29. April 2025

„Ich fühlte mich zugehörig“

An der Bundestagswahl am 23. Februar haben sich bundesweit auch rund eine halbe Million Menschen beteiligt, die als MigrantInnen nach Deutschland kamen, eingebürgert wurden und nun als Deutsche zum ersten Mal gewählt haben. Ein großes Thema war die Migrationspolitik. Fünf Redaktionsmitglieder von tuenews INTERNATIONAL erzählen, wie sie die Wahl und den Wahlkampf erlebt haben.

„Meine Meinung ist wichtig“
Lobna Alhindi aus Syrien: Deutsche seit 2022
„Es war eine wunderbare Erfahrung. Zum ersten Mal fühlte ich mich verantwortlich für mein neues Heimatland. Ich fühlte Respekt und Wertschätzung, und dass meine Meinung wichtig ist. Ich fühlte mich zugehörig.“

„Fühle mich als Teil der Gesellschaft“
Sameer Ibrahim aus dem Irak: Deutscher seit 2024
Als ich die Gültigkeit meiner befristeten Aufenthaltserlaubnis betrachtete, hatte ich weder Motivation noch Interesse daran, politische oder andere Nachrichten in Deutschland zu verfolgen. Aber nachdem ich die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatte und die Möglichkeit hatte, an den letzten Wahlen teilzunehmen, begann ich, mich über die politischen Programme der verschiedenen Parteien zu informieren. Ich wollte wissen, welche Kandidaten mich am besten vertreten und wie die Politik der Parteien meine persönliche Situation und meine Zukunft in Deutschland beeinflusst. Ich fing an, deutsche Sender zu verfolgen und mich für die diskutierten Themen zu interessieren. In diesem Moment fühlte ich mich als Teil dieser Gesellschaft, und es entwickelte sich in mir ein Gefühl der Zugehörigkeit und Verantwortung ihr gegenüber.

„Wollen Teil des demokratischen Prozesses sein“
Oula Mahfouz aus Syrien: Deutsche seit 2021
Die Wahl war für uns eine wichtige Erfahrung, denn leider drehten sich die meisten Diskussionen während des Wahlkampfes hauptsächlich um Migranten und Flüchtlinge in Deutschland – als wäre das das einzige Problem. Deshalb wollten wir auch Teil des demokratischen Prozesses sein, weil wir ein Teil dieser Gesellschaft sind.
Vor der Wahl gab es eine Diskussion und ein Gespräch in der Familie. Einige meiner Neffen und Nichten waren gerade 18 Jahre alt geworden und durften zum ersten Mal wählen. Wir haben über die Wahlprogramme der Parteien gesprochen und darüber nachgedacht, welche Partei wir wählen könnten. Ich war überrascht, wie sehr sie sich in diesem Alter für die Diskussion und politische Themen interessierten und ihre Meinung geäußert haben. Es hat mich sehr gefreut, dass sie ein so starkes Bewusstsein entwickelt haben.

„Meine Stimme hat einen Einfluss“
Mostafa Elyasian aus dem Iran: Deutscher seit 2024
Der 23. Februar 2025 war ein wichtiger und unvergesslicher Tag für mich. Zum ersten Mal als deutscher Staatsbürger konnte ich an der Bundestagswahl teilnehmen. Im vergangenen Jahr, nach acht Jahren harter Arbeit und Engagement, erhielt ich die deutsche Staatsbürgerschaft, und heute war ich stolz und voller Freude, zum ersten Mal meine Stimme abzugeben. Für mich war diese Erfahrung nicht nur eine Gelegenheit, Einfluss auf die politische Zukunft meiner neuen Heimat zu nehmen, sondern auch ein Symbol für eine große Veränderung in meinem Leben.
Seit zwei Wochen verfolgte ich mit Begeisterung und Eifer die Wahlprogramme der verschiedenen Parteien über die Medien und in Gesprächen mit deutschen und iranischen Freunden. Besonders wichtig war es mir, eine Partei zu wählen, die starke und praktische Pläne zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation meines Landes in der Zukunft hat. Obwohl die Wahl der richtigen Partei schwierig war, hatte ich das Gefühl, dass meine Stimme einen großen Einfluss auf die Gestaltung einer besseren Zukunft für mein Land haben würde.
Als iranischer Migrant in Deutschland ist es für mich sehr wertvoll, dass ich die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt habe und heute, zusammen mit anderen Bürgern meines Landes, an wichtigen politischen Entscheidungen teilhaben kann. Im Gegensatz zu einigen anderen Ländern wird meine Stimme hier nicht für politische Zwecke ausgenutzt, sondern sie hat tatsächlich Bedeutung und Einfluss. Dies ließ mich das Gefühl haben, wirklich ein Teil meiner neuen Gesellschaft zu sein und aktiv zu positiven Veränderungen beizutragen.
Diese Erfahrung erinnerte mich daran, dass die acht Jahre harter Arbeit und Anstrengung in diesem Land nicht umsonst waren. Sie haben mein Leben in eine neue Richtung geführt. Deutschland hat mir die Möglichkeit gegeben, durch meine eigenen Bemühungen einen Platz in der Gesellschaft zu finden, und heute fühle ich, dass diese Chancen einen wertvollen und greifbaren Nutzen gebracht haben.
Mein Rat an alle, die noch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben, ist, dass sie hoffnungsvoll bleiben und nicht aufgeben sollten. In meinem Land bleibt kein positiver Versuch oder keine Anstrengung unbeantwortet. Dieses Land bietet viele Chancen für diejenigen, die mit positiver Absicht und Engagement nach Veränderung streben. Aus diesem Grund bin ich heute nicht nur für mich selbst, sondern auch für alle, die diesen Weg gehen, hoffnungsvoll und optimistisch.

„Keine Partei hat mich restlos überzeugt“
Reem Al Sagheer aus Syrien: Deutsche seit 2020
Ich durfte auch vor vier Jahren schon wählen, aber damals wusste ich noch nicht, wie wichtig das für Deutschland und die Demokratie ist. Da mich keine Partei hundertprozentig überzeugt hat, habe ich mich damals entschieden, nicht zu wählen. Aber da war mir noch nicht klar, dass es indirekt das Wahlergebnis beeinflusst, wenn man nicht wählt. Das habe ich erst letztes Jahr erfahren und weiß seither, wie wichtig es ist, zu wählen. Deshalb habe ich letztes Jahr gewählt und dieses Jahr auch, auch wenn mich keine Partei restlos überzeugt. Ich habe die Partei gewählt, der ich mich am meisten verbunden fühle.

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