28. September 2025

Drei Frauen begleiten in den Arbeitsmarkt

Von Ute Kaiser

„Arbeit hilft bei der Integration!“: Dieser Satz steht auf einem Flyer des Landratsamts Tübingen für Geflüchtete. Von dieser Aussage sind Tinatin Khidesheli, Ingrid Ritter und Rebecca Schümann von der Fachstelle Arbeitsintegration überzeugt. tuenews INTERNATIONAL sprach mit ihnen über ihr Beratungsangebot.
Manchmal ist der Weg in den Arbeitsmarkt einfach. Zum Beispiel bei LKW-Fahrern aus der Ukraine. Ihr Führerschein wird in Deutschland und der gesamten Europäischen Union anerkannt. Und: Speditionsbetriebe suchen dringend nach Fahrern. Eine Firma wollte einen Ukrainer gleich am nächsten Tag einstellen, auch wenn er nicht Deutsch spreche, berichtet Tinatin Khidesheli.

Sprachkenntnisse sind wichtig
Doch oft passen die Deutschkenntnisse von Geflüchteten nicht zu den Anforderungen der Firmen. „Die IT-Branche erwartet einen erfolgreich bestandenen C1-Kurs“, weiß Rebecca Schümann. Diese Information hat sie aus dem Erfahrungsaustausch mit der Handwerkskammer. Ein Grundsatz der drei Integrationsmanagerinnen ist deshalb, an jeden Einzelfall „realistisch heranzugehen“, so Ingrid Ritter.

Wieder mehr Berufssprachkurse
Ein Kriterium der Firmen für Einstellungen ist das Sprachniveau. Für eine betriebliche Ausbildung sollte es schon B2 sein. Sonst könnte es passieren, dass BewerberInnen bei einem Praktikum supergut sind, aber in der Berufsschule Schwierigkeiten haben. Deshalb wäre es nicht hilfreich gewesen, wenn die Anzahl der Berufssprachkurse mit Ziel B2-Niveau, wie ursprünglich geplant, verringert worden wäre. In den letzten drei Monaten 2025 können wieder mehr dieser Kurse angeboten werden – aber 20 Prozent weniger als 2024. Das teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Trägern der Kurse im August mit. Der Grund für die neue Regelung: Im Haushaltsentwurf der Bundesregierung sind 450 Millionen statt 310 Millionen Euro für Berufssprachkurse vorgesehen. Ähnliches soll auch 2026 gelten.

Es kommt auf den Einzelfall an
Die Ende März eingerichtete Fachstelle im Landratsamt ist für Geflüchtete aus dem Landkreis Tübingen zuständig – außer für die aus der Stadt Tübingen mit eigener Beratungsstelle. Die Ratsuchenden der drei Fachfrauen im Landratsamt bringen verschiedene Voraussetzungen mit. Sie sind AsylbewerberInnen oder haben nur eine Duldung. Sie sind anerkannte Geflüchtete oder Schutzsuchende aus der Ukraine. Die meisten UkrainerInnen haben einen Schulabschluss, der auch eine Ausbildung einschließt. „Es bringt etwas, Betriebe darüber aufzuklären“, sagt Rebecca Schümann. Ob Analphabet oder Uni-Absolventin: Das Team sieht sich jeden Einzelfall genau an, um passend vermitteln zu können. „Bei uns ist die Beratung ganzheitlich“, sagt Ingrid Ritter.

Alles von Aufenthalt bis Arbeitsrecht
Das Aufgabenfeld der Fachstelle ist vielfältig. Tinatin Khidesheli, Ingrid Ritter und Rebecca Schümann informieren über verschiedene Berufsfelder und beantworten Fragen zum Arbeitsmarkt. Erster Anlaufpunkt ist ihre offene Sprechstunde. Für tiefergehende Gespräche gibt es Termine. Das Team unterstützt bei der Suche nach Ausbildungs- und Arbeitsstellen, bei der Arbeitserlaubnis und bei Bewerbungen – vom Verfassen des Lebenslaufs bis zur Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch. In Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen helfen die Beraterinnen auch bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen und bei Fragen zum Aufenthalts- oder Arbeitsrecht. Wenn es sinnvoll ist, begleiten sie Klienten auch zum Jobcenter, um über geeignete Förderungen zu sprechen.

Rat bei unterschiedlichen Problemen
Manchen Klienten empfehlen die Beraterinnen, erstmal ein Soziales Jahr zu machen, um die Sprache zu lernen. Für Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, die dauerhaft in Deutschland bleiben wollen, ist das meist keine Option. Rebecca Schümann hat von ihnen schon oft gehört, dass sie jeden Job annehmen würden, nur um hierbleiben zu können. Ein Problem bekommen auch AsylbewerberInnen, die in den letzten 30 Monaten kürzer als 12 Monate gearbeitet haben. Bei Jobverlust oder eigener Kündigung müssen sie in vielen Fällen ihre Krankenversicherung selbst bezahlen (siehe tun25061005 und tun25081301). Auch sie werden beraten.

Frauen tun sich schwerer
Die Fachstelle Arbeitsmarktintegration mit drei 50-Prozent-Stellen gibt es seit Ende März 2025. Deshalb existiert noch keine Statistik zur Anzahl der Ratsuchenden oder zu Vermittlungserfolgen. Der Erfahrung nach haben bisher mehr Männer Unterstützung gesucht als Frauen. Das hat Gründe: Frauen kümmern sich um Kinder und viele auch um pflegebedürftige Angehörige. Das verringert ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Tinatin Khidesheli nennt ein Beispiel: Eine alleinerziehende Mutter ohne Auto kann ein Jobangebot mit Schicht- und Nachtarbeit nicht annehmen. Es ist nicht mit ihren familiären Aufgaben zu vereinbaren.

Investieren kann sich lohnen
Dennoch ist Tinatin Khidesheli zuversichtlich. Studien zeigten, dass Deutschland bei der Integration Geflüchteter aus den Jahren 2015 und 2016 erfolgreicher sei als andere Länder. Sie schließt daraus, dass es sich langfristig für den Staat und die Wirtschaft lohne, in Sprachkurse und Qualifikationen zu investieren. Für Betriebe kann sich beispielsweise eine Einstiegsqualifizierung auszahlen. Das ist ein sozialversicherungspflichtiges Praktikum von mindestens 4 und höchstens 12 Monaten. Es wird von der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter gefördert und kann Betrieben ermöglichen, zukünftige MitarbeiterInnen zu finden.

Eine Anlaufstelle auch für Firmen
Auf dem Arbeitsmarkt gibt es zwei Seiten: Beschäftigte, die Arbeit suchen und Unternehmen, die Arbeitskräfte brauchen. Deshalb ist das Drei-Frauen-Team auch „Anlaufstelle für Firmen“, so Ingrid Ritter. Die Integrationsmanagerinnen bauen nach und nach ein regionales Netzwerk mit Betrieben auf – zum Beispiel für Angebote wie die Job- und Ausbildungsmesse im Mai in Mössingen (siehe tun25041506). Die nächste Messe für den Spätherbst wird schon geplant. In Gesprächen mit Firmen können die Integrationsmanagerinnen auch auf berufsbegleitende Sprachkurse hinweisen. „Das hilft oft“, so Tinatin Khidesheli.

Jobverlust kann teuer werden
Die aktuelle schwache Konjunktur macht die Arbeit des Teams nicht einfacher. Und: Ein Aufschwung sei „nicht in Sicht“, so die Bundesagentur für Arbeit. Für Asylbewerberinnen, die in den letzten 30 Monaten kürzer als 12 Monate gearbeitet haben und ihren Job verlieren oder selbst kündigen, kann das zum Problem werden. Sie müssen nach dem Verlust ihrer Arbeit in vielen Fällen ihre Krankenversicherung vollständig selbst bezahlen (siehe tun25061005).

Firmen brauchen Fachkräfte
Bundesweit lag die Arbeitslosenquote im Juli 2025 bei 6,3 Prozent (Baden-Württemberg: 4,5 Prozent, Region Reutlingen: 4,7 Prozent und Region Tübingen: 3,7 Prozent). Einige Firmen wollen MitarbeiterInnen entlassen. Die drei Beraterinnen vom Landratsamt sehen dennoch Lichtblicke: „Firmen brauchen Fachkräfte“, sagt Rebecca Schümann. Auch dabei, Fachkraft zu werden, unterstützt das Team vom Landratsamt.

Ansprechpartnerin für Tübingen und Umland (Dettenhausen, Kusterdingen, Kirchentellinsfurt und Ammerbuch): Tinatin Khidesheli, Telefon 07071 / 207 6147, E-Mai: t.khidesheli@kreis-tuebingen.de; offene Sprechstunde dienstags von 9 bis 12 Uhr und nach Vereinbarung;
für den Bereich Steinlachtal (Mössingen, Ofterdingen, Dußlingen, Bodelshausen, Gomaringen, Nehren): Ingrid Ritter, Telefon 07071 / 207 6060, E-Mail: i.ritter@kreis-tuebingen.de, offene Sprechstunde freitags von 8 bis 10 Uhr und nach Vereinbarung;
für Rottenburg und Umland (Starzach, Hirrlingen und Neustetten): Rebecca Schümann, Telefon 07071 / 207 6058, E-Mail: r.schuemann@kreis-tuebingen.de, offene Sprechstunde freitags von 9 bis 11 Uhr und nach Vereinbarung.

Zahlen zum Arbeitsmarkt bundesweit:Bundesagentur für Arbeit | Arbeitsmarkt Juli 2025
in Baden-Württemberg:
Bundesagentur für Arbeit | Arbeitsmarkt Juli 2025 BaWü
und im Arbeitsamtsbezirk Tübingen und Reutlingen:
Bundesagentur für Arbeit | Arbeitsmarkt Juli 2025 Region Tübingen

tun25052005

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