21. Mai 2025

Vielen geflüchteten AfghanInnen droht Abschiebung zu den Taliban

Von Michael Seifert
Der zwischen den Parteien CDU/CSU und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung aktuell beschlossene Koalitionsvertrag sieht die Beendung freiwilliger Aufnahmeprogramme für Geflüchtete vor: „Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme soweit wie möglich beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen,“ heißt es im Vertrag. Schon vorher hatte die noch amtierende alte Bundesregierung das Resettlement-Programm eingestellt, das über die Vereinten Nationen abgewickelt wird. 2024 kamen 1.859 Personen über dieses Programm nach Deutschland – vorwiegend aus Syrien, dem Sudan, und dem Südsudan.

Abschiebung afghanischer Menschen aus Pakistan
Betroffen von der Entscheidung sind u.a. viele Menschen aus Afghanistan, die in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad mit einer Zusage, in Deutschland aufgenommen zu werden, auf ein Visum und die Ausreise warten. Insgesamt sollen nach einem Bericht der ARD seit 2021 etwa 800.000 AfghanInnen aus dem von den Taliban beherrschten Land nach Pakistan geflohen sein. Diese waren von der pakistanischen Regierung aufgefordert worden, bis zum 31. März 2025 das Land zu verlassen. Seit Beginn der jüngsten Abschiebewelle Anfang April haben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) etwa 127.000 Afghanen das Land verlassen. Der Großteil sei unter dem Druck der drohenden Abschiebung eigenständig ausgereist, so die UN-Organisation. Rund 26.000 Menschen seien abgeschoben worden.

Menschen mit Zusage warten auf Visum nach Deutschland
Das deutsche Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) wurde im Oktober 2022 gestartet. Mit diesem Programm sollte der Schutz von Menschen sichergestellt werden, die sich für Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Frieden in Afghanistan eingesetzt hatten oder die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung in besonderer Weise gefährdet sind. Bis zu 1.000 Personen pro Monat, d.h. bis zu 36.000 Personen insgesamt, sollten über das Programm aufgenommen werden. Diese Quote wurde nicht ausgeschöpft: Bis 28. Februar 2025 sind insgesamt 1.262 Personen (433 Personen und 833 Familienangehörige) im Rahmen des BAP nach Deutschland eingereist (Quelle: Bundestags-Drucksache 15087). 3.080 afghanische Staatsangehörige einschließlich Familienangehöriger befinden sich noch in Pakistan im Ausreiseverfahren. Dort leben sie unter prekären Bedingungen und fürchten nun eine lebensbedrohliche Abschiebung nach Afghanistan. Die derzeitige Bundesregierung hat inzwischen drei weitere Flüge für Personen mit Zusage nach Deutschland veranlasst, was zu Kontroversen mit der Partei des voraussichtlich zukünftigen Bundeskanzlers geführt hat.

Hilferuf aus Islamabad
Die Tübinger Initiative „move on – menschen.rechte e.V:” ist eine Meldestelle für Aufnahmen von gefährdeten Personen im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan und betreut eingereiste Personen in Deutschland sowie Personen, die in Islamabad auf ihre Ausreise warten. Vor wenigen Tagen erreichte „move on“ diese E-Mail von betreuten Frauen aus Islamabad:
„[…] seit gestern haben in Islamabad und anderen Gebieten Pakistans die Verhaftung und die Inspektion der Häuser afghanischer Bürger begonnen. Außerdem hat uns unser pakistanischer Vermieter nur eine Woche Zeit gegeben, um das Haus zu räumen. Da wir kein Visum haben, können wir keine andere Wohnung mieten […] Eine Rückkehr nach Afghanistan kommt für uns nicht in Frage, da wir dort keine Überlebenschance haben.“

Appell an Bundesregierung nach Fortsetzung des BAP
PRO ASYL und weitere 44 Organisationen haben in einem Appell die Bundesregierung und die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, das Bundesaufnahmeprogramm nicht auslaufen zu lassen, sondern es wirklich umzusetzen und auszubauen. Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL erklärte: „Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan ist für zahlreiche Frauen, LGTBIQ-Personen, JournalistInnen, MenschenrechtlerInnen und viele andere der letzte Rettungsanker, um der Taliban-Diktatur zu entkommen.“
Weiterführende Links:
tagesschau.de | Afghanen in Pakistan
PRO ASYL | Aufnahmeprogramm Afghanistan retten

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