28. September 2025

Das Foto zeigt das Bundeskanzleramt in Berlin. Foto von tuenews INTERNATIONAL.‎

Dürfen gefährdete AfghanInnen nun nach Deutschland einreisen?

Nachdem die neue Bundesregierung die Erteilung von Visa für Ortskräfte und besonders bedrohte Personen aus Afghanistan gestoppt hatte, urteilte ein Berliner Gericht am 8. Juli 2025 in einem ersten Fall, dass bereits erteilte Visumszusagen eingehalten werden müssten (tuenews INTERNATIONAL berichtete: 25071101). Insgesamt warten noch etwa 2.300 Personen mit einer Aufnahmezusage in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad auf die Visumserteilung. Gegen das Berliner Urteil legte die Bundesregierung zunächst Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin ein, zog diese Beschwerde aber am 15. August wieder zurück.

Gericht droht der Regierung Zwangsgeld an
Das Verwaltungsgericht Berlin forderte das Auswärtige Amt inzwischen auf, darzulegen, „welche Schritte zur Visumserteilung unternommen werden bzw. wurden“. Aktuell drohte es der Bundesrepublik Deutschland ein Zwangsgeld in Höhe von 2500 Euro an, falls die Visa nicht bis zum 10. September erteilt werden.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) versicherte nun gegenüber der „Deutschen Welle“, dass „Afghanen, bei denen die Bundesrepublik Deutschland durch rechtskräftige Gerichtsbeschlüsse zur Visaerteilung und zur Gestattung der Einreise verpflichtet wurde, nach Deutschland einreisen werden.“ Laut Medienberichten sollen in den kommenden Tagen erste Familien per Linienflug in Deutschland ankommen.

Abschiebungen afghanischer Menschen aus Pakistan
Schnelles Handeln ist notwendig, denn die pakistanischen Behörden weiten ihre Abschiebe­praxis von afghanischen Geflüchteten nach Afghanistan zurück aus. Laut Medienberichten wurden schon mehr als 200 Menschen aus Gästehäusern in Islamabad herausgeholt und nach Afghanistan gebracht. Pakistans Regierung hat darüber hinaus angekündigt, dass in einer weiteren Aktion 1,3 Millionen AfghanInnen abgeschoben werden sollen. Es gilt ein Ultimatum, das Ende des Monats ausläuft und von dem auch die Menschen in den deutschen Aufnahmeprogrammen betroffen sind.

Das ZDF konnte in einem Telefonat mit einer abgeschobenen Frau sprechen: Es sei alles ganz schnell gegangen, berichtete die Afghanin Fahima. Ohne Vorwarnung seien die pakistanischen Behörden gekommen und hätten sie und ihre vier Kinder in brutaler Weise aus der Unterkunft gezerrt, in der sie seit 18 Monaten auf ihre Ausreise nach Deutschland gewartet habe: „Die Kinder waren sehr verängstigt. Selbst einmonatige Babys und ältere Frauen waren nicht sicher. Wir wurden beleidigt und erniedrigt.“ Inzwischen seien sie in Kabul in einer Unterkunft und voller Angst, was mit ihnen geschehen werde. „Vor allem die Mädchen fürchten, dass sie geholt, verkauft und zwangsverheiratet werden“, so Fahima.

Offener Brief an die Minister
Mehr als 80 Organisationen, darunter Amnesty International, Reporter ohne Grenzen, Medico International, Terre des femmes und auch die Tübinger Initiative move on – menschen.rechte forderten inzwischen in einem offenen Brief an Außenminister Johann Wadephul (CDU) und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) sofortige Ausreisen, anstatt durch Verzögerungstaktik weiter Menschenleben zu gefährden. „Handeln Sie jetzt, bevor es für viele Betroffene zu spät ist“, heißt es in dem Schreiben. Die Initiative „Kabul Luftbrücke“ übergab im Auswärtigen Amt eine Petition mit mehr als 100.000 Unterschriften. Sie fordert die Bundesregierung zur umgehenden Umsetzung der bereits erfolgten Aufnahmezusagen auf.
Siehe auch: 25040104
Zum Offenen Brief: Offener Brief an BMI und AA (PDF)

tun25082601

tuenews.de