29. April 2025

#HOLOCAUST-CHALLENGE

von Polli Schulreich

Auf dem Bildschirm ist eine junge Frau vor weißem Hintergrund zu sehen, aus dem Lautsprecher tönt der Song „Heathens“ von twenty one pilots. Im Takt der Musik schminkt sie sich tiefe Augenringe, Hämatome und Wunden. Ins Dekolleté malt sie den blau weißen Hemdkragen einer Häftlingsuniform und einen Davidstern. Als sie fertig ist folgt rotes Licht und ein Aufruf zum Gedenken. Videos in denen sich Jugendliche und junge Erwachsene als KZ-Häftlinge schminken, sind 2020 keine Seltenheit. Dutzende ViewerInnen reagieren mit positiven Kommentaren.
Creatorin Susanne Siegert (Kanal:keine.erinnerungskultur) setzt sich kritisch mit diesem Trend auseinander. Die Direktorin für Überlebendenangelegenheiten im US-Holocaust-Museum Diana Saltzmann kritisiert: „Die Nachahmung von Holocaust-Erfahrungen entehrt die Erinnerung an die Opfer, beleidigt Überlebende und trivialisiert die Geschichte.“ Sie meint, dass „nicht jede Aktivität auf Social Media geeignet ist dem Holocaust zu gedenken“ und dass die Darstellung eines Standpunkts, der nicht der Eigene wäre, kulturelle Aneignung sei.
Die Erstellerin eines solchen Video rechtfertigt sich damit, dass sie mit ihrer Kunst (dem Bodypainting) und ihrer Reichweite an die Opfer dieser Verbrechen erinnern wolle. Gidon Lev bezeichnet solche Videos als „digitale Stolpersteine“. Er ist 1935 geboren hat im Alter von sechs bis zehn Jahren das Ghetto Theresienstadt überlebt. Heute betreibt er den Kanal „@thetrueadventures“ auf der Social Media App Tik Tok. In der Arte Dokumentation ‚Ernste Themen auf TikTok-Ärger über POV Holocaust Challenge unberechtigt‘, sagt Lev: „Ich finde es überhaupt nicht respektlos, weil es für sie eine Art ist, Zugang zu etwas so Unmenschlichem zu finden. Es ist so entsetzlich. Und das wird mich daran erinnern, dass so viele unschuldige Menschen vernichtet wurden.“
Indessen fehlt es den oft reißerisch und dramatisch gestalteten Kurzvideos oftmals an einer der Sache angemessenen Sachlichkeit oder generell an Kontextinformation. Wer derzeit den Hashtag oder generell das Schlagwort Holocaust auf TikTok eingibt, kommt auf eine von der Plattform generierte Sperre mit der Empfehlung „glaubwürdige Quellen“ aufzurufen. Informationen bieten beispielsweise Gedenkstätten wie Bergen-Belsen Memorial oder das Auschwitz-Birkenau Memorial and Museum. Sie posten auch auf Plattformen wie Instagram und TikTok Videos und Bilder, um ihren Erinnerungsauftrag auch auf Social Media zu erfüllen.