Ein internationales Team von Paläontologen aus Syrien, Brasilien und der Universität Tübingen hat im Norden Syriens eine bisher unbekannte ausgestorbene Art von Meeresschildkröte entdeckt – eine Entdeckung, die in diesem Land bisher einzigartig ist. Die 2025 in der Fachzeitschrift „Papers in Palaeontology“ veröffentlichte Studie enthält eine detaillierte wissenschaftliche Beschreibung des Tieres, das nach dem Fundort am Berg Leloun in der Nähe der Stadt Afrin im ländlichen Aleppo in Syrien den Namen Syriemys lelunensis (Syrische Schildkröte von Leloun) erhalten hat.
Was man über die Syrische Schildkröte von Leloun weiß
Das Fossil wurde 2010 in einem Kalksteinbruch gefunden, in den folgenden Jahren einer umfassenden Untersuchung mittels Computertomographie (CT) und mikroskopischen Analyseverfahren unterzogen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Meeresschildkröte aus dem frühen Eozän (vor etwa 56 Millionen Jahren) stammt, was sie zum ältesten bestätigten Fund der marinen Familie der Stereogenyini (einer besonderen Gruppe von Schweinsnasenschildkröten) macht und die Geschichte dieser Gruppe um mehr als zehn Millionen Jahre gegenüber dem bisherigen Kenntnisstand erweitert.
Die neue Meeresschildkrötenart weist einzigartige anatomische Merkmale in ihrem Knochenpanzer, den Beckenknochen und den Gliedmaßen auf, was bestätigt, dass es sich um eine bisher unbekannte Art handelt. Die Forscher glauben, dass sich die Vorfahren dieser Meeresschildkröten während der Perioden mit hohem Meeresspiegel im Eozän über das Mittelmeer bis in die Ozeane der Alten Welt ausgebreitet haben. Das heutige Syrien lag während der gesamten Kreidezeit und bis zum späten Miozän unter Wasser, also von vor 145 bis etwa 5,3 Millionen Jahren.
Diese Entdeckung hat eine besonders wichtige wissenschaftliche Bedeutung für Syrien, da es sich um die erste wissenschaftliche Beschreibung einer ausgestorbenen Wirbeltierart handelt, die in diesem Land entdeckt wurde. Sie könnte damit die Tür für weitere Studien zur Erforschung seiner reichen geologischen und paläontologischen Geschichte eröffnen.

Der „schildkrötenähnliche Einzahn“ von Tübingen-Lustnau
Der syrische Fund lässt in der Tübinger Redaktion von tuenews INTERNATIONAL gleich an ein weltweit bisher einzigartiges Tier denken, das in Tübingen gefunden wurde und hier im Paläontologischen Museum der Universität zu sehen ist: Henodus chelyops, auf Deutsch: „schildkrötenähnlicher Einzahn“. Die Paläontologen sprechen von ihm als „Tübinger Weltsensation“. Drei Grabungskampagnen am Steilhang des Goldersbachs in Tübingen-Lustnau förderten seit 1934 insgesamt acht Exemplare zutage, die einzigen weltweit. Funde von verwandten Arten gibt es nur aus Portugal und Spanien.
Die erste Beschreibung stammt von dem berühmten Tübinger Paläontologen Friedrich von Huene. Das Tier war etwa einen Meter groß und erinnert wegen seines breiten abgeflachten Körpers an eine Meeresschildkröte, gehört aber zu den marinen Pflasterzahnsauriern. In der Evolutionstheorie spricht man dafür von „konvergenter Evolution“, gemeint ist die unabhängige Entwicklung ähnlicher Merkmale bei nicht verwandten Arten aufgrund ähnlicher Umweltbedingungen. Die starke Panzerung schützte beide Arten vor Fressfeinden, zur Zeit von Henodus waren dies besonders große Raubsaurier. Henodus chelyops verfügte über nur vier pflasterartige Zähne (in jedem Kieferflügel einen) und ernährte sich vermutlich von kleinen Krebsen und Wasserpflanzen, die er mit einem Wasserstrom wie durch ein Filter ansaugte und zwischen seinen breiten Zähnen zermahlte. Er lebte wahrscheinlich in küstennahen Lagunen oder Altarmen von Flüssen.
Die Funde stammen aus der Gipskeuperschicht von vor 228 Millionen Jahren. Damals lagen weite Teile Süddeutschlands in flachen Binnenmeeren und Salzlagunen. Das heutige Württemberg entwickelte sich erst vor etwa 65 Millionen Jahren durch Hebungen zu stabilem Festland.
Von Youssef Kanjou und Michael Seifert
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