11. November 2025

Im Innenhof des Tübinger Schlosses, vor einem vergrößerten Abguss des Urzeitpferdes. Eine junge Frau und zwei junge Männer mit Fotokopien in der Hand.

Jugendguides am 9. November zur Uni Tübingen im NS

Etwa 40 BesucherInnen folgten am 9. November 2025 den neun Jugendguides, die das Schloss Hohentübingen als ideologisches Zentrum der Elite-Uni der NS-Zeit thematisierten. In einem vorangehenden Workshop mit Prof. Wolfgang Sannwald vom Landratsamt Tübingen und dem Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität und Anna Pytlik vom Verein KulturGUT hatten sich die fünf jungen Frauen und vier jungen Männer historische Quellen zum Thema angeeignet, die sie bei der öffentlichen Führung vorstellten. Im Innenhof zeigten sie den bescheid des Säuberungsausschusses von 1950, der Gustav Riek als „Mitläufer“ einstufte, trotz seiner frühen NSDAP-Mitgliedschaft (ab 1.8.1929) und seiner Tätigkeit als SS-Hauptsturmführer. Anschließend zitierten sie ausführlich aus einem Urteil des Landgerichts Trier vom 20.12.1961 über Morde im SS-Sonderlager Hinzert an etwa 40 politischen Kommissaren der Sowjetarmee im Oktober 1941. Riek tat dort nachweislich als zweit- oder dritthöchster SS-Offizier Dienst, war während der Morde in das Lager kommandiert und wusste im Voraus von den Morden. In dem Verfahren wurde er nur als Zeuge vernommen, nicht angeklagt.

Ein anderes Thema war das Rassenbiologische Institut, dessen einstige Büros im Nordflügel die Jugendguides zeigten. Die zunehmende Bedeutung dieser ideologischen Forschung belegten die Jugendguides mit der Ausdehnung des Instituts über das Obergeschoss des gesamten Ostflügels des Schlosses hinweg. Sie stellten dann den Bezug zu ihrer Exkursion in die KZ-Gedenkstätte Natzweiler-Struthof im Elsass her. Hans Fleischhacker, dessen Name sie im das Vorlesungsverzeichnis der Universität Tübingen von 1941 gefunden hatten, war ihnen von dort bekannt. Er hatte im KZ Auschwitz-Birkenau mit einem Kollegen zusammen 86 lebende Menschen jüdischer Herkunft ausgewählt. Sie wurden dann lebend ins KZ Natzweiler-Struthof transportiert und in der dortigen Gaskammer ermordet. Der Zweck: Ihre Skelette sollten an der Reichsuniversität Straßburg als Anschauungs- und Forschungsobjekte dienen.

Schließlich zeigten die Jugendguides in der „Kalten Herberge“ die Räume des heutigen Ludwig Uhland Instituts für Empirische Kulturwissenschaft. Das hatte der Gründer des früheren Instituts für Volkskunde seit 1935 mit Bibliothek, Mobiliar und Anschauungsobjekten ausgestattet, von denen viel bis heute erhalten ist. Angesichts von Sonnenrädern, Lebensbaum, Stempeln mit Reichsadler und Hakenkreuz, dem Modell des Vogtsbauernhofs im Schwarzwald verwiesen die Jugendguides auf Symbolforschung, Bauforschung und andere Ansätze, mit denen die damalige Volkskunde zur Legitimation des von der NSDAP geführten Deutschen Reiches beitragen wollte.