In deutschen Medien taucht immer häufiger nicht mehr die alte Schreibweise „Kiew“, sondern die ukrainische Form „Kyjiw“ auf. Für die Ukraine ist diese Anpassung eng mit Sprachgeschichte, kolonialer Politik und dem heutigen Kampf um nationale Identität verbunden.
Der historische Kontext der russischen Schreibweise „Kiew“
Die Form „Kiew“ stammt aus der Transliteration des russischen Namens „Киев“. Über viele Jahrzehnte wurde diese Schreibweise in Europa übernommen, da die russische Sprache im Zarenreich und später in der Sowjetunion politisch dominierte. Die ukrainische Sprache wurde systematisch zurückgedrängt, und die Umbenennung von Städten war Teil dieser Politik.
„Kyjiw“ hingegen gibt das ukrainische „Київ“ korrekt nach internationalen Transliterationsregeln wieder – eine Rückkehr zur authentischen Bezeichnung ohne russische Verzerrung.
Die Geschichte sprachlicher Einschränkungen und ihre Folgen
Um zu verstehen, warum die Schreibweise bis heute Emotionen auslöst, lohnt sich ein Blick auf konkrete historische Maßnahmen, die die Sprachpolitik prägten. Der sogenannte Walujew-Erlass schränkte das Drucken ukrainischer Bücher ein und erklärte die Sprache als „nicht eigenständig“. Dies war ein gezieltes Instrument, die kulturelle Selbstständigkeit der Ukrainer zu untergraben. Der Ems-Erlass von 1876 verbot Theateraufführungen in ukrainischer Sprache, Bücher, deren Import sowie ukrainischen Unterricht. Ziel war es, die Sprache vollständig aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen. Nach einer kurzen Phase der Ukrainisierung in den 1920er-Jahren setzte sich die strikte Russifizierung durch. Besonders nach dem Holodomor und politischen Repressionen wurde Ukrainisch im Bildungswesen, in Wissenschaft und Verwaltung systematisch zurückgedrängt. In diesem Umfeld wurden ukrainische Ortsnamen verdrängt und durch russische Formen ersetzt, die später in den internationalen Sprachgebrauch übergingen.
Anerkennung der ukrainischen Schreibweise
Die internationale Akzeptanz der neuen Schreibweise zeigt Respekt gegenüber einem Staat, der selbst festlegt, wie seine geografischen Namen international verwendet werden sollen. Die Schreibweise „Kyjiw“ weist zudem daraufhin, dass die ukrainische Sprache eine lange Geschichte politischer Unterdrückung erlebt hat und dass Ortsnamen oft Teil dieser Auseinandersetzung waren. Im Kontext des aktuellen Krieges hat diese Schreibweise auch eine symbolische Bedeutung. Die Ukraine verteidigt nicht nur ihr Territorium, sondern auch ihre kulturelle Identität und die Art, wie sie sich selbst benennt. Viele, die „Kyjiw“ verwenden, wollen damit ein Signal der Unterstützung senden: Sie erkennen die Ukraine so an, wie sie sich selbst definiert – und nicht durch die russische Perspektive.
Die offizielle Position Deutschlands
Das Auswärtige Amt verwendet mittlerweile offiziell die Form Kyjiw im Länderverzeichnis für den amtlichen Gebrauch, das für alle Bundesbehörden verbindlich ist. Auch führende deutsche Medien – Der Spiegel, Deutsche Welle, ZDF/ARD – nutzen die ukrainische Transliteration. Damit gilt Kyjiw als aktueller und empfohlener Standard im deutschsprachigen Raum.
Weitere Informationen:
„Länderverzeichnis für den amtlichen Gebrauch in der Bundesrepublik Deutschland“:
https://www.auswaertiges-amt.de/resource/blob/215256/8d820b1b6285a9a5340d5db1e1c623c0/laenderverzeichnis-data.pdf
Von Oleksandr Maishev
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