen (P.D.R.):
Keine besonderen Sorgen seitens des Kreisdelegierten auf diesem Gebiet.
L’UNRRA ist zum 1.Juli 1947 aufgelöst, aber das Leben der P.D.R (ungefähr 900 im Kreis Tübingen, von denen die Hälfte baltischer Herkunft ist und zu einem Drittel Studenten) gibt zu keiner Schwierigkeit Veranlassung.
Ihre Unterkunft ist gesichert, ihr Lebensunterhalt ebenso.
Angesichts ihrer Verpflichtung zur Arbeit wird sicherlich einiges in Bewegung gebracht. (nachprüfen!!)
Abfahrten ins Ausland werden organisiert.
Ein Beauftragter, durch den Kreisdelegierten überwacht, erfüllt seine Aufgabe zum Besten.
7. Konfessionelle Angelegenheiten:
Der Delegierte stellt einigen Widerstand gegen den Bischof von Rottenburg fest.
Seine Exzellenz Sproll (tabu, weil widerständig) trägt keine Unterstützung bei (eher das Gegenteil), die Aufgabe des Delegierten zu erleichtern.
Diese Schwierigkeiten zeigen sich besonders deutlich in Rottenburg, der Hochburg (Bereich d.Üs.) des Bischofs, wo die Requisitionsverpflichtungen (im Besonderen für die Unterkunft des Personals der Abrüstungskommission, die soeben dorthin verlegt wurde) die Einwohner beeinträchtigen, die beim Bischof (ihrem Über- Bürgermeister) ein aufmerksames Ohr finden, um sich über den Besatzer zu beklagen.
Der Delegierte (der einen gewichtigen Trumpf in seinen Händen hält, im Anschluß an seine persönliche, von Erfolg gekrönte Intervention zum Schutz der Stadt durch die Bemühungen der Militärbehörden während der Zerstörung einer unterirdischen Fabrik in unmittelbarer Nähe der Stadt) hat mehrere Gespräche mit dem Bischof, einem starrköpfigen Greis, schwierig im Umgang, geführt. (er entschlummerte (starb) Anfang 1949.
8. Wirtschaft:
Die „Production industrielle“ in Baden- Baden dirigiert sie gänzlich.
Die Industriellen beklagen sich über:
– Energiemangel (Kohle, Strom)
– Mangel an Facharbeitern (infolge der Verluste im Krieg)
– Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Rohstoffen
Die Fabriken laufen im großen und ganzen nur an drei bis vier Wochentagen, (weiterhin sehen wir, daß trotz allem sich die Vorräte der Händler, in Erwartung der Währungsreform, stapeln).
Die Löhne sind niedrig.
Die Säuberung der Wirtschaft kommt, wenn auch langsam, voran.
Der Handel stagniert ( mit Ausnahme einiger kontingentierter Produkte findet man nichts!). Die Geschäfte sind fast leer!
Seit Mitte 1947 spricht man mit immer größerem Nachdruck von der Währungsreform. Auch will niemand mehr bei mmer größer werdender Geldentwertung verkaufen.
Das ist die Zeit Schwarzmarktes und des Tauschhandels!
9. Kulturelles Leben:
Es ist vollkommen wieder in Gang gekommen und erfährt einen Aufschwung, den es vor der Besatzung nicht hatte.
Eine sehr gute städtische (Schauspiel-) Truppe spielt qualitativ gute Stücke (Goethe- Shakespeare- Sartres).
Konzerte ziehen ein zahlreiches Publikum an.
Auch die französischen Veranstaltungen sind sehr nennenswert und anspruchsvolle Schauspiele (Veranstaltungen d.Üs.) wie das Ballett der Champs Elysées oder wertvolle Filme (Die Schöne und das Tier)werden von einem zahlreichen Publikum verfolgt ( dabei ist nicht zu vergessen, daß Tübingen eine Universitätsstadt ist, und die intellektuelle Elite zahlreich.
Ein Dokumentationszentrum (Büro für französische Propaganda) wurde geschaffen. Es steht unter deutscher Verwaltung, überwacht durch den Kreisdelegierten, aber es wird in Tübingen etwa wie ein Hätschelkind des Chefs des Informationsdienstes der Délégation Supérieure angesehen.
Es verzeichnet einen gewissen Erfolg aber die finanziellen Schwierigkeiten werden seine teilweise Liquidation im Laufe des Jahres 1949 erfordern.
Kunstausstellungen (Malerei, Skulptur, leuchten hervor ? reluire), um die französische Kunst bekannt zu machen wurden organisiert und erreichte stets einen Besucherkreis, neugierig und günstig beeindruckt.
10. Die Versorgung:
Der Kreisdelegierte ist nicht der Herr („le Maître“)
Er ist durch eine sehr strenge Reglementierung gebunden.
Allemal verbessert sie sich mit der Zeit, aber die Anzahl der Kalorien ist immer noch dürftig. Diese schwankt zwischen 1000 und 1400 (das ist noch ungenügend. Die Schneider machen die Kleidung in der Weite enger!)
Fettstoffe und Zucker fehlen am meisten.
Will man überleben, muß man sich zu helfen wissen!
In Tübingen können zum Winteranfang die Kartoffeln verteilt werden (der Chef des „Stadternährungsamtes“, der städtischen Lebenmittelversorgung, Herr Mayer zeigt sich sehr tatkräftig und erzielt gute Erfolge).
Noch nicht gesprochen wurde von dem Bauern, der sich leicht ernähren kann und bei dem sich in den Schränken alle Art von Produkten stapeln (Silbergeschirr, Leinen etc…), die der Städter ihm zum Tausch für ein Stück Speck oder für etwas Gemüse herbeibringt.
11. Zwei große Sorgen hörten nicht auf, den Kreisdelegierten während der geschilderten Zeitspanne zu bedrücken.
Das sind:
11.1. zum einen die Durchführung des Abgabenplanes (plan d‘ imposition) für die Versorgungsbedürfnisse (französische Verwaltung und Zivilbevölkerung)
11.2. zum anderen die Fortsetzung der Requisitionen von Immobilien und Mobilien für die Bedürfnisse jener Franzosen, die in die Zuständigkeit des Kreises fallen (vor allem in Tübingen und Rottenburg).
11.1. Besteuerungen:
Das ist fast ein täglicher Kampf, bei dem sich der Kreisdelegierte voll und ganz einsetzten muß, um zum Ziele zu kommen.
Der Plan ist rigide und trägt häufig den lokalen Zufälligkeiten (aber auch Quoten d.Ü.) und Schwierigkeiten nicht Rechnung, schuldig sind, sicherlich, zum Teil, die Stumpfheit der Bauern, aber auch andere Gründe wie die Trockenheit oder der zu reichliche Regen.
Das eine Mal handelt es sich um die Milch, ein anderes Mal um das Fleisch, danach dreht es sich um die Eier, das Heu etc. etc…..- Das endet niemals!
Es ist eine undankbare und lästige Aufgabe.
11.2. Requisitionen:
Das Problem wurde schon einmal im Verlaufe dieser Studie für die vorangegangene Periode erläutert. Es wird kein Ende nehmen.
Tübingen wurde plötzlich in den Rang einer Hauptstadt von Württemberg- Hohenzollern erhoben, ebenso vom französischen wie vom deutschen Standpunkt aus gesehen, durch das Faktum der Anwesenheit von:
– der Délégation Supérieure du Gouvernement Militaire
– der deutschen Regierung.
Jedoch ist Tübingen, eine kleine Universitätsstadt, für diese Funktion nicht eingerichtet und von daher rühren alle uns begegnenden Schwierigkeiten, Verwaltungsgebäude ebenso wie notwendige Unterkünfte für das Personal zu finden.
Der Bedarf wird immer über die Möglichkeiten hinausgehen. Ungefähr ein halbes Hundert französischer Familien wartet beständig auf die Zuweisung von Wohnraum. Scheint sich die Situation einmal ein wenig zu entspannen, entsteht sie wenig später mit noch größerer Dringlichkeit!
Die Requisitionen von Möbeln und beweglichen Sachen (hier eine Couch, dort ein Likörservice, andernorts ein Bett, Wäsche etc…) hören nicht auf und die Bevölkerung ist darüber entrüstet.
Die Zahl der Franzosen, die mit Verpflegungskarten ausgestattet ist, liegt bei etwa 3000.
Verschiedene Maßnahmen wurden vorgeschlagen: Abschaffung gewisser Dienste, Verteilung in umliegende Orte – aber alle mißlangen!
Diese Frage der Requisitionen wird den Delegierten während der kommenden Jahre weiterhin plagen.
12. Verschiedenes:
a) Rottenburger Angelegenheiten:
Seit seiner Amtsübernahme beschäftigt sich der neue Kreisdelegierte und ist ((schließlich auch)) erfolgreich, alarmiert durch die vorgesehenen drakonischen Maßnahmen, um eine unterirdische Fabrik, am Rande von Rottenburg gelegen, zu sprengen, die letztere mit sehr großen Verwüstungen bedrohen, nach zahlreichen Maßnahmen, besonders in Baden- Baden, eine sehr große Verminderung des Gewichts des Sprengstoffs zu veranlassen, die primitiverweise als Ladung für die Öfen ??? der Mine vorgesehen waren (20 Tonnen anstatt 80 ins Auge gefaßte) und die reichlich genügen werden, das angestrebte Ziel zu erreichen. Die Stadtverwaltung von Rottenburg entbietet, in bewegten Worten, ihre Dankbarkeit dem Kreisdelegierten.
b) Feier zur Revololution 1848:
Einer der aktivsten Förderer der Befreiungsbewegung von 1848 war ein Kind Tübingens gewesen, der Dichter Uhland, berühmt durch sein Gedicht auf die „Wurmlinger Kapelle“. Eine Kapelle auf einer Anhöhe in der unmittelbaren Umgebung der Stadt gelegen.
Die deutsche Regierung von Württemberg – Hohenzollern, die konstituierte Körperschaft der Universität und die lokalen Autoritäten nahmen an den 100-Jahr-Gedenkfeiern zu den 1848er Tagen teil, die in Württemberg in dieser Zeit ein besonderes Ausmaß annahmen, die sich aber in der Folge schnell abschwächten.
c) Das Weihnachtsfest:
Im Verlauf der beiden Winter (1946 – 47 und 1947 – 48) wurden die Weihnachtsfeiertage, einem uralten Brauch in Deutschland folgend, mit Inbrunst in den Familien gefeiert, auch wenn auf manchem Tisch die traditionelle Mahlzeit bescheiden war, auf anderen (Dank des Schwarzmarktes) glich sie den Vorkriegs-Festen!
d) Holzfäller:
Der Kreisdelegierte hat einige Schwierigkeiten mit französischen Holzfällerunternehmen (die sehr üppig leben, indem sie die deutsche Arbeitskraft ausbeuten). Diese Unternehmen sind glücklicherweise wenig zahlreich in seinem Gebiet ((Zuständigkeitsbereich)).
e) Zwischenfälle mit der Truppe:
Einige Zwischenfälle (vor allem während der Zeit der Befreiung der Klassen) ((gemeint wohl die 1848er Feiern)) : es ist Mode im Augenblick, Zivilhüte zu konfiszieren!
Aber alles kann beigelegt werden dank der excellenten Verbindungen, die zwischen dem Delegierten und dem örtlichen Militärkommando bestehen und dank der Energie und dem Verst ändnis des Letzteren.
f) Tätigkeit der verschiedenen französischen Kontrolldienste:
Der Kreisdelegierte wird oft in seiner Aufgabe durch die reichlich chaotische Aktivität verschiedener französischer Organe behindert. Der eine weiß vom anderen nicht, was in den Fragebögen, die in analoger Form den gleichen Personen durch Vermittlung verschiedener Beamter oder Militärs vorgelegt werden, zum Ausdruck kommt (Sûreté, „SR“ verschiedener Art, Entwaffnungskommission, Dienste aus Baden-Baden etc….), und das ist bedauerlich!
13. Dem Lauf der Ereignisse, im Folgenden beschrieben, Rechnung tragend, untersuchen wir jetzt das Meinungsbild im Kreis so wie es der Delegierte beurteilt.
Geisteszustand und Ansichten ((Meinung)):
Ganz sicher weis jetzt die Bevölkerung, was das ist, die Besetzung! Wenn es nicht die Frage „der Abgaben“ und der „Requisitionen“ gäbe, würde sie, schlimmstenfalls, akzeptiert werden!
Die Ankünfte der Flüchtlinge sind sehr dosiert (dank einer gewandten Politik der französischen Militärverwaltung) und behagen trotzdem der Mehrheit der „Einheimischen“ nicht. Die Flüchtlinge werden im allgemeinen durch den „Schwaben“, mit einer recht egoistischen Gesinnung, nicht freundlich empfangen.
Die Menschen haben (eine schwache Minderheit und die Bauern ausgenommen) wenig zu essen und die Einkleidung (vor allem mit Schuhen) ist schwierig!
Das verführt nicht dazu, sehr optimistisch zu sein!
Was den Besatzer betrifft, wird der Franzose wie ein Herr betrachtet, mit dem man im Notfall auskommen muß.
Er gehört der gleichen christlichen Kultur an wie der Schwabe und das ist es, was zählt.
Der Deutsche interessiert sich nach wie vor nicht für das politische Leben und verschreibt sich ohne große Begeisterung der „Demokratie“. – Übrigens ist in dieser Zeit die Instabilität der Regierung in Frankreich nicht dazu angetan, zu großem Enthusiasmus zu verleiten (die Erinnerungen an die Wirren von Weimar sind in vielen Köpfen noch lebendig).
„Der Mann auf der Straße“ hat kein Vertrauen mehr in das Geld (RM). Er weiß, daß eine Währungsreform in Vorbereitung ist und daß sie hart sein wird und in ihrer Erwartung die Industrie und der Handel stagnieren.
Er ist in Beschlag genommen durch materielle Sorgen und das Problem der Versorgung der Seinen stellt sich täglich einem von einer Familie belasteten Gehaltsempfänger.
Es vergeht kein Tag an dem, sei es durch Stimmen aus der Presse oder des Rundfunks, nicht auf die Abholzungen und Demontagen angespielt würde. Er beklagt sich über den Verlust seines nationalen Kapitals, der „Wälder“ (die romantische Seite haftet allem an, was durch dieses Wort berührt wird und ist nicht zu leugnen). Und er hat Angst vor den Demontagen, die ihn vieleicht seines Broterwerbs entheben würden.
Andererseits ist Deutschland politisch fast schon definitiv in zwei Teile zerschnitten.
Zu all diesen Sorgen kommt die Möglichkeit eines bewaffneten Konflikts zwischen „Ost “ und „West“, von keinem angekündigt wie unmittelbar drohend. „Was wird aus uns werden?“, hört man sagen (die Möglichkeit einer russischen Besetzung macht schaudern).
Die Kriegsgefangenen sind noch nicht alle zurückgekehrt!
Die beiden vergangenen Winter waren hart, und jeder empfindet, daß das so nicht weitergehen kann!
Die Kreisdelegation ist nicht schlecht angesehen, eher im Gegenteil. Die Einwohner wissen, daß ihr Chef sein Möglichstes unternimmt und die zahlreichen persönlichen Kontakte, die dieser zu Personen jeden Ranges und aus allen gesellschaftlichen Schichten hat, unterhalten einen Strom der Verständigung zwischen dem Besetzten und der lokalen französischen Verwaltung.
Der Kreisdelegierte sagt sich, daß die Situation, solchermaßen wie sie sich ihm diese beiden letzten Jahre darstellt, so nicht auf unbestimmte Zeit fortdauern kann. Tiefgreifende Reformen sind notwendig, um der Bevölkerung ihr Vertrauen wiederzugeben.
Was ihn betrifft, ist es unverzichtbar, das Prestige Frankreichs in seinem ganzen Erscheinungsbild täglich aufrechtzuerhalten und zu verbessern, was erlauben würde, in seinem Kreis ein noch günstigeres Klima für eine bessere Verständigung zwischen seinen Nationen und seinen deutschen Bürgern zu schaffen.
Dies wird das unermüdlich angestrebte Ziel sein, das er auf seiner Ebene verfolgen wird.
4. Periode (Juni 1948- September 1949)
Der Kreisdelegierte: Colonel Brochu
Diese Periode, die mit einer wirtschaftlichen Revolution beginnt: der Wirtschaftsreform, vollendet sich in einer politischen Revolution: der Gründung der föderalistischen Regierung Westdeutschlands (genannt die von Bonn).
Sie wird reich an Ereignissen sein.
Ereignisse allgemeiner Art:
a) Die Währungsreform, obwohl seit langem angekündigt und erwartet, erfolgt am 21. Juni 1948 wie ein Donnerschlag.
Nach einem etwas schwierigen Start wird sie sich als eine vernünftige Maßnahme erweisen, die die Existenz eines jeden verwandeln wird.
Wir werden sie detailierter in dem Abschnitt „Wirtschaft“ betrachten.
b) Die Blockade Berlins mit ihrem Gegenstoß ((- Maßnahme d.Ü.)): die Schaffung der Luftbrücke, die die Bevölkerung in höchstes Erstaunen versetzt und ihr ein größeres Vertrauen zu den Alliierten zurückgibt.
c) Die Vereinbarungen von Washington, die vorausschauend ab dem Zeitpunkt der Konstituierung einer Regierung Westdeutschlands die Abschaffung der Militärregierung, die durch jeden der Generäle des alliierten Oberkommandos ausgeübt wird, und ihre Umwandlung in die „Hohe Kommission“ ((vorsehen d.Ü.)); ipso facto die Schaffung einer „Trizone“ und das Inkrafttreten eines Besatzungsstatuts.
d) Eine größere Autonomie wurde mit den deutsche Behörden vereinbart
(praktischerweise festigten sich die vertrauensvollen Beziehungen zwischen dem Kreisdelegierten und seinem Landrat, einer hätte vom anderen fast nichts zu wissen brauchen ((einer hätte den anderen fast nicht kennen müssen = 2. Ü.- Möglichkeit).
e) Wahlen fanden statt (Ende 1948), um die Bürgermeister ((= deutsche Bezeichnung neben franz. verwendet d.Ü.)) und die verschiedenen Versammlungen zu erneuern: die Gemeinderäte ((= deutsche Bezeichnung neben franz. verwendet d.Ü.)) und den Kreistag ((= deutsche Bezeichnung neben franz. verwendet d.Ü.)), aber sie werden nur wenig Veränderungen auf der politischen Landkarte des Kreises bewirken.
f) Das Projekt der Gründung des Südwestsstaates ((=deutsche Bezeichnung neben franz. verwendet d.Ü.)), das die Vereinigung der beiden Länder (Baden und Württemberg, französisch und amerikanisch) vorsieht, versorgt die Presse, die ausdrücklich die Differenz der Standpunkte der deutschen Politiker ( insbesondere zwischen G. Müller, dem Regierungschef von Württemberg- Hohenzollern und Wohleb, Regierungschef von Baden- Süd). Trotzdem interessiert sich der „Durchschnittsdeutsche“ des Kreises kaum dafür.
g) Die Beseitigung der Demarkationslinie mit der amerikanischen Zone.
Untersuchen wir jetzt die Entwicklung der Lage auf Kreisebene in Folge der übergeordneten Ereignisse, wie oben dargestellt, als auch die lokaler Art im eigentlichen Sinne:
1) Verwaltungsangelgenheiten und politisches Leben:
a) Landratsamt: Keine nennenswerte Änderung. Sein Chef, Zahr, (s.o.) zeigt sich weiterhin loyal und die ausgezeichneten Beziehungen zwischen ihm und dem Kreisdelegierten bestehen fort.
b) Bürgermeister: Die Wahlen haben zu einigen Veränderungen bei der personellen Besetzung der Bürgermeisterämter und den Gemeinderäten geführt, wobei die sehr große Mehrheit unter dem Etikett „Unabhängig“ gewählt wurde.
Trotzdem scheint es, nach einer vertiefenden Untersuchung, daß sich fast die
die absolute Mehrheit mit der C.C.U. und der D.V.P. verbunden hat, und daß die „Unabhängigen“ in politischer Sicht nicht gefährlich sind in dem Sinne, daß sie keine Überlebenden der Ideen des Dritten Reiches sind. Sicherlich, einige ehemalige Parteimitglieder, reingewaschen durch die Entnazifizierungskammern, sind gewählt worden. Vielleicht haben gewisse ((Leute d.Ü.)) nostalgische Gefühle zu ihrer „Partei“ ((wörtlich)) aber der Schwabe will kein Abenteuer mehr ( er weiß, wo das das letzte Mal hingeführt hat) und mankann sagen, daß 90% der Gewählten Gemäßigte sind.
Fall des Rathauses Tübingen:
Das Rathaus erhält einen neuen „Oberbürgermeister“ ((wörtlich)), Dr. Mülberger. Seine Wahl (eher seine Kandidatur) war Objekt zahlreicher Verhandluungen, bei denen der Kreisdelegierte eine aktive Rolle eingenommen hat.
Der frühere Bürgermeister, Hartmaier (SPD), ist abgelehnt ((abgewählt d.Ü.)) worden. (condamné).
Trotz allem hatte er sehr viel für seine Geburtsstadt geleistet, vor allem in sozialer Hinsicht (Volkssuppe, Verhandlungen mit der Schweiz und den USA um Hilfen zu erlangen), aber zuallererst stand er zu weit links ( und das gefiel den Tübingern nicht) und vor allem hatte er die politische Ungeschicklichkeit, ank der Unterstützung des ehemaligen Kreisdelegierten, in einer Zeit großer Wohnungsknappheit, sich für seine persönlichen Zwecke ein Haus (aus Holz, vorfabriziertes Modell) bauen zu lassen, das obwohl bescheiden, die begründete Eifersucht seiner Mitbürger auf sich zog.
Die Wahl der Vorsitzenden der lokalen Parteiausschüsse (CDU und DVP), Mehrheitsträger in Tübingen, erstreckte sich zuerst auf einen Nomminierten ((namens d.Ü. )) Kercher (entnazifiziert in der amerikanischen Zone und aus dieser Tatsache heraus automatisch in der französischen Zone gleichermaßen entnazifiziert). Die verschiedenen Ausschuß- Vorsitzenden wollten zuerst Kercher zum Stadtdirektor ernennen (eine Art Beigeordneter des Verwaltungsbürgermeisters), mit der nicht verschleierten Absicht ihn in der Folge zur Kandidatur für den Bürgermeister der Stadt zu verhelfen.
Der Kreisdelegierte wandte dagegen sein formelles Veto ein ( was nicht sehr orthodox aus „rechter“ Sicht war), aber er schätzte, daß Kercher, obwohl mit ausreichend liberalen Vorstellungen, davon nicht weniger hatte, als er während des Krieges durch die Partei ((wörtlich)) designiert war ( mit der Zustimmung des Kreisleiters ((wörtlich)) zu dieser Zeit, Rauschnabel), die Interimsfunktion des Bürgermeisters von Tübingen, in Abwesenheit des Amtsinhabers (Weidmann, der als SS- General bei der Befreiung Belgrads erschossen wurde) auszuüben und daß seine Rückkehr in das Tübinger Rathaus als eine Herausforderung für das Ansehen der Besatzungsmacht erschienen wäre.
Zahlreiche Pressionen ((auch:Zwänge)) aller Art richteten sich gegen den Delegierten, um ihn dazu zu bringen, seinen Standpunkt zu ändern, aber er hielt Stand und bei dieser Gelegenheit wurde der totale Rückhalt durch den Gouverneur ??? und seinen Kabinett- Direktor sehr kostbar.
Schlußendlich beugten sich die örtlichen Vorsitzenden der CDU und der DVP, indem sie Dr. Mülberger, einen Schwaben, Sohn eines Bürgermeisters, lange Zeit im Beruf in Esslingen „aus dem Nest hoben“ und der den Vorteil hatte, ein Akademiker zu sein was ihm die Stimmen der Universität sicherte.
Der Kampf zwischen Hartmeyer und Mühlberger war ungleich und dieser wurde gewählt und Anfang 1949 eingesetzt.
Dr. Mühlberger zeigte sich in der Folge immer korrekt gegenüber dem Kreisdelegierten.
Von ziemlich distanzierter Haltung und sehr der ehemalige Offizier, erwies er sich als Arbeiter und suchte bei vielen Gelegenheiten Rückhalt bei dem Kreisdelegierten. Dieser beurteilt ihn als ziemlich opportunistisch, manchmal recht offen in seinen Meinungen ( gehört der Bewegung von CAUX an, von angel-sächsischen Evangelismus inspiriert) ((CAUX= heilklimatischer Kurort im schwei, Kanton Waadt, Teil der Gemeinde Montreux, 1050m ü.d.M., Konferenzzentrum der STIFTUNG FÜR MORALISCHE AUFRÜSTUNG zit. aus Meyers Taschenlexikon 3. Aufl.)) aber schwierig zu durchschauen, die Tübinger warfen ihm später vor, nicht genug „Schwäbischer“ Haltung zu sein (er hatte einen gehobenen Stil (été élevé) und fast kontinuierlich in Berlin gelebt).
Der Kreisdelegierte hat den Eindruck, daß der Tübinger Rahmen etwas zu eng für ihn ist; gleichwohl hat er sich bemüht, ihm seine Aufgabe zu erleichtern und konnte ihm für seine persönlichen Bedürfnisse eine Wohnung besorgen, wofür ihm dieser extrem dankbar gewesen ist.
Vielleicht hat man den Einzelfall des neuen Bürgermeisters von Tübingen ein wenig zu sehr breitgetreten, aber er wurde zitiert als ein typischer Fall, in dem die Tätigkeit des Kreisdelegierten besonders aktiv war. Auch sollte man nicht vergessen, daß die Bürgermeister für 6 Jahre gewählt wurden und daß es die Tätigkeit derjenigen ist, an der Basis der deutschen Verwaltung, von der zu großen Teilen der Erfolg unserer Politik abghängt.
Der Kreisdelegirte nimmt Kontakt auf mit den Mitgliedern der konstituierten Körperschaften der verschiedenen Kommunen und empfängt bei sich die Bedeutendsten; ein gewisses gegenseitiges Vertrauen beginnt sich zu etablieren.
c) Kreistag ((wörtlich)) (Conseil Général):
Der Delegierte ist bestrebt, die verschiedenen Mitglieder, die diese leitende Versammlung bilden, mit Recht, durch den Landrat kennenzulernen. Er nimmt an einigen ihrer Versammlungen, zu denen er immer eingeladen ist, teil.
d) Bundestag ((wörtlich)) (Parlament zu Bonn):
Im August 1949 finden die Wahlen für die Benennung des Parlamnetes in Bonn statt. Bei dieser Gelegenheit verbindet sich der Kreis Tübingen mit dem von Reutlingen, und der Oberbürgermeister von Reutlingen, Kalbfell (SPD) obsiegte mit knapper Not bei den Abstimmungen über den Wirtschaftsminister Wirsching (CDU).
Der Erfolg Kalbfells ist seinem sehr großen Ansehen in Reutlingen und seiner Tatkraft zu verdanken.
2) Gewerkschafts- und soziales Leben:
Die Gewerkschaften entwickeln sich (trotz einer Finanzkrise, übrigens einer allgemeinen auf allen Gebieten zum Zeitpunkt der Währungsreform) und haben die Tendenz, obwohl sie durch Baden- Baden gezügelt werden, sich mit den Gewerkschaften der Bizone zusammenzuschließen.
Der Führer (auf Kreisebene): Schittenhelm, kommunistisch ausgerichtet, zeigt sich dem Kreisdelegierten gegenüber loyal.
Infolge einer Streikbewegung in der Bizone, provoziert durch die Frage der Demontagen, wollen die Gewerkschaften von Württemberg- Süd nicht zurückstehen und rufen ihrerseits einen Generalstreik von 24 Stunden aus (im August 1948). Dieser wurde von den Arbeitern wie ein Feiertag betrachtet: es gab keinen einzigen Zwischenfall.
Die Gewerkschaften waren übrigens teilweise bei ihrer Demonstration durch die deutsche Regierung von Württemberg- Süd ermutigt worden, die aus Protest gegen die Politik der Demontagen und Abholzungen zurückgetreten war. Überdies fuhren die Minister unter dem Etikett „Erledigung der laufenden Angelegenheiten“ fort, ihre Funktionen auszuüben!
Wahrhaftig, Württemberg ist ein ruhiges ((sanftmütiges)) Land und von seinen Bewohnern ist keine große soziale Bewegung zu befürchten!
3) Wirtschaft:
Non einem auf den anderen Tag die Währungsreform, das war ein wirklicher Coup mit dem Zauberring((boguette magique???????)!
Die am Vorabend noch leeren Geschäfte sind einen Tag später voll mit Waren jeder Art. Die Lebensmittel-, die Kleidergeschäfte etc… haben ihre Auslagen neu ausgestattet, und es genügt, Geld zu haben, neues Geld, um zu kaufen.
Da drückt ihn oft der Schuh!
Zu Beginn erhielt jede Person 40.-DM, alle Konten waren gesperrt (sie wurden nur nach und nach freigegeben und beim Umtausch von RM im Wechselverhältnis 1:10)
Die Industriellen, allemal, erhielten Angebote von Banken, die Geschäftsleute auch, aber es wird nur wenig Zeit benötigen, um von neuem zu sehen: die „Armen bleiben arm“ und die „Reichen bleiben reich“ (mit Ausnahme der Rentner!).
Die Dienststelle für die „Industrielle Produktion“ in Baden- Baden ist überlastet und unter dem Druck der Ereignisse gezwungen, nach und nach annähernd alle Artikel (Leder, Textilien) die zuvor kontingentiert waren, für den freien Verkauf zuzulassen.
Allein die Lebensmittelrationierung dauert fort, aber mit Geld hat man alles, was man will!
Sicherlich, das Leben ist teuer: es erreicht, im ganzen gesehen, den Kurs internationaler Preise.
Die DM, obwohl garantiert durch den Dollar, genießt zu Beginn nicht das ganze Vertrauen der Bevölkerung (Die Erfahrung mit dem österreichischen Schilling, der viermal abgewertet wurde, ist bekannt!) Trotz eines Tauschwertes von 80 Francs für 1 DM, wird auf dem halboffiziellen Markt am Anfang zu einem Wechselkurs von 10 ((DM)) zu 15 Francs gehandelt, dann sehr schnell, wird aufgewertet und er erreicht annähernd 60 bis 65 Francs. Man kann sagen, daß im August 1949 die DM eine der besten europäischen Währungen ist.
Diese chirurgische Operation hat nicht stattgefunden, man muß es ((so)) sagen, ohne Schäden anzurichten: viele, über lange Zeit angesparte Familienvermögen, sind dahingeschmolzen.
Nach und nach stabilisiert sich die Situation und, wenn das Geld rar ist, (das wird Gegenstand vieler Untersuchungen werden), kann man sich wenigstens, sofern man dafür die Mittel hat, alles besorgen, was man wünscht ((versorgen mit allem was das Herz begehrt d.Ü.)). Denn es fehlt an nichts, und die Schaufenster sind ebenso gut ausgestattet wie in Paris und besser als in London!
Der Schwarzmarkt entwickelt sich sehr deutlich zurück, die deutsche Wirtschaft ist im Begriff zu gesunden. Sicherlich, man muß arbeiten, denn wer nichts herstellt, kann nicht leben, aber die Zahl der „Schieber“ ((wörtlich)), Händler jeder Art, die eine große Rolle spielten, vermindert sich.
Die durch die Militärregierung gelenkteWirtschaft zerbröckelt.((Die Panwirtschaft der Militärregierung ist in Auflösung begriffen d.Ü.))
Die Dienststelle für die Rationierung (soweit man davon sprechen kann!) ist gänzlich an die Deutschen zurückgegeben worden.
Die Lebensmittelabgaben für den Bedarf der französischen Verwaltung gehen zu Ende (das ist eine große Erleichterung für den Kreisdelegierten).
Wäre da nicht die Frage der Unterkunft und die Knappheit des Geldes, das Leben wäre fast schon wieder schön geworden.
Der Marshallplan funktioniert, die Rohstoofe kommen an, ebenso wie jede Art Waren, die die Deutschen seit zahlreichen Jahren entbehren mußten.
An Kohle ist auch kein Mangel mehr.
Die Märkte der Stadt sind gut versorgt. Die Bauern versuchen jetzt ihre Produkte gegen DM, nach der sie versessen sind, zu verkaufen, denn sie haben davon den ((größt-))möglichen Nutzen.
Kurz gesagt kann man ein wirkliches Wirtschaftswunder, das sich in einer Rekordzeit vollzog, feststellen.
4) Andere Tätigkeitsbereiche:
Im Verlauf der beschriebenen Periode gibt es nichts besonderes zu vermerken:
Das öffentliche Schulsystem funktioniert normal ( Die Säuberung der Lehrerschaft ist beendet).
Die Dienststelle für die P.D.R.(Verschleppte, Vertriebene, Geflüchtete) deren Beanspruchung ?? (=affectif) sich vermindert und auf etwa 400 (( Fälle)) zurückgeht infolge zahlreicher Abreisen ins Ausland (Australien, Kanada etc..), funktioniert ohne Beanstandung.
Auch konnte sich der Delegierte, jetzt, da das Leben einen fast normalen Verlauf nimmt, seiner wesentlichen Aufgabe widmen: den Kreis seiner Beziehungen mit den Einwohnern mit immer zahlreicheren Kontakten auszuweiten und sich in immer deutlicherer Weise als Repräsentant deines Landes zu bestätigen.
6) Verschiedenes:
Im lokalen Bereich sind einige Ereignisse zu notieren:
a) Der Tod von Hochwürden Sproll, dem katholischen Bischof von Rottenburg, und seine und sein Ersatz ((Stellevertretung)) durch Hochwürden Leiprecht (47Jahre), der den französischen Behörden gegenüber viel einsichtiger erscheint als sein Vorgänger.
b) die Nominierung eines neuen protestantischen Bischofs für Württemberg, den Dr. Haug, mit Sitz in Stuttgart.
c) die Verhaftung des Ex- Kreisleiters von Tübingen, Rauschnabel ( während mehr als 4 Jahren in der amerikanischen Zone ((lebend)), getarnt durch einem Falschnamen). Er wird durch deutsche Gerichte wegen seiner Taten, die er damit verteidigt, er habe nur auf Befehl gehandelt, bei den Plünderungsvorgängen durch die SS im bischöflichen Palais und dem Brand der Synagoge In Tübingen, verurteilt werden.
d) verschiedene, sehr erfolgreiche Sportveranstaltungen im Laufe des Sommers 1949, von denen zwei besonders erfolggekrönt waren:
– Die Regatta auf dem Neckar
– Motorrad- und Autorennen
7) geistige Befindlichkeit- Meinungsbild:
Wie reagiert die Meinung angesichts oben geschilderter Ereignisse?
Im Allgemeinen ist sie befriedigend.
Die aüßeren Ereignisse haben sich etwas gehäuft und das Ende der Berlinblockade wurde von allen Lagern der Bevölkerung tief((-bewegt)) empfunden.
Anstrengungen auf „Pariser“ Ebene wurden unternommen, um den Versuch zu machen, dem jahrhundertealten französisch- deutschen Problem ein mögliches Ende setzen. Die Besuche der württembergisch- hohenzollerischen Minister in Paris, ebenso wie die späteren ((Besuche)) in Tübingen des Außenministers Monsieur R. Schuman ( die Deutschen sehr schätzend), des künftigen Hohen Kommissars, dem Herrn Botschafter Francois -Poncet und des Kommissars für deutsche Angelegenheiten, Monsieur Poher, in deren Verlauf zahlreiche Kontakte angeknüpft wurden, erlaubten den Deutschen, zu hoffen, daß irgendetwas Positives sich ereignen wird ((va être fait)).
Übrigens hat die Rede, die der General Koenig bei seinem Abschied vor den Mitgliedern des Landtages von Württemberg- Hohenzollern gehalten hat, schon eine Tendenz zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern ahnen lassen.
Es wird nicht mehr über Abholzungen geredet.
Was die Demontagen anbelangt, sind sie auf Regierungsebene verhandelt worden, und eine günstige Lösung wird erwartet.
Das neue Geld erweist sich als stabil. Sicherlich, es ist rar, aber im Gegensatz zu dem, was wir vorausgehend gesehen haben, jagt niemand mehr Waren hinterher, aber dem Geld; gleichwohl atmet die Wirtschaft eine reinere Luft.
Die Wohnungsfrage (bereitet dem Kreisdelegierten weiterhin Sorgen, sodaß dieser versuchen wird, sie zu mindern, indem er den drückendsten Fällen ein Ende setzen wird) bleibt immer dornig und stachelig für die Deutschen.
Überhaupt kann man sagen, daß sich die Beziehungen zwischen Deutschen und Franzosen verbessert haben. Es gibt weniger Eifersüchteleien und Ränke. Die Einwohner stellen fest, daß die Franzosen in ihrer Mehrheit ein bürgerliches und bescheidenes Leben führen; auch sind sie erstaunt über die gewichtige Zahl der französischen Haushaltungen, die durch zahlreiche Familienmitglieder belastet sind, ebenso wie durch ihren Zuwachs durch die Ankunft Neugeborener. Das ist nicht das, was man ihnen während des Dritten Reiches erzählt hatte!
In Unterhaltungen mit den Deutschen ist es frappierend festzustellen, wie groß für sie das Ansehen von Paris ist, das ein Anziehungspunkt bleibt, vor allem seit es seine Rolle als intellektuelle Haupstadt und sein Renommee der Eleganz wiedereingenommen hat.
Französische, künstlerische Veranstaltungen in Tübingen sind zahlreich und haben stets ein getreues und aufmerksames Publikum , das ihnen applaudiert
Der Kreisdelegierte verzichtet fast für immer auf seine Uniform und legt Zivilkleidung an. Er empfängt bei sich Geladene, die im seinem Kreis Schlüsselpositionen innehaben und ein Strom der Verständigung und selbst der Symphatie hat sich in beiden Richtungen etabliert.
Morgen wird die Militärregierung verschwunden sein.
Wie alles Menschenwerk ist es sicherlich Gegenstand der Kritik, aber man muß den Erfolg seines Auftrages, der ihm in seiner Besatzungszone zugewiesen worden war, konstatieren.
Sein Repräsentant auf Kreisebene, sich nach den Direktiven seines Chefs, dem Gouverneur, Délégué Supérieur für die Militärregierung von Württemberg-Hohenzollern hat als Hauptanliegen das Ansehen Frankreichs zu stützen in Hinblick darauf, die Denkweisen für eine bessere Verständigung zwischen den beiden großen benachbarten Völkern, deren Interessen gegenseitig verpflichtend sind und sich eines Tages sogar in dem Schoß eines neuen Europa vereinigen werden müssen.
Zusammenfassend sieht der Kreisdelegierte die neue Periode, die sich eröffnet, sich unter vielversprechenden Vorzeichen ankündigen.
Der Weg ist offen für eine neue Phase der Besetzung!
5. Periode (September – Dezember 1949)
Kreisdelegierter: Oberst Brochu
Auf Kreisebene gibt es nichts Besonderes zu berichten:
Die Umformung der Militärregierung in das Hochkommissariat (mit seinen Konsequenzen: Besatzungsstatut Trizone), macht sich im lokalen Bereich kaum bemerkbar, und es ist unzweifelhaft, daß die neue Form der französischenVerwaltung ihren Anfang genommen hat.
Die Rolle des Kreisdelegierten hat sich nicht verändert.
Er behält seine Aufgabe als Repräsentant Frankreichs in seinem Kreis bei und übt weiterhin seine Aufgaben aus, so wie wir sie in den vorhergehenden Zeiträumen gesehen haben.
Auf politischem Gebiet konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Einwohner auf „Bonn“. Der Rahmen des Kreises und selbst des Landes Württemberg- Hohenzollern wird zu eng und bruchstückhaft.
Lokale politische Versammlungen machen sich immer rarer.
Das Problem der französisch- deutschen Beziehungen wird zum Problem Nr.1. Eine Entspannung zwischen den Regierungen von Paris und Bonn (von der Bevölkerung häufig als von Washington aufgezwungen interpretiert, und das ist bedauerlich!) in europäischem Rahmen tritt zu Tage. Den Anstrengungen des neuen Kanzlers Adenauer (CDU), ausgezeichnet in diesem Sinne, wird von einer sehr großen Mehrheit der Kreisbewohner gefolgt und wenn die Heftigkeit der Sprache seines Widersachers Schumacher, des Vorsitzenden der SPD, im allgemeinen nicht zu billigen ist, sie schmeichelt doch dem deutschen Nationalgefühl.
Es wird auch von der deutschen Wiederbewaffnug gesprochen ( der Schwabe steht dem in seiner sehr großen Mehrheit feindlich gesinnt gegenüber), aber die Geister sind verwirrt, denn, wenn man auch im ganzen ((gesehen)) nicht zum „Militarismus“ zurückkehren will, erscheint es schwierig, mit dem germanischen militärischen Potential, auf das alle Deutsche stolz sind, den einen oder anderen Tag der Verpflichtung, durch nationale Streitkräfte, unter europäischem Kommando, den Boden des Vaterlandes zu verteidigen, zu entfliehen. Die Schaffung einer „Volksarmee“ im Ostsektor spielt eine große Rolle in dieser Entwicklung der Meinungen, denn der Schwabe will auf gar keinen Fall unter das Joch einer Regierung in sowjetischer Abgängigkeit fallen.
Es notwendig, auch zu vermerken, daß das Problem der „Sicherheit“ (Grundlage der französischen Politik) nicht immer gut von „Mitteldeutschland“ verstanden wird. Dieses hat das Übel (trotz der drei Versuche ? ((expériances??)) seit 1870) sich als gefährlich darzustellen! Für ihn gibt es nur eine Gefahr, das ist die, die die Moskau repräsentiert!
Auf eng lokalem Gebiet ereignete sich nichts Besonderes, wenn dann nur, daß sich die Frage der Beschlagnahmungen von Wohnungen (vor allem in Tübingen) kaum verbessert hat.
Die Arbeitslosigkeit nimmt leicht zu.
Die Leute beklagen sich über den Geldmangel, aber das Ende des Jahres 1949 rückt näher, die Schaufenster der Geschäfte sind mit verlockenden Waren gefüllt, und Weihnachten wird glücklichlich in der Familie gefeiert werden.
Der Wiederaufbau hat begonnen, und „wenn es am Bau vorangeht, geht alles voran“ ((„quand le le bâtiment va, tout va“))
Diese letzte optimistische Anmerkung, die übrigens die Meinung des Kreisdelegierten wiedergibt, beschließt das Jahr 1949.
Anhang
Im Verlauf dieser Untersuchung wurde die interne Arbeit der Kreisdelegation nicht berücksichtigt.
Sein Personal (französisch, ausländisch und deutsch) gab im ganzen gesehen Anlaß zu vollster Zufriedenheit.
Das französische Personal, das nach und nach veringert wurde (von effektiv 20 im Jahr 1945 fiel es auf 8 im Jahr 1949), legte immer Zeugnis ab von Patriotismus, Verständigungswillen und Aufopferung. Doch ist es, dem Verwaltungssystems der ((„Douche écossaise“)) mit den Störungen und den in der Folge ergriffenen Maßnahmen, den finanziellen und personellen Einsparungen unterworfen, unaufhörlich erneuert worden. Der Kreisdelegierte konnte immer mit ihm rechnen und er ist glücklich, die Gelegenheit zu haben, ihm Ehre zu erweisen ((zu huldigen)).
Das ausländische Personal (P.D.R.) hat seine Aufgabe mit Gewissenhaftigkeit erfüllt.
Das deutsche Personal (Sekretäre, Ordonanzen, Chauffeure) hat mit Aufopferung und Fleiß gearbeitet und sehr wertvolle Dienste geleistet.
Die zur Disposition des Delegierten gestellten Transportmittel waren ausreichend.
Zusammenfassend kann man, soweit es die personelle wie die materielle Seite anbelangt, sagen, daß der Kreisdelegierte von Tübingen immer die Möglichkeit hatte, der Situation die Stirn zu bieten ((sich der Situation gewachsen zu zeigen)) und seine Aufgabe zu erfüllen.