Gang durch Gomaringen mit Jugendguides am 26. Januar 2025
„Als wir mit unserem Gepäck die vier Kilometer vom Bahnhof Bohusovice in die einstige Festung und das spätere Ghetto Theresienstadt liefen, war das ziemlich holprig, der Weg strengte auch uns an. Und wir sind jung“, Jugendguide Maja verglich Etappen des Deportationstransports, den der ehemalige Gomaringer Ortsarzt Dr. Sally Adamsohn 1942 im Alter von 79 Jahren zurücklegen musste, mit eigenem Erleben. Bei einem Gang zu vier Stationen durch Gomaringen, zu dem der Schwäbische Albverein am Vorabend des Holocaust-Gedenktags (27. Januar) eingeladen hatte, erschlossen sie und die Jugendguides Martha, David, Nora, Rafael und Kanon Aspekte aus dem Leben und der Deportation Adamsohns, der 1863 in Westpreußen geboren worden war und 1900 als Ortsarzt nach Gomaringen gekommen war. Auf dem Faksimile der Todesfallanzeige Adamsohns im Ghetto Theresienstadt ist als Todesdatum der 1. September 1942 festgehalten. Den daraus ersichtlichen Todesort Dresdner Kaserne zeigte Maja anhand eines Fotos so, wie sie ihn bei der Jugendguidesexkursion 2024 erlebt hatte: Komplett eingedrückter Dachfirst, angehäufte Trümmerhügel hinter Absperrgittern, auf dem Exerzierplatz davor die schreienden Figuren, Farben und Lichter von Jahrmarktrummel.

Jugendguide Martha versetzte die etwa 40 Interessierten, zu denen Bürgermeister Stefan Heß, einige Gemeinderäte und der Initiator der Veranstaltung Stefan Rilling gehörten, durch Zitate aus den Lebenserinnerungen von Helga Weiss (geboren 1929 in Prag) zurück in die Perspektive Deportierter, die unter Fremdheit, drangvoller Enge, Lebensmittelentzug und mangelnder Hygiene im Ghetto leiden mussten. Vor einer Gedenktafel in der Tübinger Straße und vor dem ehemaligne Gomaringer Rathaus knüpften Jugendguides David und Nora daran an, dass in dem Vorgängergebäude Adamsohn bis 1926 als Ortsarzt praktiziert hatte und hier fast vier Jahrzehnte lang, sein halbes Leben, gewohnt. Sie stellten seine Ausgrenzung anhand von Auszügen aus dem Gomaringer Gemeinderatsprotokoll 1938 und des Mitgliederverzeichnisses des Gesangvereins Harmonie für das Jahr 1937 dar. NS-Bürgermeister Sautter kündigte ihm die Wohnung in der Tübinger Straße, der Gesangverein kündigte ihm die Ehrenmitgliedschaft, aus einer Vereinsfeier wurde er hinausgeekelt. Sie hielten aber auch für wichtig, auf Hilfe für Adamsohn hinzuweisen, durch Bahnhofswirt Baumann, durch Witwe Stich, bei der er seit 1939 wohnen konnte.

Angesichts des Stolpersteins für Sally Adamsohn in der Linsenhofstraße präsentierten Rafael und Kanon die Transportliste, die Personal des Ghettos Theresienstadt am 23. August 1942 aufstellte. Sie zeigten auf die laufende Nummer 422, hinter der Sally Adamsohns Name steht. Nach einem Selbsttötungsversuch war er zunächst nach Stuttgart gebracht und dann als einer von 1078 Menschen in den Zug gesperrt worden. Eine Aufstellung des Finanzamts Reutlingen listete die Möbel auf, die die Behörde nach Adamsohns Deportation aus dem Haus in der Linsenhofstraße abholen ließ, sie hätten einen „eigenartigen Geruch“, notierten die Beamten. Die Jugendguides schlossen mit Bildern und Eindrücken vom jüdischen Friedhof in Theresienstadt und aus dem dortigen Krematorium.