Wie sind Römer und Germanen miteinander umgegangen? Die Beziehung der beiden Kulturen zueinander in den Grenzregionen am Limes beleuchtet eine Ausstellung im Limesmuseum in Aalen. Ein Highlight sind einzigartige Funde aus germanischen Fürstengräbern in der Westukraine.
Ein Bronzekessel mit drei Henkelhalterungen in Form von Germanenbüsten mit sogenannten Suebenknoten (einer typischen Haartracht), ein Eimer mit Frauenköpfen, geschliffene Glasbecher und Glasschalen, emailverzierte Trinkhornbestandteile aus Kupferlegierung – diese Kostbarkeiten sind noch bis Ostern 2026 in einer Sonderausstellung des baden-württembergischen Landesmuseums und Landesamts für Denkmalpflege im Limesmuseum Aalen (https://www.limesmuseum.de/) zu sehen. Sie sind Teil der spektakulären Funde aus zwei germanischen Gräbern aus dem 2. Jahrhundert nach Christus, die 2017 in Kariv nahe der polnisch-ukrainischen Grenze freigelegt wurden. Sie wurden 2024 im Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen restauriert und sind erstmals in Gänze zu sehen.

© Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg / Stephanie King
Schlüsselfund germanisch-römischer Beziehungen
Für den Archäologen Prof. Jan Schuster ist das Gräberfeld ein Schlüsselfund für die Forschungen zu germanisch-römischen Beziehungen. Die Gräber können in die Zeit während der Markomannenkriege oder kurz danach datiert werden und stehen mit diesen Ereignissen sicher in einem Zusammenhang, sagte Schuster bei einem Vortrag. Er gilt als Experte für die Erforschung der Germanen in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends nach Christus.
Migration nach Westen
Im 2. Jahrhundert nach Christus gab es eine große Migrationsbewegung nach Westen in den mittleren Donauraum. Germanische Stämme wurden aus ihren Gebieten östlich der Weichsel im heutigen Polen verdrängt und stießen auf die Römer. Es kam zu Auseinandersetzungen, Kämpfen und Verhandlungen. Es ging hin und her, so der Archäologe: „Im Rahmen dieser Verhandlungen wurden Geschenke überreicht. So könnte der wertvolle römische Bronzekessel in den Norden gelangt sein.“ Solche Importware war bei den Germanen sehr begehrt, festigte ihr Wert doch die Stellung der Häuptlinge. Ob der Fürst von Kariv Freund oder Feind der Römer war, lässt sich durch die Funde nicht belegen, meinte Schuster. Er habe jedenfalls von den Kriegen profitiert.

Germanen auf Möbelbeschlägen
Die hohe Fundkonzentration germanischer Gegenstände im mittleren Donauraum (also in der heutigen Westslowakei und in Tschechien) weise darauf hin, dass sich Germanen aus dem Norden dort niedergelassen haben, ist Schuster überzeugt. Die Römer mussten sich mit den neuen Nachbarn und der ständigen Krisensituation arrangieren. Dies zeige sich auch in der Kunst, zum Beispiel in der Darstellung von Germanen auf Alltagsgegenständen wie Möbelbeschlägen. Man habe für die Fremden produziert. Es blühte der Handel, im Austausch habe man voneinander profitiert.

Zusammenleben im Europa der Antike
Um eben dieses Zusammenleben im antiken Europa geht es in der Ausstellung im Limesmuseum Aalen. Sie wirft einen Blick auf das Nebeneinander von Kontakt, Handel, Zusammenleben und offenen Konflikten vom 1. bis 3. Jahrhundert nach Christus, eine Zeit, in der auch in Baden-Württemberg vielfältige Begegnungen zwischen den fremden Nachbarn stattfanden. Die archäologischen Funde aus beiden Kulturen lassen die Geschichte lebendig werden. Sie seien Zeugen der Begegnungen und des Alltags der Menschen diesseits und jenseits des Grenz-Limes – von Waffen und Weingefäßen über römische Städte und germanische Dörfer bis hin zu Grabbeigaben und Inschriften, heißt es in einer Mitteilung. Die Ausstellung wirft aber auch Fragen für die Gegenwart auf: Wie gehen wir mit dem Fremden um? Wie entstehen Vorurteile? Und was kann die Gesellschaft heute aus der Geschichte lernen, um neue Wege des Miteinanders zu finden?
Die Sonderausstellung im Limesmuseum Aalen ist noch bis 12. April 2026 zu sehen.
Von Bernhard Kirschner
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