21. Dezember 2025

Metall wird über einem glühenden Feuer zum Schmelzen gebracht.

In Tübingen wurden römische Münzen wissenschaftlich gefälscht

An der Universität Tübingen haben sich 2024 Forschende in Kooperation mit dem Schmied Alexander Zimmermann aus Pliezhausen als wissenschaftliche Falschmünzer betätigt, um herauszufinden, wie im antiken römischen Weltreich Münzen gefälscht wurden. An dem interdisziplinären Projekt waren die Disziplinen Numismatik, Archäologie und Mineralogie beteiligt.
In der römischen Kaiserzeit prägte der Staat Denare – das sind Münzen aus Silber. Ein Denar entsprach etwa dem Lohn eines Arbeiters für einen Tag. Die Reichweite des Denars war weiter als die des heutigen Euro: Das römische Reich erstreckte sich von Britannien im Norden bis Tunesien im Süden und von Spanien bis nach Syrien. Im frühen 3. Jahrhundert n. Chr. war der Silberanteil der Denare von staatlicher Seite stark reduziert worden. Dies bemerkten auch die antiken Zeitgenossen: Vermutlich in Reaktion auf diese Entwertung wurden im römischen Reich Gussfälschungen angefertigt, welche die silbernen Denare mit einer Kupfer-Zinn-Mischung, genannt Legierung, nachahmten. Es gelang dem Tübinger Team, den Herstellungsprozess dieser Münzen zum ersten Mal erfolgreich zu rekonstruieren.

Aufgebrochene Ummantelung nach dem Guss. Sichtbar sind die Stapel der Gussförmchen. Foto: Rebecca Sandbichler, Institut für Klassische Archäologie, Universität Tübingen.

Gussformen mit echten Münzen herstellen
Zur Produktion von gefälschten Denaren stellten die antiken Fälscher zunächst Gussförmchen her, die durch zahlreiche archäologische Funde im ganzen „Imperium Romanum“ gut nachgewiesen sind. Als Gussformen verwendet wurden kleine Tonscheiben, in die im noch feuchten Zustand die Vorder- bzw. Rückseiten von echten Münzen eingedrückt wurden. Bei serieller Produktion lassen sich ganze Stapel von eingedrückten Tonscheiben herstellen. Noch bevor der Ton lederhart austrocknet, muss über den ganzen Stapel hinweg von den eingedrückten Münzen bis zum Rand der Tonscheiben eine Einkerbung geritzt werden. Diese dient später beim Guss als Gusskanal. Nachdem die Förmchen ausgetrocknet sind, können die Münzen vorsichtig entfernt werden. Dadurch entstehen die eigentlichen Gussförmchen oder Gusskammern mit dem Negativabdruck der Münze, in die später die Legierung gegossen wird. Die Förmchen werden anschließend im Ofen gebrannt. Durch die Reduktion des Tons beim Brand im Ofen, schrumpfen die Förmchen um knapp 10 Prozent. Damit sind auch die durch das Gussverfahren hergestellten Fälschungen entsprechend kleiner als echte Münzen.
Bevor der eigentliche Guss erfolgen kann, müssen die Förmchen in Position gebracht werden. Dazu wurden – wie antike Funde nachweisen – drei Stapel von Förmchen mit der Ritzung in der Mitte zusammengestellt und mit grobem Ton ummantelt. Dadurch entsteht in der Mitte der drei Förmchen ein senkrechter Gusskanal. In der experimentellen Anordnung wurden zudem Thermoelemente zur Erfassung der Temperaturverläufe eingebettet.

Zerbrochene Förmchen und gegossene Münzen als Endprodukte. Foto: Rebecca Sandbichler, Institut für Klassische Archäologie, Universität Tübingen.

Kupfer und Zinn statt Silber
Als metallischen Werkstoff benutzten die antiken Fälscher eine Legierung aus Kupfer und Zinn. Mit einem Verhältnis von etwa 30 Prozent Zinn und 70 Prozent Kupfer wirkt der fertige Guss silbrig bis stahlgrau – optimal, um eine echte Silbermünze vorzutäuschen. Die Legierung mit einer Schmelze von über 1000 °C wurde im Projekt aus Gründen der Praktikabilität mit einem elektrischen Schmelzofen hergestellt. Für die römischen Fälscher dagegen muss die Aufbereitung des Metalls in diesem Arbeitsschritt eine große Herausforderung gewesen sein. Das konnte in der Antike nicht jeder; um diese hohe Temperatur zu erreichen, bedurfte es eines profunden fachlichen Wissens und entsprechender Erfahrungswerte.
In dem Tübinger Experiment stellte sich heraus, dass die Tonförmchen inklusive Ummantelung vor dem Eingießen der knapp 1000 °C heißen Schmelze stark erhitzt werden müssen, da dies ein Verdampfen der Restfeuchtigkeit beim Guss verhindert und so sauberere Abgüsse erzielt werden. Nach dem Abkühlen der Formen können die Ummantelung aufgebrochen und die Gussförmchen zerschlagen werden, um an den metallenen Gussbaum zu gelangen, von dem nun die Münzen vorsichtig abgebrochen werden können.

Eine gefälschte Münze. Foto: Rebecca Sandbichler, Institut für Klassische Archäologie, Universität Tübingen.

Misslungene Fälschungen werden recycelt
An erfolgreich gegossenen Münzen zeigten sich teilweise farbige Oxidschichten in violett, gold und blau, die durch schnelle Abkühlung entstanden. Solche Effekte dürften auch bei antiken Münzen aufgetreten sein. Bei den Experimenten waren trotz Nachbearbeitung mehr als 50 Prozent der Güsse fehlerhaft und wären im Alltag nicht als täuschend echte Fälschungen akzeptiert worden. Dies wird in der Antike nicht anders gewesen sein. Fehlgüsse wurden recycelt und fehlen daher auch in den archäologischen Ausgrabungen.
Die praktische Rekonstruktion im Tübinger Experiment verdeutlicht, dass der römische Münzguss ein anspruchsvoller technischer Prozess war, der sowohl metallurgisches als auch keramisches Fachwissen erforderte. Dies spricht für spezialisierte Werkstätten und erfahrene Handwerker. Unser Experiment zeigt, dass man innerhalb eines Tages eine hohe Zahl von Münzen herstellen konnte und dass Falschmünzerei ein lukratives Gewerbe gewesen sein muss.
Ein anschauliches Video zum Experiment findet sich auf YouTube unter:
Youtube – Wie die Römer Münzen fälschten

Von Stefan Krmnicek

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