6. November 2025

Jugendamt: Helfen statt strafen

Beim Thema Jugendamt zucken manche Eltern zusammen. Ist das nicht die Behörde, die den Eltern die Kinder wegnimmt? Nein, sagt Katrin Fehrle, die Leiterin der Abteilung Jugend im Tübinger Landratsamt. „Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe.“ Hauptaufgabe des Jugendamts ist es demnach, Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen. Vor allem, wenn es einmal schwierig wird – beispielsweise, wenn Kinder die Schule schwänzen oder mehrmals beim Schwarzfahren erwischt werden. Das Jugendamt hilft aber auch, wenn es innerhalb der Familie Probleme gibt, etwa weil sich die Eltern nicht mehr gut verstehen oder sie schlimmstenfalls ihre Kinder schlagen oder ihrer Seele schaden. Dass Kinder dann von ihren Familien getrennt werden, komme aber nur in ganz seltenen Fällen vor, sagt Fehrle. Und auch dann entscheidet das nicht eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Jugendamts, sondern das Familiengericht.

Beratung für alle Eltern
Auch geflüchtete Familien haben oft ein ungutes Gefühl der Behörde gegenüber, weil ihnen das Jugendamt fremd ist. Deshalb gibt es beim Landratsamt einen extra Fachdienst, der sich um unbegleitete minderjährige Geflüchtete und geflüchtete Familien kümmert. Zunächst einmal gibt es aber für alle Familien unabhängig von der Herkunft in drei Jugend- und Familienberatungsstellen im Landkreis kostenlose Beratungsangebote: in Tübingen, Mössingen und Rottenburg. Weitere Infos und die Kontaktadressen finden sich auf der Homepage:
https://www.kreis-tuebingen.de/soziales/jugend/jfbz
„Es ist die Aufgabe der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, sagt Fehrle. Das Jugendamt kommt in zwei Situationen ins Spiel: Zum einen, wenn die Eltern selbst sagen, dass sie mit der Situation überfordert sind und sich ans Jugendamt wenden. Dann wird ein Antrag auf Jugendhilfe gestellt und die Fachleute schauen gemeinsam mit den Eltern, wie sie am besten helfen können: Erziehungsberatung oder Gruppen für Kinder und Jugendliche, vielleicht auch sozialpädagogische Familienhilfe, bei der eine Person in die Familie kommt und versucht, die Probleme gemeinsam zu lösen. Verbessert sich die Situation nicht, können Kinder für einige Zeit in Pflegefamilien oder Jugendliche in eine Wohngemeinschaft wechseln. Das Sorgerecht behalten aber in allen Fällen die Eltern. „Unser Ziel ist die Unterstützung für Menschen die Hilfe brauchen, bevor es eskaliert“, sagt Fehrle. Entscheidungen treffen, so die Abteilungsleiterin, nicht einzelne Mitarbeitende, sondern das Team.

Kindeswohl entscheidet
Zum anderen wird das Jugendamt aber auch aktiv, wenn es einen Hinweis erhält, dass das Kindeswohl gefährdet ist. „Dann müssen wir das überprüfen“, sagt Fehrle. Hinweise können von Nachbarn, Erziehern oder Lehrern kommen, die den Eindruck haben, dass Kinder daheim geschlagen oder anderweitig misshandelt werden. „Wenn die Eltern kooperieren, arbeiten wir mit ihnen zusammen“, sagt Fehrle. Sie nennt ein Beispiel: In einer Familie ist der Vater gewalttätig und schlägt die Kinder. „Stimmt die Mutter zu, dann sorgen wir dafür, dass der Vater auszieht“, so die Behördenleiterin. Wenn aber die Eltern nicht mit dem Amt zusammenarbeiten wollen, kommt das Familiengericht ins Spiel. Richter entscheiden dann, ob die Gefahr für das Kind so groß es, dass es die Familie verlassen muss. „Die Entscheidung trifft dann das Gericht“, sagt Fehrle.

Geflüchtete haben spezifische Fragen
Geflüchtete Familien haben nicht mehr Probleme als andere, weiß die Jugendamtsleiterin, es sind aber manchmal spezielle Schwierigkeiten. Wie die Experten vom Jugendamt wissen, gibt es gelegentlich unterschiedliche Vorstellungen von Erziehung. „In Deutschland gilt aber deutsches Recht, sagt Fehrle. Das bedeutet zum Beispiel, dass Eltern ihre Kinder nicht schlagen dürfen. Und auch wenn im Heimatland die Schulpflicht nach der fünften Klasse endet – in Deutschland tut sie das nicht. Weder für Jungen, noch für Mädchen. In Baden-Württemberg müssen Kinder und Jugendliche neun Jahre eine Vollzeitschule besuchen. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr schließt sich dann noch die Berufsschulpflicht an.

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