8. Februar 2025

Die ersten Tempel der Welt entstanden im Südosten der Türkei

Von Youssef Kanjou
Wir wissen nicht, wann die Menschheit religiöse Ideen und Praktiken entwickelte. Wann für religiöse Rituale erste Häuser und sogar Tempel errichtet wurden, ist auch nicht bekannt. Archäologische Ausgrabungen haben jedoch die bisher ältesten sehr großen Gebäude-Strukturen zutage gefördert, in denen die Menschen schon vor mindestens 12 000 Jahren Rituale im Zusammenhang mit ihrem Glauben durchführten. Eine der wichtigsten dieser archäologischen Stätten ist Göbekli Tepe in der Nähe der südosttürkischen Stadt Şanlıurfa, nahe der syrischen Grenze. Diese Ausgrabung gilt als eine der größten archäologischen Entdeckungen der modernen Zeit.

Göbekli Tepe, 12.000 Jahre alte Sensation
Der Fundort Göbekli Tepe (der türkische Name bedeutet bauchiger Hügel) befindet sich auf der Spitze eines hohen Berges mit Blick auf die umliegenden Ebenen. Er zeichnet sich durch eine komplexe architektonische Gestaltung und riesige Steinsäulen aus, die mit Tierdarstellungen und Symbolen verziert sind. Bei archäologischen Ausgrabungen wurden bisher sechs große kreisförmige Gebäude mit Steinmauern freigelegt, die noch erhalten sind und jeweils einen Durchmesser von zehn bis dreißig Meter haben. Ausgrabungen und Studien deuten jedoch darauf hin, dass noch bis zu zwanzig weitere Gebäude unter der Erde begraben sind. Die Ausgrabungsstätte erstreckt sich über eine Fläche von etwa 300 Quadratmetern, von denen ein Großteil noch unerforscht sind. Jedes Gebäude hat eine Reihe von T-förmigen Säulen. Die bis zu zwölf Säulen befinden sich innerhalb der kreisförmigen Mauern mit jeweils zwei Säulen in der Mitte. Diese Säulen sind in der Regel mit Reliefs von wilden Tieren wie Schlangen, Löwen, Skorpionen, Vögeln und Hirschen verziert. Die Höhe der Säulen beträgt zwischen 2.5 und 4 Meter.
Die archäologischen Feldarbeiten begannen 1995 und fanden in Zusammenarbeit des Şanlıurfa Museum mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) statt – mit Harald Hauptmann als Projektleiter und Klaus Schmidt als Feldleiter. Später wurde Klaus Schmidt Grabungsleiter, eine Position, die er bis zu seinem Tod im Jahr 2014 innehatte. Danach kehrte bis heute die Leitung an das Museum zurück, wobei Lee Clare vom DAI als Koordinator für die archäologischen Forschungen fungierte.

Erste Monumentalbauten für lange Zeit einzigartig
Göbekli Tepe stammt aus dem Neolithikum, der Jungsteinzeit, und war schätzungsweise 1500 Jahre in Benutzung. Die Bewohner der Stätte waren Jäger und Sammler. Neben Göbekli gibt es noch weitere ähnliche archäologische Stätten in der Region Urfa, wie z. B. Karahan Tepe und Sayburç. Aber es gibt keine vergleichbare Kultur im Nahen Osten oder sonst auf der Welt. Diese Kultur scheint einzigartig zu sein, denn solch massive Steinbauten traten erst etwa fünftausend Jahre später wieder auf. Damit ist Göbekli Tepe in seiner Bedeutung mit Stonehenge in England und den ägyptischen Pyramiden, aber er ist viel älter.

Religiöse und soziale Rituale
Die wichtigsten Hinweise auf den Status als religiöses Zentrum sind die großen runden Gebäude und die T-förmigen Säulen, auf denen religiöse oder totemistische Symbole eingraviert sind. Es gibt keine Hinweise auf alltägliche Aktivitäten in diesen Hauptgebäuden, was bedeutet, dass sie nicht für Wohnzwecke, sondern für Rituale bestimmt waren. Es war daher ein Ort, an dem sich Menschen aus weit entfernten Gebieten versammelten, um Zeremonien im Zusammenhang mit Tod und Leben durchzuführen. Möglicherweise gab es Rituale wie Gesang, Tanz und Tieropfer. Auch die Symbole auf den Säulen sind noch nicht geklärt, aber sie könnten mit Mythen und Glaubensvorstellungen zusammenhängen.
Die archäologischen Funde in Göbekli Tepe zeigen, dass Religion oder Gruppenrituale der landwirtschaftlichen Besiedlung vorausgingen, was bedeutet, dass es ein religiöses oder rituelles Zentrum für Jägergemeinschaften und frühe menschliche Gruppen war. Dies ändert das Verständnis der Entwicklung der Zivilisation: Bisher ging man davon aus, dass die Landwirtschaft die Hauptantriebskraft für die Bildung komplexer Gesellschaften war, die erst im frühen 4. Jahrtausend v. Chr. entstanden. Die monumentale Gestaltung von Göbekli Tepe deutet jedoch auf ein hohes Maß an sozialer Organisation und kollektiver Zusammenarbeit bereits in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte hin, denn für den Bau der Anlage waren sicherlich Hunderte von Arbeitskräften erforderlich.
Vom 4. bis 8. November 2024 fand in Urfa die Internationale Neolithische Konferenz statt, an der rund 900 Forscher aus der ganzen Welt teilnahmen. Hauptziel war es, die wichtigsten Ergebnisse von Studien über das Neolithikum vorzustellen, insbesondere die jüngsten Studien in der Region Urfa, die sich auf die Fundstätte Göbekli Tepe konzentrieren.
Weitere Informationen unter: https://worldneolithiccongress.org/
Video zur Ausgrabung von Göbekli Tepe: https://www.youtube.com/watch?v=lAeQcAawVUA

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