„Jugendguides wandern durch die verschneiten Vogesen“? So könnte der Titel des Fotos lauten, wüsste man nicht, dass in der verschneiten Villa bis 1944 der Kommandant des deutschen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof mit seiner Familie wohnte. Dicht nebenan grenzt Stacheldraht das Gelände des früheren Konzentrationslagers ab, das heute eine Gedenkstätte ist.
Jugendguide Maja, die die Station zwei Schulklassen der Geschwister-Scholl-Schule Tübingen vorstellt, ist selbst etwas fassungslos, wie befremdlich einem die Selbstwahrnehmung Kramers nach Kriegsende heute vorkommt: „Erstens. Ich bin an den mir zur Last gelegten Straftaten für Bergen-Belsen, wie auch für Auschwitz vollständig unschuldig. Zweitens. Ich bin kein Kriegsverbrecher. Drittens. Ich habe keinen Menschen aus eigener Initiative getötet. Viertens. Ich war nur Soldat und habe als solcher die Befehle meiner militärischen Vorgesetzten ausgeführt.“[1]
Jugendguide Simeon hingegen lässt vor dem Krematorium im Innenbereich des ehemaligen KZ die Worte eines Zeitzeugen für sich sprechen und zitiert Floris B. Bakels: „Als Anfang September 1944 die Alliierten heranrückten und Natzweiler evakuiert werden sollte, gingen die Freiheitskämpfer unten in den Tälern zu offenem Widerstand über. Ein Teil der männlichen Bevölkerung wurde daraufhin verhaftet und zur Exekution in unser Lager überführt. Zu Hunderten sahen wir sie hereinströmen. Sie wurden nicht registriert, bekamen weder Nummern noch Lagerkleidung, wurden nicht kahl geschoren oder in Baracken untergebracht. Ihr Weg führte sie geradewegs ins Krematorium. Dort wurden sie erst neben dem Ofen gehängt und danach verbrannt. Als dies immer mehr Zeit in Anspruch nahm – es gab nur vier Haken und die Amerikaner rückten immer näher –, verzichtete die SS auf das Hängen und stieß die französischen Widerstandskämpfer ohne weitere Umstände in den Ofen. An diesen Tagen schlugen die Flammen meterhoch aus dem Schornstein des Krematoriums. Über das Lager wehte der Gestank von verbranntem Fleisch. Im Dunkeln verwandelte sich der hohe Schornstein in seiner ganzen Länge zu einem rot glühenden Mal. Er neigte sich leicht zur Seite.“[2] Die Schüler*innen waren bei der Klassenfahrt hin und hergerissen zwischen der schönen Winterlandschaft und dem Entsetzen über das Leiden im KZ, das die Jugendguides zum Vorschein brachten.
[1] Josef Kramer an General Montgomery vom 27. 11. 1945, NLB, JAG 12, WO 235/22. Zit. nach: Orth (2000), S. 281
[2] Bakels (1979), S. 257