23. November 2025

Warum „Kyjiw“ statt „Kiew“ in deutschen Texten wichtig ist

In den deutschen Medien taucht immer häufiger nicht mehr die alte Schreibweise „Kiew“, sondern die ukrainische Form „Kyjiw“ auf. Für viele Leserinnen und Leser mag das wie eine kleine technische Änderung wirken. Doch für die Ukraine ist diese Anpassung eng mit Sprachgeschichte, kolonialer Politik und dem heutigen Kampf um nationale Identität verbunden.

Der historische Kontext der russischen Schreibweise „Kiew“

Die Form „Kiew“ stammt aus der Transliteration des russischen Namens „Киев“. Über viele Jahrzehnte wurde diese Schreibweise in Europa übernommen, da die russische Sprache im Zarenreich und später in der Sowjetunion politisch dominierte. Die ukrainische Sprache wurde systematisch zurückgedrängt, und die Umbenennung von Städten war Teil dieser Politik.
„Kyjiw“ hingegen gibt das ukrainische „Київ“ korrekt nach internationalen Transliterationsregeln wieder – eine Rückkehr zur authentischen Bezeichnung ohne russische Verzerrung.

Die Geschichte sprachlicher Einschränkungen und ihre Folgen

Um zu verstehen, warum die Schreibweise bis heute Emotionen auslöst, lohnt sich ein Blick auf konkrete historische Maßnahmen, die die Sprachpolitik prägten.

Das Publikationsverbot von 1863

Der sogenannte Walujew-Erlass schränkte das Drucken ukrainischer Bücher ein und erklärte die Sprache als „nicht eigenständig“. Dies war ein gezieltes Instrument, die kulturelle Selbstständigkeit der Ukrainer zu untergraben.

Der Ems-Erlass von 1876

Dieser Erlass verbot Theateraufführungen in ukrainischer Sprache, Bücher, deren Import sowie ukrainischen Unterricht. Ziel war es, die Sprache vollständig aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen.

Russifizierung in der sowjetischen Periode

Nach einer kurzen Phase der Ukrainisierung in den 1920er-Jahren setzte sich die strikte Russifizierung durch. Besonders nach dem Holodomor und politischen Repressionen wurde Ukrainisch im Bildungswesen, in Wissenschaft und Verwaltung systematisch zurückgedrängt.
In diesem Umfeld wurden ukrainische Ortsnamen verdrängt und durch russische Formen ersetzt, die später in den internationalen Sprachgebrauch übergingen.

Warum die Schreibweise für Deutschland wichtig ist

Für Deutschland ist die neue Schreibweise nicht nur eine Frage sprachlicher Korrektheit. Sie zeigt Respekt gegenüber einem Staat, der selbst festlegt, wie seine geografischen Namen international verwendet werden sollen. Mit „Kyjiw“ wird zudem anerkannt, dass die ukrainische Sprache eine lange Geschichte politischer Unterdrückung erlebt hat und dass Ortsnamen oft Teil dieser Auseinandersetzung waren.

Im Kontext des aktuellen Krieges hat diese Entscheidung auch eine klare symbolische Bedeutung. Die Ukraine verteidigt nicht nur ihr Territorium, sondern auch ihre kulturelle Identität und die Art, wie sie sich selbst benennt. Wenn deutsche Medien „Kyjiw“ verwenden, senden sie ein deutliches Signal der Unterstützung: Sie erkennen die Ukraine so an, wie sie sich selbst definiert – und nicht durch die russische Perspektive.

Die offizielle Position Deutschlands und journalistische Standards

Das Auswärtige Amt verwendet mittlerweile offiziell die Form Kyjiw im Länderverzeichnis für den amtlichen Gebrauch, das für alle Bundesbehörden verbindlich ist.

Auch führende deutsche Medien – Der Spiegel, Deutsche Welle, ZDF/ARD – nutzen längst die ukrainische Transliteration. Damit gilt Kyjiw als aktueller und empfohlener Standard im deutschsprachigen Raum.

Die Nutzung der Schreibweise Kyjiw ist nicht nur eine redaktionelle Entscheidung, sondern ein Beitrag zu Genauigkeit und internationaler Korrektheit.

Von Oleksandr Maishev

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Weitere Informationen:

„Länderverzeichnis für den amtlichen Gebrauch in der Bundesrepublik Deutschland“

https://www.auswaertiges-amt.de/resource/blob/215256/8d820b1b6285a9a5340d5db1e1c623c0/laenderverzeichnis-data.pdf