Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte südwestdeutscher Spitäler im 17. Jahrhundert (zugleich Dissertation Universität Tübingen), Gomaringer Verlag und Druck 1993
von Wolfgang Sannwald
Schwedische, kaiserliche, bayerische und französische Truppen durchziehen in der Pest- und Kriegszeit des 17. Jahrhunderts das Herzogtum Württemberg und die Herrschaft Hohenberg. Der Dreißigjährige Krieg blutet das Land aus. Städte brennen, Äcker liegen wüst und brach, Vieh wird geraubt. In der Kipper- und Wipperinflation verliert das Geld seinen Wert. Wie leben die Menschen in dieser Zeit? Und wie geht es den Ärmsten in den Spitälern? Anhand vieler erstmals ausgewerteter Schriftstücke aus der Pest- und Kriegszeit des 17. Jahrhunderts beschreibt dieses Buch für Württemberg und Teile Vorderösterreichs die Umbrüche jener Jahre in der Landwirtschaft, in der Währung, in der staatlichen Preispolitik, in der Entwicklung von Preisen und Löhnen, in der Wirtschaftsführung von sozialen und landwirtschaftlichen Großbetrieben, im Verbrauchsverhalten der Menschen. Aus Herrenberg, Horb a.N., Rottenburg a.N. und den dortigen Spitälern wurden mit Hilfe EDV-gestützter Auswertungsverfahren und neuer Methoden etwa 100000 Einzeldaten zu 46 Grafiken und 61 Tabellen komprimiert, die am örtlichen Beispiel einen präzisen Einblick in die Umbrüche zulassen. Für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte, die baden-württembergische Landesgeschichte und die Geschichte der Städte Herrenberg, Horb und Rottenburg bietet diese Untersuchung viele Informationen, Anregungen und Ergebnisse. Das Buch zur regionalen Spitalgeschichte und zur Wirkungsgeschichte des Dreißigjährigen Krieges.
I. Erforschung der Lebensverhältnisse
Zu den zentralen Fragestellungen in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte gehört diejenige nach den Verhältnissen, unter denen Menschen in der Vergangenheit lebten. Eine neue Belebung erfuhr die Diskussion um diesen Problemkreis unter anderem Ende der 1970er Jahre. Ulf Dirlmeier[1] hat in seiner damals erschienenen Habilitationsschrift versucht, die Lebensverhältnisse im Spätmittelalter umfassend zu untersuchen. Er bot dabei von einem mikroökonomischen Ansatz ausgehend einen sehr präzisen Überblick über die Bereiche, denen bei der Beurteilung von Lebensverhältnissen eine Rolle zukommt. Seine Arbeit machte besonders bewußt, welche ökonomische und soziale Vielfalt sich hinter dem Stichwort Lebensverhältnisse verbirgt. Staatliche Versorgungspolitik, Löhne, verfügbare Budgets, Wohnung, Kleidung, Verbrauchsmengen und Verbrauchsverhalten spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Preise unterschiedlichster Nahrungsmittel.
Die Elemente, welche Lebensverhältnisse beeinflussen, lassen sich freilich sinnvoll um übergeordnete, makroökonomische Aspekte erweitern. Die Diskussion um die wirtschaftliche Entwicklung der Territorien hat für Württemberg im selben Jahr Wolfgang von Hippel[2] in einem Aufsatz über die Bevölkerungs- und Wirtschaftsgeschichte des Herzogtums im Dreißigjährigen Krieg systematisiert. Den richtungweisenden Beitrag, vorwiegend für den agrarischen Bereich, lieferte bereits Wilhelm Abel[3] mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen zur Agrarkonjunktur. Er leitete im Anschluß an Malthus die konjunkturelle Entwicklung aus dem Wechselspiel von Lohn- und Preisreihen, der Bevölkerungsentwicklung und dem verfügbaren Nahrungsspielraum ab. Besonders vor Beginn der Industrialisierung standen die Lebensverhältnisse der Menschen in engstem Zusammenhang mit der Bevölkerungsentwicklung. Für die vorindustrielle Zeit postulierte die Theorie des Thomas Robert Malthus eine auswegslose Situation, weil die Vermehrungskraft der Bevölkerung unbegrenzt größer ist als die Kraft der Erde, Unterhaltsmittel für den Menschen hervorzubringen[4]. Im 16. Jahrhundert hatte das malthusianische Dilemma[5] zur Folge, daß sich wegen eines größeren Angebotes an Arbeitskräften und einer geringeren Produktion an Nahrungsmitteln eine Schere zwischen steigenden Preisen und demgegenüber zurückbleibenden Löhnen öffnete. Damals verschlechterten sich die Lebensverhältnisse für Arbeiter, wohingegen die Grundrenten höhere Erträge einbrachten[6]. Die entscheidende Voraussetzung für diese Verschlechterung der Lebensverhältnisse ist Malthus zufolge also in der Bevölkerungsentwicklung zu suchen; ein Ansatz, der, auch im Anschluß an von Hippel, als allgemeiner Forschungsstand bezeichnet werden kann[7]. Bei der genauen Analyse dieser Theorie fehlt es indessen noch an wesentlicher Grundlagenforschung: der Untersuchung lokaler Quellen und geeigneter statistischer Methoden.
Dirlmeier und von Hippel stellten in ihren Arbeiten die Forderung auf, daß in vorindustrieller Zeit, als sich das wirtschaftliche Geschehen innerhalb relativ kleiner räumlicher Einheiten abspielte, Problemstellungen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte zunächst auf lokaler und regionaler Ebene eingehender erforscht werden müssen[8]. Bisherige Untersuchungen über die Lebensverhältnisse in der Frühen Neuzeit kranken nämlich einerseits daran, daß ihre Autoren fast ausschließlich Quellen aus den einstigen großen Handelsstädten zu Grunde legten[9]. Derzeit gibt es demgegenüber eine Reihe von Bemühungen, die genannten Fragestellungen lokal auch für eher ländliche Gebiete aufzuarbeiten. Erwähnt seien hier stellvertretend eine Arbeitsgruppe an der Universität Konstanz um Frank Göttmann[10] und die Einrichtung des Sonderforschungsbereiches 164 in Münster, der sich mit demographischen und wirtschaftlichen Untersuchungen zu Städten und Dörfern des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit befaßt.
Die fehlende Aufarbeitung lokaler Quellen war bisher nur das eine Manko, das bei der Untersuchung von Lebensverhältnissen bestand. Andererseits muß nämlich der methodische Ansatz, wie die konjunkturelle Entwicklung in vorindustrieller Zeit untersucht und dargestellt werden kann, immer von neuem diskutiert werden[11]. Bei diesen Methoden geht es vor allem darum, die Kaufkraft von Löhnen und damit den Wert von Einkünften beurteilen zu können[12]. Den Wert von Einkommen bestimmt deren nominelle Höhe nämlich nur zum Teil. Zusätzliche Faktoren wie Beschäftigungsdauer und die Entwicklung der Preise entscheiden mit darüber. Frühere Forscher wählten vor allem Modelle, bei denen sie Löhne in Getreidepreise, meist das Roggenäquivalent, oder in Silbergewicht, das Silberäquivalent, umrechneten[13].
Dirlmeier verwarf aus prinzipiellen Erwägungen diese Methoden und plädierte stattdessen für die Zusammenstellung von Warenkörben für das Spätmittelalter[14]. Mit Hilfe der Warenkorbanalyse ermittelt die moderne Statistik Lebenshaltungspreisindizes[15]. Anhand einer Sammlung von Einzelnachrichten und Daten aus einem geographisch weiten und damit heterogenen Raum versuchte Dirlmeier, alle Bereiche, die die Lebenshaltung der Menschen des Spätmittelalters ausmachten, zu erfassen und in ihrem jeweiligen Anteil an den Gesamtlebenshaltungskosten zu gewichten. Dabei verwandte er Einzelnachrichten, die sich nur bedingt untereinander vergleichen lassen. Das bisher vorliegende Quellenmaterial aus dem Spätmittelalter und aus der Frühen Neuzeit, so Dirlmeiers doch eher resignierendes Fazit, könne den Anforderungen der statistischen Methode nur unzureichend genügen[16].
Aber auch wenn es, wie bei Untersuchungen über das 18. und 19. Jahrhundert, gelingt, die Preise einer Fülle von Waren für die Preisbereinigung zu erheben, scheiterten bisherige Versuche zur Bildung derartiger Lebenshaltungspreisindizes an einer sinnvollen Gewichtung[17]. Das zeigt Hans-Jürgen Gerhards methodisch durchdachte Dissertation über die Diensteinkommen der Göttinger Officianten, die sich auf den Zeitraum zwischen 1750 und 1850 erstreckt, besonders deutlich[18]. Gerhard verzichtete auf eine anteilsmäßige Bewertung der einzelnen Güter und arbeitete mit einem ungewichteten Warenkorb.
Wolfgang von Hippel umging in seinem genannten Aufsatz die von Dirlmeier in den Vordergrund gerückte Problemstellung insofern, als der Autor weniger die Lebensverhältnisse behandelte, als vielmehr die wirtschaftliche Situation des Landes[19]. Er arbeitete dabei mit Begriffen wie jenem des realen Prokopfeinkommens oder dem des Sozialprodukts und versuchte somit, von makroökonomischen Beobachtungen auf jene der Lebensverhältnisse zu schließen. Dabei schätzte er durchaus großzügig, um wenigstens generelle Aussagen zu seiner zentralen Fragestellung, nämlich derjenigen nach den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges, machen zu können[20].
Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Frühen Neuzeit in einem Teil des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg. Im Zuge ihrer übergeordneten Fragestellung verfolgt sie unter anderem auch das Ziel, Beiträge zur Befriedigung der beiden Forderungen nach lokaler Anbindung und nach der Entwicklung geeigneter Methoden zu leisten. Sie geht auf lokaler Ebene der Entwicklung von Lebensverhältnissen nach. Untersuchungsgebiet sind die drei baden-württembergischen Städte Horb am Neckar, Rottenburg am Neckar und Herrenberg. Die beiden erstgenannten ehemals vorderösterreichisch-hohenbergischen und damit katholischen Orte und die letztgenannte frühere württembergisch-protestantische Amtsstadt sind einander unmittelbar benachbart und dürften während der Frühen Neuzeit für Transporte jeweils innerhalb eines Tages erreichbar gewesen sein. Entscheidend für die Auswahl dieser Untersuchungsobjekte war neben der geographischen Lage die Überlieferung geeigneter Quellen. Leider ließ sich auf württembergischer Seite kein weiterer Ort in vergleichbarer Größe und im entsprechenden Grenzgebiet finden, dessen Archiv eine Einbeziehung in die Untersuchung gestattet hätte[21]. Dieser Umstand ist vor allem deshalb bedauerlich, weil sich das Herrenberger Quellenmaterial im Vergleich zu jenem der beiden hohenbergischen Städte als weniger ergiebig erwies. Deshalb war nur in Teilbereichen ein Vergleich zwischen den beiden Territorien, in denen die drei Städte lagen, sinnvoll.
Neben der lokalen Anbindung dieser Untersuchung kann erstmals ein jeweils auf einzelne Orte anzuwendendes Modell zur Ermittlung von Preisbereinigungsfaktoren eingeführt und erprobt werden. Methodisch steht es im Zentrum der vorliegenden Arbeit. Es wird im Laufe der Untersuchung entwickelt und angewendet. Dieses Modell beruht auf der Heranziehung einer für die genannte Fragestellung besonders ergiebigen Quellengruppe, die bislang nur unzureichend genutzt wurde. Es handelt sich um die Rechnungsakten von Spitälern. In der Wirtschaftsführung dieser örtlichen Großverbraucher[22] und landwirtschaftlichen Großbetriebe schlugen sich veränderte Lebensverhältnisse erkennbar nieder, wie die Untersuchung zeigen wird. Wegen der verfügbaren Quellen stehen allerdings weniger individuelle Lebensverhältnisse im Mittelpunkt der Arbeit, sondern vielmehr kollektive. Von denen lassen sich wiederum Rückschlüsse auf das Leben von Individuen ziehen.
Den Zeitraum der Untersuchung gibt neben der Quellenlage auch die allgemeine Bevölkerungsentwicklung vor. Entsprechend der Theorie des Malthus kann vermutet werden, daß Störungen der Bevölkerungsentwicklung auch die Lebensverhältnisse entscheidend beeinflußten. Am massivsten trat eine derartige Störung, nach jener der Pestepidemien des 14. Jahrhunderts, während der gesamten neuzeitlichen Geschichte Mitteleuropas im Dreißigjährigen Krieg auf. Von den knapp 450000 Einwohnern, die für das Herzogtum Württemberg im Jahr 1622 errechnet wurden[23], blieb 1639 weniger als ein Viertel übrig. Noch 1673 lebten gerade etwas mehr als halb so viele wie ein halbes Jahrhundert zuvor auf dem Boden der württembergischen Ämter. Störungen und Verwerfungen erlauben in der Geschichte, ähnlich wie in der Geologie, besonders deutliche Einblicke in grundlegende Strukturen. Gerade an der Bruchstelle, die der Dreißigjährige Krieg für die mitteleuropäische Geschichte bedeutet, können die Lebensverhältnisse der Menschen in der Frühen Neuzeit und deren Rahmen besonders deutlich voneinander abgegrenzt und untersucht werden. Eine Gegenüberstellung von Vorher und Nachher läßt oft weitergehende Einblicke zu als die Beobachtung langanhaltender, kontinuierlicher Entwicklungen. Mit einem solchen Aufschluß der Geschichte befaßt sich auch die vorliegende Arbeit. Der Untersuchungszeitraum umfaßt die Jahre von 1590 bis 1674, so daß zusätzlich zu den eigentlichen Jahren des Dreißigjährigen Krieges jeweils eine Zeitspanne von etwa einer Generation vorher und nachher einbezogen sind. Das Ende des Untersuchungszeitraumes markiert das Wirksamwerden des Holländischen Krieges (1672-78).
Welche wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen bewirkte der Dreißigjährige Krieg in den drei Städten Rottenburg, Horb und Herrenberg? Auf eine Beantwortung dieser Frage arbeitet die vorliegende Untersuchung systematisch hin. Dies geschieht über den Umweg der Betrachtung von Großverbrauchern der frühen Neuzeit, den städtischen Spitälern. Die zentrale Fragestellung verbindet dabei eine Reihe von erstmalig für den genannten Rahmen durchgeführten Teiluntersuchungen. Zunächst wird das erhobene Quellenmaterial vor dem Hintergrund einer kurzen Verwaltungs- und Verfassungsgeschichte der untersuchten Spitäler erläutert und auf seine Verwendbarkeit hin befragt. Schon damit wurde vielfach Neuland beschritten, weil für keine der behandelten Anstalten zusammenfassende Darstellungen vorliegen. Für diejenigen in Horb und Herrenberg gab es bisher so gut wie keine eigenständige Untersuchung auch nur von einzelnen Aspekten. Insofern erschien es auch unumgänglich, anhand der Besitzgeschichte dieser Spitäler die Grundlage ihres wirtschaftlichen Handelns relativ ausführlich darzustellen. Nach diesen grundlegenden Kapiteln wird zunächst einmal weitere grundlegende Forschung hinsichtlich der ortsüblichen Maßsysteme und der im Untersuchungsgebiet benutzten Währungen, besonders aber zur Geldgeschichte der Kipper- und Wipperzeit, geleistet. Zu solchen Themen fehlen bisher leider oftmals grundlegende landesgeschichtliche Darstellungen. Weiteren exogenen Faktoren für die Konjunktur im 17. Jahrhundert und damit gestaltenden Elementen der Lebensverhältnisse widmen sich ausführlichere Kapitel über die Entwicklung der Landwirtschaft und den Erntezyklus, über Einfüsse des Dreißigjährigen Krieges auf das Untersuchungsgebiet und schließlich über staatliche Eingriffe in den Markt durch Höchstpreisverordnungen. Zu wesentlichen Teilen werden auch diese Themen im Rahmen der vorliegenden Arbeit erstmals eingehend erörtert, ohne daß dies freilich noch wünschenswerte eigenständige Untersuchungen ersetzen könnte.
Erst vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen konnte dann die Entwicklung der Preise und Löhne sinnvoll erforscht werden. Dabei galt es vor allem, das gesamte Umfeld des Zustandekommens von Löhnen mit in Betracht zu ziehen und zu problematisieren. Dann wird eine Methode zur Preisbereinigung gedanklich entwickelt. Deren Ziel ist die Konstruktion eines Gesamtindexes, der ein Maß für den Wert des Geldes liefern soll. Direkt im Anschluß an die entsprechende Theorie wird dieser Index gebildet. Dabei zeigt sich, wie nötig die bis dahin gemachten Teiluntersuchungen und Vorüberlegungen waren. Vor allem kann man die für jede untersuchte Stadt gebildeten Gesamtindizes nur mit Hilfe von Kenntnissen über die Rahmenbedingungen interpretieren. Die ermittelten Indizes dienen als Grundlage, um die Wirtschaftsführung der Spitäler zu untersuchen. Dabei kommt leider jener in Herrenberg wegen bestimmter Eigenarten etwas kurz. Alle drei Anstalten werden daraufhin untersucht, wie sich ihre Fähigkeit zur Versorgung von Insassen entwickelte und was ihrerseits diese Insassen vom Spital an Leistungen erwarten konnten. Gerade eine Untersuchung über die Versorgungsleistung ermöglicht eine Reihe von Rückschlüssen auf allgemeine Verbrauchsgewohnheiten und vor allem von Veränderungen dieser Gewohnheiten durch den Krieg. Letztendes soll das Beispiel des Großverbrauchers Spital zeigen, wie sich durch den Krieg die Wirtschaftsverhältnisse und in Abhängigkeit von diesen und weiteren Rahmenbedingungen die Lebensverhältnisse änderten. Am Ende wird eine Einteilung des Untersuchungszeitraumes in Perioden stehen, deren Grenzen durch Veränderungen der Lebensverhältnisse gekennzeichnet sind.
Gegenstand der Untersuchung sind wegen der verwendeten Quellengruppe also Spitäler, jene Institutionen, die ein breites Spektrum sozialer Aufgaben der Städte abdeckten. Vor allem verköstigten und behausten sie, ganz dem Stiftungszweck entsprechend, sozial Schwache wie Waisenkinder, Witwen und Arme, aber auch Wohlhabendere, die sich in eine Pfründe einkauften und so einen gesicherten Lebensabend verbringen durften. Medizinische Leistungen, welche sich heutzutage mit dem Begriff Hospital verbinden, erbrachten die Spitäler eigentlich nur insofern nebenher, als sie die Behandlung sozial Schwacher trugen. Erst durch die Übernahme von Sondereinrichtungen in den Verwaltungsverband der Anstalt kamen mancherorts Aufgaben im Bereich der Versorgung von Infizierten in den Gutleuthäusern oder Siechenhäusern hinzu. Ihre Versorgungsaufgaben konnten die Spitäler älteren Typs nur deshalb erfüllen, weil sie seit ihrer Stiftung mit umfangreichem Grund- oder Kapitalbesitz ausgestattet worden waren. Auf dieser Grundlage betrieben die meisten karitativen Anstalten in Deutschland eine umfangreiche Landwirtschaft, vielfach ein großes agrarisches Gut, dessen Umfang sie oft zum größten Wirtschaftsunternehmen innerhalb der Städte machte. Mit ihrem Grundbesitz und ihren Grundrechten griffen sie, die sich seit dem Prozeß der Kommunalisierung fest in städtischer Hand befanden, weit ins Umland aus, wodurch der städtische Magistrat, dessen Führungsorgane auch die Anstalten leiteten, seinen Einfluß ins Hinterland der Kommune ausdehnte. Auf dem Besitz einiger Spitäler baute geradezu das Territorium mehrerer Reichsstädte auf. Wegen des doppelköpfigen Charakters der Anstalten – auf der einen Seite Gutsbetrieb und Kreditanstalt, andererseits aber Haushaltsführung zur Versorgung der Insassen[24] – eignen sich deren überlieferte Akten besonders gut für Forschungen im Grenzbereich zwischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Eine Untersuchung der Wirtschafts- und Sozialverhältnisse derartiger Einrichtungen gibt deshalb auch eine Fülle von Hinweisen auf die allgemeine Entwicklung der Lebensverhältnisse.
Untersuchungen, die einen Überblick über die Spitalgeschichte, namentlich jene im deutschen Südwesten[25], zu geben versuchen, reduzieren indessen den wirtschaftshistorischen Gesichtspunkt meist auf die Feststellung, der Spital habe Ähnlichkeit mit einem großen Gutsbetrieb[26]. Rudolf Seigel zog bei seiner gelungenen Systematisierung der altwürttembergischen Spitäler Daten über deren Besteuerung heran, um wirtschaftliche Kategorien zu bilden[27]. Seine Ausführungen müssen indessen nochmals gründlich überprüft werden, da die herangezogenen Quellen nur das in Württemberg besteuerte Vermögen der untersuchten Anstalten erfassen[28]. Deren steuerpflichtige Vermögen scheinen demgegenüber nicht unbedingt mit ihrem tatsächlichen Vermögen identisch gewesen zu sein, wie das Beispiel Blaubeuren zeigt[29]. Zur Erfassung ihrer Wirtschaftskraft wäre insgesamt ein einheitliches Berechnungsmodell wünschenswert, etwa mit Hilfe einer aus Geld- und Naturaleinkünften errechneten Versorgungskapazität, wie dies für die untersuchten Anstalten gezeigt werden soll[30].
Zu einzelnen Spitälern liegt bisher in traditionellen Spitalmonographien eine Fülle von Daten über deren Wirtschaftslage vor[31]. Die genannten Arbeiten beschränken sich aber in aller Regel auf eine reine Darstellung, noch dazu oft aus einem einzigen Jahrgang der Rechnungsbücher. Von einer gründlichen Auswertung der Spitalrechnungen kann also keine Rede sein. Das wirtschafts- und sozialgeschichtliche Erkenntnisnteresse bei derartigen Spitalmonographien und innerhalb einschlägiger Stadtgeschichten[32], richtet sich meist auf die scheinbar sehr einfache Frage nach dem Reichtum der jeweiligen Anstalt. Nach einer geeigneten Methode zur Auswertung dieser Fundgruben von statistisch verwertbarem Material und danach, wie der festgestellte Reichtum denn zu bewerten ist, wird erst gar nicht gefragt. Gezielt für wirtschafts- und sozialgeschichtliche Arbeiten zog in der älteren Forschung vor allem der Nestor der deutschen Lohn- und Preisgeschichte, Moritz John Elsas[33], Spitalrechnungen heran. Die ihnen entnommenen Werte bezeichnete er als Institutspreise[34], die von den Marktpreisen nach seinen Erkenntnissen nicht abwichen. Allerdings nutzte Elsas die Quellengruppe lediglich zur Bildung von Lohn- und Preisreihen und beschränkte sich zudem auf die Auswertung der Archive großer Handelsstädte. Die Beliebtheit von Spitalrechnungen bereits für die ältere Preisgeschichte zeigt, um welch wertvolle Quellengruppe es sich dabei handelt. In der jüngeren Forschung wies besonders Wolfgang Zorn auf deren Bedeutung als einer Fundgrube der älteren Preis- und Lohngeschichte hin[35]. Dirlmeier griff auf Pfründverträge zurück, um Aufschlüsse über den Lebenshaltungsaufwand im Spätmittelalter zu gewinnen. Als eigenständige Quellen für eine wirtschaftsgeschichtliche Fragestellung aber hat bisher in erster Linie Christian Heimpel spitalische Rechnungsbücher nutzbar gemacht[36]. Allerdings ging Heimpel von einer grundsätzlich anderen Fragestellung aus. Auch Ludwig Ohngemach[37] zog für seine Arbeit über den Rottweiler Spital im Dreißigjährigen Krieg vor allem Rechnungsbücher heran. Ich selbst habe meinen Ansatz zum Umgang mit dem lohn-, preis- und verbrauchsgeschichtlichen Material, welches spitalische Rechnungsbücher zur Verfügung stellen, in meiner Magisterarbeit über den Rottenburger Spital entwickelt[38].
II. Quellenlage und Spitalverwaltung
Als Quellen für die vorliegende Untersuchung dienen vorwiegend, wie bereits ausgeführt, die Rechnungsbücher der Spitäler[39]. Das oben angegebene Untersuchungsziel kann nur erreicht werden, wenn derartige Amtsbücher vorhanden sind. Sie sind die nahezu einzige Quellengruppe, deren Inhalt weitestgehende Erkenntnisse zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Untersuchungszeitraumes erwarten läßt. In vielen Stadtarchiven enthalten die Spitalbestände des öfteren Reihen solcher Rechnungsbücher, die zeitlich nicht selten weiter zurückreichen als die entsprechenden kommunalen Akten und Bände. Dies trifft, von Herrenberg einmal abgesehen, auch auf die untersuchten Städte zu.
Den gesamten Archivbestand des Rottenburger Spitals bewahrt das dortige Stadtarchiv[40] auf. Während es allerdings die Rechnungsbücher und Rechnungsprotokolle für das 16. Jahrhundert nur sporadisch bewahrt hat, zeichnet sich die Überlieferung für das 17. Jahrhundert durch geringe Lücken aus. Auch ergänzen Hausbücher, Dienstverträge, Spitalordnungen und Pfründverträge[41] sowie zahlreiche Urkunden[42] das Material in glücklicher Weise. Orientierung über den Spitalbesitz bildeten zudem die Urbare der Anstalt[43].
Für die Rottenburger Ortsgeschichte gewinnt das Spitalarchiv mit seinen reichhaltigen Beständen noch dadurch besondere Bedeutung, daß die Ratsprotokolle und die Stadtsäckelrechnungen des 16. und 17. Jahrhunderts nicht erhalten sind. Die Rechnungsbücher des Spitals gehören damit zu den wichtigsten unpersönlichen Quellen der Frühen Neuzeit. Sie ergänzen sich in seltener Weise mit Quellen des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts, die K.O. Müller[44] veröffentlicht hat, den Landschreiberrechnungen der Herrschaft Hohenberg. Diese wurden, ebenso wie die Musterbücher aus dem 16. und 17. Jahrhundert, bereits mehrfach gründlich ausgewertet[45]. Auch Ulf Dirlmeier zog sie für seine Forschungen heran. Somit stellen die Rechnungsbücher des Rottenburger Spitals ein weiteres Glied in einer Kette unpersönlicher Quellen zur Geschichte Rottenburgs und der Herrschaft Hohenberg dar, die mit dem 14. Jahrhundert einsetzen und sich bis ins 20. Jahrhundert weiterführen lassen[46]. Die Stadt Rottenburg wartet durch eine ausgesprochen breite Forschungsliteratur auf, sicherlich mit eine Folge, die der Nähe zur Universität Tübingen und der Arbeit des traditionsreichen Sülchgauer Altertumsvereins zu verdanken ist. Auch über die Rottenburger Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und jene des Rottenburger Spitals gibt es eine Reihe von Arbeiten. Zu nennen sind vor allem Anton Buhls Aufsatz über den Spitalhaushalt im ausgehenden 18. Jahrhundert[47] und eine Untersuchung von Ute Ströbele[48] über die Rottenburger Pfründner im 16. Jahrhundert. Mit den Spitalaltären und deren Patronat befaßte sich Adalbert Baur[49]. Schließlich bietet Herbert Wyrwichs Buch über die Frühgeschichte des Rottenburger Spitals eine Fülle von Details zur mittelalterlichen Geschichte dieser im 14. Jahrhundert gegründeten Anstalt[50].
Durch seine bis heute dauernde Verwaltungskontinuität stellt der Horber Spital eine Besonderheit in Südwestdeutschland dar. Zwar besteht auch in Rottenburg und andernorts noch heute die Spitalverwaltung mit einem eigenen Vermögen, doch wird dieses meist im Rahmen der Kommune verwaltet. Anders im Falle von Horb, wo die Spitalverwaltung der örtlichen Kirchenverwaltung untersteht, in der die sonstigen bedeutenden Einrichtungen der katholischen Kirche zusammengeführt sind. Noch heute laufen bei der Stiftungspflege die Fäden für das Krankenhaus und das Altenheim zusammen. Eine Vermögensausscheidungsurkunde vom 1. April 1897 kehrte die Phase der Kommunalisierung, die bei älteren Anstalten gerade eine Säkularisierung mit sich gebracht hatte, um[51]. Aus diesem Grund bewahrt die Horber Spitalverwaltung noch heutzutage ihre bis ins Mittelalter zurückreichenden Aktenbestände und Urkunden selbst auf[52]. Allerdings ist im Falle von Horb die Überlieferungssituation weit weniger günstig als in Rottenburg. Dies fängt schon damit an, daß die Pfleger ein erstes Gesamturbar nicht vor dem 18. Jahrhundert anlegen ließen. Sodann beginnt die serielle Überlieferung von Rechnungsbüchern erst 1607. Vermutlich hängt dies mit einer Zäsur im Rechnungswesen des Spitals wie der gesamten Stadt zusammen. Der Zeitpunkt, ab dem Rechnungen überliefert sind, fällt nämlich auffällig mit dem Zeitpunkt zusammen, als eine oberösterreichische Kommission neue Direktiven für die Horber Verwaltung ausgab. Die Kommissare hatten zuvor festgestellt, daß es bei allen Rechnungen böse stehe: seyen auch vast ale Register also gestelt, daß sy weder Anfang oder Endt, nit lateriert oder summiert, vihl weniger die Vergleichungen oder Beschluß gemacht. Der Ursachen kinden sy nit Rechnungen genennt werden[53]. Offenbar leiteten die Kommissare sofortige Maßnahmen gegen die Mißstände ein. Eine Folge davon mag sein, daß ab 1607 die Reihe der Rechnungsbücher nahezu komplett vorhanden ist[54]. Leider bieten sie im Gegensatz zu Rechnungsprotokollen weniger Detailinformationen, da sie summarisch geführt wurden. Rechnungsprotokolle und andere Vorrechnungen wie Hausbücher und dergleichen fehlen in Horb weitgehend. Hingegen gibt es eine reichhaltige Überlieferung zur Herrschaftsgeschichte über die einst im Besitz der Anstalt befindlichen Orte, bis hin zu Gerichtsprotokollen. Gerade mit ihrer Hilfe ließe sich in einer Detailstudie der Einfluß des Landesherrn auf den Horber Spital und dessen Rechte anhand umfangreicher Quellen zeigen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird auf diesen interessanten Aspekt weiter unten am Rande eingegangen. Im Falle Horbs kommt der Spitalüberlieferung insgesamt keine so entscheidende Rolle für die Stadtgeschichte zu wie in Rottenburg, da auch die städtische Überlieferung weit zurückreicht. Im Stadtarchiv werden Serien von Gerichtsprotokollen, Ratsprotokollen, Hauptrechnungen und Truhenrechnungen aufbewahrt[55]. Leider jedoch ist dieses Material längst nicht so gut aufgearbeitet wie jenes in Rottenburg. Über den Horber Spital gibt neben einer neueren Monographie über die Liebfrauenkirche und das Chorherrenstift eigentlich nur ein besitzgeschichtlicher Aufsatz des einstigen Pfarrers Doeser aus der Zeit des Ersten Weltkriegs Auskunft[56].
Der Bestand des einstigen Herrenberger Spitals ist, wie im Falle von Rottenburg, im dortigen, hervorragend ausgestatteten, Stadtarchiv untergebracht. Von den drei untersuchten und den sonstigen auf ihre Bestände hin überprüften Spitälern bietet der Herrenberger die kontinuierlichste und am weitesten zurückreichende Überlieferung, leider jedoch nicht die ergiebigste. Die überlieferten Rechnungen beginnen zwar bereits 1482 und decken mit nur geringen Lücken das gesamte 16. und 17. Jahrhundert ab[57]. Wichtig sind auch die Beilagen, die einigen dieser Rechnungsbücher eingelegt sind[58]. Leider fehlen aber Hausbücher und andere Vorrechnungen, die vermutlich erst gar nicht im selben Umfang wie in Rottenburg oder in Horb geführt wurden. Die Überlieferung von Lagerbüchern ist gut[59], jedoch sind die Rottenburger übersichtlicher. Aus späterer Zeit hat sich auch die Herrenberger Spitalgerichtsbarkeit in Akten niedergeschlagen[60]. Für Herrenberg hat der Bestand des Spitalarchivs nicht die enorme Bedeutung wie in Rottenburg. Die seriellen Quellen städtischen Ursprungs sind nämlich ebenfalls sehr vollständig und ähnlich weit zurückreichend überliefert. Allerdings fehlt hier eine genaue Verzeichnung, so daß trotz der hervorragenden archivarischen Betreuung eine vollständige Erfassung der wichtigen Akten und Bände nicht garantiert werden kann. Leider steht der guten Ausgangssituation hinsichtlich des Quellenmaterials eine relativ geringe Ergiebigkeit und das praktisch völlige Fehlen von Forschungsliteratur gegenüber. Standardwerk für die Stadtgeschichte ist immer noch die handschriftliche Chronik des einstigen Herrenberger Vogtes Hess aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts[61]. Außer den darin enthaltenen Abschnitten gibt es keine Veröffentlichung über den Spital.
Spitalakten und die Rechnungsführung der Spitäler
Da sich die gesamten Ausführungen der vorliegenden Arbeit hauptsächlich auf die Akten der Spitäler und namentlich auf deren Rechnungsbücher stützen, sei an dieser Stelle näher auf die einzelnen Quellen eingegangen. Dies soll vor allem auch ein besseres Verständnis für den methodischen Ansatz ermöglichen. Der Schritt, von den kollektiven Verhältnissen in einer Versorgungsanstalt auf jene privater Verbraucher zu schließen, hängt unmittelbar von der Aussagekraft der Rechnungsbücher ab. Eine systematische Betrachtung der Spitalakten wird diese Vorgehensweise verständlicher machen.
Grundlage für die Rechnungsführung der Spitäler waren die Urbarien, in denen Besitzrechte aufgezeichnet sind: eigene Güter, Gebäude, Gefälle an Geld- und Naturalzinsen, -gülten und -zehnten. Weiter unten werden sie herangezogen, um die Besitzstruktur der untersuchten Spitäler zu ermitteln, die Grundlage ihres wirtschaftlichen Handelns. Wie solche Urbare entstanden und welcher Stellenwert ihnen zukam[62], sei am Beispiel desjenigen aus Rottenburger von 1537 kurz gezeigt. Zu seiner Erneuerung reiste eine Kommission des Rottenburger Rats und Gerichts in die entsprechenden Dörfer. Seit der Kommunalisierung im 12. und 13. Jahrhundert, bei jüngeren Anstalten seit ihrer Gründung, handelten nämlich die städtischen Gremien in allen wesentlichen Belangen für die Spitäler, so auch in Rottenburg. Die Stadt ordnete ihre zwei Bürgermeister, die gleichzeitig als Pfleger der Anstalt amtierten, zwei Zehntherren und weiteres Personal wie den Vater und den Oberknecht, zu dieser Kommission ab. Vor Ort wurden dann, wohl aus früheren Urbaren und Verträgen zusammengestellt, alle… Posten vor einer ganzen Gemeinde öffentlich verlesen und bekannt gemacht und von einem Gericht darüber erkannt[63]. Jede Erneuerung war eine ziemlich aufwendige Aktion, die vor allem wegen der vielen beteiligten Personen auch eine Menge kostete. Deshalb fand sie nur in Abständen von etwa drei Jahrzehnten statt. Um unnötige Kosten zu vermeiden, die eine Erneuerung vor Ort mit sich gebracht hätte, kam es auch vor, daß einzelne Rechte nicht erneuert, sondern alleine aus den Briefen im Spital eingeschrieben wurden. Bei erst kürzlich erworbenen Gütern ließ sich auch einfach das Bestandsverzeichnis aus dem Kaufvertrag inserieren[64]. Das Urbar ist systematisch nach Ortschaften gegliedert, doch folgen diese weder der zeitlichen Reihe ihrer Erneuerung noch alphabetisch aufeinander. Möglicherweise liegt der Ordnung jener Weg zu Grunde, den einst eine Kommission bei der Erstverzeichnung nahm. Innerhalb der Ortschaften sind die Einträge nach Huben, Höfen und Lehen geordnet, deren Grundstücke jeweils durch vier Anstößer gekennzeichnet werden. Da den Urbaren Inhaltsverzeichnisse beigegeben sind, können Angaben leicht nachgeprüft werden.
Das Urbar bot den Spitalbeamten die Möglichkeit, Besitztitel ihrer Anstalt nachzuschlagen. Darin liegt seine verwaltungstechnische Bedeutung. Wie wichtig dies sein konnte, zeigte sich während der Krisenjahre des Dreißigjährigen Krieges in Herrenberg. Güter, die ein Armenpfründner eingebracht hatte, ließen sich 1637 nicht mehr ermitteln: wo sie ligen dem Spitalmayster nach der Zeith unbewußt[65]. Darüber hinaus aber kommt den Urbaren oder Lagerbüchern auch eine besondere rechtliche Bedeutung zu. Da sie vor den Betroffenen amtlich bekanntgemacht wurden, hatten sie bei strittigen Gebietsfragen Beweiskraft. Außer auf diesem Rechtsakt der Erneuerung beruhen die Besitztitel auch auf Kaufbriefen, die der Spital aufbewahrte und deren Lagerort die Bücher in aller Regel nennen. Zu den Gewölben, darinnen des Spitals Brief, Stiftungen, Urbar und dergleichen liegen, hatte alleine der Schreiber den Schlüssel[66].
So, wie das Urbar als Grundlage für die Einkünfte des Spitals gelten kann, so waren die Spital- und Speiseordnungen grundlegend für das Zusammenleben und die Lebenshaltung in der Anstalt. Sie wurden vom städtischen Gericht erlassen, im Falle von Pfründverträgen mit den eingekauften Pfründnern ausgehandelt. Urbare und Spitalordnungen setzten den Rahmen, innerhalb dessen sich die Verwaltung des Spitals und das Leben der Spitaliten abspielte.
Schema: Rubriken der Rechnungsbücher (1): | Geldeinnahmen Copyright: W.Sannwald 1992 | |||||
VOM REST | VERMÖGEN | VERKÄUFE | ||||
AUSSTÄNDE | Güterverkauf | – Roggen | – Rindvieh | |||
Zinsablösungen | – Dinkel | – Hagen | ||||
Rückzahlungen | – Hafer | – Pferde | ||||
ZINSEN | Verschuldung | – Gerste | – Schweine | |||
– Mühlkern | – Häute | |||||
Steuern | SOZIALBETRIEB | – Erbsen | – Hennen | |||
Hellerzinsen | – Linsen | – Hühner | ||||
Hauszinsen | Pfründverkauf | – Rüben | ||||
Wasserzinsen | Leibgedingverk | – Holz | ||||
Grundzinsen | Von Armen | – Milch | – Reife | |||
Stiftungen | – Käse | – Heu | ||||
Allgemeines | Almosen | – Fleisch | – Stroh | |||
Kellergeld | – Schmalz | – Wein | ||||
Bettenverkauf | Rüggelder | – Obst | ||||
Fuhraufträge | Frevel | |||||
Für diese interne Verwaltung war der Spitalmeister, mitunter auch als Spitalvater bezeichnet, zuständig. Die Ordnung[67], die er bei seinem Dienstantritt beschwören mußte, verpflichtete ihn unter anderem auch zu einer geregelten Rechnungsführung. Seine tagtäglichen Einnahmen aus den Zinsen und Gülten notierte er, genauso wie die Ausgaben für die Haushaltsführung, in ein besonder Particular Raitung oder Hausbuch. Diese Geldrechnung ging in das Rechnungsprotokoll unter der Rubrik Spitalmeisters kleine Rechnung ein. In sein Hausbuch schrieb der Meister auch hinein, was die Spitalinsassen an Wein und an Frucht verbrauchten. Der für die Vorräte zuständige Keller mußte ihn darüber auf dem Laufenden halten. Wöchentlich notierte er auch, wieviele Tage die Handwerker geschafft hatten, damit die Pfleger mit diesen jedes Quartal abrechnen konnten. Von derartigen Hausbüchern sind in den drei besuchten Archiven nur in Rottenburg einige erhalten. Für die vorliegende Arbeit wurden sie insbesondere zur Ermittlung des Fleischverbrauchs herangezogen. Denn in sein Hausbuch übertrug der Meister auch die Summen aus einem speziellen Fleischregister, in dem er jede Woche vermerkte, was er von den Metzgern bezogen hatte. Einige solche Fleischregister fanden sich in den Beilagen der Herrenberger Spitalrechnungen. Auf dieser Grundlage rechneten der Spitalmeister und die Pfleger dann samstags mit den Metzgern ab, gleichzeitig fanden die Summen Eingang ins Hausbuch. Für besondere Aufgaben führte er mitunter auch weitere spezielle Register. So ist für Rottenburg 1668 ein Fuhrbüchlin genannt, in dem die Entgelte für Fuhrdienste standen. Über das Inventar seiner Anstalt führte jeder Spitalmeister gleichfalls genau Buch. Solche Inventare sind ebenfalls im Herrenberger Archiv erhalten[68]. In ihnen sind Silber-, Kupfer- und Zinngeschirr, Bettücher und Leinwand sowie andere Mobilien verzeichnet.
Auch der für die Wein- und Fruchtvorräte des Spitals gemeinsam mit dem Spitalmeister zuständige Keller mußte des Schreibens kundig sein. Laut Ordnung hatte er bei der Weinernte die Herbstbücher, von denen einige in Rottenburg erhalten sind[69], und nach der Ernte die Dreschregister zu führen. Während des gesamten Jahres trug er täglich die Weinausgaben in ein Register ein, getrennt für drei Personengruppen: über des Spitalmeisters Tisch, Pfründner, Arme und Ehehalten. Mit Ehehalten meinte er dabei die Bediensteten der Anstalt. Auch Fruchtentnahmen aus dem Kasten verzeichnete der Keller, um sie anschließend ebenfalls dem Meister für das Hausbuch mitzuteilen. In gleichem Maße mußte der Spitalbäcker Buch darüber führen, wieviel Brot er verkaufte[70]. Was der Haischer im Auftrag des Spitals an Früchten und Geld einzog, fand ebenfalls seinen schriftlichen Niederschlag, in diesem Fall zunächst im Haischbuch.
Schema: Rubriken der Rechnungsbücher (2): | Geldausgaben Copyright: W.Sannwald 1992 | ||
REST AM ENDE | BESOLDUNG | BAUKOSTEN | SOZIALBETRIEB |
RESTANZEN | – Meister | – Kirche | Hausarme |
– Keller | – Spital | Kinder | |
Steuern | – Oberknecht | – Gutleuthaus | Wochenkosten |
Hellerzinsen | – Unterknechte | – Scheuern | Sondersiechen |
An andere Verwaltungen | – Weingärtner | – Keltern | Ex gratia |
– Bäcker | – Mühlen | Beerdigungen | |
– Mägde | – Badstuben | Leibgedinge | |
VERMÖGEN | – Köchin | – Höfe | |
HAUSHALT | |||
Güterkauf | LÖHNE | LANDWIRTSCHAFT | |
Zinsablösungen | Dem Krämer | ||
Zinskäufe | – Taglöhne | – Ackerbau | Mahlen |
Schuldkäufe | – Handwerker | – Ernte | Textilien |
– Arztlohn | – Dreschen | Wäscherlohn | |
VERWALTUNG | – Kaminfeger | – Wiesen | |
– Schuhmacher | – Weinbau | GEMEINNUTZEN | |
Gülteinzug | – Holzhauen | – Viehkäufe | |
Zehrungen | – Fuhrkosten | – Viehhaltung | Faselvieh |
Rechnung | – Heukauf | Feuerwehr | |
Kommissionen | – Strohmachen |
Über den weiteren Rechnungsablauf gab der Spitalkeller Barthel Pembler 1604 vor einer österreichischen Untersuchungskommission Auskunft[71]: er Zeug und der Spitl Vater zaigen ir Raitung dem Statschreiber an, der schreib alles auf. Die Pfleger übersehen dieselb und legen sy alsdann dem gantzen Rath für. Zunächst trat also der Stadtschreiber in Aktion. Bei der Erstellung von Rechnungsprotokoll und Rechnungsbuch kam den Schreibern eine entscheidende Funktion zu: bei ihnen flossen verschiedene Vorrechnungen zusammen und sie trugen diese zunächst in das Protokoll, später in das Rechnungsbuch ein.
Schema: Rubriken der Rechnungsbücher (3): | Geldausgaben: Käufe Copyright: W.Sannwald 1992 | |||
– Roggen | – Kraut | – Fleisch | – Hennen | |
– Dinkel | – Brot | – Schmalz | – Hühner | |
– Hafer | – Zwiebel | – Unschlitt | – Hagen | |
– Gerste | – Leinöl | – Lichter | – Pferde | |
– Mühlkern | – Salz | – Häute | – Schweine | |
– Erbsen | – Wein | – Rindvieh | ||
– Linsen | – Milch | |||
– Rüben | – Holz | – Käse | – Heu | |
– Obst | – Reife | – Eier | – Stroh | |
Obwohl der Schreiber, der in allen drei untersuchten Orten gleichzeitig das Amt des Stadtschreibers versah, eigentlich nur eine Hilfsfunktion innehatte, kam ihm in der Spitalverwaltung doch die Schlüsselfunktion zu. Er dürfte in vielem kompetenter gewesen sein als seine nominell vorgesetzten Pfleger.
Schema: Rubriken der Rechnungsbücher (4): | Fruchteinnahmen Copyright: W.Sannwald 1992 | ||
FRUCHTART | Für jede Fruchtart die folgenden Rubriken: | ||
– Roggen | |||
– Dinkel | Eigenwirtschaft | Gülteinnahmen | Kauf |
– Hafer | Auswärtige Höfe | Zehnteinnahmen | Ausstände |
– Gerste | Vogtrechte | ||
– Erbsen | |||
– Linsen | Dabei wird je nach Spital zwischen | ||
– Rüben | den unterschiedlichen Herkunftsorten | ||
– Obst | und Abgabepflichtigen unterschieden. |
Schema: Rubriken der Rechnungsbücher (5): | Fruchtausgaben Copyright: W.Sannwald 1992 | ||
FRUCHTART | Für jede Fruchtart die folgenden Rubriken: | ||
– Roggen | |||
– Dinkel | Zins und Gült | Hausbrauch | Verkauf |
– Hafer | Besoldungsteil | Verfütterung | Ausgeliehen |
– Gerste | Aussaat | Restanzen | |
– Erbsen | |||
– Linsen | Dabei wird je nach Spital zwischen | ||
– Rüben | den unterschiedlichen Nutznießern | ||
– Obst | der Früchte unterschieden. |
Zunächst führte er die verschiedenen Teilrechnungen oder Partikularien im Rechnungsprotokoll zusammen. Deshalb sind in diesem Konzept noch die einzelnen Teilbeträge der Partikularien ausgewiesen, es gibt Streichungen, Nachträge, Korrekturen und sonstige Spuren laufenden Gebrauchs. Im eigentlichen Rechnungsbuch, das die Pfleger dem Rat zur Abhörung vorlegten, stehen dann meist nur noch die Summen solcher Posten. Die Rechnungsbücher aller untersuchten Spitäler sind nach denselben Prinzipien gegliedert. Grundsätzlich werden jeweils eine Geldrechnung, im Anschluß daran eine Fruchtrechnung und schließlich eine Weinrechnung im selben Band aufgelistet. Vom Prinzip her entspricht dies wie auch das Folgende dem noch im 18. Jahrhundert in Württemberg üblichen Verfahren[72]. Innerhalb der drei Teile gibt es jeweils eine Zweiteilung zwischen Einnahmen und Ausgaben. Bei den Früchten wird ferner zwischen den verschiedenen Fruchtarten unterschieden. Die in diesem Kapitel abgedruckten Schemata sollen einen groben Überblick über die Gliederung geben. Dabei wurde leicht nach modernen Gesichtspunkten umgegliedert. Innerhalb der einzelnen Rubriken mußten bei der Datenerfassung, die sich grundsätzlich auf alle Bereiche erstreckte, häufig mehrere Daten erhoben werden. Dies war zum Gegenrechnen und damit zur Fehlerminderung besonders wichtig. Geht man davon aus, daß jedes Rechnungsbuch zwischen einhundert und dreihundert Seiten hatte, so wird deutlich, wie wichtig dieses Korrektiv angesichts von etwa dreihundert ausgewerteten Bänden und circa 100000 bearbeiteten Daten war.
Schema über die Rubriken der Rechnungsbücher der Spitäler 5 | |||
F R U C H T A U S G A B E N | |||
FRUCHTARTEN | Für jede Fruchtart die folgenden Rubriken | ||
– Roggen – Dinkel – Hafer – Gerste – Erbsen – Linsen – Rüben – Obst | Zins und Gült Besoldungsteil | Hausbrauch Verfütterung Aussaat | Verkauf Ausgeliehen Restanzen |
Dabei wird je nach Spital zwischen den unter schiedlichen Nutznießern der Früchte unter schieden. |
Für jedes einzelne Rechnungsjahr fertigte der Schreiber in aller Regel jeweils ein Rechnungsbuch an. Nur in Krisenzeiten trug er mitunter mehrere Jahre in einen einzigen Band ein, so in Rottenburg 1636 bis 1640. Im Falle des Herrenberger Spitals gibt es summarische Rechnungen für die Jahre 1645-48 und 1649-52. Das Rechnungsjahr begann bei allen drei Anstalten an Georgi (23. April). In Horb versuchte die Herrschaft 1607 als Rechnungsbeginn Weihnachten durchzusetzen[73], scheiterte jedoch mit ihrem Ansinnen, wie sich an den Rechnungsbüchern ablesen läßt.
In der Struktur des Rechnungswesens eines Spitals spiegelt sich auch die Verwaltungsstruktur dieser Institution wieder. Das Rechnungswesen war auf das Rechnungsbuch hin organisiert. Letztendlich verantworteten die beiden Spitalpfleger[74] diese Bilanz gegenüber dem Rat der Stadt. Sie waren die Oberbeamten, in deren Auftrag der Stadtschreiber und der Meister handelten. Sonntags kamen die zwen Pfleger und der Stattschreiber ins Spital, verrichten ire Sachen und trinckhen hernach etwan ain Maß Wein, zalen nicht darfür[75]. Am Sonntag erfüllten also die beiden gegen eine Aufwandsentschädigung tätigen Pfleger ihre Aufgaben, vor allem was fürneme Gelt Ausgaben belangen[76]. Jeder von ihnen hatte einen Schlüssel für eines der beiden Schlösser an der Geldtruhe, die im Rottenburger Spital in der Herrenstube stand. In dieser Stube führten beide Pfleger die laufenden Geschäfte. Auch in Herrenberg[77] und Horb bestand die Verwaltungsspitze des Spitals aus jeweils zwei Pflegern.
Schema über die Rubriken der Rechnungsbücher der Spitäler 6 | |||
W E I N R E C H N U N G | |||
EINNAHMEN | AUSGABEN | ||
– Rest – Gülten – Bodenzinsen – Landgarben – Zehnt – Eigenbau – Kelterwein – Ausstände | Gülten Besoldungsteil | Hausbrauch – Pfründner – Spitalvater – Arme | Verkauf Abgang Restanzen |
Dabei wird je nach Spital zwischen den unter schiedlichen Orten des Gefälles und den Nutznießern unterschieden. |
Oberste Instanz der Spitäler blieb in allen Fällen der städtische Magistrat, in dessen Namen die Pfleger handelten, die aus seinen Reihen rekrutiert wurden. Meist delegierten die Richter einen oder zwei Bürgermeister zu diesem Amt. In Horb gab es eine Art von Gewaltenteilung, zumindest seit 1607. Wie bei den anderen doppelt besetzten Ämtern auch, stellten der Große Rat und die Bürgermeister jeweils einen der beiden Amtsträger[78]. Dem waren Beschwerden des Großen Rats darüber vorausgegangen, das sy nit auch umb des Spitals Wesn sollen wisen[79]. Der Rat überwachte also seine Anstalt. Dazu hatte er tatsächlich alle Ursache. Es kam mitunter beispielsweise vor, daß die Pfleger gerügt werden mußten, so in Herrenberg 1653, weil sie vier Jahre lang keine Rechnungen abgeliefert hatten[80]. Doch war dies eine eher harmlose Unregelmäßigkeit, welche von wirklichen Straftaten einiger Verantwortlicher weit in den Schatten gestellt wurde. Weitere Informationen dazu werden im Zusammenhang mit Erörterungen über die Problematik des Quellenmaterials mitgeteilt. Dort werden dann auch Fälle geschildert, an deren Ende die Entlassung der Beamten stand. Ansonsten finden sich außerordentliche Entlassungen eigentlich nur, falls die Betroffenen sie selbst beantragten. Auf sein eigenes Ersuchen hin ließ sich etwa ein Herrenberger Pfleger 1654 hohen Alters wegen durch einen neuen ersetzen[81].
Landesherrlicher Einfluß
Ergänzt werden soll die Betrachtung der Verwaltungsstruktur in den untersuchten Spitälern durch einen Hinweis darauf, inwiefern sich auch Einflüsse von Institutionen neben oder über den städtischen Gremien bemerkbar machten. Dies konnten der Landesherr, aber auch kirchliche Würdenträger sein. Während in Herrenberg neben den Vertretern der bürgerlichen Gemeinde auch der Obervogt und der Untervogt die Rechnung mit abhörten[82], ließ der Rottenburger Magistrat herrschaftliche Beamte gar nit zue, wie sich der Statthalter Christof Wendler von Pregenroth[83] 1604 beklagte[84]. Nach Klagen über Mißstände in der Rottenburger Stadtverwaltung entsandte die Herrschaft eine Untersuchungskommission nach Hohenberg. Deren Entdeckungen führten zu weiteren langwierigen Erkundigungen und letztendes zur Reformierten Polizeiordnung der Stadt von 1608, welche in einer revidierten Fassung 1609 in Kraft trat[85]. Diese Ordnung wurde dann im Laufe der Jahre bis 1653 weiter ergänzt. Die Spitäler berücksichtigte diese Ordnung besonders stark[86]. Wie von alters her sollten die Rechnungen um Nikolai (6. Dezember) abgehört werden, in Zukunft aber in Beysein eines Statthalters und Schulthaissen. Diesen Eingriff in die städtische Rechnungshoheit relativierte Erzherzog Maximilian auf die Proteste der Stadt und ihre Berufung auf althergebrachte Privilegien hin in seinem noch 1609 erlassenen Nachtrag insoweit, als Statthalter und Schultheiß bei der Spitalrechnung nit sitzen sollten, hingegen aber immerhin das Recht zur Akteneinsicht bekamen[87]. Weiterhin aber drohte im Hintergrund die herrschaftliche Untersuchungskommission und in deren Folge der Entzug weiterer Rechte: …doch wirt die Statt dabey anvermahnt, daß gemeine auch des Spitals Einkhommen solchergestalten zu administrieren, damit ain Landtshaubtman oder ain Verwalter nit geursacht werde, von Ambts wegen über die Clagen der Underthanen undt etwan erscheinenden Ärgernüssen zu inquirieren und die Gebühr hierüber vorzunemen oder auch hinach der Sachen Beschaffenhait ahn höhere Orth gelangen zu lassen[88].
In Horb kam es zu einer parallelen Entwicklung. Österreichs Kommissare nahmen sich beider Städte auf einmal an. Hier versuchte der städtische Magistrat gleichfalls, die Landesherrschaft aus allen Spitalbelangen möglichst weitgehend herauszuhalten. Dies war freilich ungleich schwieriger als in Rottenburg, da sich mit der Verwaltung der Horber Anstalt auch obrigkeitliche Rechte über vier Orte verbanden. Deshalb konnten die Horber jene Ansprüche, die sie bereits 1565[89] vor einer herrschaftlichen Kommission geltend gemacht hatten, letztlich nicht durchsetzen. Damals verlangten sie noch, daß inen allein in denselben des Spitals Dörfern der Nidergerichtszwang und was demselben anhengig zugehörte. Freilich zeigte sich schon in jenen Jahren der Horber Vogt erstaunt darüber, das die von Horb die Vogt- oder Jargericht in irs Spitals Dörfern one Vorwissen und Beysein der Oberkheit oder jemands von derselben wegen durch ire Verordneten zu irer Gelegenheit furnemen und halten. Item so ziehen sy auch die Appellationes von Urteln, so in denselben des Spitals Dörfern gesprochen worden, fur ire Spitalpfleger. Solches gebühre ihnen doch nicht. Der Vogt wollte in Zukunft bei den Gerichtssitzungen mitreden und verlangte, daß Appellationen an sein Hofgericht gerichtet werden sollten. Er leitete seine Ansprüche aus der hohen Obrigkeit ab, die unbestritten der Herrschaft zustand. Noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts nutzte die Stadt die Gerichtsbarkeit ihrer Anstalt, um sich, aus der Sicht oberösterreichischer Kommissare, herrschaftliche Prärogative anzumaßen[90]. Kein Wunder, daß deren Reformation und die daraufhin (wohl 1607) erlassene Polizeiordnung massiv in die kommunale Hoheit über den Spital und damit in dessen Verfassung eingriff. Dies ging so weit, daß die hohenbergischen Oberamtleute, der Obervogt und Schultheiß, in Zukunft selbst die Spitalrechnungen revidieren und bei der Abhörung mitentscheiden sollten. Anders als in Rottenburg scheint in Horb dieser Passus in Kraft geblieben zu sein, denn in dieser hohenbergischen Stadt nahm 1638 außer den Bürgermeistern, dem Rat, dem Prediger und einem Kanoniker des Heilig-Kreuz-Stiftes, der Obervogt Adam Heinrich Wind an der Abhör teil[91]. Aber auch in anderer Hinsicht brachte die Reformation empfindliche Eingriffe. Frühere Grundstücksgeschäfte erklärten die Kommissare für nichtig, die Anstalt mußte eine Reihe von Äckern wieder auslösen. In Zukunft waren Verkäufe ohne Zustimmung der Obrigkeit nicht mehr gestattet[92].
Wie diese Beispiele zeigen, scheint in den vorderösterreichischen Städten der Einfluß der Kommunen auf die Spitalverwaltung ursprünglich größer gewesen zu sein als im benachbarten Herzogtum Württemberg. Aber auch in Hohenberg verstärkte die Herrschaft ihren Zugriff, oft als Folge von Untersuchungskommissionen, die eintrafen, um denunzierten Mißständen nachzugehen[93]. Besonders nachhaltig war der Umbruch zu Beginn des 17. Jahrhunderts, welcher sich in beiden Städten in Reformationen beziehungsweise in Polizeiordnungen niederschlug, die auch die Verfassung beider Spitäler betrafen. Gegen die Ansprüche des weltlichen Arms konnten sich die Städte kaum wehren.
Der geistliche Arm hingegen gewann nur in wenigen Jahren Kraft genug, um in die Spitalverfassung einzugreifen. Schon 1602 befürchtete der Rottenburger Magistrat als Folge von Mißwirtschaft, daß etwan der Bischof zue Costentz als Ordinarius undt die weltlich Oberkheit… ein Einsehen und Abschaffung thuen mieste[94]. Erstgenannter schrieb allerdings erst 1632 an die Rottenburger. Auf der Basis des Trienter Konzils und eines Konkordats von 1629[95] verlangte er, daß die Geistlichen über die Spitalrechnungen miturteilen dürften. Nach Kriegsende, vermutlich seit 1647[96], übte der Ehinger Propst dieses Recht, anscheinend in Vertretung des Konstanzer Bischofs, tatsächlich aus. Angeblich hatte er es sich angemaßt, jedenfalls empfand es die Stadt als Rechtsbruch. Dieselbe Stoßrichtung hatte ein Versuch des Klosters Kreuzlingen, den früheren Verkauf seines Rottenburger Zehnten an den dortigen Spital anzufechten[97]. Dazuhin soll sich 1650 der Propst des Stiftes in Ehingen wider alt Herkhomen angemast haben, bei der Einstellung des Spitalvaters und anderer Bedienter mitzuwirken[98]. Die hohenbergische Stadt wehrte sich vehement: das Konkordat sehe keinesfalls die Mitwirkung bei der Ernennung weltlicher Diener vor. Und die Teilnahme an den Spitalrechnungen wiederum würden die Ordnungen der Stadt ausschließen[99]. Dabei scheint sich das Stift auf eine Schrift des zeitweiligen Regenten Markgraf Karl von Burgau berufen zu haben[100]. Bürgermeister und Rat von Rottenburg wehrten sich gegen dieses hievor niemahls geübte Attentatum mit einem juristischen Gutachten[101]. Nur ihre Privilegien, Ordnungen, Rechte und Gerechtigkeiten behalte die Stadt nach dem so lang gewehrten höchstverderblichen Krieg auch zueletst erlittenen gantzer Stat Haubtbrunst übrig. Die galt es zu verteidigen. Während dieser Kriegswirren eingeruckhte widerige Actus und Verlauf hätten keine Gültigkeit[102]. Indessen scheint aller Widerstand vergebens gewesen zu sein. Der bischöfliche Commissarius[103] wirkte mit.
Für das protestantische Herrenberg stand die kirchliche Beteiligung im Untersuchungszeitraum nie in Frage. Außer dem Untervogt entschied dort auch der Spezial bei der Abhör regelmäßig mit, wie die auf den letzten Seiten vieler Rechnungsbücher inserierten Rezesse deutlich zu erkennen geben.
Problematik der Rechnungsbücher
Was ist der Unterschied zwischen einem Storch und dem Spitalpfleger? – Der eine bescheißt den Spital von außen. Diese von Hermann Fischer sinngemäß überlieferte Scherzfrage[104] wirft auch für eine Untersuchung über die Spitalwirtschaft des 17. Jahrhunderts entscheidende Fragen auf. Ist den Spitalpflegern und ihrer Rechnungsführung zu trauen? Unpersönliche Quellen wie Rechnungsbücher erscheinen auf den ersten Blick sehr glaubwürdig, haben einen amtlichen Charakter. Nun bestehen Rechnungsbücher zwar zu einem Großteil aus nüchternen Zahlen, aber gerade diese lassen sich manipulieren. Bringt die Bildung von Datenreihen anhand spitalischer Rechnungsbücher also realistische Werte oder etwa das Produkt zeitgenössischer Manipulationen? Der bereits öfters zitierte Bericht einer österreichischen Untersuchungskommission, die Rottenburg 1604 besuchte, macht diese besondere Problematik der untersuchten Quellengruppe deutlich. Beispielsweise könnten Fleischausgaben des Spitals für die Spitaliten angerechnet worden sein, obwohl sie diesen in Wirklichkeit gar nicht zu Gute kamen, weil sich die Pfleger dieses beliebte Nahrungsmittel in verdeckten Wannen nach Hause tragen ließen[105]. Eine solche Verhaltensweise, wie sie Rottenburger Spitalpflegern vorgeworfen wurde, würde bei einer Auswertung der Rechnungsbücher natürlich zu falschen Ergebnissen führen. Belege für derartige Manipulationen finden sich naturgemäß selten – welcher Veruntreuer würde schon Zeugnisse seiner Missetaten protokollieren? Indessen existiert doch eine Reihe von Belegen für ein derartiges Fehlverhalten der Beamten, wobei sich einzelne Perioden herausarbeiten lassen, in denen besonders häufig Fehltritte zu verzeichnen sind.
Für Herrenberg heißt es bereits in einem Visitationsbericht des Waisenvogts Ob der Staig, Hainrich Schweiker, 1573: …an etlichen Orten allerhand Fehl und Mängel befunden, als erstlich bey dem Spital zu Herrenberg, daß bey desselben schweren Haushaltung mehr eingebüest, dann wie in den Rechnungen zusehen, zu einichem hohen Ufnemen deren tewren Zeyten eingebracht wurden…[106].
Vor allem aber an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert scheinen einige Verwalter in allen drei untersuchten Anstalten nicht immer auf das Beste der ihnen Anvertrauten geachtet zu haben. Auf größere Unregelmäßigkeiten deuten alleine schon die umfangreichen Untersuchungen in beiden hohenbergischen Städten und Spitälern hin[107]. Rottenburg visitierten die beiden österreichischen Kommissare Christof Franz von Wolckenstein und Adam Keller im Frühjahr 1607[108]. Sie brachten bereits einen Packen mit Berichten von früheren Untersuchungen und eingelaufenen Beschwerden mit sich. Besonderes Kennzeichen der Vorgänge in Rottenburg ist dabei, daß sich der Gemeindeausschuß der Stadt gegen Rat und Gericht stellte[109]. Gegen Vorwürfe ihres Magistrats, das wir Tag und Nacht voll undt tholl in Wirtsheusrn, auch bey Tag undt Nacht auf der Gaßen uns nicht allein unstellig verhalten, sondern auch Abgaben nicht bezahlten, wehrten sich die Vertreter der Gemeinde mit Angriffen auf die Ankläger. Neben vielem anderen zeigten sie an, daß der Magistrat selbst auf dem Rathaus und im Spital zeche, seine Mitglieder seien in vorangezeigten Lastern mehrtheils selbsten behaft undt in diesem Spital kranck. Die Kommissare kümmerten sich um politische wie um religiöse Mißstände[110], wobei eine Menge an den Tag kam, so daß letztlich ein großer Teil des Gerichts und des Rates ersetzt wurden, nicht jedoch die führenden Persönlichkeiten wie Bürgermeister Sigmund Wendelstein. Eine reformierte Polizeiordnung für die Städte war wohl die gravierendere Folge. Von den Rechnungen, besonders auch den Spitalrechnungen, hieß es, alle seien so befunden worden, daß man täglich hinder sich gehauset. Die verkauften Höfe des Rottenburger Spitals in Seebronn scheinen weit unter Wert losgeschlagen worden zu sein, einer davon hatte 1500 Gulden gebracht, wäre aber fast dreimal soviel wert gewesen.
In Horb seien allerlay Mängel und Ohnordnungen eingerisen, hieß es von denselben Kommissaren. Hier kam dem Spital bei ihren Verhören eine weitaus wichtigere Rolle zu[111]. Wie in Rottenburg wurde dem Magistrat Vetternwirtschaft vorgeworfen[112]. Einige Zeugen[113] erhoben besonders gegen die Bürgermeister und einstigen Spitalpfleger Martin Gerber, Michael Erhardt und Conrad Eytenbintz massive Vorwürfe. Von Martin Gerber berichtete dessen einstiger Knecht Martin Hecker: als er ungefahr vor 10 oder 12 Jahrn in bemeltem wehrendem Dienst einstmahls mit den Roßn aus dem Veldt umb Mittagzeit kommen, hettn sein B(ürgermeisters) Hausfraw zu ime Zeugen gesagt: Du muest gehn zum Hern hinab in Spital. Hab er vermelt: Was mueß ich thun und nicht wol vor essn. Sie gemelt: Ey gang, er würt dich baldt fertigen. Das er gethon. Wie er nun hinabkommen, hett er ime einen schwern Sackh mit Gelt geben, so er Zeig auf 600 oder 700 Gulden geachtet, zum Stüblin heraus gepracht und eins haissn haimb seiner Frawn zutragen. Wie nun ers also haimbgepracht, hette sie den Sackh von im genommen und herumbgesprungen, gesagt: Der Theufel stehle, ich hab aber Gelt. Ob ers aber behalten oder dem Spital widergeben, oder was das Gelt gewesn sey, wiß er nit. Auch Karrensalbe und Lichter habe er oft im Spital holen müssen, darob die Knecht darin unlustig worden[114]. Dieser Martin Gerber scheint noch während seiner Amtszeit als Bürgermeister und Spitalpfleger damit begonnen zu haben, Bier zu sieden, da hot eber die Gersten aus dem Spital genussen, aber nit bezalt. Bey dem hots er nit lassen bleyben, die guten Zins und Gilten eingenumen, darmit die Stat druket und ain guten redlich Burger aus der Stat driben (getrieben) mit dem Birsiden. Er hot auch die Gersten in der Stat und userhalb der Stat aufkauft, das sich die Burger vor ainen Rat hab beklag, das die Burger des haben nit kinden iberkomen und ain große Not daraus instanden; und allwegen nix umb ain Rat geben. Aber er hot fül in dem Rat ket, die im darzu geholfen. Ain Rat hot nix golten. Der Spital hots sich mißen leiden, don man hot alle Hay dragen aus dem Spital haim. Nun ist es noch nit genug. Er hot erst genumen die Stat an Hand, darumb ist er worden ain reicher Man[115].
Michael Erhardt trafen die meisten Anklagen. Ihm warfen verschiedene Zeugen[116] folgende Vergehen vor: Zunächst einmal habe er die großen Fässer im Spital für sich privat binden lassen und seinen Wein darin aufbewahrt. Der Weingärtner des Spitals sah keinen Wein in den Spital tragen, damit man solche Vesser wider zufülle, gedenckhe wol, es werde aus des Spitals Wein beschehen. Also ließ der Pfleger seine Fässer nicht nur auf des Spitals Kosten herstellen, sondern auch noch füllen, so der Vorwurf. Sodann habe er erst newlich 52 Gulden empfangen, um damit an Georgi (23. April) ein Roß auf dem Tübinger Markt für den Spital zu erwerben. Mit dem Geld kaufte er aber Zwilch für sich selbst. Das zweijährige Fohlen, das er einem Bauern aus Rohrdorf im Gäu um 40 Gulden abhandelte, bezahlte er nicht gleich, weshalb sich der Pferdeverkäufer hinterher beschwerte, das die Hern zu Horb ine nit bezahln. Zum dritten erregte der Verkauf umfangreicher Spitaläcker die Gemüter, sonderlich weil die Pfleger solche für sich selbst gekauft. Als Schätzer hatten die Spitalknechte fungiert, denselbn man aber auch Äckher davon gegeben. Der Verkauf sei hinter dem Rücken des Großen Rats und mitten in der Erntezeit, vor dem Schnitt, geschehen. Bürgermeister Hettinger profitierte von diesem Zeitpunkt mit etwa 30 Gulden, welche alleine die Früchte wert waren. Weil er auch nicht pünktlich den Kaufpreis entrichtet hatte, sondern jährlich 30 Gulden 30 Kreuzer an Zinsen dafür dem Spital bezahlte, lohnte sich der Ackerkauf doppelt. Gleich nach dem Verkauf mußte die Anstalt ihrerseits Früchte und Stroh erstehen. Ein weiterer Punkt betraf den Umstand, daß der Pfleger die Arbeitskräfte, Zugvieh und Geräte des Spitals für sich arbeiten ließ, ohne entsprechende Abfindungen zu entrichten. Während der Erntezeit habe Erhardt mit Spitals Mann seine aigne Garben eingefüert, wann also Unwetter eingefallen wehre, hette dem Spital das seinig vernassen müesen. Auch bei anderen Gelegenheiten setzte er Personal und Zugvieh der Anstalt zum eigenen Nutzen ein, die dazuhin noch im Spital verpflegt wurden. Fünftens traf Erhardt der Vorwurf, er habe vor zwei Jahren 150 Gulden Reichsmünzen an Zinsen und Gülten aus dem Ort Friedberg eingenommen, darmit auf Straßburg in die Meß gezogen und in seinen Nutzen gepraucht, ob ers wider guet gemacht, wisse Zeug nit. Als ihn der Spitalmeister darauf ansprach, gab der Beklagte vor, wisse nit, ob ers widererlegt oder verrechnet hab oder nit. Sodann beschuldigten ihn Zeugen, daß er nach und nach 25 Malter Getreide aus des Spitals Kasten genommen habe, worüber der Meister zu seinem Karrenknecht sagte: Botz Casparmenth, neme er gleich den Castn gar, so waist er, das alles hot, zahle er doch nichts und khindt niemandt nichts von im pringen. Der Stadtschreiber gab schließlich noch an, daß Erhardt dem Spital 60 Malter Hafer schuldig geblieben war. Während er seinerseits den Hafer so theyr er khonde verkaufte, bezahlte er ihn der Anstalt liederlich.
Aber nicht nur die politisch verantwortlichen Pfleger, sondern auch die für die Verwaltung zuständigen Spitalmeister traf in Horb Kritik. Man sag, es ziehen seine Khinder dem Spital zimblich ab. Item sein Weib laß ir Werckh aus des Spitals Costen und durch dasselbig Gesindt machen. Solche Mißstände scheinen bewußt durch eine nachlässige Rechnungsführung, von der oben schon die Rede war, verschleiert worden zu sein. Von den 4000 Gulden etwa, die aus Güterverkäufen um das Jahr 1600 herum erzielt worden waren, konnte nit befunden werden, obs alles in Raitung komen seye oder nit[117]. Über die gesamte Mißwirtschaft im Horber Spital jener Jahre schwang sich einer der Angeber, das Ratsmitglied Onophrius Herzog, sogar zum Dichter auf[118]:
Heytt (hüte) dich guter Freind
laß dich nit under die Freind
befil des und dich dem lyeben Gott
es wirt noch komen zu ainem Spott
dan die Hofarcht (Hoffart) nempt iberhand
des waist nun jederman Fraub und Man
der Brach (Pracht) nimpt iberhand.
Den Spittel nimpt man an die Hand
und schlet (schlägt) die Armen an die Wand.
Der Spittelmaister hit (hütet) auch nit daran,
er nimpt auch ain Burgermaister an die Hand,
damit kompt er auch heir naus
fül mal bis gein Bildechen (Bildechingen) in Steinhaus
er dreyt (trägt) aber nix daraus
Du Spittelmaister bis nun ain Knecht
gib der den Armen so dust du Recht
dein Lon wirt dir werden
du darfs dir nit selber geben
Halt du die Külbe (Kirchweih) mit den Armen
so wirt Gott iber dich auch erbarmen.
Schenk inen ein den gut Wein
so wirt es vor Gott ein Lob sein.
Aber ich sorg du werdes des vergessen
und werdes nemen die sauren Fleschen.
Ach Gott laß des dich erbarmen
so gat man umb mit den Armen.
Noch mus ich dem Spittelmaister epes (etwas) sagen,
er kan sich wol fleinsen don Wein
er soll Essen und Drincken schicken hom
des besen (Schlechten) dut er vergessen
des missen dar nach die Armen gessen
des mag er ina nit gunden
aber es wit im auch noch schwinden don
wan er wider kompt hom.
Dar bey laß ichs bleiben.
Damals wurden auch jene Mahlzeiten unter die Lupe genommen, welche sich Horbs Ratsmitglieder auf Kosten des Spitals genehmigten[119]. Sie waren beträchtlich und verfälschen deshalb in der laufenden Untersuchung Berechnungen von Verbrauchsgewohnheiten. Einmal im Jahr erschienen zur Kirchweih die Bürgerkinder und die Handwerksleute, die für den Spital arbeiteten; alles in allem 300 bis 350 Personen, die ein Voressen, eine Suppe, ungefähr vier Malter Korn, das Fleisch eines Rindes für 18 oder 20 Gulden und einen Sohm Wein verzehrten. Des weiteren erhielten alle 24 Mitglieder des Kleinen Rats und weitere Gäste auf dem Rathaus ein Morgenmahl, wenn im Altheimer Bach gefischt wurde. Aus dem Spital entnahm man dafür einen halben Sohm Wein, zwei Malter Vesen, ein Kalb, Rindfleisch und Brot. Schultheiß, Bürgermeister, Pfarrherr, Stadtschreiber und Schulmeister bekamen zusammen mit ihren Frauen ein Morgenmahl zwei Wochen nach Ostern. Den Pflegern ging es an den vier Fronfasten gut, wenn sie die Hausrechnung überprüften, auch bei anderen Gelegenheiten, wenn sie im Spital oder wegen dessen Untertanen auf den Dörfern beschäftigt waren, angeblich etwa zwölf Mal im Jahr. Während der zehn, zwölf oder mehr Tage, an denen nach Martini die Rechnung abzuhören war, aßen täglich die Pfleger, der Stadtschreiber und zwei Mitglieder des Rates im Spital, bis sy genug haben, der ein Gang etwan baldt, der ander spath:… Khome man Vormittag khaumb vor 9 Uhrn zusamen, da mög man nit wol die Büecher aufthuen und den Sachen einen Anfang machen, fange man an Tisch beraithen und lade, der Ordnung allwegen, 2 aus dem Rath zu sich, trinckhen und essen sampt den Statknechten, Spitalmaister, seinem Weib, den Mägten, bisweiln bis in die Nacht hinein. Treibn auch etwan speßige Sachen, daß sy in Vollerey den besagten Mägten mögten die Haubn ab dem Kopf gerisn, ihr Faßnacht Spil mit haltende, daß dan einer Burgerschaft ubel gefallen[120]. Ein anderer Zeuge, der Spitalmeister Peter Bernhardt, der zu Beginn seiner Tätigkeit gegenüber dem Spital in der Herberge Zum Schaf gewohnt hatte, berichtete gleichfalls von solchen Gelagen: hette er wol vilmahls ein grosses Jubelirn, Geschray und Unfuohr im Spital von der Spitalmaisterin (so man hernacher verpreindt) und irem Gesindt gehördt, daß khein Wunder der allmechtig Gott uber sie erzürnt und verhengt, daß allerhandt Vorfäll sich darin begebn. Sogar die Ehehalten, also die Bediensteten der Anstalt, beklagten sich über solches Verschwenden, weil sie um ihren Geldlohn fürchteten: früher wären die Pfleger in der halben Zeit mit ihrer Arbeit fertig geworden. Zu Weihnachten spendierte die Anstalt den vier Bürgermeistern und dem Stadtschreiber jeweils einen Kuchen, der 40 Kreuzer wert hatte zum gueten Jahr. Der Spitalmeister, seine Frau, die Knechte und Mägde sowie die Armen bekamen Kuchen für zwölf Kreuzer. An Ostern steckten die vier Bürgermeister und der Stadtschreiber jeweils zwei Käse im Wert von zehn Kreuzer je Stück und zwei Fladen, von denen jeder zehn Kreuzer wert war, ein. Das Personal und die Armen erfreuten sich an jeweils einem Fladen. Nach dem Metzgen im Spital erhielten beide Pfleger und der Stadtschreiber jeweils vom Rind sechs Pfund des besten Fleisches und ein Voressen von drei Pfund samt einem halben Fuß. Von einem Schwein beanspruchte jeder Bürgermeister einen Fuß, das wer aber ain gantzer Schenckhel. Und weil die Saw nit fünf Füeß haben, het er (der Spitalmeister) dem Statschreiber was anders darfür geschickht, auch etlichmahl 2 Sawn gemetzget, damit er sy alle fünf beschlagen könde und nit so oft schickhen mieste. Außerdem ließen sich die Herren auch noch jeweils eine Hirnwurst, eine Roßwurst, eine Leberwurst und zwei Bratwürste als kleine Aufmerksamkeit gefallen. Im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts wurden nach Angaben des Spitalmeisters jährlich etwa zehn Rinder und zehn Schweine geschlachtet. An Martini (11. November) gab es den Brauch, daß den Bürgermeistern und dem Stadtschreiber zwei Maß Wein zukamen. Alle diese Privilegien schafften die Kommissare, wie Randbemerkungen auf einer entsprechenden Liste zu erkennen geben, ab.
Insgesamt fällt besonders der Beginn des 17. Jahrhunderts durch zahlreiche Unregelmäßigkeiten in den hohenbergischen Spitalverwaltungen auf. Einerseits mag dafür verantwortlich sein, daß gerade damals österreichische Kommissare die Zustände untersuchten und entsprechende Berichte ablieferten. Somit könnten die in den Archiven überlieferten Berichte Symptom eines verstärkten Zugriffs des sich ausformenden Territorialstaates sein, dessen Kommissionen ein wichtiger Hebel zur Durchsetzung obrigkeitlicher Interessen waren. Aber auch die Sozialgeschichte der Zeit bietet einen interessanten Hintergrund für die Vorgänge. Nicht zufällig dürften die Hexenprozesse, welche es damals im Untersuchungsgebiet gab, mit den im Spital beobachteten gesellschaftlichen Krisensymptomen zusammenfallen. Werden diese doch mittlerweile als Anzeichen gesellschaftlicher Ablösungsprozesse aufgefaßt[121]. Gerade auch für die Spitalgeschichte spielen Hexenprozesse immer wieder eine Rolle. Nicht zuletzt wohl deshalb, weil Spitäler einen von der Gesellschaft doch relativ ausgegrenzten Lebensbereich darstellten, über den sich leicht Gerüchte in die Welt setzen ließen. Es wundert deshalb nur wenig, daß Hexenprozesse gerade auch in den Quellen über die Mißstände der Spitäler öfters vorkommen. Beides, die Mißwirtschaft in der Anstalt und in der Stadtverwaltung, aber auch die innerhalb der Bürgerschaft offenbar stark umstrittenen Entscheidungen in Hexenprozessen, gehören zu den thematischen Brennpunkten der Zeit. Auch wenn die Miß- und die Vetternwirtschaft in den städtischen Gremien zur Sprache kamen, enthüllten die Mitglieder des Gremiums mitunter eine latente Bereitschaft, Verfahren wegen Hexerei gegen die Verantwortlichen anzustrengen. Zumindest verriet das Ratsmitglied Onophrius Herzog in einer längeren Anzeige über die Beschaffenheit des Regiments der Stadt Horb solche Tendenzen[122].
Bei beiden hohenbergischen Anstalten erweist sich als Schwerpunkt der Mißwirtschaft die Zeit der Jahrhundertwende. Kurz danach kam es zu ähnlichen Symptomen auch im benachbarten Herrenberg. Der noch neue Untervogt Hans Michael Hirschman bekam 1614 under dem gmeinen Mann und Burgerschaft vil haimlichs Gemurmel zu hören und in Form einer anonymen Anzeigeschrift hinterbracht, wie daß namblichen man so übel sonderlichen dem Spital, Gmeiner Statt und sunsten alhie hause, jedoch verschob er wegen seiner Unerfahrenheit die Beurteilung bis nach der anstehenden Rechnungslegung. Er begründete dies mit dem ordentlichen Verlauf bisheriger Rechnungslegungen: weil alle, so wol der Statt, als auch gantzen Ampts Rechnungen von meinen Vorfahrn mit aignen Handen underschriben und selbige darmit ordenlich abgehört, justificiert und approbiert…[123]. Etwas scheint an diesen Vorwürfen gewesen zu sein, denn der Spitalmeister wurde noch im selben Jahr durch einen anderen ersetzt. Aber auch an diesem gefiel den Vorgesetzten etwas nicht, seine Frau. Die war gahr arbaitselig und der Haushaltung nit mehr khende obwarten, dahero aller Orten grosser Abgang erscheint. Und man bedacht nach einem andern Spitalmeister zuetrachten[124]. Dem Meister ließ man folglich auf Weihnachten anzeigen, das er sich umb andere Gelegenhait umbsehen, da man mit Ihme Enderung vornemen werde. Vorher indessen sollte noch die Rechnung fertiggestellt und untersucht werden, weil viel Wein verbraucht werde und besonders wegen des Bäckers viele Klagen eingingen. Ist dahin geschlossen worden, das man ihne abschaffen und nach eim andern trachten solle. Offenbar hatte der Herrenberger Rat aber wenig Glück mit seinem Personal. Denn auch der 1622 angestellte Nachfolger mußte nach drei Jahren gehen, weil Klagen laut wurden, das er etwas tregs hinlessigs und zimblich zehrhaft… Sonderlich ist die Fraw gahr liederlich in der Haushaltung…. Deren Schwatzmäuler wollten die Räte offenbar gerne abstellen[125].
Besonders anfällig für Manipulationen waren die Rechnungen der 1630er und 1640er Jahre. Die durch den Dreißigjährigen Krieg heraufbeschworene äußere Krise scheint mit inneren Zerfallserscheinungen einhergegangen zu sein. Bei den Horber Rechnungsbüchern werden in dieser Zeit sogar gezielte Fälschungen deutlich[126]. Als der Rat am 19. Juli 1639 die Rechnungen vergangener Jahre abhörte, stellten die Mitglieder einen Fehlbetrag in Höhe von 123 Gulden fest, der sich bei der Addition einzelner Rubriken ergab. Dieser Rest wurde den Pflegern an dem ihnen noch zustehenden Geld, das sie zugeschossen hatten, abgezogen. Viel schlimmer wog indessen bei derselben Rechnung, daß darin 450 Gulden an Kriegskontributionen verzeichnet waren, welche die Pfleger angeblich der Stadt geliefert hätten. Es habe sich aber im Nachsehen eröfnet, daß der Spital nichts gelifert, vil weniger die Stat ichtwas empfangen, sonder berierter Posten aus Herrn Burgermaisters Johan Rimpfers Bevelch nur darumben – auch über des Stadtschreibers underschidliches Widerrathen – einzuesezen befohlen worden, damit die Einnamb und Ausgab einander ufheben, mit dem Fürwandt, daß in einem Jahr drey Spitalmeister gewesen und niemandt wiß, bey welchem dise Summa hinderstellig worden seye. Diesen Grund erkannten die Prüfer nicht mehr an, vielmehr mußten alle drei ehemaligen Spitalmeister nochmals eine Partikularrechnung erstellen. Gegen Bürgermeister Rimpf behielt man sich, wegen wisentlich unrechtmäßig eingesezten Postens halb gebürende Straf vor.
Auch nach Kriegsende gab es immer wieder Vorwürfe gegen das Personal, freilich nicht mehr in der zuvor beobachteten Anzahl. Seinen Pfleger Johann Kirchherr entließ der Herrenberger Rat 1649 wegen entstandener Uneinigkeit[127]. Ein Jahr später stellten die Rechnungsprüfer einen Error zu Gunsten des Spitalmeisters fest, ohne daß sie ihm aber deshalb Unlauterkeit vorwarfen[128]. In derselben Stadt mußten 1662 Ausstände vom Haischknecht eingetrieben werden[129]. Ein Kommissionsbericht von 1794[130] legt auch für Rottenburg erneutes Fehlverhalten der Beamten nahe. Wegen unverantwortlich vernachlässigter Wirtschaftsführung drohte dem Spital damals die Aufhebung der Eigenwirtschaft. Dem Magistrat ist als Oberpflegschaft die gänzliche Vernachlässigung seiner Pflichten schärfstens zu ahnden…, hieß es damals. All diese deutlichen Symptome der Mißwirtschaft scheinen besonders stark Zeiten sozialer Umbrüche und anderer äußerlicher Krisen begleitet zu haben. Die Mißwirtschaft der Spitäler kann sicherlich nur vor dem Hintergrund allgemeiner Zerfallserscheinungen in den städtischen Verwaltungen gesehen werden. Sie bedeutet jedoch, daß auf alle Fälle mit Manipulationen auch der Rechnungsbücher zu rechnen ist. Dies gilt auch dann, wenn entsprechende Berichte nichts besonderes enthüllen würden, sondern lediglich als Folge eines verstärkten Zugriffs der Obrigkeit auf ihre Untertanen zu betrachten sind. Selbst wenn bis zum Zeitpunkt der Offenlegung solche Machenschaften an der Tagesordnung gewesen sein sollten, so bleibt doch eben die Tatsache dieser Mißstände. Derartige Unwägbarkeiten des Quellenmaterials sind indessen nicht auszuschalten. Gleichzeitig deuten die zitierten Belege darauf hin, daß die Art der Rechnungsführung mit ihrem System übertragener Reste eine durchaus brauchbare Kontrollmöglichkeit bot, weil sie den Gesetzmäßigkeiten eines geregelten Rechnungswesens folgte[131]. Nicht umsonst zwangen Österreichs Kommissare die Horber Verwaltung gerade zu dieser Art der Rechnungsführung. Und die Kontrolle scheint ja auch, das verraten die oben genannten Quellen deutlich, zumindest im Großen funktioniert zu haben. Hielten sich die Manipulationen in dem Rahmen, den die Nachforschungen der hohenbergischen Kommissionen an den Tag brachten, so können die daraus resultierenden Verfälschungen bei Untersuchungen über die Spitalhaushalte durchaus toleriert werden.
III. Besitzgeschichte der Spitäler
Wenn es gilt, zu beurteilen, wie sich die Spitalwirtschaft entwickelte, muß zunächst die wirtschaftliche Ausstattung der Anstalten untersucht werden. Sie ist die Grundlage für das wirtschaftliche Handeln, welches die vorliegende Untersuchung erfassen will. Alleine schon die Besitzstruktur weist auf den besonderen Charakter einzelner Spitäler hin. Gleichzeitig können Erwerbungen[132] oder Verkäufe bestimmter Immobilien oder sonstiger Werte Gewichtsverlagerungen innerhalb der Ökonomie agrarischer und sozialer Großbetriebe der Frühen Neuzeit vermuten lassen. Später kann dann der Frage nachgegangen werden, wie sich Unterschiede in dieser Ausstattung auf die Bewältigung zeitgenössischer Aufgaben auswirkten. Die Ausführlichkeit der folgenden Darstellungen richtet sich nach der Quellenlage. Weil hier die Besitzgeschichte aller drei Anstalten erstmals ausführlicher zusammengefaßt wird, wurde zwar eine gewisse Vollständigkeit angestrebt. Diese jedoch führte angesichts doch sehr unterschiedlicher Überlieferungssituationen dazu, daß bei einer Reihe von Punkten keine Vergleichswerte für alle drei Untersuchungsobjekte ermittelt werden konnten.
Der Horber Spital
Der Horber Spital[133] gehört nach der von Rudolf Seigel[134] entworfenen Systematik, die vor allem zwischen reichs- und landstädtischen Spitälern unterscheidet, zur Gruppe der relativ früh gegründeten landstädtischen Spitäler. Wie in allen wichtigen vorderösterreichischen Städten entstand er bereits im Laufe des 14. Jahrhunderts. Dietrich Gutermann, ein Horber Bürger, stiftete am 12. Januar 1352 zu diesem Zweck sein Haus. Das Anwesen lag vor dem Bildechinger Tor (nördliche Stadtmauer), außerhalb der Bruckmauer am Bach. Sich selbst und seiner Frau Mechthild behielt der Stifter den oberen Teil der Wohnung als Leibgeding vor. Armen und siechen Dürftigen zu einer steten Herberge sollte das übrige Gebäude dienen. Das Gründungsdatum gibt vielleicht einen Hinweis auf die Beweggründe des Stifters. Möglicherweise handelte er unter dem Eindruck der Pestjahre 1349/50. Der Horber Spital ist eindeutig eine bürgerliche Gründung. Graf Albrecht von Hohenberg, Bischof zu Freising und damals Herr der Stadt Horb, bestätigte sie freilich noch am selben Tag und gab ihr somit den notwendigen herrschaftlichen Segen. Dies erst sicherte die Steuer-, Zins- und Dienstfreiheit und damit das Aufblühen der neugegründeten Anstalt, eine auch für andere karitative Einrichtungen der Zeit typische Privilegierung. Als die Anstalt entstand, war bei den älteren Spitälern der Prozeß der Kommunalisierung bereits abgeschlossen. Deshalb leiteten von Anfang an Vertreter der Bürgerschaft das neue Zentrum städtischer Fürsorge.
In Horb zählte die Toggenburger Gräfin Ida, die Gemahlin Rudolfs von Hohenberg und später Heinrichs von Werdenberg, zu den bedeutendsten Gönnern. Ihre Schenkungen im Jahr 1387 können geradezu als zweite Stiftung[135] der Anstalt betrachtet werden. Sie übertrug ihr in Ansehung der Gebresten der elenden und armen Leute in Horb Hofstatt- und Gartenzinsen im Wert von 110 Pfund Heller, die ihr Rudolf von Hohenberg schuldete[136]. Auch eine Kapelle verdankte der Spital seiner großzügigen Patronin. Allerdings wurde jene 1437 letztmals genannt[137]. Vor allem aber spielte die Toggenburgerin beim Erwerb der Ortsherrschaften des Spitals über die benachbarten Dörfer Altheim und Salzstetten die entscheidende Rolle. An dieser Stelle soll darauf verzichtet werden, weitere Stiftungen auch anderer Gönner im einzelnen aufzulisten. Weil sie aber von einiger – vor allem auch sozialer – Bedeutung war, sei noch kurz auf eine vom 16. Dezember 1501 eingegangen. Damals schenkten Erhart Herzog und Michael Schüz von Eutingertal 300 Gulden, von denen jährlich 30 Malter Roggen zu kaufen waren. Wöchentlich hatte der Spital davon einen Scheffel zu Brot zu verbacken und dieses am Sonntag in der Stiftskirche an zwölf Arme zu verteilen[138]. Im Untersuchungszeitraum gingen sonst noch Stiftungen im Wert von 250 Gulden[139] ein. Dies änderte die wirtschaftlichen Grundlagen der Anstalt aber nicht mehr erheblich.
Ida von Toggenburg legte den Grundstein für die Herrschaft des Horber Spitals in einigen Orten der näheren Umgebung. Nur seiner Anstalt hatte es der Rat der Stadt zu verdanken, wenn er später über ein territoriumsartiges Gebiet[140] herrschen konnte. Dazu finden sich bei anderen vorderösterreichischen Spitälern, die einer frühen Gründungswelle angehörten, viele Parallelen. Rottenburg, dessen Spital an Wirtschaftskraft keineswegs hinter dem Horber zurückstand, ist hier die große Ausnahme. Zeitlich kam es zu dieser Expansion parallel zu jener der Reichsstädte[141]. Der Stadt Horb gelang es so, die vier Dörfer Altheim, Grünmettstetten, Salzstetten und Ihlingen zu erwerben. In den genannten Orten hatte ihr Spital bis zum Jahr 1806 die niedere Gerichtsbarkeit inne, welche der Rat der Stadt in seinem Namen ausübte. Die territoriale, hohe und malefizische Obrigkeit sowie das Zollregal hingegen gehörten dem Erzhaus Österreich. Weil die Anstalt außerdem das Patronatsrecht in Vollmaringen, Grünmettstetten und Salzstetten besaß, bestimmte der Rat der Stadt in ihrem Namen auch, wer dort jeweils Pfarrer wurde.
Vgl.: Ansicht der Horber Spitalgebäude, Rekonstruktion und Zeichnung von Josef Klink[142]
Das wirtschaftliche Zentrum der Anstalt befand sich aber trotz dieser Ortsherrschaften eindeutig in der Stadt selbst. Dort war sie einer der wichtigsten Grund- und Hausbesitzer. Über die Häuser, welche sie selbst nutzte, gibt das Lagerbuch von 1767/68 Auskunft. Das von Dietrich Guttermann gestiftete Haus diente lange Zeit dem ursprünglichen Stiftungszweck[143]. Es lag zwischen dem Franziskanerkloster beziehungsweise der Muttergotteskapelle und der Schwaz-Brücke am Grabenbach. Heute weist die Gutermannstraße auf den traditionellen Standort hin. Für das im 18. Jahrhundert dreistöckige Gebäude, in dessen Erdgeschoß eine Kapelle eingerichtet war, bezahlte der Spital weder Gülten noch Steuern. Den unteren Teil dieses Anwesens kaufte am 19. Dezember 1608 das Gerichtsmitglied Jakob Heußler um 40 Gulden. Das Haus selbst erwarb dann 1791 ein anderer Horber Bürger um 2618 Gulden. Während des Untersuchungszeitraumes diente also noch immer das mittelalterliche Stiftungsgut als Zentrum der Fürsorgetätigkeit.
Vgl.: Die Entwicklung der Altstadt in Horb a.N.[144]
Dies änderte sich erst kurz vor 1800. Damals gab die Verwaltung das traditionelle Gebäude auf, weil sie 1791 eine wesentlich günstigere Unterkunft hatte erwerben können, nämlich das frühere Franziskanerkloster[145]. In diesem, das dem alten Haus benachbart war, setzt noch heute das zum Stiftungsvermögen der Kirchengemeinde gehörige Horber Krankenhaus die alte Spitaltradition fort. Bis 1788 lebten und wirtschafteten darin Franziskanermönche, die 1650 Grund und Boden in Besitz genommen hatten. Ihre Erlaubnis zur Niederlassung am Neckar war damals allerdings schon 11 Jahre alt, da der Dreißigjährige Krieg die Ansiedlung verzögert hatte. Die Minoriten, die aus der Tiroler Provinz gekommen waren, bauten zwischen 1650 und 1655 ihr Kloster in einfachem Stil ziemlich großartig. Noch heute wirkt der massige Baukörper als Kontrast zur Liebfrauenkirche, neben der er steht. Angeblich soll am selben Platz einst das abgegangene Schloß Hohenberg gestanden haben. Nach der Aufhebung ihrer Horber Niederlassung im Zuge des Josephinismus mußten die Mönche in anderen österreichischen Klöstern Unterkunft suchen. Ihre Behausung übernahm der Spital für die Ortsarmen zum Preis von 2453 Gulden. Im 19. Jahrhundert galt dann das ehemalige Kloster als das eigentliche Hospitalgebäude. Die Stiftungsverwaltung ließ es zwischen 1925 und 1927 zum Krankenhaus umbauen, das diese Funktion nach zahlreichen Umgestaltungen und Erweiterungen, vor allem 1978 bis 1983, noch heute erfüllt.
In Horb verwaltete die Anstalt auch das Armen- oder Seelhaus[146]. Dieser Untere Spital schloß direkt an das Gutermannsche Anwesen an und grenzte andererseits an die Johanneskirche und deren Friedhof. Typisch für Spitäler ist die Lage am Wasser, in diesem Fall am Grabenbach. In dem dreistöckigen Gebäude kamen vor allem Kranke und die Ärmsten unter. Auch arme Durchreisende konnten hier rasten. Es fiel zusammen mit der Johanneskirche 1852 dem Straßenbau (Gutermannstraße/Stuttgarter Straße) zum Opfer. Neben den bisher genannten Gebäuden, in denen die Pfründner, die Armen und die Bediensteten lebten, gab es noch zahlreiche Ökonomiebauten. Während die bisher genannten Gebäude sozusagen den Versorgungsaspekt darstellen, verkörpern die Ökonomieteile den Aspekt des landwirtschaftlichen Gutsbetriebes. Dazu gehörte das Backhaus[147] gegenüber dem unteren Spital auf dem Burgstall. Es stand an der Ecke beim Pfenniggässle, malerisch überragt vom Pfennigturm. Zusammen mit mehreren Gülten hatten ein gewisser Egg im Tal und seine Frau diese Backstube 1406 gestiftet. An ihrem Standort ließ die Verwaltung 1759 das dreistöckige obere Spital errichten, das dann 1838 in eine Schule umgewandelt wurde. Auf drei weiteren Hofstätten[148], die an die Brotlauben stießen, standen die Schweineställe der Anstalt. Von diesen Grundstücken entrichtete sie 17 Kreuzer Gült, Steuern mußten keine bezahlt werden. Der Hof und die Scheuer[149] stießen an das Gutleuthaus und den Gottesacker sowie an die Straße und die Stadtmauer. Der Stiftungsrat ließ 1861 auf diesem Platz ein neues Ökonomiegebäude errichten. Es diente seinem Zweck bis 1964. Dann machte es dem 1965 bis 1968 errichteten Alters- und Pflegeheim Platz. Als Ersatz ließ die Stiftungsverwaltung ab 1962 einen Aussiedlerhof im Gewann Auchtert auf dem Hohenberg anlegen. Große Bedeutung hatten im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit Lagerkapazitäten. Neben der Scheuer bot vor allem das Steinhaus[150] reichlich Platz für allerhand Lebensmittel. Noch heute ist das historisch bedeutsame Gebäude mit seinen Staffelgiebeln, das ursprünglich vielleicht einmal – seine Lage am Burgstall deutet darauf hin – zum Schloß gehört hatte, hinter der Liebfrauenkapelle zu finden. Es diente der Anstalt als Fruchtkasten. Zu ihm gehörten die daruntergelegenen Keller, deren Lagerkapazität hin und wieder durchreisende Händler für ihren Wein mieteten. Das Gebäude zwischen Hirschgasse und Burgstall nutzten die Verwalter bis nach dem Zweiten Weltkrieg außerdem als Rüben- und Kartoffelkeller, als Mosterei und Getreidelager. Heute befindet sich, nach dem Umbau von 1972 bis 1974, das Kirchengemeindezentrum darin. Auch das Fruchthaus im Tal[151] bot Platz für allerhand Getreidevorräte. Es stand neben einer der Spitalkeltern. Die Anstalt kaufte diese Scheune am 18. März 1550 um 205 Gulden von Auberlin Kraus, einem Ziegler. Bis 1763 verfügte die Anstalt außerdem über eine Scheuer im Tal[152]. Sie hatte diese am 3. Februar 1576 um 175 Gulden von Hans Hörhold gekauft. Dann ließ sie dieses Fruchthaus im hinteren Weg abbrechen und verwandte die Materialien zum Neubau des Gutleuthauses. Von den vermehrten Aufgaben, die im 19. Jahrhundert das Spitalvermögen zusätzlich belasteten, zeugen die deutsche Volksschule auf Grund und Boden der Anstalt und die lateinische Schule, die sich damals sogar noch in deren Besitz befand. Dieses Haus hatte sie am 2. Dezember 1484 von Wilhelm Böcklin um 290 Gulden gekauft[153]. Insgesamt verraten bereits die Gebäude unter dem Heilig-Geist-Wappen viel von den verschiedenen Aspekten, die den Horber Spital kennzeichnen. Den Unterkunftsgebäuden für die Pfründner und Armen stand eine Vielzahl von Ökonomiegebäuden gegenüber. Damit zeigt sich an den Baulichkeiten der typische Januskopf von städtischer Sozialfürsorge einerseits und landwirtschaftlichem Großbetrieb andererseits, der jeden Spital älteren Typs kennzeichnet. Auch die neuen Anforderungen, die etwa das 19. Jahrhundert durch die vermehrte Finanzierung schulischer Aufgaben brachte, sind nicht ungewöhnlich.
Die Ökonomiegebäude gewannen ihren Sinn wegen der umfangreichen Ländereien, welche die Anstalt von ihnen aus bewirtschaftete. Von Anfang an blieben allerdings ihre Möglichkeiten zur Ausdehnung durch die relativ kleine Stadtmarkung, auf der es nur etwas mehr als 800 Jauchert Äcker gab[154], beschränkter als etwa in Rottenburg. Besonders viele Äcker[155] scheint der Horber Spital deshalb nicht besessen zu haben. Im Jahr 1563 gehörten ihm lediglich 52,5 Jauchert, eine im Vergleich zu anderen Anstalten eher bescheidene Fläche, im Vergleich zu den Äckern auf städtischer Markung aber immerhin sechs Prozent. Jedoch vergrößerte die Verwaltung ihren Grundbesitz offenbar ständig. Kurz vor der Jahrhundertwende hatte der Horber Spital so viele Felder erworben, daß 81,5 Jauchert verkauft werden konnten, die 3805 Gulden einbrachten. Freilich verlangte eine österreichische Kommission, die gesamten Äcker wieder zurückzukaufen[156], nicht zuletzt, weil sich auch die Pfleger umb schlechte Jarzil bedient hatten, weie die Käufer sich selber hören lassen[157]. Wesentliche Rückkäufe scheinen am 21. Juli 1609 erfolgt zu sein. Die zwei Metzger, Christ und Michael Hohenschildt, beide Mitglieder der städtischen Führungsschicht, gaben damals zu etwa gleichen Teilen 27 Jauchert Ackerland um 1920 Gulden zurück. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts dehnte der Spital seinen Besitz auf 147 Jauchert aus, die in vier Zelgen und Feldern lagen[158]. Einen großen Teil davon, 48 Jauchert, verkaufte er am 23. Juni 1787. Im Gegensatz zum Ackerland war der Besitz an Wiesen – besonders in Anbetracht des Wertes von Grünland in der Frühen Neuzeit – bedeutend. Vor allem 44,75 Mansmad in Ihlingen sind hier zu nennen. In Horb selbst besaß die Anstalt sieben Mansmad[159].
Die Erträge aus dem Weinbau spielten in der Horber Anstalt vor allem zur Deckung des eigenen Bedarfs eine Rolle, das wird sich weiter unten zeigen. Dabei kam den Weingärten im Eigenbesitz eine weniger bedeutsame Rolle zu als dem Betrieb von Keltern. Immerhin stellen die sechs Morgen vier Vierteil Weingärten, welche sie noch 1767 bewirtschaftete, einen nicht unwesentlichen Anteil an den auf der Markung im Untersuchungszeitraum verfügbaren 81 Jauchert (circa 121,5 Morgen) dar[160]. Und Weingärten hatten, besonders vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges, einen hohen Immobilienwert. Das Vierteil an der Ringmauer, welches der Metzger Michael Widman am 20. Januar 1619 verkaufte, kostete immerhin 127 Gulden[161].
Größere Erträge an Wein als die eigenen Rebflächen erbrachten dem Spital seine bis zu vier Keltern. Diese sind nicht in allen Fällen klar auseinanderzuhalten. Zur unteren Kelter vor dem Mühlener Tor[162] (östliche Stadtmauer Richtung Rottenburg) gehörten ein Haus und ein Baumgarten. Den Gebäudekomplex erwarb der Spital am 5. Juni 1518 von Sebastian Schüz vom Eutingertal. Der Kaufpreis betrug 80 Gulden. Die Stadt übernahm diese Kelter am 24. Juli 1767, weil für den Bedarf der Armenanstalt damals eine andere genügte. Dafür entrichtete der Käufer den Materialwert des Gebäudes ohne den Kelterbaum, 50 Gulden. Für den Platz mußte er darüberhinaus seitdem jährlich 38 Kreuzer zinsen. Jene Kelter in der Vorstadt, welche 1465 Ludwig von Emershofen dem Spital verkaufte und die hinter der Frauenkapelle stand, ist nicht eindeutig zuzuordnen, vermutlich aber mit jener vor dem Mühlener Tor identisch. Eine Kelter im Tal[163] verkaufte der Horber Bürger Michael Besenfeld am 1. September 1467 um 30 rheinische Gulden. Zu der Anlage in der Frotzlengasse gehörte eine Hofstatt. Sie lag nahe beim Waschhaus und an der Stadtmauer. In ihr gab es eine Wohnung. Wegen dieser Kelter zinste der Spital jährlich 11 Kreuzer an das Stift Heilig Kreuz. Steuern mußten für den Besitz nicht entrichtet werden. Im Beobachtungszeitraum notierten die Schreiber Erträge aus dieser Kelter unter dem Namen Kelter im Tal. Eine Kelter in der Weingasse[164] kaufte der Spital am 22. März 1548 vom Bäcker Jörg Meminger um 72 Pfund Heller. Meminger hatte sie seinerseits von Hans von Dettingen erworben. Zur Kelter gehörten Geschirr, die Kelterhütte sowie Grund und Boden. Vor dem Ihlinger Tor[165] (westliche Stadtmauer) besaß die Anstalt eine weitere Kelter. Sie wurde zuerst am 9. Februar 1532 erwähnt und scheint 1646 abgebrochen worden zu sein.
Der Horber Spital zählt mit einem Besitz von 275 Hektar noch heute zu den großen Waldeigentümern am oberen Neckar. Einst übertrafen seine Wälder jene der Stadt bei weitem[166]. Dieser Besitz bildete vor allem im 17. Jahrhundert die wirtschaftliche Grundlage für einen florierenden Holz- und Floßhandel. An Waldnamen werden, vor allem auf Rottenburger und Dettinger Markung, genannt: die Seehalde[167], das Seeholz[168], die Neunecker Halde[169], der Brandsteig[170], die Brandhalde[171], der Schlattwald[172], der Wald auf dem Ihlinger Berg[173], das Simeswäldle[174]. Ihre umfangreichsten Wälder besaß die Anstalt in Salzstetten[175]. Deren Kern bildete eine Schenkung der Gräfin Ida von Toggenburg im Jahr 1387, der Große Spitalwald. Weitere Gehölze erwarb sie nach und nach im Leinstetter Steig[176], in der Osterhalde[177], im Wehrenbächle[178] und über der Mühlheimer Brücke[179].
Floßverkauf des Horber Spitals (in fl) | |||
Jahr | Anzahl | Preis | Bestimmungsorte |
1640 | 3 | Tübingen, Cannstatt, Stuttgart | |
1641 | 4 | 923 | |
1644 | 2 | 411 | |
1646 | 1 | 226 | Cannstatt |
1650 | 1 | 350 | Cannstatt |
1651 | 1 | 249 | Rottenburg |
1664 | 1 | 246 | |
1665 | 1 | 261 | Esslingen |
1666 | 1 | 261 | Esslingen |
1667 | 1 | 254 | Esslingen |
1668 | 1 | 206 | Esslingen |
Die Bedeutung des Rohstoffes Holz darf gerade für die Frühe Neuzeit nicht unterschätzt werden[180]. Beim Horber Spital zeigt sich dies an dem Rang, den die Holzwirtschaft vor allem nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges einnahm[181]. Ausdruck dieses Sektors sind Sägemühlen in seinem Besitz, verbunden mit weiteren Aktivitäten. So stellte er auf eigene Rechnung Holzflöße zusammen und verschiffte diese. Außerdem besaß er 1767 den 11. Teil an einer Sägmühle in Oberwaldach nördlich von Salzstetten[182]. Sie taucht erstmals im Rechnungsbuch 1671/72 auf. Nach einem Brand 1764 war die Mühle sofort wieder neu errichtet worden. Entsprechend seinem Anteil durfte sie der Spital jeden 11. Tag benutzen. Für sie mußten sechseinhalb Gulden Bodenzins an das Altensteiger Oberamt entrichtet werden. Außerdem hatte die Anstalt ihren Teil zu allen Kosten beizutragen. Als Mitbesitzer werden weitere 11 Bürger genannt. Eine eigene Sägemühle ließ der Spital dann im Rechnungsjahr 1639/40 um 153 Gulden in Horb[183] durch Zimmermann Martin Heimar errichten. Vermutlich boten damals die Wiederaufbauarbeiten in den durch den Krieg zerstörten Städten gute Gewinnmöglichkeiten bei der Holzverarbeitung. Für diese Motivation der Horber Pfleger spricht vor allem der Umstand, daß noch im selben Jahr Kosten für die Zusammenstellung eines ersten Holzfloßes auftauchen. Seit 1640/41 wird die Rechnung für diese Sägemühle separat geführt. Auf der Einnahmenseite stehen fast ständig bedeutende Erlöse aus dem Verkauf von Flößen.
Jeweils mehr als die Hälfte des Erlöses konnte als Gewinn verbucht werden. Den Oberpaumeistern zu Esslingen lieferte man 1669/70 nur deshalb kein Floß, der Ursachen willen, das Holz beraits noch im Waldt, die Bretter nit geseget, gleichergestalten man auch wan schon alles in parato gelegen ware, man zu Rottenburg, weilen das Wasser aldorten das Wehr verrissen, mit ermeltem Flotz nit hätte durchfahren khönen.
Zum Besitz des Horber Spitals zählten auch einige Fischwasser. Stotzen mit seinem Hauszeichen, dem Heiligen Geist, kennzeichneten die Grenzen des Distlerischen Fischwassers, zu dem ein Viertel Mansmad Grünfläche gehörte. Es befand sich in der Nähe des Lauterbrunnens. 630 Gulden ließ er sich ein benachbartes Fischwasser kosten, das er am 16. Januar 1680 kaufte[184].
Ein entscheidendes Manko in der Besitzstruktur der Anstalt war das Fehlen umfangreicher Zehntrechte. Den Zehnt auf der Breite in Horb[185] stiftete Hans Roublin im Jahr 1413. Zu seinem Bezirk gehörten aber nur 16,75 Jauchert. Im 18. Jahrhundert galt folgende Regelung: Ausschließlich stand der Fruchtzehnt von 12 Jauchert Acker dem Spital zu, von vier Jauchert erhielt er noch die Hälfte und bei fünf Jauchert mußte er sich mit zwei Fünfteln begnügen. Weinzehnten in Horb[186] beanspruchte er aus einem Gebiet von der unteren Weingasse vorm Kreuzberg bis in die obere Weingasse. Allerdings stand ihm nicht der gesamte Zehnt, sondern lediglich ein geringer Anteil von 1,5/18 davon zu.
Etwas von der Bedeutung des Spitals in der Stadt Horb verraten die insgesamt 51 Anwesen, zu denen viereinhalb Scheuern, achteinhalb Gärten und sechs Mistgruben gehörten, an welchen er Zins- und Gültrechte hatte, fast ein Fünftel aller Gebäude in deren Mauern! Auch die Inhaber einer Metzgerbank und der Badstube im Espach zinsten dem Spital. Hinzu kamen zinspflichtige Grundstücke: drei Morgen Weingärten, 13 Mansmad Wiesen sowie 24 Jauchert Ackerland. Von allen genannten Immobilien bezog er jährlich an Geld 25 Gulden 15 Kreuzer, 74 Pfund 12 Schilling und ein Vierteil Hafer, zwei Malter Roggen sowie dreieinhalb Vierteil nach Zelg, dazuhin sieben Hühner[187]. Insgesamt gesehen handelt es sich dabei aber nur um geringe Beiträge zum gesamten Einkommen der Anstalt.
Daß der Horber Spital die Herrschaft über mehrere Dörfer besaß, könnte zunächst die Vermutung nahelegen, daß die Anstalt aus diesen Orten auch ihre bedeutendsten Einnahmen bezog. Hier trügt jedoch die vielversprechende Bezeichnung. Die Ortsherrschaft alleine, die sich mehr oder weniger auf die Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit und die damit verbundenen Einnahmen beschränkte, brachte nur wenig ein. Lediglich falls der Spital gleichzeitig auch als Grundherr dominierte, hatten seine Dörfer eine größere Bedeutung. Zum Teil bezog er aus anderen Orten, in denen ihm keine Herrschaftsrechte gehörten, wesentlich größere Gefälle.
Das Dorf Altheim[188] im Steinachtal schenkte Gräfin Ida von Toggenburg am 26. August 1387 dem Horber Spital, nachdem es ihr Mann Graf Rudolf von Hohenberg seiner Frau am 25. Mai 1371 um 655 Pfund Heller versetzt hatte. Herzog Albrecht von Österreich bestätigte diese Stiftung am 31. Oktober 1387. Da die Pfandschaft nicht mehr ausgelöst wurde, machte die Gönnerin diesen Ort dem Spital am 22. April 1393, nach dem Tod ihres ersten Gatten Rudolf, völlig zu eigen. Wirtschaftlich zahlte sich die Ortsherrschaft eigentlich nur in Gestalt der 57 Vogtrechte aus, welche die Anstalt 1664 bezog. Sie bestanden jeweils aus zwei Vierteil Vogthafer, einer Fasnachtshenne sowie einem Herbsthuhn. Die Gerichtsherrschaft und Steuern brachten kaum etwas ein[189]. Wichtiger wurde, daß es der Anstalt nach und nach[190] gelang, ein Viertel vom Großen Zehnten[191] zu kaufen.
Der im Untersuchungszeitraum einzige auswärtige Hof des Horber Spitals stand ebenfalls in Altheim. Er bewirtschaftete ihn seit dem Rechnungsjahr 1626/27[192]. Am 28. Februar 1626 hatte ihn das Ehepaar Jacob Kreidler und Maria Teufler um 1150 Gulden verkauft. Weitere Käufe vergrößerten das Gut. In den Rechnungsbüchern wurde der Altheimer Hof zunächst separat geführt, seit 1628 dann im Rahmen der Gesamtrechnung. Die Gebäude ließ man 1629 um 501 Gulden neu bauen. Das Projekt ging dann als Folge des Dreißigjährigen Krieges, der besonders die ländlichen Gebiete entvölkerte, zu Grunde. Im Rechnungsjahr 1635/36 tauchen keine Erntekosten für den Altheimer Hof mehr auf.
Gleichfalls wirtschaftlich wichtiger als die Ortsherrschaft war der Besitz der Mühle in Altheim. Sie ließ sich der Horber Spital im Rechnungsjahr 1630/31 den Betrag von 2800 Gulden kosten[193]. Der Müller[194] hatte normalerweise wöchentlich zwei Vierteil Mühlkorn zu liefern, jährlich 13 Malter. Während der folgenden Kriegsjahre belasteten der Hof und die Mühle in Altheim die Anstalt erheblich, da sie nicht von Steuern befreit waren. Beispielsweise erhob die Herrschaft dafür 570 Gulden im Rechnungsjahr 1636/37 an Kontributionsgeldern, nahezu ihre gesamte Abgabenlast. Nach Kriegsende, 1651, kam es zu neuen Investitionen in die Mühle.
Die Einnahmen des Horber Spitals auf Grund seiner sonstigen Altheimer Zins- und Gültrechte[195] sind eher gering, obwohl der Ort fruchtbaren Boden hatte und noch im 19. Jahrhundert die ökonomischen Verhältnisse der Bewohner von Altheim zu den besseren im damaligen Oberamt Horb gehörten[196]. Die belasteten Immobilien befanden sich fast ausschließlich in Streubesitz auf der 3306 Morgen großen Markung[197]. Es handelt sich um 20,25 Mansmad Wiesen und Gärten, 115,75 Jauchert Ackerland, 39 Anwesen sowie 14 sonstige Hofstätten. Die Besitzer dieser Güter führten jährlich 37 Gulden 46 Kreuzer vier Heller an Geld, 13 Malter dreieinhalb Vierteil Frucht nach Zelg, knapp zehn Malter Vesen, 6,75 Malter Hafer, ein Vierteil Roggen, drei Vierteil Obst sowie fünf Hühner ab. Unter den belasteten Gütern in Altheim befand sich auch ein von Klosterfrauen erkauftes Haus, das 1664 dem Heiligen gehörte. Dieses Gebäude war früher die Sammlung und stand zwischen der Kirchmauer und der Allmand[198]. Von zweieinhalb Mansmad Wiesen stand dem Spital der Heuzehnt zu. Ferner besaß er die Fischenz im Herrenbach[199].
Das zweite Dorf im Besitz des Horber Spitals war Grünmettstetten[200]. Er kaufte zunächst jene Hälfte des Ortes, welche jenseits des Baches Richtung Salzstetten lag, am 16. Dezember 1404 um 267 Pfund Heller. Verkäufer war Kuntz von Bellenstein zusammen mit seiner Frau Anna, einer geborenen von Bossenstein. Später, als Witwe, bestritt Anna die Rechtmäßigkeit dieses Verkaufes, da ihr Siegel ohne Zustimmung an den Verkaufsbrief gehängt worden sei. Jedoch gewann der Horber Spital diesen Rechtsstreit. Weitere Prozesse[201] folgten, ohne daß die Anstalt dadurch Einbußen erlitt. Von Diem von Dettingen konnte sie 1552 schließlich die andere Hälfte des Ortes[202] um 970 Gulden kaufen. Acht Jahre später besaß sie zudem die dortigen Patronatsrechte[203]. Vor allem seit 1664 war dies von Bedeutung, da damals Grünmettstetten zur eigenen Pfarrei erhoben wurde.
In Grünmettstetten, das über guten Boden verfügte, besaß der Horber Spital seine umfangreichsten Güter[204]. Hier waren 834,25 Jauchert des Ackerlandes, 82,75 Mansmad der Wiesen sowie 41 Anwesen mit Haus, Hofreite und Hof belastet. Das war der Großteil der 2384 Morgen[205] großen Markung. Daraus und aus weiteren Hofstätten leisteten die Bewohner 48 Vogtechte mit jeweils zwei Vierteil Vogthafer, einer Fasnachtshenne und einem Herbsthuhn. Auch eine Taverne wird genannt. Im Ort fallen besonders einige dem Spital gültpflichtige Großgrundbesitzer auf[206]. Sie bewirtschafteten für die Verhältnisse des nördlichen Schwarzwaldes und für das obere Gäu doch recht bedeutende Besitztümer. An Zinsen und Gülten bezog die Anstalt jährlich 22,5 Gulden, wovon jeweils etwa ein Viertel für Steuern und Frondienste entrichtet werden mußte. Zweifellos wichtiger als diese Geldbeträge waren aber die Naturaleinnahmen: 67 Malter Vesen, 97 Malter Hafer, 48 Fasnachtshennen, 75 Herbsthühner und 358 Eier.
Ortsherr war der Horber Spital auch über Ihlingen[207]. In dem Dorf, das ursprünglich eigene Ortsadelige hatte, welche dann ihre Güter und Rechte durch Heirat[208] an die von Ehingen weitergaben, kaufte er sich am 25. Januar 1470 für 1776 rheinische Gulden ein. Drei Brüder von Ehingen (Diepolt, Burkard und Wolf) verkauften damals eine Reihe von Zinsgülten sowie den Burgstall, alle Nutzungen, Eigenschaften, Tagdienste, Weiden, Wege, Wasser, Holz und Feld. Weitere Wiesen und Gülten im Wert von 106 Pfund Heller erwarben die Pfleger am 25. Mai 1478 und später[209]. Insgesamt blieben die Einnahmen des Horber Spitals aus der mit 444 Morgen recht kleinen Markung eher unbedeutend.
Auch von der Mahlmühle in Ihlingen bezog der Spital Einkünfte. Die Pfleger waren es schließlich, die diese beispielsweise am 25. April 1504 als Erblehen ausgaben. Im Jahr 1631 erbrachte ihr Besitz immerhin 12 Malter Mühlkern[210]. Am 25. April 1649 verkaufte der Spital eine Mahlmühle an den Müller Hans Schlotter von Grünmettstetten um 1050 Gulden.
Als letztes Spitaldorf sei Salzstetten genannt. Die Hälfte des Ortes schenkte Ida von Toggenburg am 1. März 1387 dem Horber Spital. Sie selbst hatte diesen Besitz erst acht Jahre zuvor, am 7. Dezember 1379, von Diem von Steinhilben um 250 Pfund Heller erworben. Als Grund für Idas Schenkung findet sich in der ortsgeschichtlichen Literatur folgende kuriose Erklärung: Da ihr Mann nicht wirtschaften konnte, fürchtete sie um ihr Eigengut, besonders auch um ihre Morgengabe und machte fromme Stiftungen zum Seelenheil an Spitäler in Horb, Haigerloch, Rottenburg und Rottweil. So fiel am 6. 9. 1387 das halbe Dorf Salzstetten, also das Außendorf mit dem Spitalwald an den Spital in Horb, der die niedere Gerichtsbarkeit hatte und auch den Zehnten bekam[211]. Der Vertrag wurde am 22. April 1393 in Schömberg erneuert[212]. Einen weiteren Teil des Dorfes samt einem Teil am Zehnten kaufte der Spital am 15. Mai 1470 von Ludwig von Emershofen um 200 rheinische Gulden[213]. Ein Haus wurde am 21. August 1529 erworben[214]. Die andere Hälfte des Ortes befand sich aber zunächst noch im Besitz der Familien Schüz von Eutingertal und Thumb von Neuburg[215]. Wie viele andere Landgemeinden im Untersuchungsgebiet litt auch Salzstetten besonders stark unter den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges. Als der Horber Amtmann am Ende der Kampfhandlungen nach Salzstetten kam, fand er noch zwei Bauernfamilien mit zusammen lediglich zehn Personen[216] vor. Mit diesen Verwüstungen mag es zusammenhängen, daß sich Georg Wilhelm Thumb von Neuburg bald nach Kriegsende zum Verkauf entschloss. Um 18000 Gulden brachte der Spital am 26. Juni 1663 das gesamte Dorf in seinen Besitz. Auf der um diesen Preis hinzuerworbenen Ortshälfte lasteten allerdings weitere 7000 Gulden an die Grafen von Zollern[217]. Gleichzeitig mit diesem Ortsteil erhielt die Anstalt auch sämtliche Patronatsrechte[218]. Die Markung, auf welcher sie nach dem Zukauf die Niedergerichtsbarkeit alleine innehatte, umfaßte 3887 Morgen[219]. Als der Ort wieder einen einzigen Besitzer bekam, nutzten 19 Bürger die Gunst der Stunde und lösten ihren gewöhnlichen Frondienst mit 2400 Gulden ab. Das Schloß in Salzstetten samt Gärten, Äckern und der Hälfte eines Waldes, das der Spital von den Erben des verstorbenen Komturs zu Rufach, Wilhelm Georg Thumb von Neuburg, separat erkauft hatte, veräußerten die Pfleger am 10. Februar 1667 an Jakob Staimlin und andere Bürger von Salzstetten um 3500 Gulden[220]. Den Anlaß nahmen auch die sieben Schloßbauern damals wahr, indem sie ihre Fronpflichten mit 2500 Gulden an den Spital ablösten[221]. Von der zuletzt gekauften Hälfte des Dorfes mußten Steuern an die Ritterschaft des Kantons Neckar entrichtet werden[222].
Die Erneuerung des Fleckens Salzstetten von 1665[223] ist zweigeteilt. Vermutlich war der Erwerb des zweiten Ortsteils Grund zur Anlage des Lagerbuchs. Im ersten Teil werden die Einkünfte aus dem altspitalischen Ortsteil genannt[224]. Dort mußten die Inhaber von 26 Gütern das Vogtrecht leisten. Es folgt im zweiten Teil eine Beschreibung der Einkünfte von den Untertanen im hinzuerworbenen Edelmännischen Teil. 27 Inhaber von Hofgütern lieferten hier das übliche Vogtrecht von zwei Vierteil Rauchhaber, einer Fasnachtshenne und einem Huhn. Geldrenten bezahlten die Bewohner von acht Häusern, die vermutlich in erster Linie Taglöhner waren. Weitere Gülten und Zinsen lasteten auf etwa 45 Mansmad Gärten und Wiesen, 150 Jauchert Ackerland sowie 19 Jauchert Holz. Der Umfang von weiteren sieben Hofgütern, drei Lehengütern, jeweils einem Bauern- und einem Taglöhnergut wird nicht näher beschrieben. Meist lagen sie im Edelmännischen Ortsteil. Auch eine Ziegelhütte gehörte dazu. Von einem Bebenhäuser Freihof erhielt die Anstalt einen Ablösungsbetrag für die Fronpflicht.
Insgesamt brachten beide Ortshälften dem Spital knapp 44 Gulden Geldzinsen sowie 4,75 Malter Frucht nach Zelg, knapp 13 Malter Vesen, 10,5 Malter Hafer, sechs Hühner und 50 Eier an Naturalgülten ein. In Salzstetten hatte er außerdem 190 Gulden Kapital verliehen, die 10,5 Gulden Zins ertrugen. Normalerweise wurde das Kapital mit fünf Prozent verzinst, in einem Fall aber mit sieben Prozent, so daß sich der durchschnittliche Zinssatz auf fünfeinhalb Prozent belief. Ihr Sechstel am Großen Fruchtzehnten, das aus dem Jahr 1510 herrührte, bezog die Anstalt laut eines Vertrages von 1528 als festes Quantum. Immerhin 6,25 Malter Vesen und 6,25 Malter Hafer[225] verdankte sie diesem Rechtstitel. Die Mühle zinste 1768 ein Malter[226]. Außerdem gehörten die bereits oben beschriebenen umfangreichen Wälder zum Besitz.
Alles in allem verbuchte der Horber Spital in Salzstetten, dessen Boden im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Orten als minder fruchtbar galt und wo im 19. Jahrhundert viele Taglöhner lebten, jährlich 54,5 Gulden, 30 Malter Hafer, 19 Malter Vesen, 7,75 Malter nach Zelg, 53 Hennen, 58 Hühner und 50 Eier.
Wegen eines Waldes, der sogenannten Klinkschen Waldung, führte die Horber Anstalt 1782/83 Prozesse gegen einige Bürger des Ortes. Diese verkaufte er dann 1786 an mehrere von ihnen um 3000 Gulden. Einen Hinweis auf die lange Zeit fraglichen Bemessungsgrundlagen von Steuern gibt der Umstand, daß der Horber Spital für seine Besitzungen in Salzstetten zwischen 1821 und 1835 für 1041 Morgen Staatssteuern bezahlte, in Wirklichkeit aber nur 367 Morgen besaß, wie sich anläßlich einer neuen Vermessung ergab[227].
Außer aus seinen Dörfern bezog der Horber Spital zahlreiche Einkünfte aus anderen Orten. Sein Besitz läßt sich aber nicht immer sicher ermitteln, weil kein einheitliches Gesamtlagerbuch existiert. Sofern Lagerbücher im Archiv vorhanden waren, wurde versucht, einen kurzen Überblick über die Besitzungen des Spitals zu vermitteln.
Etwa eine Viertel Stunde südwestlich der Stadt, am Weg nach Isenburg, lag einst die Burg Hornau, welche 1664 abgebrochen wurde. Nach ihr nannte sich die Familie Gerber bei ihrer Erhebung in den Adelsstand, noch früher die Familie Liesch. Letztere Familie hatte die ursprünglich von Ow’sche Burg 1588 um 6300 Gulden erworben[228]. Als Nachfolger der Gutsherren etablierte sich 1660 der Horber Spital durch Vermittlung der Stadt. Nach den Kriegszerstörungen erstanden die Stadtväter das herrschaftliche Anwesen um 1600 Gulden besonders günstig[229]. Im Auftrag der bürgerlichen Herren fielen 1664 die Mauern des nicht länger benötigten Schlosses und des Meierhauses, den Weiher ließen die Pfleger zuschütten. Dieses Gut spielte aber für die vorliegende Untersuchung noch keine Rolle.
In Vollmaringen besaß der Spital seit 1443/61 die Patronatsrechte[230]. Er hatte die eine Hälfte von Friedrich von Enzberg zu Mühlheim und die andere etwas später von Hans und Ludwig von Emershofen und Hug Salzfaß erworben[231]. Zum Kirchenbau trug die Anstalt deshalb noch im 19. Jahrhundert das meiste bei[232]. Aber nicht nur durch die Kirchenherrschaft etablierte sie sich im Ort. Zum Kirchensatz gehörte auch der Zehnt auf der 2065 Morgen großen Markung[233] und der Widemhof. Eine Fruchtgült aus dem halben Zehnten kam 1457 von Stefan von Emershofen hinzu[234].
Der Besitz des Horber Spitals in Bildechingen wurde 1560 beschrieben. Wichtig war damals insbesondere ein eigener Hof, der neben dem Anwesen mit Haus, Hof und Scheuer eine Fläche von 114,5 Jauchert Ackerland, achteinhalb Mansmad Wiesen und 12 Jauchert Wald umfaßte. Außerdem gehörten in diesen Hof zahlreiche weitere Gülteinnahmen in Form von 20,5 Schillingen, 10 Vierteil Roggen und vor allem 22 Malter Roggen oder Hafer nach Zelg. Der Hofmeier zinste alleine 20 Malter Roggen, 20 Malter Vesen und zehn Malter Hafer. Außer diesem Hofgut bezog die Anstalt von einem weiteren Anwesen und von 40 Jauchert Ackerland Zinsen und Gülten. Insgesamt betrug das Gefälle aus Bildechingen samt dem Hof 26 Malter Roggen, 24 Malter Vesen, 10 Malter Hafer und zwei Malter nach Zelg sowie einen Gulden[235].
Auch in Eutingen besaß der Spital einen eigenen Hof, der allerdings als Erblehen ausgegeben war und neben zwei Anwesen mit zwei Scheuern 74 Jauchert Ackerland, drei Mansmad Wiesen und zwei Jauchert Wald umfaßte. Der Hof seinerseits bezog vier Malter Roggen oder Hafer nach Zelg an Gülten. Er alleine erbrachte jährlich 18 Malter Roggen, 20 Malter Vesen, sechs Malter Hafer, ein Malter Erbsen, drei Hühner, 100 Eier und neun Schillinge. Außer diesem Hof zinsten noch einige Eutinger für ein Anwesen mit einer Scheuer, acht Jauchert Ackerland und etwa vier Mansmad Wiesen, zusammen drei Pfund Heller[236].
In Ergolzingen (Ergenzingen) waren 61,5 Jauchert (davon 36,5 Jauchert Lehen) und fünf Mansmad sowie ein halbes Haus durch Abgaben an den Horber Spital belastet. Daraus gewann er etwas mehr als einen Gulden sowie 10 Malter Roggen, fünf Malter Vesen, einen Malter Erbsen, eineinhalb Malter Kernen, zwei Hühner und 50 Eier. Zwei weitere Höfe waren mit zusammen zweieinhalb Schillingen und sieben Malter Roggen, vier Vierteil Kernen sowie zwei Vierteil Erbsen belastet, ohne daß die Größe dieser Höfe angegeben wird[237].
Vier Bürger von Hochdorf, das zum württembergischen Amt Nagold gehörte, waren jährlich durch Abgaben in Höhe von dreieinhalb Malter Roggen sowie zweieinviertel Malter Hafer belastet, wobei als Unterpfand 12,75 Jauchert Ackerland dienten[238].
Die Struktur der Horber Spitalwirtschaft ist nicht, wie auf den ersten Blick vermutet werden könnte, durch die Ortsherrschaft über vier Dörfer geprägt. Zwar setzte die Anstalt auch nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges auf die Erweiterung solcher Rechte, jedoch erbrachten sie betriebswirtschaftlich gesehen eher geringen Nutzen. Nur wo zur Ortsherrschaft auch umfangreicher Grundbesitz trat, besonders in Grünmettstetten, in weit geringerem Umfang in Altheim und Salzstetten, können diese Orte als wirtschaftliche Zentren für die Spitalökonomie gelten. An den wirtschaftlich betrachtet wichtigeren Zehntrechten fehlte es der Anstalt weitgehend. Auch dem eigenen Ackerbau und dem Weinbau setzten ihr die auf der Stadtmarkung verfügbaren Ressourcen enge Grenzen. Immerhin konnte sie vom Weinbau durch den Besitz wichtiger Keltern in größerem Maße profitieren. Außerdem wird, besonders am Ende des Dreißigjährigen Krieges und danach, eine besondere Rolle der Holzwirtschaft deutlich, in deren Rahmen die umfangreichen Wälder Nutzen brachten. Kennzeichnend für die auch nach Kriegsende ungebrochene Wirtschaftskraft der Horber Anstalt sind bedeutende Erwerbungen, insbesondere der zweiten Hälfte von Salzstetten und des ganzen Gutes Hornau.
Der Rottenburger Spital
Nach der Seigelschen Typologie gehört auch der Rottenburger Spital zu den frühgegründeten in landesherrlichen Städten[239]. Jenen stiftete, noch vor dem Verkauf Hohenbergs an Österreich, der Kaplan der Rottenburger Dreifaltigkeitskapelle. Eine jüngst von Herbert Wyrwich entfachte Diskussion um sein Gründungsdatum hat insgesamt zu keinen sicheren Ergebnissen geführt[240]. Wyrwich bemühte sich mit Hilfe von Kaufurkunden, die auch von Vorbesitzern dem Spital ausgehändigt sein könnten, das Gründungsdatum früher als 1321 anzusetzen[241]. Es spricht meines Erachtens aber bisher kein wesentliches Argument dagegen, weiterhin vom Gründungsjahr 1361 oder kurz davor auszugehen. Wie bei vielen anderen landesherrlichen Spitälern war auch in Rottenburg aufgrund der im Vergleich mit den großen reichsstädtischen Spitälern späten Gründungszeit von Anfang an die Verwaltung in bürgerlicher Hand. Der Prozeß der Kommunalisierung[242] fand somit wie in Horb nicht statt. Möglicherweise war die Rottenburger Anstalt anfangs nicht völlig frei von landesherrlichem Einfluß. Darauf deutet jedenfalls die Beteiligung des Landesherrn an jenen Rechtsgeschäften hin, die in den ersten Urkunden ihren Niederschlag fanden. Im 16. Jahrhundert bestimmte aber ausschließlich der Rat der Stadt über die Geschicke seiner Anstalt, wobei allerdings, besonders im Untersuchungszeitraum, die österreichische Landesherrschaft mit Hilfe von Visitationskommissionen wieder einen letztendlich entscheidenden Einfluß gewann. Der äußerte sich auch durch eine entsprechende Gestaltung der städtischen Polizeiordnung[243]. Trotzdem waren die vorderösterreichischen Spitäler fester in städtischer Hand als die in anderen Territorien. Seigel führt dies auf die auch ansonsten stark entwickelte Autonomie der vorderösterreichischen Städte zurück[244]. Bis zur Eingliederung Vorderösterreichs in das Kurfürstentum Württemberg 1805 verwaltete die Stadt Rottenburg ihren Spital weiterhin selbständig, allerdings in einem Rahmen, den insbesondere herrschaftliche Untersuchungskommissionen setzten[245].
Seinen umfangreichsten Besitz hatte der Rottenburger Spital im Stadtgebiet selbst. Hier gehörte ihm eine regelrechte Gebäudegruppe in der Vorstadt, ja, das Entstehen dieser Vorstadt selbst hängt vermutlich eng mit dem Werden der Anstalt zusammen[246]. Außer dem eigentlichen Spitalhof waren es vier benachbarte Häuser, die sie 1537 dort besaß, dazu gehörten jene des Glonß, des Velman und des Weckler. Vermutlich bezog der Neubau des Spitals von 1580/82[247] einige dieser Gebäude mit ein. Außer diesem Liegenschaftskomplex in der Vorstadt besaß die Versorgungseinrichtung im Stadtgebiet das steinerne Remen-Haus in der Gasse unter dem Schloß. Zu ihm gehörten eine Scheuer und ein Hof. Es diente im Laufe des 17. Jahrhunderts als Zentrum für die eigene Bewirtschaftung umfangreicher Güter. Im 18. Jahrhundert mietete die Stadt das Remenhaus und übernahm es auf dem Weg eines Schuldausgleichs 1790 vollends[248].
Vgl. Bedeutende historische Gebäude in Rottenburg[249]
Da die obengenannten Gebäude eigengenutzt wurden, erbrachten sie keine Einnahmen. Sie kosteten indessen außer dem Unterhalt auch ständige Abgaben an Hofstattzins, jährlich 1,83 Gulden. Zusätzlich standen der Präsenz in Ehingen für den Spital und für das Glonßen-Haus 1,3 Gulden zu. Weitere 1,65 Gulden gingen wegen des Glonßen und des Wecklers Haus sowie wegen der Kelter an die Häußlin-Pfründe, an die Präsenz in der Marktkirche und an ein nicht näher bezeichnetes Kloster, vermutlich war das Kloster Kreuzlingen gemeint.
Aus 32 Häusern in Rottenburg, Ehingen und in der Vorstadt bezog der Spital seinerseits Zinsen und Gülten[250]. Von den 572 hofstattzinspflichtigen Wohnhäusern, welche die Stadt 1513 zählte[251], besaß er demnach circa ein Prozent, weitere sechs Prozent leisteten ihm Abgaben. Rechnet man die zins- und gültpflichtigen Häuser in den umliegenden Dörfern zu denen in Rottenburg hinzu, so bezog die Anstalt aus 44 Häusern Zins und Gült. In den Dörfern besaß sie zudem Rechte an 16 Scheuern und 19 Hofraiten.
Innerhalb der städtischen Markung war der Spital einer der bedeutendsten Grundbesitzer. Ihm gehörten 1537 in allen drei Zelgen 173,5 Morgen Ackerland, immerhin fünf Prozent der verfügbaren Fläche. Das damalige Urbar gliedert innerhalb der Zelgen in drei Felder. Diese drei Felder entsprechen vermutlich den Markungen dreier verschiedener Ortschaften[252], die bei der Gründung der Stadt in diese einbezogen wurden. Es handelt sich um das Kalkweiler, das Stetter und das Ehinger Feld. Auffällig ist, daß der Spital im Stetter Feld in einer Zelg, der sogenannten näheren, fast nichts besaß. Auch riesige Wiesen hielt er in seinem Besitz, zusammen 45,5 Mansmad (etwa 68 Morgen). Sie lagen freilich nicht nur auf Rottenburger Markung. Ihre Namen lauten: im Arppach, in der Lachen, auf dem Birtenlew, im Steinach, im Byhler Tal, im Schadenweiler und in Niedernau[253]. Nur zweieinhalb Morgen maßen hingegen die eigenen Weingärten[254]. Von den 483,5 Jauchert[255], die es 1681 noch in der Stadt gab, stellte dies nur einen sehr geringen Anteil dar, geringer als jener, welchen etwa der Horber Spital besaß[256]. Doch, das wird sich weiter unten zeigen, entschieden andere Rechte letztendlich über die Menge des jährlich eingenommenen Weins.
Eine andere Gruppe von Immobilien sind die Gärten. In diesen wuchsen wichtige Nahrungsmittel der Menschen in der Frühen Neuzeit. Gartenprodukte spielten eine große Rolle. Dies machen immer wieder Zukäufe aller drei Anstalten deutlich. Entsprechend wertvoll für die Spitalwirtschaft waren die meist in unmittelbarer Nähe der Stadt gelegenen Krautgärten. Einen Hinweis auf die ortsnahe Lage einiger Gärten gibt auch deren Größenangabe in Hofstatt[257]; wohl deshalb, weil auf den damals mit Kraut angebauten Grundstücken auch Häuser hätten stehen können und deshalb Hofstattzins dafür entrichtet werden mußte. Dreieinhalb solcher Hofstätten baute die Versorgungseinrichtung 1537 selbst an, vier hatte sie in jenem Jahr verliehen. Für die halbe Hofstatt – dies scheint die übliche Größe der Krautgärten gewesen zu sein – gingen ungefähr sieben Schillinge Zins ein[258]. Für seine Äcker, Wiesen, Weinberge und Krautgärten hatte der Spital Abgaben an die Herrschaft, die Präsenz in Ehingen, den Pfarrherren zu Rottenburg, den Heiligen zu Kalkweil, das Kloster (vermutlich Kreuzlingen), den Priester in der Alten Stadt[259] und den Schützen zu entrichten. Zusammen mit seinem Eigentum auf den Dörfern gehörten ihm 1537 insgesamt 371 Jauchert (556 Morgen) Ackerland, 60,65 Mansmad (90 Morgen) Wiesen und drei Morgen Weingärten. Für seine Güter in Wurmlingen zahlte er jährlich 1,44 Gulden an das Gotteshaus in Kreuzlingen. Noch 1828 besaß die Anstalt 209,5 Morgen Ackerland, 70 Morgen Wiesen und 188 Morgen Wald zusätzlich zum Grundbesitz des erst 1677 erworbenen Schadenweiler Hofes, der weitere 90 Morgen Ackerland und 36 Morgen Wiesen umfaßte[260].
Zinsen und Gülten bezog der Spital 1537 darüberhinaus von 1258 Jauchert (1887 Morgen) Ackerland, 172,5 Morgen Wald, 60,5 Morgen Weingärten und 119,75 Mansmad (180 Morgen) Wiesen. Eine Vorstellung von seiner wirtschaftlichen Bedeutung für das gesamte Umland liefert ein Blick auf die gesamte Fläche der eigenen und der zinspflichtigen Grundstücke. Sie war 1537 so groß, wie 70 Prozent der Stadtmarkung[261]! Mit ihren Besitztiteln griff die Anstalt dabei weit ins Umland aus und konnte so bei Bedarf auch als Instrument städtischer Politik gegenüber dem Hinterland eingesetzt werden[262].
Die Einkünfte aus Zins- und Gültrechten beliefen sich auf rund 560 Gulden, 114 Malter Dinkel, 47 Malter Roggen und ein Malter Hafer. Der relativ hohe Roggenanteil an den Gülteinnahmen deutet darauf hin, daß zu der Zeit, als der Spital den größten Teil seiner Gültrechte erwarb, der Roggen noch einen größeren Anteil am Rottenburger Getreideanbau ausgemacht hatte, als im 16. Jahrhundert[263]. Seine Grundrechte sicherten ihm 1537 weitere Naturaleinnahmen: viereinhalb Ohm Wein, zwei Vierteil Erbsen, ein halbes Pfund Wachs, 12 alte sowie 62,5 junge Hühner und 264 Eier. Zinsen und Gülten erhob er in Rottenburg und Ehingen vor allem als Geldbeträge. Aus einem mittleren Gürtel von Dörfern stammten überwiegend Naturaleinnahmen. Dabei kam auch das Trägerei-System[264] zum Einsatz, bei dem ein Träger die Abgaben von einer mittlerweile aufgelösten Hofeinheit jeweils gesammelt entrichtete. Diesem System entspricht die Gliederung der Urbare nach der früheren Hoforganisation. Bei den Naturaleinnahmen dominierte im Westen (Remmingsheim, Wolfenhausen) das Getreide, im Osten (Hirschau, Wurmlingen, Wendelsheim, Weiler) kam Wein hinzu. An den Gürtel, in dem Naturalabgaben dominierten, schließen sich entferntere Ortschaften an, die ihre Abgaben wiederum hauptsächlich in Geld leisteten (Reutlingen, Heselwangen, Engstlatt), vermutlich wegen des weiteren Transportweges. Wenn möglich zog die Versorgungseinrichtung diese entfernten Zinsen auch bei Gelegenheit ein, etwa wenn der Haischer sowieso in Spitalgeschäften in jener Gegend unterwegs war[265]. In der in diesem Abschnitt abgedruckten Karte, die die geographische Verteilung des Anstaltsvermögens anhand der Einkünfte darstellt, wurden die Angaben des Urbas von 1537 durch solche des Rechnungsbuches von 1528 ergänzt. Naturalerträge sind nach den Preisen des Jahres 1528 in Geldbeträge umgerechnet.
Aufgrund seiner Gliederung nach Bewirtschaftungseinheiten ermöglicht es das Urbar des Rottenburger Spitals von 1537, die Hofstruktur in diesem Jahr für die Dörfer im Umland der Stadt zu untersuchen. Auffällig sind dabei die großen Höfe in Wolfenhausen, Seebronn, Wendelsheim, Wurmlingen, Bierlingen und Höfendorf mit jeweils über 100 Morgen landwirtschaftlicher Nutzfläche. Ansonsten läßt sich als Grundgröße einer Hube in der Gegend eine Nutzfläche von etwa 40 bis 50 Morgen angeben. Allerdings war im Berichtsjahr die Realteilung bereits so weit vorangeschritten, daß keine der dem Spital zinspflichtigen Huben mehr von einem einzelnen bewirtschaftet wurde. Vielmehr waren die meisten Huben unter vier Besitzern aufgeteilt, viele auch schon unter acht.
Der Rottenburger Spital besaß im Untersuchungszeitraum wie oben erwähnt mehrere Höfe in der Stadt und in deren Umgebung. Sie bildeten das Rückgrat seiner Landwirtschaft. Gleichzeitig sind sie das charakteristische Moment schlechthin der Rottenburger Spitalwirtschaft im Vergleich zu den anderen untersuchten Anstalten. In den Rechnungsbüchern werden die Höfe immer wieder genannt, wenn an ihnen Baumaßnahmen fällig wurden und, regelmäßig, wenn der Schreiber Fruchteinnahmen bilanzierte. Diese gliederte er in seiner Abrechnung nach Höfen.
Vom Rottenburger Spitalhof aus bewirtschaftete der Spitalvater mit Hilfe seiner Knechte 1537 etwa 163 Morgen Ackerland und 68 Morgen Wiesen. Später trat an dessen Stelle der Remenhof als Zentrum dieses gutsherrlichen Großbetriebes.
Besitzungen im Ort Seebronn[266] übertrafen in einigen Jahren sogar den Rottenburger Wirtschaftsbetrieb in seiner Bedeutung für den Spital. Zeitweise ließ die Anstalt dort drei Höfe auf eigene Rechnung bewirtschaften. Der älteste, schon 1526 erworbene, und am längsten behauptete war der Fronhof. Die erhaltenen Urkunden[267] nennen als Verkäufer das Dominikanerinnenkloster Kirchberg und den Rottenburger Carmel sowie den aus Ergenzingen stammenden Hofbesitzer Konrad Preger mit seiner Frau Anna. Während beide Klöster erhebliche Gülten abtraten, die auf dem Hof lasteten, verkaufte Preger den Hof selbst. Dieser erhielt für das Anwesen alleine 500 Pfund Heller. Welche erhebliche Belastung die Fruchtgülten der Klöster darstellten, zeigt der Umstand, daß deren Loskauf den Hof auf 927 Gulden verteuerte. Der Spital bemühte sich beim Erwerb also offensichtlich darum, die auf dem Gut lastenden erheblichen Beschwerden abzulösen. Nach dem Urbar von 1537 umfaßte jener neben einem Anwesen mit Haus, Scheuer und Hofraite 223,5 Morgen Ackerland, etwa zehn Morgen Wiesen und einen Garten. Bis zum Jahr 1719 verringerte sich der Umfang der Nutzfläche auf 116 Jauchert. Damals gehörte zum Fronhof auch ein 117 Morgen großer Spitalwald. Das Gut kaufte im Jahr 1778/79 die bürgerliche Gemeinde Seebronn. Ein Jahrhundert später, 1873, legten 53 Bauern des Dorfes zusammen und erwarben das zugehörige Waldstück, welches sie anschließend rodeten. Noch bis 1965 war der einstige Fronhof in Seebronn zu sehen. Dann allerdings brannte der größte Teil des Anwesens ab. Lediglich das Wohnhaus (Gebäude Nr.111) blieb stehen. Von der Spitalscheuer, die einst am südwestlichen Dorfende stand, haben ein Wappen mit der Zahl 1732 und eine eigenartige steinerne Fratze überdauert. Beide Relikte sind in das gegenüberliegende Haus (Gebäude Nr.117) eingemauert.
Des Spitals zweites Gut in Seebronn war der Lindenfelser Hof[268]. Die Anstalt kaufte ihn 1566 mehreren Verwandten ab[269]. Sie waren Söhne oder Schwiegersöhne des verstorbenen Stephan von Lindenfels, eines Rottenburger Bürgers. Der Kaufpreis betrug 1025 Gulden. Allerdings behielt die Rottenburger Anstalt diesen Hof nur knapp dreißig Jahre lang. Sie verkaufte ihn im Jahr 1594 zusammen mit dem weiter unten behandelten Neunecker Hof. Im Rechnungsbuch des Jahres 1600 verbuchte der Spitalschreiber 100 Gulden als sechste Rate des Käufers Hans Schoch. Seit 1607 bemühte sich der Spital nach entsprechenden Verfügungen[270] einer österreichischen Untersuchungskommission um den Rückkauf, der schließlich für 1860 Gulden zustande kam. Zusätzlich zu einer Anzahlung von 600 Gulden bezahlte der Spital im Jahr 1608 als erste Rate 200 Gulden. Aber kurz darauf, 1610, gab man die Bemühungen um den Wiedererwerb auf und veräußerte den Lindenfelser Hof endgültig um 2570 Gulden.
Drittes Standbein des Rottenburger Spitals in Seebronn war zeitweise der Neunecker Hof[271]. Auch der Name Göttler-Hof taucht in den Rechnungsbüchern für dieses Gut auf. Die Anstalt kaufte es 1573 dem Balthasar Hellfried ab. Jakob Schiebel, wohl der Rottenburger Bärenwirt, den das Musterregister von 1615 als reichsten Bürger ausweist[272], erwarb das Gut im Jahr 1594 um 1500 Gulden. Seine sechste Rate in Höhe von 115 Gulden bezahlte Schiebel im Jahr 1600. Diesen und den Lindenfelser Hof scheint der Rottenburger Spital liederlich verkauft zu haben[273]. Entsprechend äußerten einige Zeugen vor einer österreichischen Untersuchungskommission im Jahr 1604 Klagen gegen dieses Geschäft[274]. Als Grund für den Verkauf führte der Bürgermeister Sigmund Wendelstein an, daß sy so grosse Gülten ob sich gehabt[275]. Ein Rezeß oberösterreichischer Kommissare zwang zum Rückkauf[276]. Später bemühte sich die Stadt um eine Verkaufsgenehmigung bei Markgraf Karl von Burgau[277], welche sie offensichtlich erhielt.
Aber nicht nur in Seebronn gab es Höfe des Rottenburger Spitals. In Wendelsheim[278] besaß er des Peter Leichtermuts Hof. Später scheint sich der Name Leopoldshof durchgesetzt zu haben[279]. Diesen Hof erwarb die Anstalt von Peter Leichtermut, der ihn 1514 von seiner Mutter Haiton zusammen mit seinem Bruder Hans erhalten hatte. Zum Zeitpunkt des Verkaufs steckte Leichtermut offenbar in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die ihn aus großer Notdurft zu häufigen Kreditaufnahmen zwangen[280]. Zusätzlich trafen ihn im Jahr 1526 ein Gerichtsurteil und die Hofacht. Der Verkäufer scheint so verarmt gewesen zu sein, daß er noch 1528 als Leistungsempfänger des Spitals erscheint. Für eine Wallfahrt nach Einsiedeln, die mit der ergangenen Hofacht zusammenhängen könnte, zahlten ihm die Spitalpfleger drei Pfund zwei Schillinge sechs Heller für Spesen aus. Das Rechnungsbuch von 1528, dessen Rechnungsperiode sich vor allem auf das Jahr 1529 erstreckt, in welchem das Anwesen gekauft wurde, enthält entsprechend umfangreiche Ausgaben für den Wendelsheimer Hof. Sie beglichen Kosten für die Fertigung des Kaufes, für vom Vorbesitzer übernommene Verpflichtungen, für die Renovierung von Gebäuden und für den Neubau eines Hauses und einer Scheuer. Aber bereits in den vorhergehenden Jahren zeichnen sich umfangreiche Ausgaben des Spitals für das Anwesen ab. Vom Hauptschuldner Leichtermuts, dem Dr. Forstmeister in Tübingen und anderen, mußte er eine Reihe von Gülten auslösen[281] bzw. gegen andere tauschen[282]. Zu den Inhabern dieser Gülten gehörten das Kloster Bebenhausen und die Universität Tübingen[283]. Des Leichtermuts Hof umfaßte 1537 circa 160 Morgen Ackerland und 13 Morgen Wiesen, einen Wald sowie eineinhalb Morgen Weingärten. Das zum Hof gehörige Anwesen lag mitten im Dorf, gleich an der Tübinger Straße.
Seine Wendelsheimer Besitzungen vergrößerte die Rottenburger Anstalt 1608, indem sie das Wagenlehen kaufte. Rings um dieses alte Lehen, darin, im Löschwald, Stungen und in der gemeinen Wies war sie seitdem Besitzer oder Gültherr. Ein vierteiliger Spitalwengert wird 1771 genannt, 1772 ein Spitalwäldle. Der ortsansässige Heimathistoriker Schorp lokalisierte den Großteil der Spitalwiesen im oberen Arbachtal. Den Hof verkauften die Pfleger im Jahr 1784 an Philipp und Simon Holocher um 6000 Gulden.
Zu den selbst bewirtschafteten Höfen des Rottenburger Spitals gehörte im Untersuchungszeitraum auch einer in Frommenhausen[284]. Den kaufte er im Jahr 1567 um 1690 Gulden von den drei Söhnen der Witwe des Rottenburger Doktors Kalt, Fortuna Sticklin. Diese hatte den späteren Spitalhof 1560 um 1000 Gulden erworben. Zusätzlich zu den 61 Jauchert und vier Mansmad kaufte sie 1561 das 16 Jauchert große Berglehen um 400 Gulden. Ihre Söhne, die diese Güter dem Spital überschrieben, waren: der promovierte Jurist Jakob Kalt, Kammergerichtsadvokat in Speyer und Georg Kalt, der im Wannental bei Balingen lebte. Ihren Frommenhausener Hof veräußerte die Anstalt im Jahr 1654 an den Landhauptmannschaftsverwalter Doktor Johann Rudolf Wagner, welcher sich bereits drei Jahre zuvor das alte Meierhaus um 280 Gulden gesichert hatte. Für die übrigen Güter leistete Wagner eine Anzahlung von 450 Gulden. Zwischen 1655 und 1657 betrugen die Ratenzahlungen jeweils 100 Gulden. Danach blieb der Beamte dem Spital noch 400 Gulden schuldig, für die er jährlich 31 Gulden zinste.
Der Rottenburger Spital besaß, ähnlich wie jener in Horb, einige Wälder. Allerdings kam ihnen im Rahmen der Eigenwirtschaft nie jene dominante Rolle zu, welche sie zeitweise für die Horber Anstalt hatten[285]. Eine halbe Stunde nordwestlich von Ofterdingen (heute Landkreis Tübingen) in Richtung Rottenburg lag der Wald im Maisenhart[286]. Dazu gehörten 8,25 Mansmad[287]. Schon 1424 besaß die Anstalt die Hälfte des Waldes, welche sie sich gerichtlich gegen Burkard Has von Ofterdingen und andere erstritten hatte. Burkhard Has und seine Frau sollen das Gut dem Spital geschenkt, doch hinterher dies bestritten haben. Der Vogt zu Dettingen, Conz Röm, gab jedoch als zuständiger Richter im Maisenhart dem Spital Recht[288]. Gleichzeitig mit der Schenkung bestätigte Röm der Anstalt, Macht und Gewalt uff dem Maißenhart zeriegen und zestrafen. Für eine Veldainung durften Gebühren von 18 Hellern, für eine Holzeinung von acht Schillingen und für ain Frävel fünf Schillinge Strafe erhoben werden. Und welcher seinen Ubergriff also zu Maißenhart umb sollich Ainungen und Peen nit lassen welt, und dem Spital das Pen daruber wiesten, denselben mag das obgenant Spital und ire Schizen von Rottenburg bessern und biesen, nach irem Willen und Gevallen[289]. Ihre bis dahin gemeinsam genutzten Wälder teilten der Spital und die Maißenhardter zu Ofterdingen im Jahr 1547 in zwei Teile[290]. Als jener seine Wiesen im Maisenhart 1599 verkaufte, erregte dieses einiges Mißfallen in der Stadt[291]. Das Geschäft kam vor einer österreichischen Untersuchungskommission im Jahr 1604 und bei weiteren Untersuchungen zu Beginn des 17. Jahrhunderts zur Sprache[292]. Bürgermeister Sigmund Wendelstein begründete damals den Verkauf damit, daß der Maisenhart für unnutz geachtet worden sei. Und für das erlöste Geld habe man bessere Wiesen gekauft[293]. Spitalkeller Barthel Pembler quantifizierte diesen Mehrertrag: die acht Mansmad Wiesen im Maisenhart hätten nur zwei Wagen Heu erbracht, die neu gekauften würden aber zehn Wagen ertragen[294]. Der Weißgerber Klaus Raidt legte diese Vorgänge ganz anders aus: Die Statt haus also, das sy zwen Höf zu Seebrun wie auch den Maisenhart, darauf die Frefl und Puessen der Statt gehört, gen Ofterdingen in Württenberg nur umb 300 fl verkhauft…[295]. In gleicher Weise äußerte sich Georg Lößlin: man habe den Maisenhart umb ain Spot den Württembergischen verkhauft; auch Tratt und Trieb seien der Stadt genommen worden[296]. Im Rechnungsbuch des Jahres 1600 verbuchte der Schreiber als letzte Rate dieses Geschäfts 192 Gulden. Der Morgen wurde folglich um 27 Gulden hergegeben, obwohl er 60 Gulden wert gewesen sein soll[297]. Damals scheinen allerdings lediglich die Wiesen den Besitzer gewechselt zu haben, die Ruegen daselbst gehorn noch der Herrschaft hieher[298]. Über das Rügerecht, das ursprünglich dem Spital verliehen worden war, verfügte demnach die Herrschaft bereits seit längerer Zeit. Und zumindest ein Teil des Waldes scheint weiterhin der Anstalt gehört zu haben oder von dieser zurückgekauft worden zu sein[299]. Denn 1655 verzeichnete eine Renovation Wälder im Maisenhart als deren Besitz[300]. Und noch heute gehören der Rottenburger Spitalverwaltung dort acht Hektar[301]. Weitere Holzressourcen besaß der Spital in Seebronn[302] und andernorts[303].
Rottenburg war in der Frühen Neuzeit ein Zentrum des Weinbaus[304]. Entsprechend besaß diese Sonderkultur auch für den Spital der Stadt eine überragende Bedeutung. Mehr noch als die Horber Anstalt profitierte jene von dieser Sonderkultur. Hier wie dort jedoch geschah dies nicht durch das Bestellen umfangreicher eigener Weingärten. Vielmehr schöpften die Spitäler auf dem Umweg über den Kelterwein oder über den Zehntwein den ortsansässigen Wengertern größere Teile ihrer Lesen ab. Zwei Keltern besaß die Anstalt, eine in der Stadt selbst und die andere in Ehingen. Die Kelter in Rottenburg hatte sie 1469 dem Peter von Zeitern abgekauft[305]. Sie stand in der Schulgasse, nicht weit von der oberen Badstube. Noch heute nimmt ein Nachfolgegebäude denselben Standort ein. Zur Kelter gehörten Haus, Hofraite und eine Scheuer, die des Diezen genannt wurde. In diese Kelter waren die bürgerlichen Weinbergsinhaber gebannt. Für das Mosten ihrer Trauben hatten sie dem Spital ein Dreißigstel des Truckweins zu überlassen[306]. In den Rechnungsbüchern taucht diese Abgabe als Kelterwein auf. Im 16. Jahrhundert hatte die Rottenburger Kelter drei Bäume[307]. An jeden Baum mußten bei einigermaßen normalen Erntejahren im Herbst zwei Männer gestellt werden, um ihn zu warten. Für ihre Saisonarbeit erhielten sie einen vom Ertrag abhängigen Lohn von zehn Kreuzern je ausgetrucktem Ohm. Zusätzlich gab es zwei Mas Wein pro Tag. Seit den 1640er Jahren bekamen sie 16 Kreuzer je Tag ohne Wein und ab 1659 immerhin 18 Kreuzer täglich. Rottenburger Handwerksmeister nutzten diese zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeit von jeweils etwas mehr als zwei Wochen im Herbst besonders häufig. Vor allem Zimmerleute bedienten die Pressen, was sich angesichts der Balkenkonstruktion, aus der solche Kelterbäume bestehen, anbot. Zur Rottenburger Kelter gehörte eine Kornschütte, die für die Jahre 1559 und 1609 durch Baukostenrechnungen belegt ist. Sie befand sich unter dem Dach über den Bäumen. Der Umbau des Gebäudes zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte noch ein politisches Nachspiel, da er ohnerlaubt der Oberkheit geschah, trotz mehrmaliger Anmahnung. Jezo ziehen sie der Herrschaft ire Kunden ein, beklagte sich 1607 ein aufgebrachter Beamter[308]. Freilich verteidigte sich der Rottenburger Landschreiber damals, daß die Sache doch längst geregelt wäre und zeigte kein Verständnis für dis abermal seichte Rohmreden[309].
Beim großen Stadtbrand von 1644 brannte auch des Spitals Kelter ab. Zum Wiederaufbau gab die Anstalt ein Jahr später lediglich 60 Gulden aus. Damit konnte nur ein Baum notdürftig funktionstüchtig gemacht werden. Nach erneuten Baumaßnahmen im Jahr 1651, die diesmal über 200 Gulden verschlangen, deuten die Ertragszahlen der Kelter auf einen Betrieb mit zwei Bäumen hin. Ein weiterer Baum kam wieder Ende des Jahres 1658 hinzu[310]. Die zweite, weniger gut dokumentierte, Kelter des Rottenburger Spitals wird im Urbar von 1537 nicht genannt. Von diesem Ehinger Kelterhäuslein ist erstmals im Rechnungsprotokoll von 1580 die Rede. Damals kosteten 22 Tage Arbeit am einen Baum dieser Presse 14 Kreuzer täglich. Umfangreiche Baumaßnahmen waren auch im Jahr 1604 fällig.
Wie der Horber Spital, so verfügte auch jener in Rottenburg über Rechte an Getreidemühlen. Mühlzins bezog er vor allem aus der oberen Mühle in Rottenburg[311]. Im Besitz der Rottenburger Anstalt befand sich von 1671 bis 1692 aber auch die Distelmühle[312]. In sie waren die Bewohner von Wurmlingen, Hirschau und Kiebingen gebannt. Sigmund Wendelstein, Pfarrer in Allenspach, stiftete sie am 25. April 1671 zu einem Jahrtag[313]. Unter dem Gutleuthaus trieb der Neckar ihr Rad an. Dem Stiftungsjahr entsprechend finden sich erste Ausgaben für diesen neuen Besitz im Rechnungsbuch von 1671. Damals stiegen die Personalkosten um ein Drittel auf 610 Gulden. Der Mehraufwand hatte seine Ursache im Neu- bzw. Wiederaufbau der Distelmühle. Man stellte eigens einen Müller, einen Mühlknecht und einen Fuhrknecht für deren Betrieb an. Gleichzeitig stiegen die Kosten für Handwerksleute um über 1000 Gulden. Alleine der Zimmermann beanspruchte 450 Gulden im Verding. Der Maurer bekam 140 Gulden, der Ziegler 34 Gulden. Für den Durst der Handwerker stellte der Spital 39 Ohm Wein zur Verfügung. Die gesamten Kosten konnte er nur durch die Aufnahme eines umfangreichen Kredits beim Konstanzer Weihbischof finanzieren. Zwei Mühlsteine kamen um 15 Gulden von Altenburg. Weitere Betriebskosten im Untersuchungszeitraum verbuchte der Schreiber seit 1671 unter dem Posten in die Mühle. Für die Mühlrosse stellte der neue Besitzer der Mühle jährlich 42 Malter Roggen ein. Den Aufwendungen standen natürlich auch Erträge gegenüber. Dies waren 1670 bereits 252 Malter Kernen, in den folgenden Jahren jeweils über 300. Später zerstörte eine Flutkatastrophe die Distelmühle.
Weitere Einnahmequellen boten dem Spital seine beiden Badstuben. Die beiden Bader der oberen und der unteren Badstube zinsten wöchentlich 14 und 15 Schillinge[314]. Daß die Anstalt im Besitz beider Badstuben der Stadt war, findet durchaus Parallelen. Häufig waren Spitäler und ähnliche Einrichtungen, die auch der Krankenpflege dienten, mit Heilquellen oder Gewässern verbunden[315]. Auch in Rottenburg siedelte sich der Spital nicht nur unmittelbar am Ufer des Neckars, sondern darüberhinaus auch an einer Heilquelle an[316]. Buhl berichtet von einer ihm zufällig in die Hände gefallenen Beschreibung, in der es heißt: so hat auch diese Stadt allhier ein Armenhaus, welches ist gestiftet von gemeiner Stadt, und welches vor dieser Zeit ein gemein Badstuben gewesen und dann zu einem Hospital gemacht worden. Das Quellwasser des äußeren Bades enthielt Alaun, Kupfer, Schwefel und Eisen[317]. Seit dem Mittelalter gab es in Rottenburg zwei Badstuben: die eben erwähnte äußere oder obere im Badgäßlein in der Vorstadt gleich neben dem Spital und die untere beim Kiebinger Tor[318]. Beide befanden sich 1537 im Besitz des Spitals.
Die obere stiftete der Reutlinger Bürger Werner Bupf am Nikolausabend 1394 als Seelgerät. Er verband damit die Einrichtung einer Kaplanei, für die er sich ein Besetzungsrecht vorbehielt[319]. Als Eigentum und Erbgut verzeichnet das Urbar von 1537 demgemäß das obere Bad[320]. Vom heutigen Stadtbild ausgehend wäre sein Standort wohl im östlichen Teil des Krankenhausbereichs zu suchen[321]. Inhaberin war 1537 Peter Heilmanns Witwe. Sie entrichtete dafür 14 Schilling Zins pro Woche. Die armen Leute aus dem benachbarten Spital mußte sie zusätzlich alle zwei Wochen einen Tag lang umsonst baden, wofür ihr jährlich ein Pfund Heller zustand. Sonst entrichtete eine Person 1559 normalerweise einen Badepreis von drei Hellern. Ursula Kerz, die Witwe des Baders Melchior Has, besaß 1600 fünf Siebtel des Bades in der Vorstadt, das ihr Mann um 450 Pfund Heller gekauft hatte[322]. Bürgermeister und Rat hatten die Inhaber des öfteren daran erinnert, die Anlage baulich in besserem Stand zu halten. Deshalb wollten sie sie wieder an sich ziehen. Der neue Besitzer hörte aber anscheinend nicht auf diese Ermahnungen, so daß das Bad weiter verkam. Deshalb und wegen des Stiftungscharakters verkaufte die Witwe ihren Teil um 300 Gulden sowie verschiedene Naturalleistungen an die Anstalt zurück[323]. Die Pfleger wandten denn auch 1602 große Mühe bei der Instandsetzung auf[324], zu große, wie viele Bürger meinten! Bei den Auseinandersetzungen innerhalb der Bürgerschaft, die 1604 ihren Niederschlag in amtlichen Protokollen fanden, spielte die obere Badstube eine große Rolle. Völlig überteuert wäre deren Wiederherstellung gewesen: den Padpaw hab derselb anfangs nur auf 300 fl angeschlagen, hab aber über die 2000 fl angeloffen[325]. Die Baukosten für das etwa 20 auf 20 Meter messende Gebäude von Georgi 1600 bis 1602 beliefen sich tatsächlich auf 1563 Gulden. Der größte Teil davon mußte durch Schulden in Höhe von 991 Gulden gedeckt werden, davon 300 Gulden bei der Stadt. Vom Luxus, den sich die Pfleger wohl tatsächlich leisteten, zeugt ein vergoldeter Ofen. Beim Bau stand vermutlich die Villinger (Landkreis Villingen-Schwenningen) Badstube Modell, die eine Kommission vor Baubeginn besichtiget. Das Know-How zum Badofen lieferte der Bader aus Horb[326]. Im Kontrast zum Glanz dieser öffentlichen Einrichtung scheint deren Umgebung gestanden zu haben. Um zur Badstube zu gelangen, schritten die Besucher durch das Badgäßlein. Dort mußten sie sich ständig vor den Misthaufen der Anwohner in Acht nehmen. Die schütteten nämlich, was von einem Menschen komm, auf die Miste. Es gab eine ganze Reihe von Versuchen, meist städtischer Schlichter, dieses Problem zu lösen. Es zog sich aber zumindest bis 1606 hin[327].
Die untere Badstube[328] stand zwischen dem Kiebinger Tor und der kleineren Mühle. Sie gehörte der Herrschaft Hohenberg, der Spital besaß sie lediglich als Lehen, erstmals sicher im Jahr 1498. Dafür bezahlte die Anstalt jährlich drei Pfund Heller Zins. Neue Lehensbriefe wurden immer dann nötig, wenn ein neuer Herr das Regiment in Innsbruck übernahm, oder wenn der Mann, der das Lehen im Auftrag des Spitals trug, starb oder aus anderen Gründen abgelöst wurde. Sebastian Schorer, ein Gerichtsmitglied, trat 1537 gegenüber der Herrschaft als Lehensträger auf. Vom Inhaber der Badstube Stefan Dolderer bezog die Anstalt damals wöchentlich 15 Schillinge Zins, jährlich 39 Pfund Heller. In den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts stieg diese Pacht auf 12 Kreuzer wöchentlich. Allerdings behielt man sich vor, diesen Zins nach Belieben zemindern oder zemeren. Falls ein Herr von Österreich oder sein Gemahl zum Baden kam, so brauchte er die Geldgier des Baders nicht zu fürchten. In einem solchen Fall galten als Höchstgeld 18 Heller pro Person. Seine Kinder kamen für 12 Heller hinein. Diese Bestimmung war offenbar ein Zugeständnis an Erzherzogin Mechthild, die ja in Rottenburg Hof hielt[329]. In Ernte- und Herbstzeiten bezahlte der Spital mitunter seinen Knechten einen Badetag, so im Jahr 1609. Erforderten es besondere Ereignisse, so sah er sich zum teilweisen Verzicht auf seinen Badstubenzins genötigt. So 1610, da vom 23. Octobris bis uff den 11. Dezembris als siben Wochen lang… wegen der sterbenden Leuffen kein Badt gehalten werden konnte. Auch für das Jahr 1628 läßt sich die gesundheitspolizeilich verordnete Schließung der Badstube nachweisen. Die Rechnung von 1645 bemerkt lapidar, weilen das Underbaadt in vergangen leidigen Brunst zugrundt gangen, könne daraus keine Einnahme mehr verbucht werden. Zwar behielt der Spital nominell das Lehen bei, jedoch lag der Platz noch 1738 öde[330].
Neben seinen Höfen waren in besonderem Maße die Zehntrechte das wesentliche wirtschaftliche Standbein des Rottenburger Spitals. Sie vor allem begründeten die wirtschaftliche Überlegenheit der Rottenburger über die anderen untersuchten Anstalten. Bereits in der Stadt selbst besaß sie umfangreiche Zehntrechte. Denen von Gültlingen kaufte sie 1477 den Genkinger Zehnten oder Götzmannszehnten ab. Er erstreckte sich an der hinteren Oenhalde auf Kalkweiler Feld und stieß an den Remmingsheimer Bann. Besitzer war die Herrschaft Österreich, die ihn als Lehen ausgab. Volkart von Ow hatte diesen Zehnten 1394 an Diepold von Genkingen veräußert. Einen Teil des österreichischen Lehens bekam der Rottenburger Spital 1481 verliehen[331]. Es kostete ihn 460 rheinische Gulden. Weitere Teile besaßen 1543 das Kloster Kreuzlingen und der Pfarrer von Hirschau. Wegen des Verwaltungsaufwandes erhielt die Anstalt damals den Zehnt auf sechs Jahre alleine, allerdings mußte sie dafür erhebliche Naturalmengen an die Mitbesitzer abgeben, darunter 30 Malter Vesen, 20 Malter Hafer und 12 Ohm Wein[332]. Erst Württemberg übereignete ihr den Zehnt 1813 endgültig[333].
Einen Teil des kleinen Zehnten in Rottenburg und Ehingen erwarb der Spitalkaplan Hans Luz 1381 von Burkart und Hug von Ehingen um 42 Pfund Heller[334]. Der Zehntbezirk erstreckte sich in der Vorstadt, vor dem Kiebinger Tor, im Ehinger Feld und in der alten Stadt. Er umfaßte Vieh, Hühner, Gänse, Schweine, Obst und Gartengewächse. Um die Verteilung dieses Zehnten gab es einigen Streit[335]. Der kleine Zehnt und der Kornzehnt des Stiftes Kreuzlingen kamen 1495[336] pfandweise und 1563 endgültig hinzu. Zunächst ebenfalls pfandweise übernahm die Anstalt 1498[337] den Weinzehnten in der Neckarhalde, im Breitenhart, Lichtenberg, Ehinger und Schadenweiler Feld sowie die Landgarbe aus zwei Morgen Weingarten an der Neckarhalde, endgültig ebenfalls 1563. Die Kosten beider Pfandschaften und der endgültigen Übernahme beliefen sich auf zusammen 1750 Gulden[338].
In Kiebingen[339] erwarb der Spital 1469 von Peter von Zeitern und seiner Frau Katharina Stöb deren Anteil am Zehnten sowie andere Rechte[340]. Er strebte in den folgenden Jahren offenbar eine Konzentration des Kiebinger Zehntrechtes an. Der bedeutendste Schritt dazu erfolgte 1481. Die Hälfte des Laienzehnten sowie ein Drittel des Kleinzehnten und andere Lehengüter kaufte die Anstalt damals von Katharina Stöb, der Witwe des Stefan Ungelter sowie ihren Söhnen Werner und Ernst[341]. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts war damit der Spital alleiniger Lehensträger des Laienzehnten[342], den ihm die Herrschaft dann 1751 eignete[343]. Den Weinzehnten im selben Ort teilte er sich zur Hälfte, teils zu einem Drittel mit dem Kloster Rohrhalden[344]. Den Laienzehnten zu Kalkweil erwarb die Anstalt 1441 von Klaus Has und Agnes Merhelt seiner Frau[345]. Den Fruchtzehnt des Klosters Rohrhalden konnte sie erst 1789 um 5000 Gulden kaufen[346].
In Seebronn[347] brachte der Spital 1594 das Drittel des Karl Ifflinger von Granegg am Laienzehnten um 1000 Gulden, von denen aber 600 Gulden an Schulden abgingen[348], an sich. Er verpfändete diesen Besitz 1602 an den Freiherrn von Wolkenstein zu Poltringen. Der Rückkauf dauerte von 1602 bis 1627. Im Jahr des Rückkaufs vergrößerte der Rottenburger Spital seinen Anteil am Seebronner Fruchtzehnt um ein weiteres Drittel. Hans Jakob Ifflinger von Granegg zu Villingen verlangte dafür 2111 Gulden[349].
Laut Urbar von 1537 besaß der Rottenburger Spital zwei Wasserzinsen zwischen Niedernau und Obernau[350]. Sie brachten ihm jährlich 13,44 Gulden ein. Eines dieser Wasser dürfte das seit 1430 bezeugte Immenwasser sein. Ein weiteres in Niedernau kam 1603 und 1627 an den Spital, welches dieser bereits 1481 zum Teil besessen hatte[351]. Das zweite Wasser wird als dasjenige Im Rumenstal bezeichnet. Die Rechnungsbücher von 1636 und 1647 nennen die folgenden Fischenzen[352]: in Obernau der Waag im Eschach, der Rummelstalerbach und ein weiteres Fischwasser; in Niedernau das Zopfwasser[353], das Immenwasser und das Wiechtwasser[354]. Letzteres war herrschaftliches Lehen, welches der Hofkanzleischreiber Engelhart Ettenharder 1580 zusammen mit anderen Lehen aufgesagt hatte.
Wie der Horber Spital weist auch jener in Rottenburg die bekannte und typische Zwitterstruktur von sozialer Fürsorgeanstalt und wirtschaftlichem Gutsbetrieb auf. Von seiner Wirtschaftskraft her übertraf er dabei seinen Horber Nachbarn bei weitem. Dies zeigt bereits die Größe der selbst bewirtschafteten Güter. Eine beträchtliche Anzahl ausgelagerter Höfe erlaubte zudem eine intensive Nutzung von Ländereien im Umland. So nahm die Anstalt jährlich eine beträchtliche Menge von Feldfrüchten ein. Hinzu kamen umfangreiche Zehntrechte, welche die Scheuern zusätzlich mit Getreide füllten. Eine Besonderheit stellt auch die nach dem Dreißigjährigen Krieg aufgebaute Distelmühle dar, welche durch eigenes Personal betrieben wurde. Weitere Zehntrechte und der Besitz einer bedeutenden Kelter bescherten ihr zudem einen erheblichen Anteil an den Rottenburger Weinernten, auch wenn sie selbst nur über wenige eigene Rebflächen verfügte.
Der Herrenberger Spital
Auch der Herrenberger Spital zählt zur Gruppe der landstädtischen Spitäler. Allerdings scheint er erheblich später als die beiden untersuchten hohenbergischen Anstalten gegründet worden zu sein. Das genaue Datum seiner Gründung ist freilich wegen fehlender Quellen nicht zu ermitteln. Als sich Bürgermeister und Gericht auf herrschaftlichen Befehl hin im Jahr 1630 daran machten, nach dem Ursprung ihrer Anstalt zu forschen, konnten auch sie nichts weiteres über die Gründung herausbringen[355], ebensowenig wie der Herrenberger Chronist des 17. Jahrhunderts, der Vogt Hess[356]. Der Herrenberger Spital dürfte indessen an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert, möglicherweise im Jahr 1400, gegründet worden sein[357]. Bis 1412 jedenfalls entstanden die Heilig-Geist-Kirche und die dazugehörigen Pfründhäuser[358]. Damals stiftete Pfaff Hans, Kaplan in Freiburg, 50 Gulden für ein ewiges Licht in dieser Kirche[359]. Vom 1. März 1421 datiert ein bischöflich konstanzisches Patent zur Ersammlung einer Beisteuer für die Errichtung eines neuen Hospitals[360]. Damit gehört es zusammen mit Cannstatt, Göppingen, Ebingen, Schorndorf und Vaihingen[361] zwar der ersten größeren Gründungsperiode württembergischer, aber einer eher späten für landstädtische Spitäler an. Schon wegen dieser Gründungsgeschichte unterscheidet sich die Herrenberger Anstalt von den beiden anderen untersuchten. Das spätere Entstehen hatte wohl auch zur Folge, daß sie es nie zu einer mit jenen vergleichbaren Bedeutung brachte. Dem entspricht leider eine eher magere Ergiebigkeit der Quellen.
Ob sich die Herrenberger Gründung als eine Maßnahme der neuen Gebietsherren, also der Grafen von Württemberg, auffassen läßt, wie der Verfasser des Ortskernatlas von Herrenberg vermutet, ist eher unwahrscheinlich. Der von ihm angestrengte Vergleich mit dem 1350 von Katharina von Helfenstein, der Gemahlin des Grafen Ulrich IV. von Württemberg ausgestatteten Stuttgarter Katharinenspital[362] führt hier nicht zwingend weiter. Einer Urkunde der Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg aus dem Jahr 1436 zufolge muß vielmehr ein gewisser Johannes Hueter als primus iniciator et fundator hospitalis in opido nostro Herrenberg bezeichnet werden[363].
Einige wichtige Stiftungen spielten für die Spitalwirtschaft eine gewisse Rolle und sollen zumindest genannt werden. Eine Kaplaneipfründe in der Spitalkirche wurde 1436 dotiert[364]. Burkhard Krebs, ein Chorherr in Sindelfingen, stiftete 1458 ein Kapital von 1000 Gulden, von dem der Spital jährlich 30 Gulden genießen sollte, während 20 Gulden armen Mädchen zu gute kamen[365]. Die Kraußsche Stiftung aus dem Jahr 1460 verschaffte den Armen jährlich ein Pfund Heller[366]. Eine neue Kaplanei in der Spitalkirche wurde 1508 eingerichtet[367]. Insgesamt 16 verschiedene Stiftungen bis zum Jahr 1520 listet die Hessche Chronik auf[368]. Nach der Reformation kam eine Fülle weiterer Stiftungen hinzu[369]. Wichtige Stiftungen gingen noch im 17. Jahrhundert ein, so 1612 von Johann Gröninger 200 Gulden, 1628 von Heinrich Schickardt 400 Gulden und 1635 von dessen Tochter Barbara weitere 200 Gulden. Wegen der Schickardtschen Stiftungen mußte der Spital langwierige Prozesse gegen die Erben führen, die nicht zahlungswillig waren. Erst ein Vergleich im Jahr 1688 führte hierbei zu klaren Verhältnissen[370].
Einschnitte in der Spitalgeschichte, die sich auch maßgeblich auf seine Wirtschaftskraft und damit auf seine Versorgungskapazität auswirkten, seien im Folgenden genannt. Etwa ein halbes Jahrhundert nach der angenommenen Gründung scheint die Herrenberger Anstalt bei einem großen Stadtbrand, der 93 Häuser und damit ein Viertel aller Wohngebäude zerstörte, mit zerstört worden zu sein[371]. Auf eine Bitte der Stadt im Jahr 1568 hin, das Beginenhaus mit seinen Gütern dem Spital zu schenken, gewährte der Herzog das Gärtlein, vier Jauchert Ackerland und fünf Mansmad Wiesen, bestimmte aber das alte Beginenhaus zur Lateinischen Schule[372]. Dafür wurde die letzte Begine 1580 ins Spital aufgenommen[373]. Beim Stadtbrand 1635 gingen wiederum die Gebäude der Fürsorgeeinrichtung zusammen mit fast allen Häusern (270) zugrunde. Danach blieben bis ins 18. Jahrhundert noch zahlreiche Hofstätten unbebaut[374]. Für die Herrenberger Anstalt brachte der Krieg auch das Ende ihrer eigenen Haushaltsführung 1637 und schließlich sogar den endgültigen Verkauf ihrer Äcker 1662.
Plan der Stadt Herrenberg mit Stadtmauer, Zwingermauer und Toranlagen sowie den herrschaftlichen, kirchlichen und bürgerlichen Gebäuden und Anlagen, wie sie zwischen 1470 und 1650 bestanden haben. Historische Bearbeitung von T. Schmolz[375]?.
Wie in vielen anderen Städten hat auch in Herrenberg der Spital baulich das Stadtbild entscheidend mitgeprägt. In typischer Randlage – außerhalb der wohl einst ummauerten Kernstadt an der südlichen Stadtmauer und nahe einem einstigen See – weist noch heute die Spitalgasse auf den Standort dieses Gebäudekomplexes hin. Vor allem die Spitalkirche kann als das dominierende Gebäude der unteren Stadt schlechthin bezeichnet werden. Auch die alte Scheune in der Spitalgasse sticht deutlich aus den sonstigen Bauten hervor[376]. Einen kleinen Mittelpunkt bildet auch der Spitalbrunnen an der Kreuzung Spitalgasse/Schulgasse.
Das Spittal Kirchlin[377] stand schon seit Beginn des 15. Jahrhunderts am heutigen Platz. Seine Geschichte läßt sich anhand der Rechnungsbücher relativ ausführlich dokumentieren. Dies soll im Folgenden geschehen, weil es bisher kaum Literatur darüber gibt. Vorne stößt die Heilig-Geist-Kirche wie eh und je an die Tübinger Straße und hinten an die alten Wohngebäude der Armen und der Pfründner[378].
Noch vor 1412 muß diese Kirche entstanden sein, denn in jenem Jahr stiftete ein Freiburger Kaplan ein ewiges Licht[379]. Sie gehörte zu des Spitals eigenen Gütern[380]. Wie viele andere Gebäude Herrenbergs ging auch sie im verheerenden Stadtbrand von 1635 zugrunde. Erst Mitte des Jahres 1650 machte sich die Spitalverwaltung an den Wiederaufbau des Gotteshauses, welcher 1100 Gulden kostete. In den Wiederaufbau bezog man das noch vorhandene Mauerwerk so weit wie möglich ein. Schon am 12. November 1650 richteten die Zimmerleute das Dachwerk auf, welches aber erst im August des folgenden Jahres gedeckt werden konnte. Die Kanzel stammt vom ortsansässigen Schreiner Philipp Rommelsbacher, der den Auftrag dafür 1655 erhielt[381]. Aus der alten Kirche konnten immerhin noch sechs Kirchenstühle übernommen werden. Zur Einweihung der Kirche versammelte sich an Trinitatis (1. Juni) 1656 eine illustre Gesellschaft: zue solchem Werckh ein frembder Instrumental und Vocalmusic nohtwendig werden müeßen, bey welchem Actu dann sich auch vihl underschidliche Herrn Adelspersohnen und andere frembde Herrn unnd Gäst eingefunden. Diese Feierlichkeit kam den Spital nicht gerade billig, für einen kleinen Imbiß beispielsweise mußte er 37 Gulden ausgeben. An sie richtete der Spezial Magister Elias Sprenger seine Einweihungspredigt, welche die Anstalt in Straßburg drucken ließ. Der Diakon Magister Johann Georg Naschold dichtete aus Anlaß der Feierlichkeiten ein bei Hess überliefertes Gedicht[382]. Die Kirchenstühle kamen am 28. Mai 1656 zu folgenden Tarifen zur Verteilung: 136 Weiberstühle zu 20 Kreuzern, sechs Mannsstühle auf der neuen oder Nebenbohrkirche zu 90 Kreuzern, 13 Mannsstühle auf der Seite gegen die Krone zu einem Taler, 75 gemeine Mansstühle zu 30 Kreuzern, 13 geringe Mannsstühle zu 20 Kreuzern und sieben zu 15 Kreuzern. An der Innenausstattung war ein Geselle aus Danzig, Christian Kleber, beteiligt, der den Kranz an der Kanzel mit Kälberzähnen und einem Frieß fertigte. Der Tübinger Maler Thomas Heuberg gestaltete ein Kruzifix und die Gedächtnistafel zur Einweihung. Den Dachreiter ließen die Bauherren erst 1657 um 282 Gulden hinzufügen. Da die alte Glocke beim Brand uffgangen war, mußte beim Stuttgarter Stuck- und Glockengießer Hans Georg Herold eine neue bestellt werden, die 388 Pfund wog und 155 Gulden kostete. Auch das Umfeld wurde in die Gestaltung mit einbezogen. Wegen seiner Mistlache, die er direkt neben der Spitalkirche angelegt hatte, bekam 1666 Burkhard Andler Ärger mit dem Stadtgericht. Er mußte sie entfernen lassen und erhielt zusätzliche Bußen auferlegt, als er sich widersetzlich zeigte[383]. Die Spitalkirche erhielt 1674 innen und außen einen Anstrich bis hinauf zum Giebel, was 46 Gulden kostete. Zu diesem Auftrag gehörte auch eine mit lebhaften Farben… auswendig gegen der Straß herauswerts über die große Thür gemalte Heilige Dreifaltigkeit.
Das alte Haus führt diesen Namen vermutlich im Kontrast zu dem später hinzuerworbenen neuen Haus. Es zählte 1530 zu den eigenen Gebäuden der Anstalt und zinste damals jährlich 11,5 Pfennige Hofstattzins[384]. Ein Gang verband das Gebäude mit der Kirche, vorne reichte es bis zur Spitalgasse[385]. Darin waren 1579 die gemeine Stube und die Armenstube untergebracht. Nach der laidigen Brunst von 1635 ließen die Pfleger, weilen keine andere Mittel vorhanden, das Waldhaus des Spitals (siehe unten) abbrechen und über dem Keller des abgebrannten alten Hauses wieder aufstellen[386]. Darin richteten Handwerker dem reichen Pfründner und Bürgermeister Hans Meriken einen Einbau her. Zue Beschläufung der armen Kranckhen und dergleichen Leuten, die vom Spitahl auf den Fall ungesunder Zeiten und Seuchen sich ereignen möchten, versorgt werden müessen, entschloß sich das Gericht erst wieder im Jahr 1658, ein neues Gebäude errichten zu lassen. Die Zimmerleute Michael Morhart und Georg Weil erbauten dann im Jahr 1660 ein 96 Schuh langes (27,5 Meter) und 40 Schuh breites (11,5 Meter), zweistöckiges Haus, dessen Dach im Februar 1661 aufgerichtet werden konnte, um 620 Gulden. Unten gab es zwei große Kammern und im oberen Stock zwei Stuben. Zwischen diesem Gebäude und der Kirche ließ der Spital 1661 einen knapp sechs Meter langen Verbindungsgang herstellen. Die Stube bewohnten im Dezember 1662 Melchior Weidlen und Küenlens Witwe[387]. Indessen stand ein Jahr später die Spitalische Understub… nahend ganz leer, weshalb das Stadtgericht dem Stadtknecht Caspar Heckenhawer, wegen seiner Armuthei und vieler Kinder halber, gestattete, darin zinslos ein weiteres Jahr zu wohnen[388]. Als des Spitals Nachbar Konrad Köhler 1666 durch eine neugebaute Scheuer dem Spital die Helle verbawen, klagte dieser dagegen. Köhler, dessen Scheuer ein Stück weit auf der Allmand stand, mußte sie daraufhin ein Stück weit zurückversetzen, wozu die Anstalt einen Teil der Kosten beisteuerte[389]. Weiterhin scheint der Bedarf nach Wohnraum im Spital gering geblieben zu sein. Denn 1668 vermietete das Stadtgericht die Behausung dem Diakon Magister Peter Schertlin für 12 Gulden auf ein Jahr[390]. Dazuhin ordnete der städtische Rat im Jahr 1709 die Verlegung der Lateinischen Schule von ihrem alten Standort unterhalb der Stiftskirche in den Spital an[391]. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts wohnte darin der Präzeptor[392].
Des Heilbronners Haus stieß unmittelbar westlich ans Alte Haus und gehörte 1530 dem Spital. Dahinter befand sich ein kleines Gärtlein. Für dieses Gebäude mußte der Spital damals 8,5 Heller[393] Hofstattzins entrichten. Die Pfründner Jakob Greyß und Katharina, Anton Scholls Witwe bewohnten es 1579[394].
Eine weitere Behausung[395] zwischen dem alten Haus des Spitals und der Gasse nennt das Lagerbuch von 1579. Darin wohnten damals die Pfründner Hans Weydlin und Anna, die Witwe Franz Scherers.
An das alte Haus stieß auch ein Eckhaus im Besitz des Spitals[396], das vorne an die Gasse grenzte. Darin wohnten 1579 die Pfründner Jörg Beyttel, Michael Rayd und Agnes, die Hausfrau des alten Kellers Johann Neyffer. Eine Hofstatt[397] zwischen dem Alten Haus und Jakob Greißens Scheuer ließ der Spital 1662 überbauen. Im Komplex der zusammengebauten Spitalgebäude war 1855 auch die Deutsche Schule[398] untergebracht, ebenso die Wohnung der Oberamtsarztes. Ein Schweinestall[399] wurde 1636 in Nufringen gekauft, dort abgebrochen und in Herrenberg wieder aufgestellt. Das neue Haus, das seinen Namen zur Abgrenzung vom alten trug, stieß vorne an die Gasse und mit der Rückseite an die Stadtmauer. Es handelt sich dabei vermutlich um das imposante Gebäude, das heute gegenüber dem Spital steht. Das Neue Haus war 1530 und 1579 mit dem Backhaus verbunden. Eine Scheuer stand dahinter. Hess berichtet von einem Neubau 1531[400]. Wegen dieses Gebäudes zinste die Anstalt jährlich neun Pfennig Hofstattzins, für eine Haushälfte gingen weiterhin jährlich ein Pfund Heller an die Klosterfrauen zu Reutin bei Wildberg[401]. Im neuen Haus wohnten 1579 der Spitalmeister und etliche Pfründner. Nach dem großen Stadtbrand von 1635 blieb dem Spital von dem Gebäude nurmehr ein Keller an der Mauer übrig. Damit dieser Keller – der große Keller des Spitals – nicht verkam, ließ die Spitalverwaltung 1643 darüber aus den Balken des zu diesem Zweck abgebrochenen Viehhauses im Spitalwald ein 13 auf 5 Meter großes Gebäude errichten[402]. Erst 1663 ließ sie dann das alte Gebäude in der ursprünglichen Größe neu bauen. Das Haus, so hievor das Backhaus gewesen, hatte der Spital von Lenzin Seer gekauft. Es stieß direkt an den Spital. An Stelle des alten Backhauses hatte der Spital offensichtlich ein Wohngebäude erstellt. Es war 1530 zinsfrei und eigen[403].
Noch 1530 besaß der Herrenberger Spital eine Scheuer vor dem Tübinger Tor[404], die zinsfrei und eigen war. Gemäß einem späteren Eintrag in demselben Lagerbuch wurde diese jedoch im Laufe des 16. Jahrhunderts verkauft. Eine zweite in der Nähe der anderen Spitalgebäude wird bereits 1579 genannt[405]. Sie stand beim Spitalbrunnen und war ein Eckgebäude. Von ihr erhielt die Kellerei Herrenberg jährlich 21 Heller Zins. Nach dem Stadtbrand von 1635 kaufte der Spital um 190 Gulden eine Scheuer in Haslach, die er abbrechen und auf dem Platz der seitherigen Spitalscheuer wieder aufstellen ließ.
Der Spitalbrunnen[406] an der Ecke Spitalgasse/Schulstraße wurde 1566 erstmals errichtet und 1665 um 200 Gulden wiederhergestellt. Die Quelle dafür war nach einer Nachricht aus dem Jahr 1855 am Röthelberg gefaßt.
Der Herrenberger Spital hatte auf der Stadtmarkung den Kleinen Zehnten[407] von Rüben, Kraut, Obst, Zwetschgen, Zwiebeln, Hanf und Flachs gepachtet. Eigentümer war das Stift. Bei der allgemeinen Landesvisitation hatte die Regierung dem Spital den Einzug aus Gnaden bis auf Widerruf überlassen. Den zehnten Teil der genannten Früchte sammelte der Spital 104 Jahre lang bis 1640 in seinem Kasten. Nach dem Prager Frieden und der damals (1635) eingeleiteten Rekatholisierung beanspruchte indessen der katholische Verwalter, der Jesuit Faber, diesen Kleinzehnt. Wegen dieser und anderer Sachen appellierte er sogar an den kaiserlichen Hof. Nach einer Untersuchung erfolgte am 29. September 1643 die herrschaftliche Entscheidung: wegen der langen, unwidersprochenen Nutznießung habe der Spital ein Gewohnheitsrecht auf diesen Zehnten. Dafür mußte die Anstalt dem Stift bis 1669 jährlich zehn Gulden reichen.
Wegen bleibender Ansprüche der Verwalter steigerte sich der Zins immer weiter, 1749 erreichte er schließlich 58 Gulden. Und alle drei Jahre mußten die Stadtväter bestätigen, daß der Spital dieses Recht nur aus Gnaden genieße.
Den Wald Raistinger Mark[408] hatte der Spital 1524 von Bastian von Gültlingen zu Sindlingen um 200 Gulden gekauft. Das Waldgebiet lag zwischen Kuppingen und Haslach. Es bestand aus einer mit besonderen Steinen gekennzeichneten Markung mit eigenem Bann. Darin besaß die Anstalt alleine die Gerechtigkeit des Weidganges und die Holzgerechtigkeit. Der Wald blieb außerhalb des gewöhnlichen Zehnten. Zehntrechte besaßen stattdessen zur Hälfte das Kloster Reutin bei Wildberg und andernteils die Herrschaft als Inhaber der Kartause Güterstein (bei Bad Urach). Jährlich entrichtete der Spital dafür 20 Malter Hafer Herrenberger Meß an die Herrschaft. Ansonsten war das Gebiet von allen Steuern, Land- und Amtsschäden, Frondiensten und aller ander Beschwerden von menigklichem gantz frei. Zu diesem Eigentum gehörten des weiteren 11,5 Morgen Ackerland und ein weiteres Wäldchen.
In diesem Spitalwald stand, nahe der Straße nach Nagold, der einzige auswärtige Hof der Anstalt im Untersuchungszeitraum, das Waldhaus[409]. Hier ließ der Spital 1601 ein Viehhaus um 235 Pfund erbauen. Nach dem Herrenberger Stadtbrand wurde das Waldhaus mitsamt dem Viehhaus abgebrochen. Die städtische Obrigkeit ließ das Material in die Stadt führen und dort verwenden.
Auch an der Weinproduktion des Ammertales hatte der Herrenberger Spital seinen – wenn auch bescheidenen – Anteil. Die halbe Kelter und etliche Landgarben in Breitenholz kaufte er im Jahr 1462 um 330 Gulden von Pfaff Cast von Tübingen. Deshalb führte sie auch den Namen Castkelter. Von den Erben des Jakob Grüninger von Entringen[410] kaufte die Anstalt dann im Jahr 1509 die andere Hälfte jener Kelter, die Grüninger seinerseits vom Doktor der Medizin und Professor der Physik in Tübingen Hans Maichinger an sich gebracht hatte[411]. Sie lag unterhalb der äußeren Halde und verfügte über einen Baum. Der von der Familie Cast erstandene Halbteil war aller Steuer und Beschwerden frei, wohingegen der Spital für die andere Hälfte, die er dem Grüninger abgehandelt hatte, Steuern bezahlte. Für die bauliche Erhaltung und den Betrieb war seit dem Erwerb der Herrenberger Spital zuständig. Zu diesem Zweck durfte der Besitzer dieser Kelter ein besonderes Nutzungsrecht im Schönbuch in Anspruch nehmen. In diese Kelter waren die Weingärten der äußeren Halde in Breitenholz gebannt. Als Kelterwein bezog der Eigentümer das dreizehnte Viertel vom Legel und als Baumwein ein Viertel vom Legel[412]. Fast neu mußte diese Kelter im Jahr 1656 um 150 Gulden erbaut werden[413]. Da auch in Breitenholz der Weinbau im Laufe des 18. Jahrhunderts wie in vielen anderen württembergischen Weinbauorten stark abnahm, verkaufte der Spital 1728 seine Kelter samt seinen 20 Morgen sechsteiliger Weingärten um 380 Gulden an die Gemeinde Breitenholz. Die Unterhaltskosten lagen damals angeblich höher als der Nutzen[414].
So wie die anderen untersuchten Spitäler, hatte auch der in Herrenberg Anteile an Mühlen. Die Hälfte der Mühlgült in Altingen kaufte er 1481 um 210 Gulden[415]. Seine Besitzrechte vermehrte er 1505 um 110 Gulden[416]. Diese Mühle[417] hatte drei Räder, sie wurde 1530 als Eigentum des Spitals und derer von Altingen bezeichnet. Noch 1542 war es Johann Lutz, der Altinger Schultheiß, der die Mühle verpachtet hatte. Dessen Erben kaufte dann der Spital ihren Anteil ab. Einige Jahre führte daraufhin die Anstalt ihre Mühle in Eigenregie, verlieh sie später aber um eine Gült[418]. Von Steuern und Beschwerden war sie befreit. Der Handlohn betrug ein Pfund Heller. Der Besitzer der Wiese an der Mühle mußte im Fall von Reparaturen das Wasser über seinen Grund umleiten. Auswärtige Müller durften ihre Maldienste nicht in Altingen anbieten. Ihr Geschäftsbereich endete an den zwei Kapellen und dem Markstein vor dem Dorf, dort konnten sie in ein Horn blasen. Wer ihre Dienste in Anspruch nehmen wollte, mußte sein Korn zu ihnen transportieren. Ansonsten durften die Altinger nur in der Spitalmühle mahlen lassen, die damit de facto eine Monopolstellung innehatte. Von dieser Mühle bezog der Spital wöchentlich drei Vierteil Mühlkorn und jährlich zwei Pfund ein Schilling drei Heller, 100 Eier sowie vier Kuchen. Im Dreißigjährigen Krieg war die Altinger Mühle längere Zeit verlassen. Für ihre Wiederherstellung schoß der Spital 1641 acht Gulden zu[419]. Nach dem Kriegsende lag sie zunächst immer noch verbronnen und gantz wüest, weshalb die Erben des Lehens, Konrad Schweitzer, Schultheiß zu Gültstein, und seine Schwäger Kaspar Laib sowie Jakob Müller zu Altingen, nur noch eine reduzierte Gült zu leisten hatten, die sie aber auch nicht erbringen konnten oder wollten. Die Erbengemeinschaft bot im Jahr 1652 dem Spital sogar an, falls er solchen Platz besser oder anderwerts underzubringen getrawe, wollen sie im Nahmen Gottes geschehen lassen, daß solch ihr Erbgueth heimbgeschlagen und von Ihnen gäntzlich abgetretten werde[420]. Zehn Jahre später war die Mühle wieder hergestellt. Deshalb bat Jakob Müller, weil sein Mühlin wider erbawt, und er dem Spital ein nahmhafte Gült raichen mües, das Getreide, das die Anstalt für die Armen und für ihren sonstigen Bedarf backe, bei ihm zu mahlen. Das städtische Gericht folgte dieser Bitte weitgehend, obwohl sie nicht in diese oder eine andere Mühle gebannt sei[421].
Das Siechenhaus oder Armenhaus[422] bewirtschaftete und verwaltete der Spital. Es stand außerhalb der Stadt, an der Straße nach Tübingen. Für die Letzte Ruhe der armen Sünder bot es einen ummauerten Friedhof. Entsprechend listete der Spitalschreiber das Vermögen des Siechenhauses in den Lagerbüchern des Spitals mit auf, wobei er allerdings formal eine Trennung beibehielt. Im Jahr 1655 hatte der Spitalpfleger damit begonnen, das Siechenhaus wiederherzustellen[423]. Bis zu seiner Fertigstellung kamen Aussätzige im Leprosorium unter. Eine eigene Kapelle auf dem Anwesen wurde 1663 abgebrochen.
Verglichen mit den Anstalten in Rottenburg und Horb, wirtschaftete jene in Herrenberger in eher bescheidenen Verhältnisse. Dies zeigt vor allem auch der Umfang eigener Güter. Nach dem Lagerbuch von 1530[424] gehörten dazu knapp sieben Jauchert in Herrenberg und noch einmal soviel in der Raistinger Mark, an Wiesen und Gärten knapp drei Mansmad. Etwas umfangreicher ist der im Lagerbuch von 1579[425] ausgewiesene Besitz mit etwas mehr als 16 Jauchert Ackerland, mehr als sieben Mansmad Wiesen sowie etwa eineinhalb Morgen Weingärten. Insgesamt war also der selbst bewirtschaftete Besitz des Herrenberger Spitals äußerst bescheiden.
Bedeutender waren demgegenüber die Einkünfte aus Gült- und Zinsrechten, welche die Herrenberger Anstalt aus der Stadt und 32 umliegenden Ortschaften bezog. Über diese Einnahmen gibt ihr Lagerbuch aus dem Jahr 1530 den besten Überblick[426]. Für dieses Lagerbuch wurde der Wert der Einkünfte in Pfund Heller berechnet, wobei Fruchtgülten sich auf Grund von im Rechnungsbuch 1529/30 ermittelten Preisen umrechen ließen[427]. Die Lage der Orte und der Umfang der dortigen Spitalrechte kann aus der beigefügten Karte entnommen werden. Fast alle diese Dörfer waren württembergisch. Der Gesamtwert aller Einkünfte belief sich auf 969 Pfund Heller. Dabei überwogen die Naturalgülten leicht (56) gegenüber den Geldzinsen und -gülten. Seine einträglichsten Besitzungen besaß der Herrenberger Spital in der Stadt selbst, von wo 30 Prozent aller Gülten und Zinsen stammten. Beträchtlich waren auch diejenigen aus Breitenholz (10), Affstätt (6), Altingen (6) und Gärtringen (5). Kennzeichnend für die Art der Abgabe ist häufig die Entfernung vom Spital. Grundsätzlich gilt, daß aus den weiter entfernt liegenden Ortschaften vor allem Geldbeträge erhoben wurden, während aus den näherliegenden bevorzugt Naturalgefälle eingingen. Die mit diesen Abgaben belasteten Immobilien bezeichnete die Anstalt zum Teil als ihr Eigentum. So eine Hube in Gültstein, zwei Lehen in Seebronn, zwei Höfe in Tailfingen, einen Hof in Oberjettingen, einen Hof in Deckenpfronn[428], ein Lehen in (Ober-) Jesingen, zwei Lehen in Kuppingen, zwei Höfe in Affstätt und zwei Höfe in Gärtringen. Die Orte mit eigenen Gütern sind in aller Regel auch durch überdurchschnittliche Erträge für den Spital gekennzeichnet. Dies schließt nicht aus, daß er auch das Eigentum über weitere Güter besaß. In Herrenberg waren 1530 alleine 33 Häuser durch Abgaben an den Spital belastet.
Insgesamt gesehen muß sich die Wirtschaftsführung des Herrenberger Spitals in relativ bescheidenen Verhältnissen abgespielt haben. Die Anstalt verfügte über keine ergiebigen Zehntrechte, besaß kaum Grund und Boden und war somit vorwiegend auf Geldzinsen und Bodengülten angewiesen. Die Kelter in Breitenholz brachte etwas Wein ein. Einzig die Mühle in Altingen fällt etwas aus dem Rahmen. In Anbetracht dieser Umstände ist immerhin bemerkenswert, wie umfangreich das Eigentum der Anstalt an Häusern in der Stadt war. Als nachhaltiger Einschnitt wird der Dreißigjährige Krieg bereits anhand der Besitzgeschichte deutlich, da in seiner Folge sowohl die eigene Haushaltung aufgegeben als auch die eigenen Äcker verkauft wurden.
Besitz der Spitäler
Die Besitzgeschichte der untersuchten Spitäler sollte die Grundlagen ihres wirtschaftlichen und sozialen Handelns darlegen. Für die folgende Untersuchung ist es besonders wichtig, die Unterschiede zwischen den drei Anstalten nochmals deutlich herauszustellen. Da diese Unterschiede eng mit den Entfaltungsmöglichkeiten zusammenhängen, welche die jeweiligen Städte ihrem Spital boten, soll hierauf zunächst eingegangen werden.
Dabei ergeben sich zwischen den beiden hohenbergischen Städten bereits sehr unterschiedliche Ausgangssituationen[429]. Während auf der Rottenburger Markung 2305 Jauchert Ackerland bewirtschaftet wurden, gab es in Horb nur ein Drittel so viele Felder. Die Güter in der erstgenannten Stadt hatten zudem den Vorzug, eben zu liegen[430]. Und die bessere Qualität wurde zeitgenössisch eindeutig auf Seiten Rottenburgs gesehen. Bei den Weinbergen sah es noch viel ungünstiger aus. Den 483 Jauchert in Rottenburg konnte die andere hohenbergische Stadt nicht einmal ein Fünftel entgegensetzen. Hier spielten sicherlich die klimatischen Voraussetzungen eine entscheidende Rolle. Im Gegenzug bot Horbs Markung fast gleich viele Wiesen wie die Rottenburger. Auch der Waldreichtum des Landes am oberen Neckar schlug eher zugunsten Horbs aus. Von der Gebäude- und Bewohnerzahl her konnte Horb gleichfalls nicht mithalten. Dort standen, obwohl die Stadt keine Brandkatastrophe im Dreißigjährigen Krieg heimgesucht hatte, 1673 nur etwa halb soviele Häuser wie in Rottenburg, welches ja 1644 weitgehend abgebrannt war.
Verfügbare Nutzfläche in Hohenberg um 1680[431] | |||||||
Rottenburger | Rotten- | Nieder- | Horb | Eutingen | Spital- | ||
Meß | burg | hohenbg. | Horb Meß | Bildech. | orte | ||
eigene Äcker | 1361 | 926 | 150 | ||||
Erblehenäcker | 944 | 5742 | 672 | 2559 | 951 | ||
eigene Wiesen | TW 297 | ||||||
1 mahdig | TW | 72 | 39 | 58 | |||
2 mahdig | TW | 200 | 185 | 351 | |||
Erblehenwiesen | TW | ||||||
1 mahdig | TW | 71 | |||||
2 mahdig | TW | 999 | 227 | ||||
Weingärten | 483 | 374 | 81 | ||||
Amtsflecken | |||||||
Bürger | 836 | 333 | 154 | 81 | |||
Söld | 8 | 3,5 | 0,75 | 0,5 | |||
Häuser | 504 | 279 | 138 | 81 | |||
Söld | 5 | 3 | 0,75 | 0,5 | |||
Handwerker | 367 | ||||||
Söld | 3 | ||||||
Felder, Söld | 12 | 3 | 7 | ||||
Güte der Felder 5 | 2 | 1 |
Daß die Häuserzahlen deshalb den Maßstab verfälschen, belegt die Einwohnerzahl, welche wiederum stärker zugunsten Rottenburgs ausschlägt. Allerdings ist zu beachten, daß die folgenden Werte nur Anhaltspunkte geben können, da sie aufgrund der Bürgerzahlen geschätzte Werte darstellen. Man kann für Rottenburg mit 4000, für Horb mit vielleicht 1700 rechnen. Hier läßt sich auch der Vergleich zu Herrenberg ziehen, wo im gleichen Zeitraum mit nur 1200 Einwohnern zu rechnen ist[432]. Zu dieser einen Voraussetzung kommt noch die andere der Gründungszeit. Während die beiden untersuchten hohenbergischen Anstalten 1352 und um 1360 entstanden, hinkte jene in Herrenberg 40 Jahre hinterher. Inwiefern sich dann auch noch konfessionelle Unterschiede bemerkbar gemacht haben, ist schwer einzuschätzen. Diesen Vergleich könnte nur eine Gesamtbetrachtung aller sozialen Maßnahmen der Städte bringen. Allerdings waren in allen drei Orten die Spitäler die weitaus wichtigsten Träger von Sozialfürsorge vor Ort. Der Herrenberger Armenkasten reichte im Untersuchungszeitraum nie an die Versorgungskapazität des Spitals heran.
Diese unterschiedlichen Ausgangsbedingungen erklären einen wesentlichen Teil feststellbarer Unterschiede zwischen den drei Objekten. Vom Umfang der in Eigenregie betriebenen Wirtschaft, zu der alleine sechs auswärtige Höfe gehörten, und von ihren Zehntrechten her überragte die Rottenburger Anstalt die anderen bei weitem. Das trifft auch für jene in Horb zu, deren vier Ortsherrschaften bei genauerer Betrachtung nur geringe wirtschaftliche Vorteile abwarfen. Nur wo sich mit der Ortsherrschaft umfangreicher Grundbesitz verband, zahlte sich das politische Recht aus. Hingegen fehlte es in Horb an den wirtschaftlich wichtigeren Zehntrechten, der Spital betrieb auch keinen einzigen ausgelagerten Hof. In Herrenberg erwies sich der Grundbesitz als noch geringer, trotz des auswärts gelegenen Waldhauses. Beim Weinbau läßt sich anhand der spitalischen Besitzrechte auf den ersten Blick kein größerer Unterschied zwischen Rottenburg und Horb feststellen, beide betrieben mehrere Kelterbäume und besaßen Zehntrechte. Allerdings läßt das größere Potential an Rebland und dessen zeitgenössisch ausgewiesene Güte in Rottenburg hier auch eine deutliche Gewichtung vermuten. Darauf wird anhand konkreter Ertragszahlen noch weiter einzugehen sein. Herrenberg mit seiner einen Kelter in Breitenholz lag noch weiter abseits von den Zentren des Weinbaus, der für die Stadt und wohl auch für deren Spital keine größere Rolle gespielt haben dürfte. Eine Besonderheit in Horb stellt die vor allem am Ende des Dreißigjährigen Krieges ausgebaute exportorientierte Holzwirtschaft dar, der in Rottenburg und in Herrenberg nur Anstrengungen zur Selbstversorgung gegenüberstanden. Auf die Stabilität der beiden hohenbergischen Anstalten weist die Tatsache hin, daß beide nach Kriegsende investieren konnten und sich dabei vor allem weiter in der Landwirtschaft durch den Zukauf von Gütern engagierten. Demgegenüber kann als krasses Gegenbeispiel der Herrenberger Spital gelten, der während des Krieges die Versorgung von Armen wie Pfründnern in seinen Gebäuden gänzlich einstellte und nach Kriegsende sogar seine eigenen Äcker verkaufte. Er gab das Standbein der Eigenwirtschaft auf und verlagerte seine Aktivitäten weitgehend auf Kreditgeschäfte. Dieser Umstand verbunden mit der relativen Bescheidenheit der Anstalt schließt in einer Reihe von Fragen einen sinnvollen Vergleich mit den beiden hohenbergischen Spitälern nahezu aus.
IV. Maßverhältnisse und Währung
Zu jenen Faktoren, welche wirtschaftsgeschichtlichen Untersuchungen zugrunde liegen, gehören das Maß- und Währungssystem der Zeit. Ohne seine Kenntnis können Zahlenreihen nicht richtig gebildet und schon gar nicht richtig interpretiert werden. Für die vorliegende Arbeit ergaben die Quellen zum Teil wesentliche Abweichungen von bisher gängigen Umrechnungswerten.
Bei Flüssigkeitsmaßen ist grundsätzlich zwischen der Trübeich für den noch nicht ausgegorenen Most und der Hell- oder Lautereich für abgeklärten oder alten Wein zu unterscheiden. Bei den untersuchten Spitälern wurden Weinmengen allerdings stets in Lautereich verzeichnet, so daß in der weiteren Darstellung nur dieses Maß zu berücksichtigen ist.
In Rottenburg[433] und in einigen niederhohenbergischen Orten galt die 1557 in Tübingen abgeschaffte alte Eich unter dem Namen Rottenburger Eich weiter. Das Fuder faßte zehn Ohm, das Ohm 12 Viertel und das Viertel 6 Mas. In ein Rottenburger Eichmaß gingen 1,537 Liter Flüssigkeit. Leichtere Veränderungen, die sich bis 1806 ergaben, können für den Untersuchungszeitraum unberücksichtigt bleiben. Für Berechnungen habe ich einen auf zwei Kommastellen gerundeten Wert von 1,54 benutzt.
Die von Christoph Fichtner[434] geäußerte Vermutung, daß sich nach 1514 die Maße und Gewichte in Horb nach den in Rottenburg üblichen richteten, läßt sich anhand der Spitalquellen nicht bestätigen. Vielmehr galt Horber Meß während des gesamten Untersuchungszeitraumes weiter.
Beim Wein rechnete der Horber Spitalschreiber in einem Maßsystem von Fuder, Legel, Viertel und Mas[435]. Der Begriff Legel ist vermutlich aus dem Lateinischen lagella (Fäßchen) abgewandelt. Das Fuder zählte 14 Legel, das Legel sieben Viertel und ein Viertel sechs Mas. Verschiedene Umrechnungsangaben in den Rechnungsbüchern in Bezug auf württembergische und Rottenburger Weinlieferungen deuten darauf hin, daß mindestens vier verschiedene Masgrößen in Gebrauch waren[436]. Die bisher in der Literatur genannten Angaben gehen von 1,545 Liter für die Landschenkeich und von 1,61 Liter für das Spitalmaß aus. Tatsächlich scheint das normalerweise in der Spitalrechnung benutzte Mas, von dem 42 ein Legel ausmachten, etwas mehr als 1,5 Liter enthalten zu haben[437]. Es fand aber auch ein Spitalmas Verwendung, von dem 37 auf ein Legel gingen[438] und das fast 1,8 Liter faßte. Mitunter wird auch ein großes Spitalmas genannt, von dem 39 ein Legel ausmachten[439], das also mit dem in der Literatur genannten Spitalmas identisch sein könnte. Auch ein Legel zu 40 Mas kommt vor[440]. Ein weiterhin genanntes kleines Mas[441], das aus den 160 Mas eines württembergischen Eimers 190 Mas machte, fand im Ausschank Verwendung. Freilich summierten die Schreiber stets nach einem einheitlichen System, in welches sie die unterschiedlichen Angaben umrechneten. Durch den Übertrag von Ausständen und Resten blieb dieses von Jahrgang zu Jahrgang erhalten. Für die vorliegenden Berechnungen habe ich die bei Lutz überlieferte Landeich von 1,611 Liter benutzt.
Umrechnungsfaktoren | |
Mas/Legel in Liter | |
Rottenburg | 1,54 |
Horb a.N. | 1,61 |
Herrenberg | 1,84 |
In Herrenberg galt im Untersuchungszeitraum das württembergische Maßsystem: ein Fuder enthielt sechs Eimer, ein Eimer 16 Imi und ein Imi zehn Mas. Bei Umrechnungsangaben kam die übliche Veranschlagung von 1,84 Liter je württembergisches Mas[442] zur Anwendung. Nachweise für das ehemalige Herrenberger Schankmas tauchten in den Quellen nicht auf. Aus Gründen der Anschaulichkeit wurden Weinmengen mitunter mit Hilfe der oben dargestellten Umrechnungsangaben in Liter umgerechnet. Entsprechende Angaben können jederzeit in die zeitgenössische Maßeinheit zurückgerechnet werden.
Für Öl findet sich in Rottenburg neben dem Pfund ein Flüssigkeitsmaß Tonn, welches 30 Mas enthielt[443].
Bei den Getreidehohlmaßen galt in Rottenburg ebenfalls das alte Tübinger Maßsystem, das nach 1557 unter der Bezeichnung Rottenburger Meß verwandt wurde[444]. Ein langes Malter faßte 12 Vierteil. Im Zusammenhang mit Getreidehohlmaßen verwende ich die zeitgenössische Schreibweise Vierteil. Das in Horb benutzte Malter enthielt nur acht Vierteil, jedes Vierteil vier Imi. In Herrenberg galten im Untersuchungszeitraum die württembergischen Hohlmaße. Acht Simri gingen dabei in einen Scheffel. Der Rauminhalt von Getreidehohlmaßen richtet sich nach der Art der gemessenen Frucht. Das rauhe Malter für Dinkel und Hafer faßte in Rottenburg 190,89 Liter[445], in Horb 129,38 Liter[446]. Berücksichtigt man den unterschiedlichen Gehalt an Vierteilen, so scheint die kleinere Einheit doch ziemlich ähnlich gewesen zu sein und in beiden Orten bei etwa 16 Litern gelegen zu haben. Angaben in den Horber Rechnungsbüchern und in anderen Quellen bestätigen ein Verhältnis von zwei zu drei zwischen dem Horber und dem Rottenburger Hohlmaß[447]. Das glatte Meß füllten in Rottenburg 182,06 Liter Roggen oder Kernen[448], in Horb 124,43 Liter[449], wobei sich sehr grob wieder ein Verhältnis von drei zu zwei ausmachen läßt. Im Fall des Herrenberger Spitals rechne ich mit dem neuen württembergischen Landmeß, das seit 1557 galt[450]. Es kannte keinen Unterschied mehr zwischen rauher und glatter Frucht, für beide galt derselbe Scheffel von 177,22 Litern. Der Scheffel enthielt acht Simri, der Simri vier Vierling. Das Rottenburger Malter soll in etwa gleich groß wie ein württembergisches Scheffel gewesen sein[451].
Umrechnungsfaktoren Mtr/Sch = kg | |||
Dinkel | Roggen | Hafer | |
Rottenburg | 81,13 | 132,50 | 83,36 |
Horb a.N. | 54,99 | 90,56 | 56,50 |
Herrenberg | 75,32 | 128,98 | 77,39 |
Nur aus Gründen der Anschaulichkeit habe ich in der vorliegenden Arbeit die für Leser des ausgehenden 20. Jahrhunderts abstrakten Größen der Frühen Neuzeit in heutige Gewichtsrelationen umgerechnet. Diese Angaben sind jederzeit in die ursprünglichen Maße zurückrechenbar, da sie mit Hilfe konstanter Faktoren gebildet wurden. Nur wegen dieser Möglichkeit und aus Gründen der besseren Anschaulichkeit habe ich mich zu diesem an und für sich problematischen Schritt entschlossen. Zur Umrechnung von Getreidehohlmaßen in Gewichte lagen folgende Angaben[452] darüber zu Grunde, was jeweils ein Hektoliter der angegebenen Frucht in Kilogramm wog: Roggen 72,78; Hafer 43,67; Gerste 59,13; Dinkel 42,5; Kernen 77,3. Daraus ließen sich die entsprechenden Umrechnungsfaktoren von Malter (Mtr) oder Scheffel (Sch) in Kilogramm (kg) errechnen:
Bei Gewichtsangaben wird, weil keine abweichenden Angaben zu finden waren, mit dem allgemein üblichen Pfund von 0,47 Kilogramm gerechnet[453]. Immer wenn von Pfund die Rede ist, ist also dessen historischer Gehalt gemeint. Moderne Gewichte werden demgegenüber in Kilogramm angegeben.
Salzmengen ließen sich ich auf Grund der in den Rechnungsbüchern vorhandenen Angaben nicht genau in heutige Maße umrechnen. Alle drei Spitalschreiber verwandten dabei als Hauptmaß die Scheibe. Sie soll ab 1557 einen Rauminhalt von 122,25 Liter gemessen haben. Bei einer heutzutage gemessenen spezifischen Dichte des Salzes von 2,16 Gramm je Kubikzentimeter ergäbe sich in etwa ein Gewicht von 264 kg je Scheibe. Dies kann aber wegen möglicher unterschiedlicher Beschaffenheit des Salzes lediglich ein Anhaltspunkt sein. Verschiedene Unterteilungen finden sich in den Herrenberger und in den Horber Rechnungsbüchern. Eine Scheibe hatte demnach fünf Simri, 27,5 Vierlinge und 110 Viertel[454].
Auch Holzmaße beließ ich bei den in den Quellen benutzten Mengenangaben. In allen drei Orten war das Klafter üblich. Für Scheiterholz soll in Württemberg nach 1555 ein einheitlicher Rauminhalt von 3,38 Kubikmetern gegolten haben[455].
Zur besseren Veranschaulichung wurden Flächenmaße bei der Ermittlung des Spitalbesitzes in heutige Maße umgerechnet. Im Untersuchungsgebiet fanden sich für Äcker die Größenangaben Jauchert und Morgen, wobei der jüngere Morgen etwa zwei Drittel eines Jaucherts maß. In Rottenburg wie in Horb umfaßte ein Jauchert 225 Ruten. Die Rute rechneten Rottenburgs Bürger zu 16 Schuh, jene in Horb aber zu 13 Werkschuh[456]. Zeitgenössisch[457] findet sich, bei Umrechnungen in das Ehinger Maßsystem, ein Verhältnis von 1,06 zwischen dem größeren Rottenburger und dem kleinern Horber Jauchert. Wiesen wurden in Mansmad gemessen, wobei ein Mansmad einem Jauchert entsprochen haben soll. Zwischen Horb und Rottenburg fand sich dasselbe Verhältnis wie bei den Flächenangaben für Äcker. Bei Umrechnungen nahm ich für Rottenburg pro Jauchert eine Fläche von 49,37 Ar an, für Horb 46,58 Ar, für das württembergische Herrenberg 47,27 Ar[458]. Wegen des eingeschränkten Gebrauchs dieser Umrechnungsangaben scheint mir eine ausführliche Diskussion der Problematik derartiger Flächenberechnungen nicht zwingend zu sein.
Entwicklung der Währung
Zu den bestimmenden Faktoren für die Entwicklung der Preise und Löhne gehört der Geldwert. Deshalb ist es unumgänglich, der Untersuchung von Preis- und Lohnreihen eine Untersuchung über die Entwicklung der Währung voranzustellen. Gleichzeitig stellen die landesherrlichen Maßnahmen zur Stabilisierung ihrer jeweiligen Münzsysteme wichtige exogene Einflüsse auf die wirtschaftliche Konjunktur dar. Dabei mußten wesentliche Teilbereiche anhand von Quellen untersucht werden, weil eine eigentlich dringend benötigte ausführliche Geldgeschichte für das Untersuchungsgebiet, welche entsprechendes leistet, bisher noch fehlt. Die folgende Untersuchung soll also einen wesentlichen Teil des Rahmens klären, in welchem sich der Geldwert bildete. Dies, auch wenn später durch die Berechnung eines Gesamtindexes ein direkterer Weg zur Ermittlung des Geldwertes besteht.
Einzelne Autoren, allen voran Georg Wiebe[459], in jüngerer Zeit zusammenfassend Karl Erich Born, schrieben dem Wert des Geldes die entscheidende Bedeutung für die Geldverbilligung und damit gleichzeitig für die Verteuerung der Waren im 16. und 17. Jahrhundert zu. Grund für diese Geldverbilligung sei die gewaltige Zunahme der Edelmetallproduktion gewesen. Zwischen 1500 und 1600 soll sich das verfügbare Edelmetall verzehnfacht haben, während die Getreideproduktion stagnierte. Im Laufe der Zeit veränderte sich das Verhältnis von Silber- zu Goldmünzen wegen der unterschiedlichen Produktionsmengen weiterhin laufend. Im 15. Jahrhundert hatte Gold lediglich das 10-11fache von Silber wert, im 18. Jahrhundert bereits das 14-15fache[460]. Die Theorien über die Ursachen der Teuerungen im 16. und 17. Jahrhundert lassen sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht abschließend werten. Indessen zeigen die vorgetragenen Argumente in Verbindung mit dem enormen Geldbedarf der Staaten jener Zeit, welch entscheidender Faktor der jeweilige Geldwert war. Paradox erscheint dabei auf den ersten Blick, daß sich trotz dieser Silberschwemme der Edelmetallgehalt der Münzen verringerte, ja, daß manche Silbermünzen solchen aus Kupfer wichen. Hohe Staatsausgaben waren der eine Grund für die Geldminderung. Der andere waren die hohen Produktionskosten für Münzen mit geringen Nennwerten. Solche Scheidemünzen, das Kleingeld der Zeit, benötigten die Teilnehmer am Marktgeschehen für den täglichen Gebrauch. Im Heiligen Römischen Reich legte das Münzedikt von 1559 einen so hohen Silbergehalt für kleine Münzen fest, daß die Münzstätten diese nicht mehr kostendeckend produzieren konnten. Die Situation verschärfte sich noch, als gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Silberpreis angesichts nachlassender Importe aus Südamerika wieder anstieg. Versilberte Scheidemünzen aus Kupfer dienten als Ersatz, wobei das Kupfer anfangs aus Mexiko und Peru, seit dem frühen 17. Jahrhundert dann vor allem aus Schweden stammte. Auch im Untersuchungsgebiet verschlechterten sich die Geldsorten noch vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges, wie sich in den Gravamina des Rottenburger Gemeindeausschusses von 1605 nachlesen läßt[461]: Rappen und andere böse Münzen würden einschleichen, so hieß es dort. Zwei Jahre später wiesen oberösterreichische Kommissare die Beschwerden der Gemeinde darüber zurück, daß keine Früchte mehr auf ihren Märkten angeboten würden, dann sie der Herrschaft Underthonen zwingen wollen, bös Gelt zue nemen[462].
Zu den Methoden[463], die Dirlmeier diskutiert, um Währungs- und Preisentwicklungen beobachten zu können, gehört die Umrechnung von Geldbeträgen in eine zeitgenössische überörtliche Währung. Diese zeitgenössische überörtliche Währung war im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit der Gulden, sozusagen der Dollar des Spätmittelalters. Seit der Nürnberger Münzordnung des späteren Kaisers Ferdinand I.[464] von 1524 gab es den Silbergulden als wirkliches Äquivalent zur Goldmünze[465]. Die Reichsmünzordnungen des 16. Jahrhunderts erhoben den silbernen Taler zur Silbergrobmünze des Reiches und legten als allgemeine Rechnungseinheit den silbernen Reichsgulden zu 60 Kreuzern fest, der zwei Drittel eines Talers galt. Den Wert des Silbertalers paßte man jenem des Goldguldens an[466]. Diese Münze kursierte allerdings fast nur in Süddeutschland, der Reichstaler hingegen im ganzen Reichsgebiet. Buchungstechnisch setzte sich die Rechnungswährung Gulden allerdings erst nach und nach durch. Im Untersuchungsgebiet wurde noch bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit dem Pfund gerechnet. Die Umstellung von der einen auf die andere Einheit fand also während des Untersuchungszeitraumes statt.
Der Schreiber des Rottenburger Spitals rechnete im 16. Jahrhundert noch mit Hilfe eines Rechnungssystems, welches nominell das Pfund Heller als Einheit hatte, so daß hier die Ordnung von 1559 also zunächst noch außer Betracht blieb. Ende des 16. Jahrhunderts bis zum Jahr 1605 bilanzierte der Spitalschreiber nach einem Rechensystem, welches bereits nominell die Guldenwährung zugrunde legte, wobei aber Pfund und Gulden gleichwertig nebeneinander standen. Seit 1609 waren die Rechnungsbücher dann ausschließlich auf die Basis der Gulden-Rechnungseinheit zu 60 Kreuzern gestellt. Sie bildete die allgemeine Bewertungsgrundlage für die vielen im Umlauf befindlichen Münzen einheimischer und fremder Herkunft, deren Kurswert obrigkeitlich bestimmt wurde. Andererseits ermöglichte sie es, die Parallelwährung von Gold und Silber einigermaßen systematisch zusammenzuhalten und somit insgesamt, eine geordnete Finanzverwaltung durchzuführen[467]. Pfundbeträge rechnete der Schreiber nach einem festen Verhältnis in Gulden um: ein Gulden zählte 375 Heller oder ein Pfund 11 Schilling drei Heller. Unterteilungen des Gulden in 15 Batzen oder 25 Blappert kamen vor. Das Rechnungspfund faßte 20 Schillinge, der Schilling 12 Heller. Im Falle des Horber Spitals, dessen erstes Rechnungsbuch für das Jahr 1607 erhalten ist, galt durchweg die Gulden-Rechnungseinheit, wobei in Einzelfällen der gleiche Umtauschkurs für das Pfund Heller wie in Rottenburg zur Anwendung kam. In Herrenberg hingegen hielt sich die Rechnungseinheit Pfund Heller etwas länger. Hier wurde, wie auch andernorts im Herzogtum Württemberg, erst vom Rechnungsjahr 1626 an auf den Rechnungsgulden umgestellt. Die spätere Umstellung und wohl auch die unterschiedliche Landeswährungsmünze[468] hatten einen anderen Wechselkurs als im Hohenbergischen zur Folge: 5,6 Heller machten einen Kreuzer aus, 336 Heller einen Gulden.
Die Kaufkraft des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Münzgeldes war im Wesentlichen durch den Gold- und Silbergehalt der einzelnen Münze, ihren inneren Wert sozusagen, bestimmt. Dieser änderte sich jedoch ständig. Dieses Problem kommt insbesondere seit den 1620er Jahren zur Geltung. Im Untersuchungszeitraum ereignete sich nicht nur die Währungsumstellung von Pfund zu Gulden, sondern vor allem auch die nachhaltigste Teuerungskrise der Frühen Neuzeit, die Kipper- und Wipperinflation. Mit Kippen war das Beschneiden der Münzen, mit Wippen das Auswägen der schweren Stücke zum anschließenden Verringern gemeint. Beide Methoden zur Minderung des Gehalts an Edelmetall hatten bereits mit der landesherrlichen Produktion von unterwertigen Scheidemünzen[469] begonnen. Durch den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges und durch den damit verbundenen Geldbedarf nahm diese Produktion überhand. Die bereits weiter oben angesprochene Kupfergeldinflation verschärfte Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) noch. Am 22. Januar 1622 gab er selbst den Anstoß zur Ausweitung einer bis dahin gedämpften Entwicklung, als er mit einem Konsortium um den Finanzmann Wallensteins, Hans de Witte, einen Münz- und Pachtvertrag auf ein Jahr abschloß. Diesem Vertrag gemäß überließ der Kaiser dem Konsortium praktisch die Vermarktung seines Münzregals und die Verwertung der Silbererträge seiner Erblande um sechs Millionen Gulden. Das war sechs Mal mehr, als er selbst zuvor aus seinem Regal gewonnen hatte. Das Konsortium betrieb seitdem die Münzproduktion mit deutlichen Gewinnabsichten. Es minderte den Silbergehalt weiter[470]. Eine Fülle minderwertiger Teilmünzen – im Sprachgebrauch des 17. Jahrhunderts schlechter und böser Geldstücke – entstand, das typische Symptom der Währungskrise jener Zeit[471]. In Österreich stieg der Wert des Reichstalers von 180 Kreuzern im Jahr 1620 auf 1000 Kreuzer im Herbst 1622. In beiden Kreuzermengen war das Silbergewicht eines einzigen Reichstalers enthalten. Auch die anderen Reichsstände konnten diesem Sog des schlechten Geldes nicht standhalten. Der Dreißigjährige Krieg brachte einen enormen Geldbedarf mit sich, gleichzeitig gingen die Erträge aus den Silberbergwerken zurück. Gute Münzen hielten deshalb als Münzmetall für eine größere Menge minderwertiger Prägungen her. Länder, die zunächst noch höherwertige Geldstücke prägten, mußten zusehen, wie ihr Edelmetall in benachbarte Territorien abfloß, um dann in Form minderwertiger Währungen zurückzukehren. Dagegen half auch kein Exportverbot. Wer nicht den Verlust seines Edelmetalls zugunsten umliegender Territorien hinnehmen wollte, sah sich seinerseits zur Herausgabe von Kippermünzen gezwungen. Einige Reichsstände verdienten wohl auch ganz ordentlich an diesen Verhältnissen, so die kleinen Hohenlohischen Häuser, die zusammen zehn Münzstätten betrieben; in derselben Zeit prägten für Sachsen lediglich neun. Auch das Herzogtum Württemberg ließ in Stuttgart und Tübingen schlechtere Münzen schlagen. Dem Trend der Zeit gemäß richteten die Herzöge 1622 in Christophstal eine stillgelegte Münzstätte wieder ein. Bevorzugt Drei- und Sechsbatzenstücke verringerten die verschiedenen Inhaber der Währungshoheit. Dadurch wurden die alten, besseren Münzgattungen auf ungeheure Preise gesteigert. Schließlich blieb so wenig Silber in den Scheidemünzen, daß einige von ihnen zu reinen Kupfermünzen verkamen und Kupfer sehr begehrt wurde. In Württemberg soll kein Kupferkessel in den Waschhäusern mehr sicher gewesen sein[472]. Gleichzeitig trieb die Münzverschlechterung den Wert aller Waren und Dienstleistungen in die Höhe, weshalb schließlich viele Geschäfte nurmehr als Warentausch zustande kamen. Abhilfe brachten nach und nach der Verruf und die Konfiskation der schlechten Sorten. Sie galten nicht länger. Für Württemberg und angrenzende Gebiete diente noch 1629 ein in Freudenstadt errichteter Treibherd[473] zur Reinigung des Edelmetalls.
Der Preissteigerung und ihren schädlichen Folgen rückten die Landesherren durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen zu Leibe. Ausfuhrverbote, Taxordnungen und Münzedikte gehörten zu ihrem währungspolitischen Programm[474]. Für den Untersuchungsraum gewannen insbesondere die Münzedikte des Reiches, der drei korrespondierenden Kreise[475], des Schwäbischen Kreises sowie der Territorien Württemberg und Hohenberg eine besondere Bedeutung[476]. Die Verordnungen beider Territorialherren kennzeichnet dabei, ähnlich wie bei den später behandelten Taxordnungen, die parallele Entwicklung. Diese ist nicht zufällig, sondern beruht auf den Absprachen in übergeordneten Gremien des Reiches und vor allem des Schwäbischen Kreises. In der Regel reagierte dann Württemberg zuerst auf Kreis- und Reichsabschiede, während die österreichischen Länder kurz darauf nachzogen. Seine ersten, das Münzwesen im Untersuchungszeitraum betreffenden Punkte, verabschiedete der Schwäbische Kreistag am 21. März 1622 in Ulm[477]. Damals ging es neben allgemeinen Strafandrohungen und Verfahrensfragen, für deren Erörterung hier nicht der Platz ist, um die Herabsetzung der Drei- und Sechsbatzen-Stücke. Sie waren als Scheidemünzen von der Münzverschlechterung offensichtlich besonders betroffen.
Auf Abschiede des Schwäbischen Kreistages[478] reagierte ein fürstlich württembergisches Münzedikt am 23. August 1623. Daran war gleichzeitig eine Taxordnung angeschlossen[479]. Neben Drei- und Sechsbatzenstücken wertete das Edikt insbesondere die Hohenlohischen Dreikreuzerstücke ab und legte die Währungsverhältnisse der großen Münzsorten fest. Vor allem aber mußte der württembergische Herzog seine eigenen Prägungen, etwa den Hirschgulden (abgebildet waren auf der einen Seite das herzogliche Wappen, auf der anderen ein Hirsch), stark reduzieren, auf nur noch zehn Kreuzer, also auf ein Sechstel des Nennbetrages. Mit diesem Münzedikt verband der Fürst die Forderung, weil es natürlicher Billichkeit wol gemäß ist, daß sich die Wahr nach dem Geld richte, und da dises abgesetzt, jeniges mitfolgen solle. Waren und Arbeit sollten höher nicht geben, gehalten, belohnt, oder bezahlt werden…, als wie eines und anders vor der Zeit, da das Geld in unserm Herzogthum in obgesetztem Werth des Thalers zu anderthalben Gulden in gemeinem Lauf golten, verkauft und bezahlt worden. Strenge Strafen bis hin zum Verweis außer Landes drohte dieses herzogliche Edikt an. Gleichzeitig verbot es den Export jeder Art von Silber. Entscheidend wirkte dem Währungszerfall indessen erst ein kaiserliches Patent vom 11. Dezember 1623 entgegen[480]. Es setzte die Kippermünzen auf ein Achtel ihres Nennwertes herab. Auf die späteren Münz-Probations-Tage in Augsburg und Regensburg reagierte das Herzogtum am 12. Juni 1626 mit einer Münzverordnung[481] zum Schutz gegen einige schlechte Sorten. Zum Ende der Regierungszeit Herzog Johann Friedrichs (1608-1628) führten die drastischen Maßnahmen denn auch insoweit zu einem Erfolg, als die Währung wieder einigermaßen stabilisiert war. Nach Kriegsende folgte ein weiteres Edikt am 25. Februar 1658[482]. Zwar verhinderte die weitergehende Kriegführung in der Folgezeit eine wirkliche Konsolidierung der Währung, immerhin jedoch blieb sie einigermaßen stabil. Eine weitere Devaluierung 1665 ließ sich indessen nicht vermeiden[483]. Am Ende des Untersuchungszeitraumes setzte dann die zweite Kipperzeit 1675 ein, die sich bis 1695 hinziehen sollte[484].
Entsprechende Münzordnungen für Vorderösterreich begleiteten die württembergischen und damit jene auf Kreis- und Reichsebene. Eine Verordnung der österreichischen Obrigkeit reduzierte bereits am 14. Juli 1623[485] bestimmte Münzsorten auf alten Valor. Aber erst eine Woche nach dem ersten württembergischen Münzedikt ließ Erzherzog Leopold von Österreich am 29. August 1623 für seine Vorderösterreichischen Lande und für das Elsaß eine gleichartige Verordnung folgen[486]. Gleich wie in Württemberg begleitete auch das vorderösterreichische Edikt eine Taxordnung[487]. Ihrzufolge sollten alle Preise auf ein Viertel des Ausgangswertes reduziert werden, allerdings nach jedes Orts Gelegenheit, da ja die verstreut gelegenen vorderösterreichischen Lande mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten zu tun hatten.
Schon dieser kurze Abriß der den Untersuchungsraum beeinflussenden territorialfürstlichen Münzedikte zeigt deutlich, wie sehr der Geldwert im Fluß war. Besonders für die von der Kipper- und Wipperkrise geprägte Periode muß im Untersuchungsraum mit starken Währungsturbulenzen gerechnet werden. Dies spiegelt sich in den untersuchten Rechnungsbüchern wieder. Bei den untersuchten Rechnungsbüchern buchten die Schreiber wie bereits ausgeführt teils mit Rechnungsgulden, in Herrenberg noch mit dem Pfund, welches aber in einem festen Verhältnis zum Gulden stand[488]. Rottenburg und Horb wurden als bedeutendste Städte der Herrschaft Hohenberg, die seit 1381 dem Haus Habsburg gehörte[489], von Innsbruck aus währungspolitisch verwaltet. Daher gewinnt die österreichische Münz- und Geldgeschichte für beide Orte entscheidende Bedeutung[490]. Die beiden hohenbergischen Spitäler gaben eingenommene Münzen schlechter Sorten zu Beträgen teils unter Nennwert weiter, teils mußten sie diese in herzogliche Münzstätten zum Umschmelzen liefern. Dabei folgten sie einfach den entsprechenden Edikten und Verordnungen des Territorialherren, des Kreises und des Reiches. In solchen Fällen notierten die Schreiber im Rechnungsbuch den nominellen Wert, zu dem sie Münzen eingenommen hatten und jenen, zu dem sie sie wieder ausgaben, behielten fiktiv also die bisherige Rechnungswährung bei und behandelten ab- oder aufgewertete Geldstücke wie ausländische. Diese wurden bereits früher gemäß den obrigkeitlich festgelegten Wechselkursen umgerechnet. Der Verlust, sofern Münzedikte sich auf Bargeldbestände auswirkten, taucht als gesonderte Ausgabe auf. Viele Ausgaben der 1620er Jahre nennen in dieser Weise, neben der Menge gekaufter Waren oder Dienstleistungen, auch den dafür in Münze entrichteten Betrag und schließlich den hierfür vom Verkäufer akzeptierten Wert. Die Rechnungseinheit machte die Geldentwertung also nicht mit, sondern behielt das alte Niveau. Dies traf den Rottenburger Spital, der zu Beginn der Kipper- und Wipperzeit auffällig hohe Bargeldbestände in seinen Kassen hatte, besonders hart. Bei Gesamteinnahmen in Höhe von 8531 Gulden verlor er 1654 Gulden durch die Entwertung. Die in der folgenden Tabelle wiedergegebene Bewertung ist dem Rechnungsbuch des Jahres 1623 direkt entnommen. Sowohl die Angaben über den Wertverlust je Stück als auch über den gesamten Verlust stammen daraus.
Devaluierungsverluste des Rottenburger Spitals 1623 | ||||
Münzsorte | Stück | Wert je Stück bei der | Verlust | |
Einnahme | Ausgabe | |||
Reichstaler | 214 | 6 fl | 1,5 fl | 923 fl |
Silberkronen | 33 | 5 fl | 26 Bz | 171 fl |
und „königi- | ||||
sche Taler“ | ||||
Dukaten | 45 | 9 fl | 2fl 20xer | 300 fl |
Hirschgulden | 406 | 10 Bz | 2 Bz | 216 fl |
32 xer | ||||
Sechs- und | 6 Bz | 4 xer | 44 fl | |
Dreibätzer | 3 Bz | 2 xer | ||
Summe | 1654 fl | |||
32 xer |
Auffällig sind die hohen Bargeldbestände in der Kasse des Spitals. Sie rührten offenbar von den in diesem und dem vorigen Jahr außergewöhnlich umfangreichen Frucht- und Weinverkäufen her, bei denen die Anstalt von der Teuerung profitiert hatte. Völlig außer Kraft gesetzte und verbotene Münzsorten mußte der Rottenburger Spital 1624 zum Umschmelzen nach Freudenstadt fahren[491], wo Württemberg einen Treibofen eingerichtet hatte. Interessant ist die damals in Münzangelegenheiten doch recht weitgehende Kooperation der beiden Stände Vorderösterreich und Württemberg. Deren Grundlage bot die Zusammenarbeit im regionalen Rahmen.
Während beim Rottenburger Spital die Münzentwertung in aller Regel als außerordentliche Ausgabe verbucht wurde, erfaßte der Schreiber des Horber Spitals derartige Verluste rechnungstechnisch oft nicht so exakt. Vielmehr notierte er sie häufig dann, wenn er die schlechten Münzsorten ausgab, als Begründung für die hohen Kosten. Dies macht es nicht möglich, für die Horber Anstalt Verluste als Folge von Währungsumstellungen anzusetzen. Indessen fehlt es auch hier nicht an Einzelnachrichten.
Devaluierungsverluste in Rottenburg | ||
Jahr | Währung | Verlust |
1623 | Reichstaler, Dukaten, | 1654 fl |
Silberkronen, Hirschgulden | 32 x | |
1624 | 13 Lot Kleinmünzen | 46,5 fl |
Wert: 219 Gulden | ||
1626 | Halbbatzen, Alte | 65 fl |
Straßburger Pfennige | ||
1662 | Churer Pfennige, | 7 fl 25 x |
Heidelberger Sorten |
Beispielsweise bezahlte der Spital seinen Dreschern im Jahr 1622 zwei Reichstaler, die er für 20 Gulden eingenommen hatte, die aber jetzt jeweils nur noch sechs Gulden wert waren, so daß der Spital acht Gulden verlor[492].
Währungsentwicklung im Untersuchungsgebiet[493] | |||
Münze | 1618 | 1622 | 1623 |
Mrz 21 | Aug 23/29 | ||
3 Kreise | Kreis | Württ/VÖ | |
Reichstaler | 1/32 | 8/- | 1/30 |
Guldentaler | 7/- | 1/20 | |
Philippstal. | 8/30 | 1/40 | |
Goldgulden | 2/- | 9/45 | 1/44 |
Dukaten | 2/32 | 12/- | 2/20 |
Hirschgulden | -/10 |
Gleichzeitig wurden diese Verluste damals noch bei den allgemeinen Ausgaben zusammen mit weiteren, insgesamt 15 Gulden 15 Kreuzer abgeschrieben[494]. Ein Jahr später mußte er 499 Gulden abschreiben[495]. 1623 und 1624 werden Verluste durch die Geldentwertung unter der Rubrik Abgänge verbucht[496]. Interessant ist, daß im Falle Horbs die Stadt ihren Spital zur Sanierung des eigenen Kassenbestandes herangezogen zu haben scheint: Item so hat die Statt vor disem bei dem hohen Müntzwesen dem Spital fürgestreckht und gelihen gehabt 1520 fl 24 xer, welche der Statt hievor widerumb gut gemacht worden, bis an sechzehen Ducaten, jede zue 20 fl böß Geldt gerechnet, thut 320 fl. Seithero aber namblich den 30. Novembris Anno 1624 der Statt in guetem Geldt allein für 40 fl 6 xer verraith werden müessen, derowegen geht ab 279 fl 54 xer. Auch der alte Spitalmeister hinterließ bei seinem Abzug allerhand böses Geld in der Kasse. Böses Geld von Zinspflichtigen, das nicht mehr rechtzeitig vor der Außerkraftsetzung verrufener Münzsorten hatte ausgegeben werden können, mußte in Freudenstadt eingeschmolzen werden. Also auch in Horb behielt der Rechnungsgulden sein Niveau und behandelte in Edikten erfaßte Währungen demgemäß wie ausländisches Geld.
Devaluierungsverluste in Horb | ||
Jahr | Währung | Verlust |
1622 | Reichstaler | 15,25 fl |
1623 | Hechinger Sechsbätzer, Straßburger Dreibätzer | 499 fl |
1624 | Dukaten | 279 fl 54 xer |
1624 | Böses Geld des Spitalmeisters | 221 fl 52 xer |
1624 | In Freudenstadt eingeschmolzen | 131 fl 48 xer |
In Herrenberg stellt sich das Phänomen der Geldentwertung prinzipiell gleich dar. Allerdings lassen sich die Informationen durch Nachrichten aus dem Jahr 1622 erweitern. Damals konnte der Spital noch gemeine Einahmen als Gewinn aus der Währungsentwicklung verbuchen, weil die gröberen Silber- und Goldsorten vor allem im Verhältnis zur Schwemme minderwertiger Scheidemünzen gewaltig stiegen. Gemäß den Abschieden des Schwäbischen Kreises, welche auch Herzog Leopold für seine vorderösterreichischen Länder umsetzte, vollzog der Schreiber verordnete Umstellungen nach. Damals konnte der Kassenbestand an großen Geldsorten vorerst einen buchungstechnischen Gewinn sichern. Ein Jahr später litten aber auch die Herrenberger unter dem Währungsverfall. Der Schreiber listete beispielsweise bei den Viehverkäufen des Jahres 1623 die eingenommenen Beträge auf und gab zusätzlich den Geldwert an. Ein Milchkalb, welches ein Achtguldenstück eingebracht hatte, taucht im Buch nur noch mit einem Gulden und 20 Kreuzern auf, weil jenes keinen größeren Wert mehr hatte. Freilich war bereits beim Kauf der geringere Wert berücksichtigt, also auf die Rechnungseinheit umgerechnet worden. Insgesamt behielt folglich auch Herrenberg seine in Gebrauch befindliche Rechnungseinheit bei. Als Beleg dafür dient unter anderem auch die kontinuierliche Übernahme von dem am Rechnungsende gebuchten Überschuß in den beim Rechnungsanfang des folgenden Jahres verbuchten eingenommenen Rest. Weil sowohl für Hohenberg als auch für Württemberg die Edikte des Schwäbischen Kreises für Veränderungen der Währungen verantwortlich waren, gab es zwischen den untersuchten Objekten in dieser Hinsicht keine unterschiedlichen Entwicklungen. Alle drei Spitäler behielten ihre bisherige abstrakte Recheneinheit bei. Es hing vom Zufall ab, ob die Anstalten Geldbeträge wegen der Münzturbulenzen einbüßten. Hatten sie größere Bargeldbestände an entwertetem Geld, so traf sie dies besonders hart.
Währungsgewinne des Herrenberger Spitals 1622 | ||||
Münzsorte | Stück | Wert je Stück bei der | Buchungsgewinn | |
Einnahme | Ausgabe | |||
Dukaten | 18 | 137 fl | 165 fl | 28 fl |
Goldgulden | 5 | 2,5 fl | 6 fl | 19 fl 10 xer |
Dukaten | 10 | 3 fl 5 Bz | 9 fl 5 Bz | 96 fl |
Summe | 143 fl 10 xer |
Die Währungsturbulenzen des beginnenden 17. Jahrhunderts wirkten sich auf die drei untersuchten Spitäler also in prinzipiell gleicher Weise aus. Bei der Bildung von Preis- und Lohnreihen müssen diese Einflüsse deshalb zwar als exogene Faktoren beachtet, jedoch im Hinblick darauf, daß sämtliche Schreiber der untersuchten Spitäler ihre Bücher in einem abstrakten Rechensystem führten, nicht einberechnet werden. Maßgeblich für die Bildung der Reihen waren ja die in den Büchern veranschlagten Mengen und Ausgaben, nicht jedoch die nominellen. Währungspolitische Entscheidungen wirkten sich folglich in erster Linie, wie oben dargestellt, als Abschreibung von Differenzbeträgen aus. Dies besonders während der Jahre 1622 bis 1626. Daß über diese unmittelbaren Effekte hinaus der Geldwert schwankte und sich die Währungspolitik letztendes auch stabilisierend auf seine Entwicklung auswirkte, wird sich weiter unten zeigen.
V. Kriegseinflüsse auf die Konjunktur
Bevor die wirtschaftliche Entwicklung in der Frühen Neuzeit, wie sie sich anhand einer Auswertung des Rechnungsbücher dreier Spitäler darstellt, analysiert werden kann, ist noch das begriffliche Instrumentarium für diese Untersuchung zu klären. Mit welchem Vokabular und mit Hilfe welcher Theorien lassen sich wirtschaftliche Entwicklungen in der Frühen Neuzeit gut beschreiben? Läßt sich dabei die mit einem bestimmten zeitlichen Horizont verbundene Formelsprache der Wirtschaftswissenschaften so extensiv auf die Interpretation historischer Quellen anwenden, wie dies die amerikanische New Economic History so weitgehend tut[497]? Oder sollte doch etwas zurückhaltender vorgegangen werden? Für das Anliegen kommen zunächst einmal die Theorien von Konjunktur und Krise in Betracht[498]. Schließlich wird der Untersuchungszeitraum durch die allgemeine Wirtschaftskonjunktur und durch mindestens drei voneinander abhängige Krisen beeinflußt: die Geldinflation, Seuchenzüge und den Dreißigjährigen Krieg.
Ausgelöst haben die Diskussion um Konjunkturen Absatzstockungen während der napoleonischen Epoche. Erklärt werden sollte damals, wie eine allgemeine Überproduktion entstehen kann. Einen enormen Aufschwung erlebte die Theorie dann während der Weltwirtschaftskrise in den 1920er und 1930er Jahren. Entscheidend wurde schließlich die von John Maynard Keynes 1936 formulierte Theorie. Hinter dieser Begriffsbildung stand das Interesse, Gesetzmäßigkeiten in der wirtschaftlichen Entwicklung zu formulieren.
Der für die vorliegende Untersuchung gewählte Untersuchungszeitraum liegt eigentlich vor der von den Wirtschaftswissenschaften mit Hilfe des Konjunkturbegriffs ins Auge gefaßten Entwicklungsstufe des Hochkapitalismus[499]. Doch lassen sich deren Prinzipien teilweise auch sehr sinnvoll auf frühere Zeiträume anwenden. Schumpeter gehört zu jenen, die den Urprung von Konjunkturen schon in vorkapitalistischer Zeit sehen. Die Vorgeschichte des Kapitalismus sei von Krisen geprägt, die durch exogene Einflüsse, zum Beispiel Seuchen und Kriege, ausgelöst wurden. Spiethoff spricht diesen Vorgängen indessen den Charakter der Krise ab, da er als solche nur Spekulationskrisen akzeptiert. Vielmehr handle es sich um Klemmen. Vor allem aber ist es die von Wilhelm Abel geprägte Theorie der Agrarkonjunktur[500], welche Methoden und Vokabular der allgemeinen Konjunkturtheorie auch auf vorkapitalistische Wirtschaftsweisen anzuwenden versucht. In diesem Sinne greift auch die vorliegende Arbeit auf dieses Instrumentarium zurück.
Die empirische Konjunkturforschung geht deskriptiv vor, meist durch die Analyse von Kurvenbildern. Untersucht werden alle Abweichungen realer, das heißt preisbereinigter, Werte von ihrem Trend, also von der langfristigen Richtung der Entwicklung. Dynamische Modelle nach Keynes berücksichtigen den Zeitfaktor: Das Geschehen wird in eine Reihe von Perioden aufgespalten, wobei die Veränderung bestimmter Variablen aus Veränderungen von Variablen in einer früheren Periode erklärt werden. So läßt sich ein mehrere Perioden übergreifender Prozeß ableiten. Für Kausalerklärungen ist man allerdings auf die Theorie angewiesen, da Experimente in den Wirtschaftswissenschaften prinzipiell nicht möglich sind.
Die Abweichungen vom überlagernden Trend, also aufsteigende oder absinkende Kurven (Residuen), sind oft nicht nur eine Folge der als wirtschaftsendogen aufgefaßten Konjunktur, sondern auch sonstiger Einflüsse. Deshalb wird in der Konjunkturforschung zwischen exogenen und endogenen Theorien unterschieden. Häufig dient das Bild von einem Schaukelstuhl zur Erklärung. Dessen Bauweise ist bestimmt durch gleichbleibende, endogene strukturelle Faktoren, die den Bewegungsablauf schon prädisponieren. Bei Wirtschaftsmodellen geht es um die Erfassung der strukturellen Faktoren, also um die Bauart des Schaukelstuhls und um den Kernprozeß[501], mitunter werden dafür psychologische Momente genannt.
Ein äußerer, exogener Anstoß (Impuls, eine stochastische Komponente) setzt den Schaukelstuhl in Bewegung, andere Impulse können die Bewegung verändern. Dabei spielen Faktoren der Selbstverstärkung und Faktoren der Richtungsänderung eine Rolle[502]. Solche Faktoren lassen sich bei der Zeitreihenanalyse in Trendkomponente, Saisonkomponente und irreguläre oder stochastische Komponente gliedern[503]. Der Trend wird durch langfristige Einflüsse auf die Zeitreihe bestimmt, wobei verschiedene Theorien, etwa diejenige Wilhelm Abels vom Bevölkerungswachstum, die Preis- und Lohnentwicklung auch der Frühen Neuzeit zu erklären versuchen. Mit Saisonkomponente sind regelmäßig wiederkehrende Residuen gemeint, die ihre Ursache etwa in einer bestimmten agrarischen Wirtschaftsweise haben können. Zum Beispiel lassen sich bei der Untersuchung von Erträgen der Getreideernte im Untersuchungsraum stets dreijährige Zyklen ausmachen, die eine Folge der Dreifelderwirtschaft sind. In gleicher Weise läßt sich für die vorindustrielle Zeit regelmäßig eine Verteuerung der Brotpreise vor Beginn der Ernte feststellen. Den Untersuchungszeitraum prägen indessen auch viele irreguläre Komponenten, also Entwicklungen der Residuen, die einen oft einmaligen und zufälligen, jedenfalls unregelmäßigen, Charakter haben. Sie können beispielsweise die Folge von Kriegen, Seuchenzügen oder Unwettern sein. Weil Konjunkturschwankungen das Schicksal einer Volkswirtschaft bis in ihre feinsten Verästelungen hinein bestimmen, kann umgekehrt – ganz im Sinne semiotischer Theorien – aus Zeitreihen auf die übergeordneten Vorgänge geschlossen werden. In der vorliegenden Untersuchung lassen sich allerdings kaum Ergebnisse zur allgemeinen Konjunkturforschung erwarten, da der Beobachtungszeitraum zu kurz ist, um regelmäßige konjunkturelle Schwankungen in ihrer Regelmäßigkeit beobachten zu können. Es wird also nicht eigentlich um die Bauart des Schaukelstuhles gehen, sondern um die ihn bewegenden Faktoren samt deren Auswirkungen in einer Zeit äußerst abwechslungsreicher historischer Ereignisse. Zu diesen Faktoren zählen, neben der bereits im Vorgriff mit dargestellten Währungsentwicklung, der Erntezyklus, Kriegseinflüsse und staatliche Eingriffe in das Preisgefüge. Sie und damit der Rahmen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im Untersuchungsgebiet werden im folgenden untersucht. Erst im Anschluß an die Behandlung der Rahmenbedingungen können dann deren Einflüsse auf die Preise und Löhne behandelt werden. Ein weiterer, bereits oben genannter wesentlicher Faktor für diese Entwicklung konnte wegen fehlender Quellen nicht ausführlich untersucht werden, die Bevölkerungsentwicklung. Soweit dazu Informationen vorliegen, werden sie in spätere Kapitel miteinbezogen werden.
Kriegswirkungen
Zu den exogenen Faktoren, welche die wirtschaftliche Konjunktur nachhaltig störten, gehört der Dreißigjährige Krieg. Dabei sind es einerseits Kriegszerstörungen, die Preise und Löhne beeinflußten. Nach dem Durchzug einer Armee konnten Felder verwüstet, Getreidespeicher geplündert, Ställe leergeraubt und Arbeitskräfte getötet sein. Diese Einflüsse auch auf den Erntezyklus werden im nächsten Kapitel ausführlicher dargestellt. Aber auch wenn es nicht zu äußersten Gewalttätigkeiten und Raubzügen kam, so traten die Heere doch zumindest als Nachfrager auf, verengten somit den Nahrungsmittelspielraum und verteuerten die Preise. Insofern muß eine Untersuchung der Lebensverhältnisse in den Jahren 1590 bis 1674 Einflüsse des Krieges unbedingt berücksichtigen[504].
Vor allem das Stadtarchiv Herrenberg bietet für eine Untersuchung der lokalen Kriegswirkungen hervorragendes Material. In erster Linie konnte für diese Stadt auf die Chronik des einstigen Vogtes Hess[505] zurückgegriffen werden, deren Wert ein Vergleich mit den Kontributionsrechnungen der Stadt[506] erwies. Für Rottenburg gibt es kein vergleichbares Material und in Horb ist das städtische Archiv wegen fehlender Betreuung nicht benutzbar[507]. Allerdings fanden sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart aussagekräftige Quellen auch für die Horber Kriegsbelastungen, wobei diese indessen keinen vollständigen Überblick bieten. Zusätzlich weisen immer wieder Einträge in den Spitalrechnungen auf die Kriegslasten auch der beiden hohenbergischen Orte hin. Deshalb soll im folgenden die Situation in Herrenberg als beispielhaft für das Schicksal einer Stadt im Dreißigjährigen Krieg dargestellt werden. Daneben stelle ich die Erkenntnisse über Horb und ergänze die Darstellung durch Einzelnachrichten aus Rottenburg. Da die drei Städte unmittelbar benachbart waren, ist davon auszugehen, daß viele kriegerische Ereignisse, die Herrenberg und Horb heimsuchten, sich bis nach Rottenburg auswirkten.
Betrachtet man die vier Phasen des Dreißigjährigen Krieges[508], so blieb der deutsche Südwesten vom böhmisch-pfälzischen Krieg (1618-1623), vom niedersächsisch-dänischen Krieg (1625-29) und auch noch die längste Zeit über vom schwedischen Krieg (1630-35) verschont.
Kriegslasten Herrenbergs im Dreißigjährigen Krieg (1)[509] | ||
1622 Apr 22 | Landesauswahl in Herrenberg | |
1626 | Herrenbergische Miliz | |
1629 | Musterung in Herrenberg | |
1630 Jan 14 | Quartier: Wallensteins | |
– Mai 20 | Leibgarde | |
1631 Mai 10 | Generalmusterung | |
Quartier: Baliranisches Regiment | ||
1632 | Auswahlen | |
1633 | Auswahlen | |
1634 | Auswahlen | |
Sep 11 – Sep 13 | Plünderung Herrenbergs durch 200 Reiter de Werths Salvagarde: Lothringische und Neuneckische sieben Wochen Quartier: Fuggerische, Öppische, Reinachische 22 Kompanien 8,5 Wochen Tote: 159 |
Manchmal erlitten die Spitäler Verluste, wenn Gültpflichtige in den Krieg zogen[510], Kosten entstanden außerdem für durchziehende Vertriebene, auf die die Spitäler ihren sozialen Auftrag ausdehnten[511]. Nur selten aber kam es vor 1634 zu kriegerischen Handlungen. Im Kirschenkrieg versuchte Württemberg 1631 gegen die kaiserliche Restitutionspolitik Widerstand zu leisten, unterlag aber im Juli gleichen Jahres. Vom 10. bis 15. Juli plünderten daraufhin kaiserliche Truppen auch im Untersuchungsgebiet, wobei das württembergische Herrenberg wesentlich stärker in Mitleidenschaft gezogen wurde, als die hohenbergischen Orte, die ja zum Gebiet des siegreichen Österreich gehörten. Im September 1632 kehrte sich dann das Blatt um, als die Schweden siegreich vorrückten. Diese Gelegenheit nahm der württembergische Herzogsadministrator Julius Friedrich (1631-33) wahr und ließ sich von den Schweden im Oktober 1632 unter anderem die Grafschaft Hohenberg schenken. Oberst Rau rückte daraufhin in diese ein und besetzte sie militärisch[512]. Noch relativ harmlos blieb auch die Besetzung der Neckarstädte durch schwedische Truppen im Februar 1633, als eine 400 Mann starke österreichische Besatzung in Rottenburg kapitulieren mußte. Württembergisches Fußvolk und schwedische Reiterei bezogen daraufhin auch in Horb und im Rottenburger Spital Quartier. Trotz all dieser Drangsale verlief die Zeit vor 1634 für das Untersuchungsgebiet eher glimpflich. Erst die Wende im schwedischen Krieg durch den Sieg der Kaiserlichen in der Schlacht von Nördlingen am 6. September 1634 bedeutete auch das Ende einer relativen Schonfrist für den Südwesten.
Kriegslasten Horb a. N. im Dreißigjährigen Krieg (1)[513]; in Gulden | ||
Plünderung, Kreditaufnahme zu 8 | 18000 | |
Abzug der Schweden und Württemberger | 211118 | |
von Villingen, Überfall mit drei | ||
Regimentern | ||
Quartier: zwei Kompanien Pill 14 Tage | 7200 | |
Salva Guardia: Piccolomini | 2077 | |
Quartier: Tiefenbach vier Monate | 7164 | |
Preßkommando 70 Musketiere | 4544 | |
Folgekosten | 1550 | |
Kaiserlicher Kommissar in Rottenburg | 324 | |
für drei Monate | ||
Gallas in Breisach verproviantiert | ||
1636 | Tiefenbach 27 Wochen (im Spital) | 135 |
Gonzaga (im Spital) | 374 | |
Puchheim (im Spital) | 450 | |
1638 | Provisionsstab fünf Monate | |
1639 | Neuneck (im Spital) | 246 |
Nur wenige Tage nach dieser katastrophalen Niederlage suchten die siegreichen Truppen auch die Gegend von Herrenberg, Horb und Rottenburg heim, wobei besonders das württembergische Herrenberg, dessen Landesherr ja auf der Seite des Verlierers in Nördlingen mitgefochten hatte, unter Plünderungen litt. Fluchtartig verließen damals die württembergischen Besatzungstruppen samt den beiden Kommissaren Link und Bleifus Rottenburg.
Kriegslasten Herrenbergs im Dreißigjährigen Krieg (2) | |
1635 – Mai 11 | Quartier: Bendorfisches Regiment |
Jul 28 | Stadtbrand |
Okt 1 | Quartier: Öppische 37 Wochen bis 1636 Jun 16 Tote: 421 |
1636 – Jun 16 | Quartier: Öppische |
Jan 16 – Nov 8 | Quartier: Öppischer Stab Quartier: Metternichsches Regiment |
Nov 30 | Quartier: Neuwerthische Reiter 13 Wochen Tote: 91 |
1637 – Mai | Quartier: Metternich 27,5 Wochen Tote: 67 |
1638 | Quartiere: Metternich Quartiere: Reinachische 21 Wochen (nach Rheinfelden) Quartier: Schwedisches Fußvolk fünf Tage |
Apr 2 | Überfall kaiserlicher Reiter abgewehrt |
Mai – Jul | Quartier: Neuneckische Reiter + 40 Mann Götz Tote: 174 |
1639 Jan – Ende Mai | Quartier: Edelstättische 24 Wochen Quartiere: – Armeestab Götz vier Wochen – Kroaten 42 Wochen – Reinachische 11 Wochen – Kranke Soldaten 5,5 Monate Tote: 85 |
1640 | Quartiere: – Löwensteinische 21,5 Wochen |
1641 | Quartiere: – De Haasische 10,5 Wochen – Gonzagische 7,5 Wochen – Löwensteinische 41,5 Wochen |
Das Schlimmste aber stand noch bevor. Seit dem Kriegseintritt Frankreichs 1635 machte die strategische Lage Südwestdeutschland als natürliches Aufmarschgebiet und als Scharnier militärischer Operationen zum Kampfplatz erster Ordnung. Harte Quartierlasten und das Verproviantieren durchmarschierender Truppen belasteten deshalb während der 13 Jahre des französisch-schwedischen Krieges (1635-48) das Land, wobei kaum noch Unterschiede im Grad der Zerstörung zwischen den drei untersuchten Städten, die ja zwei feindlichen Lagern angehörten, erkennbar sind. Winter- und Sommerquartiere, Durch- und Rückzüge, Brandraub und Plünderungen von Freundts undt Feindtsvölkhern bedrängten sie gleichermaßen[514]. Während dieses Zeitraumes sind zwei Daten für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte Herrenbergs und Rottenburgs von besonderer Bedeutung. Beide Städte gingen während des Krieges zu großen Teilen in Flammen auf. Herrenberg traf die Brandkatastrophe am 28. Juli 1635, Rottenburg am 19. August 1644. Horb blieb von einem vergleichbaren Einschnitt verschont. Dafür trafen Quartierlasten und Kontributionsforderungen die Bürger dieser Stadt besonders hart[515].
Kriegslasten Horb a. N. im Dreißigjährigen Krieg (2) | ||
1645 | Kontribution Hohennagold in fl | 5000 |
1646 Jul 6 | Hohentwielische Reiter stehlen Vieh in Altheim und Nordstetten, brennen Hailfingen nieder | |
1646 Nov 9 | Rottweiler Musketiere rauben das Vieh in Grünmettstetten. Scharmützel bei Glatt | |
1647 | Französisch-watroisches Regiment | 3750 |
Winterquartiere: Em, Fleckenstein | 18000 | |
Apr/Mai | 5,5 Kompanien Reiter, französisch-emische für 9 Wochen | |
1647 | Kurbairische Zinck 2 Monate | 600 |
1648 | Franz. Regimenter Betz, Fleckenstein Franz. Garnison Schorndorf Kontribution Lauingen Schorndorfer Exekutionskommando raubt Schafe und brennt Häuser nieder in Nordstetten Magazinfrucht nach Erbach Kontribution Hohentübingen Geraubtes Vieh Kontribution Stallhofen Garnison Rottweil, Oberst Piningen Geraubtes Vieh | 10350 |
1648 Nov 25 – 1649 Feb 1 | Quartier: Regimenter Schütz und Buchenmeier | 15300 |
Mehr noch als die Städte dürften die Dörfer der Umgebung Opfer des Krieges geworden sein. Hier genügten kleinere Abteilungen von Reitern und Schnepphansen, um ein Dorf wie Hailfingen in Schutt und Asche zu legen[516], oder dessen Vieh zu stehlen. Eine regelrechte Landflucht hinter die einigermaßen festen Mauern der Stadt scheint besonders während der Wintermonate geherrscht zu haben. So führten 1647 alle geistlichen und weltlichen Adeligen der Umgegend Hausrat, Früchte, Wein, Heu und Stroh während des Winters nach Horb und quartierten sich in der ummauerten Stadt ein[517].
Nach Kriegsende belasteten weiterhin Kontributionsforderungen die Städte. Der Schorndorfer Kommandant Oberst Kluge beispielsweise beanspruchte monatlich von der Herrschaft Hohenberg 1500 Gulden für das Sommer- und 2000 Gulden für das Winterquartier. Trotz seines größten Fleißes hatte de Veine im Jahr zuvor nit einen Creutzer heraus bringen khönden, weshalb er in Rottenburg ein Dragonerregiment einlogiert hatte. Die Drohung hing in der Luft, das die köngl. Truppen nit so weit seyen, das sie euch nit zue der Gebühr undt Schuldigkhait bringen khönden[518].
Kriegslasten Herrenbergs im Dreißigjährigen Krieg (3) | |
1642 | Durchzüge: – Courdon nach Aufhebung der Belagerung des Hohentwiel |
Mrz 6 | – Feldmarschall Horn (gefangen) |
Mai 3 | – General Hamelstein |
Mai 27 | – De Haasische Reiter |
Aug 26 | – De Haasische, Prentzlauische |
Sep 25 | – 200 Gültlingische |
Okt 9 | – Korps Mercy zwei mal |
Winterquartier: Hagenbachische und Truckmüllersche 26 Wochen | |
1643 Feb | Plünderung durch 100 Sporchische Reiter 11 Tage Quartier: Kurbairische Bagage 5 Tage |
Aug | Kurbairische lagern bei Aidlingen |
Okt | Durchmarsch der bairischen Armee von Durlach nach Rottenburg Quartier: – Sperokische Reiter – 25 kranke Soldaten 11 Wochen |
1644 Dez | Winterquartier: Rauschenbergische |
1645 | Garnison: Kroaten 10 Wochen Rossische im Remmingsheimer Stab |
1646 Jan-Dez | Quartier: Schachische 64,75 Wochen |
1648 | Winterquartier: Metternichsche 16 Wochen |
Im folgenden sollen Einzelnachrichten für die verschiedenen Spitäler kurz zusammengestellt werden. Damit läßt sich unter anderem zeigen, inwiefern sich der Krieg auf die wirtschaftliche Situation der Spitäler unmittelbar auswirkte. Am bedeutendsten belastete das Kriegswesen die Spitäler durch Kontributionen, die für einquartierte Truppen aufzubringen waren. Die Städte legten die Lasten von Einquartierungen auf alle Bewohner um. Nachhaltig wurden zu solchen Kontributionen auch die Spitäler herangezogen. So klagten die Horber Stadtväter 1647 darüber, daß sie fünfeinhalb französische Reiterkompanien samt deren unerschwinglichen Anzahl Droß bis zu unserer Ruin neun Wochen lang verpflegen mußten[519]. Darauf wird noch bei den Ausgaben der Spitäler für Schatzungen einzugehen sein. Darüberhinaus mußten für innerhalb des Spitals einquartierte Soldaten, aber auch für durchmarschierende Truppenteile immer wieder Extras angeschafft werden. Die Stadt Horb verehrte 1639 dem Gonzagischen Oberstleutnant, dessen Hofmeister, seinem Rittmeister, dem Puchheimischen Obristwachtmeister und dem Neuneckischen Rittmeister jedem ein Pferd aus dem Spital. Die Herrenberger Anstalt lieferte 1644 zehn verwundeten französischen Soldaten, die nach einer Niederlage bei Mergentheim vorbeizogen, sieben Mas Bier in das Schafhaus, wo sie Unterschlupf gesucht hatten. Zwei Jahre später griffen Rammstettische Reiter vom Hohenasperg eine Schlagmannsche Reiterabteilung an und schlugen sie. Beim Durchmarsch versorgten die Herrenberger die Sieger mit Pferdefutter.
Die direkten Kriegsschäden blieben, von den beiden Stadtbränden und dauernden Substanzverlusten wegen ausbleibender Reparaturen einmal abgesehen, eher gering. Der Rottenburger Spital entschädigte 1633 seinen Oberknecht Michael Dreher, als von den Schwedischen dem Spital einquartierten Reitern seine Kleidungen alles ausgeplündert und genommen worden. Die Horber Anstalt ließ 1637 an der Scheuer in Volmaringen Schlösser ersetzen, welche Soldaten zerbrochen hatten. In Herrenberg machten sich 1638 streifende Reiter über die Altinger Mühle her und nahmen einige Fruchtvorräte mit. Durch die vihlfaltig vorbeygangen Marche war die Altinger Mühle drei Jahre später so ingrundt gericht worden, daß der Erbinhaber Jacob Miller selbige ein zeitlang gänzlichen verlasen müesen. Kurz nach Ostern 1638 eroberten die schwedischen Obersten Nassau und Kallenbach Rottenburg, ihren Soldaten überließen sie die Stadt einen Tag lang zur Plünderung. Als sie noch im April abmarschierten, machten sie sich in der Nacht vor dem Abzug erneut über Pferde, Vieh, Silbergeschirr und Geld der Rottenburger her. Neuneckische Reiter, die damals in Herrenberg einquartiert lagen, ließen ihre Pferde 1638 das Gras grün abfressen und mähen, so daß der Spital für sein Vieh Heu teuer einkaufen mußte. In Rottenburg zerstörte der große Stadtbrand 1644, den abziehende kaiserliche Soldaten verursacht hatten, auch wichtige Spitalgebäude. Dessen beide Unterknechte verpflichtete der Hauptmann Bacher 1647 zwangsweise zum Militärdienst.
Wenn sich der Krieg am nachhaltigsten auf die Menschen auswirkte, beschränkten sich die Kosten der Spitäler dafür hingegen auf eher geringe Ausgaben. Das waren vor allem Bestattungskosten für die Opfer des Krieges und der damit einhergehenden Seuchen. In Herrenberg ließ der Spital 1634/35 sieben Menschen aus dem Spital, unter denen sich ein Soldat und ein Soldatenkind befanden, beerdigen. Die Horber Anstalt mußte 1635/36 für die Bestattung von acht armen Kindern, einem Mann, welcher von den Gonzagischen Reitern uff den Todt gehawen worden undt hernacher im Seelhaus gestorben und acht weiteren Personen, unter denen viele Spitaliten waren, sorgen[520].
Neben den Quartierkosten kam die Spitäler am teuersten, daß immer wieder Soldaten ihre wertvollen Zugtiere erbeuteten. Einmal beanspruchten militärische Besatzungsmächte häufig Fuhrleistungen. Nach Freudenstadt, Villingen, Dornstetten, Derendingen, Balingen, Sulz, Ulm und Rottweil führten die Knechte des Herrenberger Spitals 1632 solche Aufträge. In Horb mußte der Spitalknecht 1636 den Obristleutnant Ludwig Coronin nach Rottenburg kutschieren. Jedoch erstreckten sich die Ansprüche des Militärs weit weniger auf die Inanspruchnahme von Diensten als vielmehr auf die Tiere selbst. Kaiserliche Soldaten raubten dem Herrenberger Spital 1630 zwei Pferde. Andere Täter stahlen ein Jahr später ein Zweiergespann des Spitals, als dieses einem getroffenen Akkord gemäß zur Proviantlieferung nach Tübingen eingesetzt wurde. Vergeblich sandten die Beamten den Spitalknecht nach Rottenburg und in andere Orte, um nach den Pferden zu sehen. Als die Kaiserlichen im Anschluß an die Schlacht von Nördlingen Herrenberg plünderten, verlor der Spital alle seine Pferde, und hernach keines mehr zue bekommen gewesen. Erst später im Jahr erstand der Spitalmeister stattdessen zwei Ochsen und einen braunen Hengst, der aber noch während derselben Rechnungsperiode gewaltsam aus dem Stall gestohlen wurde. Zur Holzfuhr traute sich die Herrenberger Anstalt 1632 schon gar nicht mehr, ihre eigenen Pferde einzusetzen. Stattdessen bezahlte sie lieber zwei Bauern für Fuhrdienste. In Rottenburg requirierten schwedische Soldaten am 10. April 1633 die Pferde. Als am 8. September 1635 dem Rottenburger Spital die drei beste Pferdt uf Kalkweil von den Soldaten abgenommen wurden, sandte der Meister den Dieben 16 Musketiere, Reiter und Spitalknechte nach, allerdings erfolglos. Auch der Horber Spital büßte 1635 seine vier Pferde ein. Ein Jahr später erneut derselbe Verlust in Herrenberg. Soldaten raubten ein Pferd aus dem Kirchhof in Mühlhausen, haben der Knecht und ein Soldat dasselbig wider gesuecht. Vielleicht im Zusammenhang mit diesem neuerlichen Verlust kauften die Verwalter einem Tübinger Metzger zwei Zugochsen ab. Dabei läßt sich den Rechnungsbüchern erneut entnehmen, wie unsicher die Zeiten waren. Alleine schon der Transport des neuen Zugviehs war ein Vabanquespiel. Außer den üblichen Zöllen mußten Soldaten am Tübinger Stadttor und in Unterjesingen (heute Stadtteil von Tübingen) durch Geldbeträge günstig gestimmt werden. Während des weiteren Kriegsverlaufs blieben Zugtiere die begehrtesten Beutestücke für die Soldaten. Als Reiter 1638 wiederum die Spitalrosse ausspannten, schickte der Meister einen Boten hinterher. Im selben Jahr entführten Reiter zwei Ochsen nach Weil der Stadt. Der Rottenburger Spital büßte 1638 bei der Plünderung durch die Schweden seine gesamten Pferde ein. Hohentwielische Reiter raubten 1647 seine zwölf Schafe und trieben sie nach Hechingen, wo sie jene für teures Geld wieder auslösen mußte. Beim Viehdiebstahl zeigt sich insgesamt doch eine gewisse zeitlich unterschiedliche Periodisierung zwischen den hohenbergischen Städten und Herrenberg, je nachdem, welche Partei gerade die Oberhand hatte.
Um sich gegen die meist willkürlichen und nicht unbedingt von den Oberbefehlshabern der jeweiligen Armeen veranlaßten Plünderungen zu wehren, flüchteten die Spitäler ihre Pferde wegen Unsicherhaith und besorgenden Überfahles ab und zu in eine andere Stadt. So der Horber Spital, der 1648 seine drei Pferde wegen eines möglichen französischen Überfalls für 35 Tage nach Sulz in Sicherheit bringen ließ[521]. Häufiger aber mieteten die Spitäler Soldaten an, die ihre Fuhrwerke schützen sollten, wenn diese für Holzfuhren oder Erntearbeiten die schützenden Stadtmauern verließen[522]. Der Rottenburger Spital beschäftigte 1633 drei Convoyer und Musquetierer (Soldaten für die Begleitung eines Konvois und Musktiere) 16 Tage lang zum Schutz seiner Pferde. In Herrenberg war das Jahr 1634 besonders unsicher. Beim Einbringen der Frucht mußte ein Musketier Wache stehen. Fünf Wochen lang bezogen zwei Soldaten Lohn für Konvoiaufgaben. Martin Eck von Haslach stellte der Herrenberger Spital 1645 acht Nächte lang als Wachposten über die Spitalfrüchte an, als einige Dragoner im neuerbauten Spitalhaus einquartiert waren, damit von besagten Tragonern nicht leichtlich eingebrochen werden möchte. Die Bedeckungsmannschaften scheinen im Laufe des Krieges größer geworden zu sein, 1646 bewachten bereits drei Mann einen einzigen Konvoi der Herrenberger Anstalt.
Zur besseren Illustration des Kriegswesens soll hier noch auf eine Episode aus Horb hingewiesen werden. Immer wieder machten Streifscharen vom Hohentwiel aus die Gegend unsicher. Am Freitag, den 6. Juli 1646 fiel eine Schar in die zwei Amtsflecken Altheim und Nordstetten ein[523], plünderte und stahl das Vieh. Am Samstag raubte sie den Nordstetter Bauern ihre Tiere. Einem Edelmann[524] freilich, der für seine Person dem Hohentwiel Kontribution entrichtete und der sich gerade zusammen mit seiner Frau auf seinen Nordstetter Gütern aufhielt, nahmen die Soldaten kein Stück, was die Horber nicht wenig empörte. Als die gottlos verruchten Bursche sahen, daß die Horber sie verfolgten, zogen sie sich auf den Empfinger Friedhof zurück. Unterwegs nahmen sie noch die beiden Horber Bürger Michael Lipander, einen Bortenwirker und Hans Jakob Volk gefangen, denen sie ihre guten Kleider ausgezogen und ihnen dafür bös nichtsfallende zerrissene vorgeworfen (haben), auch dabei sich frei öffentlich ohne alle Scheu verlauten lassen, daß sie nicht nachlassen wollten, bis sie alle öster. Flecken verbrennt und angestöckt hätten. Erst als die Horber eintrafen, gaben sie ihre Gefangenen frei und ließen das Vieh auslösen[525].
Eine andere bezeichnende Episode trug sich ebenfalls im Horber Einzugsbereich zu. Der kaiserliche und bayerische Rottweiler Kommandant Obristleutnant Georg Baurmeyer verlangte von Horb die Verpflegung seiner Garnison. Weil die Stadt aber ein Befreiungspatent des Kurfürsten von Bayern vorweisen konnte, lehnte sie ab. Baurmeyer befahl daraufhin die Exekution im Spitaldorf Grünmettstetten. Die 24 Musketiere samt einem Furier führte ein Fähnrich namens Lorenz Karub. Der Obervogt vernahm später über die folgenden Geschehnisse einen der beteiligten Soldaten, Andreas Heldt von Langenalb bei Pforzheim[526], der damals zur Baurmeierischen Kompanie und zur Rottweiler Garnison gehörte. Am Donnerstag, den 8. November 1646 habe er mit anderen Soldaten, die meist zur Haslangischen Kompanie gehörten, folgenden Befehl des Kommandanten erhalten: in einen hohenbergischen Flekhen, welcher inen bequem sein werde, einzuefallen und was sie an Vich antreffen werden hinweckh zuenemen, darbei aber vleisig Ufsehen zuehaben, damit die Soldaten beisamengehalten, in die Heuser nicht gelassen, weniger jemandt von inen beschedigt werde. Daraufhin seien sie abends nach Albeck, einer Burg bei Sulz am Neckar, gekommen, wo ein Musketier zu ihnen gestoßen sei. Am nächsten Morgen fielen sie ungefähr um 8 Uhr in Grünmettstetten ein. Sie hätten zwar keinen Bürger beleidigt, aber 26 Stück Vieh und zwei Geißen weggeführt. Als sie mit dem Vieh nach Glatt kamen, habe der Fähnrich einen reformierten Korporal mit zwei Musketieren auf die Brücke geschickt, um zu kundschaften, ob ihnen niemand das Vieh wieder abnehmen wollte. Die drei kamen die Mettstetter Steige herunter. Eine Frau, die ihnen begegnete, fragten sie, ob kein Fremder oder eine Bauerntruppe im Dorf wären. Nein, habe sie geantwortet. Es wären aber etliche Horber Bürger gerade vom Raitenbühl her gekommen, auf die hätten sie den Fähnrich aufmerksam gemacht. Als die Horber sahen, wie sich die Soldaten zurückzogen, riefen sie: her da, her da, hie sein sie. Der Horber Wachtmeister lief in die Mitte und befahl seinen Leuten, nicht zu schießen, er wolle mit den Soldaten reden. Einige Bürgerwehrmänner postierten sich daraufhin im Garten neben dem Haus. Der Horber Wachtmeister schrie dem Fähnrich zu, er wolle mit ihm auf Parolen verhandeln. Der Wachtmeister ging mit fünf Mann zu den Soldaten. Trotz seiner Zustimmung habe der Fähnrich das Wort gebrochen. Da er nahe zue ihnen khomen, hette ein Soldat gedachtem Wachtmaister das Rohr allerdings ufs Hertz gesezt und nidergeschossen, daß er gefallen und die Füeß über sich gepoten. Bei dem Soldaten handelte es sich, wie verschiedene Zeugenaussagen bestätigten, um den Furier, der gleich hinter dem Fähnrich stand. Der hab gleich ine wundt geschossen, daß er gleich hinder sich nidergesunckhen und ohne weitere Zaichen todt verblichen. Aber auch der Fähnrich stand nicht tatenlos dabei. Er habe gleich den anderen Bürger, der hinter dem Wachtmeister stand, niedergeschossen, woraufhin die andere Soldaten auch gleich nacheinander uf die Burger von Horb Feur geben, alsdann die Horber auch losgebröndt. Worauf bederseits starckh gespihlt und der dritte Burger in einen Arm und Handt ybel verwundt worden, bis die Soldaten sich verschossen. Daraufhin wandten sich die Soldaten zur Flucht und sich yber das Wasser salvirt[527]. Die Bürger nahmen die Verfolgung auf. Sie ergriffen dabei einen Musketier und verprügelten ihn. Es war der vernommene Zeuge, den der Bürgermeister aus ihren Händen rettete und nach Horb bringen ließ, wo ihn der Barbier verarztete. Nach seiner Genesung durfte er samt seinem Gewehr und seinen sonstigen Sachen nach Rottweil marschieren. Der Mord hatte Folgen, da er ja nicht im Feindesland geschah. Deshalb die anschließende Untersuchung und die Zeugenbefragungen.
Über die erpresserischen Methoden der Soldaten geben einige andere Schriftstücke Auskunft. So wandte sich im Oktober 1645 der Hauptmann Franz Wolthaft an die Horber: sie würden ihm auf seine Kontributionsforderungen hin mit Unwahrheit berichten, und wan ich schon tausent Mahl schreib, mich nuhr mit Salva Honore beschissenen Recepisse bezahlen. Er drohte mit der militärischen Exekution und mich selbsten bezalt machen will, darnach sie sich endtlich zu richten und vor Schaden zu hieten[528].
Noch massiver formulierte der französische General De Veine 1647 sein Anliegen. Er hatte einen Bericht erhalten, daß die Rottenburger bei der Bezahlung von Kontributionen Schwierigkeiten machten. Daraufhin befahl er seinem Offizier, einige Bürgermeister gefangenzunehmen et le retenier prisonnier jusquare quils vous ayent payer. Dabei ging es um 200 Gulden pro Monat und um die Stellung von Arbeitskräften. Weiterhin ermächtigte er seinen Offizier zum Beispiel dazu, y envoyant une partie pour prendre leurs bestiaux ou ce que vous pourrez avoir[529].
Nach diesen Einzelnachrichten über den Dreißigjährigen Krieg aus dem Untersuchungszeitraum ist deutlich: Störeinflüsse des Krieges auf die wirtschaftliche Konjunktur sind für das Untersuchungsgebiet besonders in den Jahren nach der Schlacht von Nördlingen 1634 zu erwarten, als im Südwesten der Krieg wirksam wurde. Seitdem scheint auch eine Unterscheidung zwischen befreundetem und feindlichem Territorium keine größere Bedeutung mehr besessen zu haben. Kampfhandlungen und Plünderungen belasteten beide in ähnlicher Weise. Das vorderösterreichische Rottenburg versank ebenso in Schutt und Asche wie das württembergische Herrenberg. Unterschiede, die im Grad der Heimsuchung bestanden haben mögen, lassen sich kaum erkennen.
Die Einflüsse des Krieges auf die Wirtschaft konnten vielfältig sein. Direkt kam es zu Zerstörungen von Gebäuden, zur Einquartierung von Soldaten, zur Plünderung der Vorräte und zum Raub von Zugvieh. Auf Dauer mußten solche Übergriffe auch den wohlhabenden Spitälern an die Substanz gehen. Die Kosten für die Wiederbeschaffung von Vieh, Abschreibungen der Vorräte, Verpflegung Einquartierter, den Wiederaufbau von Gebäuden und nicht zuletzt die enorm hohen Kriegskontributionen zwangen mitunter sogar zur Kapitalisierung von Immobilien. Die Stadt Horb alleine gab für den Zeitraum zwischen den 1630er Jahren und dem Kriegsende Verluste durch Plünderungen und Kontributionen in Höhe von mehr als 300 000 Gulden an[530]. Um diesen Betrag aufzubringen, hätte jeder der 333 Bürger, welche die Stadt 1678 wieder bewohnten, etwa zehn Jahre lang nur für diesen Zweck arbeiten müssen. Für Herrenberg errechnete der Chronist Hess gar Kosten des Krieges durch Plünderungen, Raub, Brand und andere gewalttätige Verheerungen in Höhe von fast zweieinhalb Millionen Gulden[531]. Geht man von 223 Bürgern aus, welche 1674 dort wieder lebten, so hätte jeder von ihnen über 100 Jahre lang nur dafür arbeiten müssen, den alten Wohlstand wiederherzustellen. Beide Angaben über die Kosten des Krieges sind mit allergrößter Vorsicht zu genießen, sie können lediglich Anhaltspunkte geben. Der Vergleich gibt immerhin einen Hinweis darauf, daß die total zerstörte Stadt Herrenberg härter durch die Kriegshandlungen getroffen wurde, als Horb. Einen weiteren Eindruck von der wirtschaftlichen Auszehrung wird später die Untersuchung der Ausgaben einzelner Spitäler vermitteln. Sie wurden zum Wohl der Allgemeinheit besonders nachhaltig zur Finanzierung dieser Lasten herangezogen.
Noch wichtiger indessen als die direkten Wirkungen des Krieges dürften die mittelbaren gewesen sein. Massive Einflüsse auf die Landwirtschaft werden bei der Untersuchung des Erntezyklus dargestellt werden. Angesichts dieser Produktionsausfälle und der damit einhergehenden Nachfrage nach Lebensmitteln durch das Militär drohten so lange Versorgungskrisen, bis der Krieg soviele Opfer gefordert hatte, daß sich der Nachfragedruck auf makaberste Weise enstpannte. Eine derart angespannte Marktsituation treibt aber die Preise in die Höhe. Massivste Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges sowohl auf das allgemeine Preis- und Lohnniveau als auch auf die Wirtschaftsführung der untersuchten Spitäler sind also auf jeden Fall zu erwarten.
VI. Der Erntezyklus
Wirtschaftsräume, in denen mit Getreide gehandelt wurde, waren in der Frühen Neuzeit angesichts der hohen Transportkosten – ein Pferd kostete denselben Taglohn wie ein Handwerksmeister – klein. Deshalb beeinflußten Ernteerträge die Preisbildung für agrarische Produkte in erheblichem Maße. Das zeigt sich bereits an der üblichen Entwicklung des Brotpreises innerhalb eines Jahres. Kurz vor der Getreideernte stieg in aller Regel der Brotpreis, um im Anschluß daran wieder zu fallen. Besonders das unverzichtbare Brotgetreide Dinkel, das die Verbraucher als Grundnahrungsmittel nicht einkommenselastisch nachfragen konnten, unterlag im Untersuchungsgebiet Einflüssen des Erntezyklus. Ein Vergleich von Ernteerträgen und Preisen in allen drei untersuchten Orten wird dies deutlich machen. In Zeiten schlechter Ernten stiegen die Preise, während sie bei guten Ernten fielen, sofern nicht exogene Faktoren die Angebots- oder Nachfragestruktur veränderten. Bis zum Bruch der Entwicklung durch die Industrialisierung läßt sich geradezu von einer Agrarkonjunktur sprechen[532].
Gerade daran lassen sich nichtsaisonale periodische Schwankungen der agrarischen Wirtschaftstätigkeit erklären. Solche periodischen Schwankungen, wiederkehrende pulsatorische Schwingungen (Abel), lassen sich in den Reihen der landwirtschaftlichen Produktion, der Preise, der Einkommen und des Verbrauchs landwirtschaftlicher Güter erkennen. Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein bieten die von Malthus und Ricardo, den Klassikern der Volkswirtschaftslehre, aufgestellten Theorien recht brauchbare Erklärungen für diese Vorgänge. Sie hängen eng mit der Bevölkerungsentwicklung zusammen: Die Bevölkerung habe die dauernde Neigung, sich über das Maß der vorhandenen Lebensmittel hinaus zu vermehren. So, wie die Bevölkerung wachse, würden auch die Preise für Lebensmittel steigen. Der Geldlohn nehme zwar auch zu, aber nicht in dem Maße wie die Preise, so daß sich die Lage des Arbeiters verschlimmere, während sich jene des Grundherren verbessere. Jenem Zeitraum werden die abgeleiteten Theorien des abnehmenden Bodenertrags, des sinkenden Nahrungsspielraumes, der steigenden Kaufkraft der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und der Konträrbewegung von Lohn und Grundrente gerecht. Nach dem Ausschalten saisonaler Komponenten beobachtete Wilhelm Abel an den Getreidepreisen einander ablösende Zyklen oder Wechsellagen. Einem Anstieg im 13. und beginnenden 14. Jahrhundert folgte ein langfristiger Abschwung. Weit steiler stieg die folgende Welle an, welche erst im 17. Jahrhundert abbrach. Eine dritte Welle löste sich dann im 19. Jahrhundert in Sonderbewegungen und kürzer befristete Zyklen auf.
Bei der Untersuchung der Agrarkonjunktur gilt es zu beachten, wie sich Rechnungsjahr und Erntejahr zueinander verhalten. Die Schreiber aller drei untersuchten Spitäler führten ihre Rechnungsbücher ab Georgi, also war der 23. April die entscheidende Zäsur. Während des Spitals Knechte die Wintersaat im August oder September ausbrachten, säten sie das Sommergetreide im März. Somit liegt bei allen Getreidesorten die Zäsur des Rechnungsjahres zwischen Aussaat und Ernte. Maßgeblich für einen Getreideertrag war also stets die Aussaatmenge des Vorjahres. Natürliche Umstände der Agrarproduktion, insbesondere Schwankungen der Witterungs-, der Wärme- und der Wasserverhältnisse wirken sich in wechselnden Ernten, dem Erntezyklus aus[533]. Dieser wiederum beeinflußt über das Marktangebot die Preise und letztlich den Gelderlös der Landwirte. Je größer die Abweichungen im Erntezyklus von mittleren Ernten sind, desto heftiger reagieren die Preise. Weil ihre Kurven dabei allgemein stärker ausschlagen, als die Ernteergebnisse, nimmt der Gesamtwert landwirtschaftlicher Produktion bei schlechten Ernten zu. Weil Landwirte aber einen Teil ihrer Erträge zur Selbstversorgung benötigen, hängt die Chance, von solchen Mißernten zu profitieren von der Betriebsgröße ab. Die Inhaber kleinerer Betriebe mußten sich in schlechten Jahren von ihren Erträgen selbst ernähren, wer ein größeres Gut besaß, konnte hingegen verkaufen und profitieren.
Wechsellagen im Erntezyklus können einen Teil der anhand von Preisreihen beobachteten Agrarkonjunktur erklären. Die Rechnungsbücher der untersuchten Spitäler bieten außer den Preisreihen auch eine Menge Informationen über den Gutsbetrieb der Anstalten. Alle untersuchten Spitäler bewirtschafteten nämlich in großem Umfang eigene Felder. Ihre Bediensteten, zum Teil auch Spitaliten, blümten Äcker an, ernteten und droschen das Getreide. In den Rechnungsbüchern verzeichneten die Schreiber entsprechend, wieviel Getreide ausgesät worden war, welche Erträge daraus erwuchsen, ja zum Teil sogar, welche Fläche der Spital angeblümt hatte und wieviele Garben diese ertrug. Außerdem finden sich immer wieder Notizen mit qualitativen Einzelinformationen, wenn die Schreiber begründen mußten, warum sie etwa nur einen auffällig geringen Ernteertrag eingenommen hatten. Insgesamt enthalten die untersuchten Rechnungsbücher also eine Fülle von Informationen zum Erntezyklus. Ein großer Vorteil der vorliegenden Untersuchung ist somit die homogene Quellenlage, die unter anderem auch Aussagen über den Erntezyklus erlaubt. Allerdings stehen bestimmte Informationen nur für einzelne Spitäler zur Verfügung. Angaben über die angeblümte Fläche liegen fast nur für Horb, Angaben über die Einnahme von Garben nur für Herrenberg und Horb vor. Es bleibt zudem festzuhalten, daß, wie generell bei Rechnungsbüchern, auch im Falle der Fruchtrechnungen Manipulationen nicht ausgeschlossen sind. Davon zeugt eine Maßnahme des Herrenberger Gerichts, welches 1625 einen reichen Pfründner zum Aufpasser beim Einbringen der Garben und beim Dreschen bestellte[534].
Alle drei Spitäler bauten hauptsächlich die Getreidesorten Dinkel, Hafer und Roggen an. Die bebaute Fläche blieb während des Untersuchungszeitraumes nicht gleich, da nach dem System der Dreifelderwirtschaft stets ein Teil der Äcker brach lag und da die Felder in den drei Zelgen unterschiedlich groß sein konnten. Indessen erwiesen sich die Mengen ausgesäten Getreides als sehr konstant. Als Beispiel dient der Zeitraum zwischen 1616 und 1634, die insgesamt durch sehr einheitliche Werte auffällt.
Durchschnittliche Aussaat 1616 – 1634 (in ) | |||
Dinkel | Hafer | Roggen | |
HORB A.N. 5,5 t | 51 | 35 | 14 |
ROTTENBURG 6,2 t | 57 | 37 | 6 |
HERRENBERG 3 t | 63 | 33 | 4 |
Nach dem Beginn der eigentlichen Kriegszeit, 1634, nahm die Menge des Saatgutes in Horb und Rottenburg in einzelnen Jahren eher geringfügig ab. In Herrenberg kann die Entwicklung nicht beurteilt werden, weil dort der Spital seine Eigenwirtschaft aufgab. Allgemein läßt sich sagen, daß es nicht an stark verringerten Saatgutmengen liegen konnte, wenn die erzielten Erträge sich während des Krieges nachhaltig verringerten. Eine solche Verringerung läßt sich aber bei den erzielten Getreideerträgen tatsächlich beobachten. Während der relativ normalen Jahre von 1616 bis 1634 erwirtschafteten alle drei untersuchten Anstalten das meiste Getreide durch den Dinkelanbau, wobei gleichzeitig der als Pferdefutter wichtige Hafer eine bedeutende Rolle spielte. Diese Gewichte waren aber in den drei Ortschaften zum Teil sehr unterschiedlich verteilt und sie entsprachen auch nicht gleichmäßig den ausgesäten Mengen.
Durchschnittliche Erträge 1616 – 1634 (in t) | |||
Dinkel | Hafer | Roggen | |
HORB A.N. | |||
1. Zehnt Volmaringen | 9,8 | 3,9 | 3,0 |
2. Spitalhof | 20,5 | 7,8 | 4,7 |
3. Hof in Altheim | 6,1 | ||
ROTTENBURG | |||
1. Zehnt | 10,1 | 10,4 | 1,2 |
2. Spitalhof | 15,4 | 14,7 | 4,0 |
3. Fronhof Seebronn | 7,8 | 1,6 | 1,7 |
4. Hof Wendelsheim | 7,9 | 1,7 | 0,8 |
5. Hof Frommenhausen | 3,5 | 1,2 | 0,7 |
HERRENBERG | |||
1. Spitalhof | 15,9 | 6,7 | 0,7 |
2. Das „Waldhaus“ | 2,3 | 1,4 | 0,6 |
Durchschnittliche Erträge 1616 – 1634 (in ) | |||
Dinkel | Hafer | Roggen | |
HORB A.N. | 61 | 24 | 15 |
ROTTENBURG | 43 | 45 | 12 |
HERRENBERG | 68 | 29 | 3 |
Am meisten Dinkel ernteten der Herrenberger Spital und jener in Horb, wobei der hohe Anteil in Herrenberg vor allem auf Kosten des Hafers und des Roggens ging, in Horb vor allem auf Kosten des Hafers. Weitaus ausgeglichener war das Verhältnis in Rottenburg, wo der Spital in etwa gleiche Mengen Dinkel und Hafer einbrachte. Das zweitwichtigste Brotgetreide, der Roggen, spielte in Herrenberg praktisch keine Rolle, kam indessen in Horb und in Rottenburg immerhin noch beachtlich zur Geltung. Während sich bei der Rottenburger Anstalt die Ertragsverhältnisse im Beobachtungszeitraum praktisch nicht änderten, stellten die in Horb und Herrenberg ihre landwirtschaftliche Produktion nach und nach um. In Horb vergrößerte sich seit 1641, also im Laufe des Krieges, der Haferanteil auf etwa 35 Prozent, Folge einer verstärkten Aussaat. Nach einer vorübergehenden Depression zwischen 1652 und 1658 stabilisierte er sich bei etwa einem Drittel. In Herrenberg blieb das Verhältnis zwischen dem Brotgetreide und dem Viehfutter Hafer ungefähr konstant, während sich das Verhältnis zwischen Dinkel und Roggen von 1639 bis 1653 zugunsten des Roggens veränderte, der zu einem Anteil von über zehn Prozent kam. Dies war allerdings mehr die Folge sinkenden Dinkel- und Haferanbaus, als jene zusätzlich ausgesäten Roggens. Die festgestellten Veränderungen müssen, zumindest zum Teil, auf bewußte Anbauentscheidungen zurückgeführt werden. Später wird die Frage nochmals aufgeworfen werden müssen, inwiefern sie als Anpassungsprozesse der Spitalwirtschaft an die durch den Dreißigjährigen Krieg veränderte wirtschaftliche Situation gewertet werden können.
Insgesamt stehen die ausgebrachten Saatmengen in keinem gleichbleibenden Verhältnis zu den daraus erwachsenen und schließlich geernteten Früchten. Dieses Mißverhältnis gibt interessante Hinweise auf den Erntezyklus. Solche Unterschiede verursachten Faktoren, die außerhalb der Anbauentscheidung lagen. Und um diese geht es bei der Beurteilung von Erntezyklen besonders. Das Verhältnis zwischen einer Menge Saatgut und der Menge daraus geernteter Früchte wird als Ertragsziffer bezeichnet. Sie gibt einerseits einen Maßstab für die Ertragsfähigkeit des Bodens, andererseits für die darauf einwirkenden Faktoren[535]. Durch Divison – ohne Abzug der Saatmenge von der Erntemenge – erhält man diese Ziffer, die aussagt, wieviel Teile Ernte auf einen Teil Saatgut entfielen. In allen drei untersuchten Orten kann dieser Vergleich anhand relativ geschlossener Reihen angestellt werden. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, daß die in den Rechnungsbüchern angegebenen Werte zum Teil durch unterschiedliche Vorbedingungen gestaltet wurden. So kann es sein, daß Dreschergebnisse im einen Ort mit, im anderen ohne Abzug eines naturalen Lohnanteils der Drescher angegeben sind. Auch an Teilmeier, die einen Teil ihrer Ernte behalten durften, ist zu denken, bei denen nicht die gesamten Ernteerträge dem Spital zugute gekommen sein müssen. Deshalb können Ertragsziffern zwar für ein und denselben Ort in aller Regel gut untereinander verglichen werden, weniger gut jedoch mit jenen anderer Orte. Besonders aussagekräftig sind die Ertragsziffern für Dinkel und Hafer, da dies die beiden hauptsächlich angebauten Getreidearten waren. Während die Horber Ertragsverhältnisse in der gesamten Untersuchungszeit relativ konstant blieben, verschlechterte sich die Lage in Herrenberg und Rottenburg. Zum Vergleich existieren bisher leider keine Daten aus dem Untersuchungsgebiet.
Gesamtdurchschnitte für die skandinavischen Länder und für Mitteleuropa werden – nach Abzug der Aussaatmengen – mit 5,0 bis 3,7 für Roggen und mit 4,0 bis 3,2 für Hafer angegeben.
Ertragsziffern für Getreide 1616 – 1634; Anbauverhältnisse in Rottenburg 1821[536] | |||||||
Dinkel | Hafer | Roggen | Dinkel | Hafer | |||
Horb a.N. | 7,31 | 4,09 | 6,47 | Aussaat je Morgen | 8 Sri | 4 Sri | |
Rottenburg | 8,39 | 6,26 | Ernte je Morgen | 9-10 Sch | 6 Sch | ||
Herrenberg | 8,61 | 6,94 | 6,11 | Ertragsziffer | 9 – 10 | 12 |
Friedrich-Wilhelm Henning hat darauf hingewiesen, wie sehr diese Verhältnisse von der Größe des Hofes und von Anbaugewohnheiten beeinflußt wurden[537]. Die in den untersuchten Orten ermittelten Werte lägen bei einer entsprechend angepaßten Rechenmethode in dieser Größenordnung. Die durch die Ertragsziffern angegebenen Gewichtsverhältnisse entsprechen freilich nicht dem Größenverhältnis der jeweils angebauten Felder. Roggen bauten die Bauern sehr viel intensiver an als Hafer. Am ausgedehntesten waren auf den 3465 Ar der Horber Spitaläcker nach Kriegsende die Haferfelder.
Vom Beginn des 17. Jahrhunderts liegt eine zeitgenössische Aussage aus Rottenburg darüber vor, daß Erntehelfer von zwei Jauchert Ackerfläche ungefähr 100 Garben schnitten. Daraus droschen andere Taglöhner wenigstens 12 Malter Frucht[538].
Saatmengen und Erträge je Jauchert 1648 – 1674 | |||
Horb in kg | Dinkel | Hafer | Roggen |
Aussaat je Jauchert | 83,42 | 43,01 | 60,61 |
Erträge vom Jauchert | 639 | 234 | 380 |
Anteile an den Feldern | 37 | 49 | 14 |
Ein Hof in Gärtringen, von dem der Herrenberger Spital eine Roggengült beanspruchte, erlitt 1679 eine erhebliche Mißernte. Aus diesem Anlaß bat der Bauer die Spitalverwalter um Minderung, welche jene ihm schließlich auch zugestanden, weil sonst ihme das liebe Brodt bald auch ausgehen wirdt. Der Antragsteller hatte 2,5 Morgen mit Roggen und Dinkel zu schneiden. Ein Morgen Roggen trug nur 12 Garben ein, etwa halb soviel wie normal[539].
Für den Ernteertrag jedes Jahres war natürlich auch die Qualität der Früchte entscheidend. Um Hinweise auf diese Qualität zu erhalten, wird auf Grund der vorhandenen Quellen eine Dreschziffer gebildet. Dreschziffern lassen sich für jene Jahre errechnen, in denen sowohl die Menge der eingebrachten Fuder und Garben als auch des daraus gedroschenen Vesens bekannt sind. Allerdings können derartige Berechnungen nur mit großer Vorsicht genossen werden, da Fuder und Garben keine absoluten Maße sind. Mit Fuder wurde ursprünglich eine Wagenladung bezeichnet, die aus mehreren Garben, aber auch aus Wein bestehen konnte.
Auch im Untersuchungszeitraum lassen sich verschieden große Mengen von Garben errechnen, die auf ein Fuder kamen, durchschnittlich etwa 120. Für die Garben gelten ähnliche Unsicherheiten, da ja eine Garbe dick oder dünn und aus mehr oder weniger großen und inhaltsreichen Halmen gebunden sein konnte. Trotzdem müßten Dreschziffern Hinweise auf die Qualität der Ernte geben. Wenigstens stimmt die Tendenz der Dreschziffern für unterschiedliche Früchte im Falle der ermittelten Datenreihen für Herrenberg und Horb überein, so daß anhand dieser Ziffern doch Rückschlüsse auf den Erntezyklus möglich sind.
Dreißig Prozent geringere Dreschziffern weisen auf schlechte Dreschergebnisse in den Jahren 1613, 1625, 1638 und 1652 hin. Damals müssen die Garben schlechter vorhergehender Ernten ausgedroschen worden sein. Ausgesprochen gute Jahre zeichnen sich anhand der Dreschziffern nicht ab. Die Ertragssituation in den drei benachbarten Städten und einigen außerhalb liegenden Orten, in denen die Spitäler eigene Höfe bewirtschafteten, ist nahezu vollständig dokumentiert.
Dreschziffern in Herrenberg | |||
Dinkel | Hafer | Roggen | |
kg je Fuder | 1115 | 1048 | 1068 |
Dreijährig gleitende Mittelwerte erlauben es, die Saisonkomponente weitgehend auszuschalten. Insgesamt acht landwirtschaftliche Betriebe konnten hinsichtlich der Entwicklung ihrer Agrarerträge untersucht und miteinander verglichen werden. Sie lagen in Horb, Altheim, Rottenburg, Wendelsheim, Seebronn, Frommenhausen, Herrenberg und außerhalb Herrenbergs. Zur weiteren Überprüfung dienten die für Horb und Rottenburg vorhandenen Angaben über Zehnterträge, in denen sich in etwa die Ertragssituation wiederspiegeln müßte.
Um die Ursache für Schwankungen bei den Erträgen feststellen zu können, wurden soweit möglich qualitative Informationen herangezogen, Ertragsziffern und Dreschziffern berechnet. Zur Interpretation erwies sich für alle acht untersuchten Betriebe – wohl als Folge der das gesamte Untersuchungsgebiet offenbar in ähnlichem Maße beeinflussenden maßgeblichen Faktoren für den Erntezyklus – eine Einteilung in sechs Zeiträume als sinnvoll. Diese Einteilung weicht allerdings von anderen in dieser Untersuchung verwendeten ab, trifft also lediglich auf die Erntezeyklen zu. Deshalb benutze ich in diesem Zusammenhang nicht den Ausdruck Periode, welcher für die schließlich als Ergebnis dieser Arbeit definierten Periodisierung vorbehalten bleibt.
Als normal mit stark schwankenden aber im Durchschnitt auf relativ einheitlichem Niveau bleibenden Erträgen läßt sich der Zeitraum zwischen 1590 und 1608 bezeichnen. Gute Ernten erbrachten in ganz Deutschland die Jahre 1598 bis 1600[540]. Daran müssen einige schlechtere angeschlossen haben, wie Aussagen von 1607 belegen, welche die schlechte Lage der Spitalwirtschaft unter anderem auch mit großn Wetter, so vil Schaden gethon[541], begründeten. Diese Schäden dürften jedoch den im normalen Erntezyklus zu erwartenden Ausfällen entsprochen haben.
Ganz anders hingegen sind solche Ausfälle im Zeitraum zwischen 1609 und 1615 zu werten. Hier läßt sich von einer regelrechten Folge von Mißernten sprechen, während der mehrere Mißernten, die sich durch entsprechend geringe Ertragsziffern und Dreschziffern nachweisen lassen, zu einer im Durchschnitt stark geminderten Ertragslage führten. Aus Horb hieß es 1611, daß gleich nach der Kornernte kein Vesen mehr auf dem Kasten gewesen sei, so daß man die neugeschnittenen Früchte verbrauchen mußte. Am schmerzlichsten dürften Zeitgenossen die katastrophalen Ernten der Jahre 1612 und 1614 empfunden haben. Dafür war 1612 ein schwerer Hagel verantwortlich[542]. Der Horber Spital kaufte 1614 als Ausgleich für Ernteausfälle Früchte in Straßburg ein. Für die benachbarte Schweiz hat Christian Pfister für die Jahre von 1565 bis 1629 eine Klimaverschlechterung festgestellt, an die sich seit 1630 eine Trockenperiode anschloß[543].
Als überwiegend normal dürften Zeitgenossen wiederum die Ernteerträge im Zeitraum von 1616 bis 1634 empfunden haben, wenn auch schon 1628/29 verstärkt Truppen durchs Land zogen und sich erste Seuchen verbreiteten. Ich verwende hierfür den Ausdruck Vorkriegszeit, weil sich im Untersuchungsgebiet praktisch keine Kriegswirkungen auf den Erntezyklus nachweisen lassen. Es gab zwar stark schwankende, aber insgesamt doch auf recht hohem Niveau verharrende Erträge bei leichtem Abwärtstrend. Auf Grund der Erträge in diesen Jahren wurden Angaben über die normalen Erträge der Höfe errechnet. Einzelne Mißernten brachten die Jahre 1621, 1623, 1630 und 1633, im allgemeinen lagen die Ertragsziffern sonst relativ hoch. Über die Mißernte 1623 berichteten Untervogt, Bürgermeister und Gemeinde von Tübingen in einer Eingabe an den Herzog[544]. Ein Hagelwetter und der durch Pilzbefall ausgelöste Getreiderost[545] schadeten damals den Pflanzen. Hinzu kam, daß auch auf der Schwäbischen Alb wegen zu lange gelegenen Schnees die Ernte fast vollständig ausgefallen war. Gerade auch angesichts der damals durch einquartierte Soldaten verstärkten Nachfrage nach Lebensmitteln folgte diesen Ernteausfällen eine nachhaltige Teuerungs- und Versorgungskrise. Gleichzeitig schadete eine lange Dürre auch anderen Erdgewächsen. Der Dreißigjährige Krieg wirkte sich damals in Südwestdeutschland zunächst noch höchstens durch Einquartierungen aus. Man kann deshalb von einem durch direkte Kriegswirkungen noch relativ unbeeinflußten Erntezyklus ausgehen.
Anschließend machte sich der Krieg dann allerdings mit aller Vehemenz bemerkbar. Die eigentliche Kriegsphase dauerte von 1635 bis 1646. Auswirkungen des Krieges beeinträchtigten in diesem Zeitraum die landwirtschaftlichen Erträge direkt, weshalb es zu einer nachhaltigen Verschlechterung der Ernteergebnisse kam. Währenddessen nahm die Menge des ausgesäten Getreides nur geringfügig ab. Weil gleichzeitig, vom Jahr 1638 abgesehen, die Dreschziffern eher stabil blieben, die Ertragsziffern aber zurückgingen, besonders deutlich im Falle von Rottenburg, muß dieser Rückgang vor allem durch Einflüsse des Krieges verursacht worden sein. Ihre auswärtigen Höfe ließen die Spitäler währenddessen erst gar nicht bewirtschaften, oder sie fanden, wie der Rottenburger Spital 1646, wegen der unsicheren Zeiten keine Meier. Außerhalb der Städte fiel die Ernte vollständig aus[546]. In Herrenberg entschied sich der städtische Rat 1641 zue Verhüetung besorgten Abgangs dafür, die Eigenwirtschaft abzuschaffen und seine Güter in eine Meierei umzuwandeln. Dafür bezog er nur noch die Hälfte der Erträge. In Rottenburg verbrannten die eingebrachten Garben 1644 beim Stadtbrand. Die Lage verschärfte ein Hochgewitter, das am 2. Juli 1646, beinahe alle und zwar die allerschönsten lieben Früchten samt den Weinbergen… dergestalt zerschlagen und getroffen…, daß, leider Gott erbarms, keine Sichel gebraucht und angelegt werden kann. In den Feldern sei es so übel gestanden, daß ein steinernes Herz darüber weinen möchte[547].
Für die Landwirtschaft schloß sich an die Kriegszeit bis zum Jahr 1666 eine Erholungsphase an, während der die Spitäler ihre Eigenwirtschaft wieder aufbauten und sich so nach und nach von den Folgen des Krieges erholten. Schon das Jahr 1647 bot mit einer reichlichen Ernte einen willkommenen Auftakt[548]. In Horb erreichten die Ertragsziffern wieder das Vorkriegsniveau, in Rottenburg stieg der Trend gleichfalls, die Erträge blieben aber gegenüber dem Vorkriegsstand zurück. Brachliegende Felder wurden zum Teil erneut bestellt, vor allem auch wieder auf den auswärtigen Höfen. Deren Erträge hinkten allerdings noch weit hinter jenen vor Kriegsbeginn her. Ein Fehljahr mit geringen Erträgen gab es 1658. In Rottenburg zerschlug 1666 ein Hochgewitter einen großen Teil der Halme.
Einen gewissen Sättigungsgrad dürfte die Wiederaufbauarbeit 1667 erreicht haben, so daß ab diesem Jahr von einer Nachkriegszeit gesprochen werden kann, während der sich bei leicht steigendem Trend insgesamt eine Normalisierung der Erträge andeutet. Drei nachhaltige Mißernten 1666, 1669 und 1672/73, die sich durch geringe Ertragsziffern auszeichnen, konnten diesen Trend nicht umkehren.
Freilich zeitigte der Dreißigjährige Krieg bleibende Folgen, welche sich an den Dinkelerträgen der von den Spitälern selbst bewirtschafteten Felder ablesen lassen. So erreichten die Ernteerträge nach 1634 während des Beobachtungszeitraumes nie mehr das Niveau der vorhergehenden Jahre. Weil während der eigentlichen Kriegsjahre, vom Jahr 1630 einmal abgesehen, keine ausgesprochene Mißernte stattgefunden zu haben scheint, sind diese Ertragsverluste eindeutig den Kriegseinwirkungen zuzuschreiben. Besonders deutlich wird dabei ein Stadt-Land-Gefälle. Obgleich von den städtischen Spitalhöfen aus auch während der eigentlichen Kriegszeit Felder bewirtschaftet wurden, mußten die Höfe auf den Dörfern aufgegeben werden. Deren Felder lagen bis nach Kriegsende zu wesentlichen Teilen brach. Diese Aussagen über die Erntezyklen im Untersuchungsraum werden mit heranzuziehen sein, wenn es gilt, die Entwicklung der Agrarpreise und jene der Lebensverhältnisse zu erklären.
Der Weinbau in den drei Orten
Wein war im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit das eigentliche Exportprodukt des Landes am oberen Neckar. Vom 12. bis zum 16. Jahrhundert nimmt Franz Quarthal[549] eine ständige Ausdehnung der mit Weingärten bewachsenen Fläche an. Vor allem die Einwohner von Rottenburg, Hirschau und Wurmlingen bewirtschafteten umfangreiche Rebflächen. Das Kleinere Steuerberaitungsprotokoll der vorderösterreichischen Länderaus den Jahren 1678 bis 1698[550] nennt für Rottenburg 483,5 Jauchert, für die niedere Herrschaft Hohenberg 468 Jauchert und für Horb 81,25 Jauchert Rebfläche. Außer im Falle der Rottenburger Weingärten galten alle als schlecht oder sehr schlecht. Von Rottenburg aus exportierten Händler den Wein in großem Maßstab vor allem nach Ulm, Reutlingen und in andere Städte der näheren Umgebung. Der Weinbau beherrschte das gesamte Wirtschaftsleben der Stadt. Darüberhinaus trugen die Einnahmen aus ihm einen überwiegenden Teil zu den herrschaftlichen Einkünften aus Niederhohenberg bei. Die Blüte des Weinbaus und des Weinhandels im Spätmittelalter begründete den Wohlstand der Grafschaft, sein Niedergang im 17. Jahrhundert ließ die Region in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung weit zurückfallen, so Quarthals zusammenfassende Beurteilung dieses Wirtschaftsfaktors. Als Symptome des Niedergangs nennt er den Umfang der Rottenburger Rebanbauflächen im Jahr 1681 von 604 Jauchert und den Wert der auf dieser Fläche erzielbaren Weinernte, welcher zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert um ein Drittel abnahm. Im 18. Jahrhundert galten die einst selbsbewußten Weingärtner als blutarm. Ursache dieses Niedergangs sei ein geänderter Geschmack bei den Trinkern und die Verwüstung der Weinberge im Dreißigjährigen Krieg gewesen.
Der Weinbau unterliegt grundsätzlich anderen Faktoren, als der Getreideanbau. Er hängt nicht von einer Aussaat ab, sondern von der arbeitsintensiven Pflege der Reben. Somit entfällt der durch die Anbauentscheidung begründete dreijährige Zyklus des Fruchtwechsels beim Getreide. Darüberhinaus können Weinernten im Unterschied zum Getreide praktisch vollständig ausfallen, etwa nach Frost wie 1576 oder 1602[551]. Umfangreiche Weinerträge bedeuten auch nicht unbedingt ein gutes Weinjahr, weil hier der Qualität eine entscheidende Rolle zukam. So wagte es der Herrenberger Spital 1632 nicht, seinen Pfründnern den sauren jungen Wein auszuschenken. Freilich werden sich die Einflüsse des Krieges in ähnlicher Weise beim Weinbau wie beim Getreideanbau bemerkbar gemacht haben, da sich etwa ein verringertes Arbeitskräftepotential in gleicher Weise nachteilig auf die Getreideernte wie auf die Weinernte auswirken mußte. Zerstörte Weingärten gar unterlagen wesentlich schwierigeren Wiederaufbaubedingungen, als verwüstete Getreidefelder, da die jungen Reben erst einmal mehrere Jahre wachsen mußten, bevor sie die Investitionen des Wengerters durch Früchte entlohnten. Aus all diesen Gründen muß der Erntezyklus beim Weinbau gesondert von jenem des Getreideanbaus untersucht werden. Dabei ist zu beachten, daß Wein für das Neckartal eine sehr viel größere Bedeutung hatte, als für Herrenberg. Zur Untersuchung lassen sich die Ertragsreihen aus dem Kelterwein, vom Zehnt- und landgarbigen Wein und aus dem Eigenbau verfolgen. Alle genannten Ertragsarten bemaßen sich nach dem Ernteergebnis des jeweiligen Jahres und beruhten auf ziemlich konstant bleibenden Weinbergflächen. Alle drei Spitäler besaßen Keltern, bezogen Wein von Zehnten oder Landgarben und betrieben eigenen Weinbau, wobei dieser in Herrenberg allerdings so unerheblich war, daß ein sinnvoller Vergleich nicht möglich erschien. Als normal wird im folgenden, wegen der relativ einheitlichen Erträge, das Niveau der Weinerträge zwischen 1622 und 1635 genannt.
Der Zehntwein gibt am ehesten Auskünfte über den Erntezyklus des Weinbaus im gesamten Ort. Denn in diesem Ertrag spiegeln sich die Erträge von Weingärten außerhalb des Spitals wieder.
Erträge an Wein 1622 – 1635 (in Hektoliter) | |||
Kelter | Zehnt | Eigen | |
Horb a.N. | 18 | 2 | 56 |
Rottenburg | 40 | 124 | 195 |
Herrenberg | 4 | 18 |
Vor allem der Rottenburger Spital besaß umfangreiche Zehntrechte. Nur sehr dürftig hatten im Vergleich dazu den Horber Spital seine Stifter mit Zehntrechten bedacht. Mit diesen Zehntrechten wurden in der obigen Tabelle die Herrenberger Landgarben (+) verglichen. Beim Eigenbau sind die Herrenberger Angaben wegen der geringen Mengen schwer zu beurteilen. Insgesamt zeigt diese Aufstellung die Dominanz des Weinbaus in Rottenburg, wohingegen er in Herrenberg keine besondere Rolle spielte. Bei den Hohenbergischen Städten nahm der Rottenburger Spital fast fünfmal soviel Wein ein, als jener in Horb. Damit bestätigt sich auch bei der Betrachtung der Spitäler die Konzentration des Weinbaus innerhalb der Herrschaft Niederhohenberg auf Rottenburg[552]. Klimatische und geographische Faktoren werden für diese Verteilung im wesentlichen verantwortlich sein.
Bei den Keltern ist die Ertragsentwicklung schwierig einzuschätzen, da durch den Krieg für längere Zeit Kelterbäume ausfielen, in Rottenburg und Herrenberg brannten sie ab. Sofern die Spitalverwaltungen diese Keltern überhaupt wieder aufbauen ließen, geschah dies während der Kriegsjahre durchweg mit verminderten Kapazitäten.
Zur Beurteilung des Erntezyklus beim Weinbau hat sich eine Einteilung in sieben Zeiträume als sinnvoll erwiesen. Vor dem Krieg bis 1612 hielten die Weinerträge ein relativ hohes Ausgangsniveau. Ähnlich wie beim Getreide folgte eine regelrechte Serie von Mißernten, während der die Erträge allgemein auf unter 80 Prozent zurückgingen und die bis 1621 dauerte. Weil damals der Krieg sich noch nicht auswirkte, müssen natürliche Umstände wie Witterung, Wärmeverhältnisse, Wasserverhältnisse, vielleicht auch Schädlingsbefall für diesen Rückgang verantwortlich sein. Auf vorhergehende schlechte Ernten deuten beispielsweise in Horb umfangreiche Käufe in drei Jahren hin. Auch mit Bier substitutierten die Pfleger manchmal den Rebensaft. Weil der Wein dann bis zum Wirksamwerden des Krieges insgesamt ein konstantes Niveau in Höhe der Vorkriegszeit hielt, bezeichne ich den entsprechenden Durchschnitt als normal. Einzelne Rückschläge, etwa wenn Frost am 25. Mai 1626 oder am 26. Mai 1633[553] die Trauben in Rottenburg zugrunde richtete, gehören beim Weinbau eher zu den Normalerscheinungen. Solche Rückschläge begleiteten in Horb wieder entsprechende Käufe und die Substitution mit Bier. Kriegsgefahren minderten während der heißen Kriegsphase ab 1636 vor allem in Rottenburg die Weinerträge erheblich. Im Zentrum des Weinbaus gingen die Zehnteinnahmen auf die Hälfte, eigene Erträge auf 65 Prozent und der Kelterwein sogar, da des Spitals Kelter abbrannte, auf unter ein Drittel zurück. In Herrenberg waren die Einbußen insgesamt noch größer, da die Kelter in Breitenholz seit 1639 wüst lag und von Landgarben weniger als 40 Prozent Wein eingingen. Erstaunlich gut kam hingegen der Weinbau in Horb davon, wo der Eigenbau sogar noch um fast 40 Prozent mehr einbrachte und die Keltern nur leichte Einbußen von etwa einem Zehntel erlitten. Während des Wiederaufbaus seit 1651 nahm besonders der Rottenburger Weinbau schnell wieder zu und ertrug sogar deutlich mehr als normal. Die Zehntrechte brachten in Rottenburg ein knappes Drittel, der Eigenbau 15 Prozent mehr ein. Indessen ertrugen die Keltern weiterhin nur ein Drittel ihrer Vorkriegsleistung, weil die meisten Kelterbäume noch nicht wiederaufgebaut waren. Auch der Horber Weinbau nahm in ähnlichem Maße zu. Ob sich angesichts der rasch gesteigerten Mengen auch die Qualität halten ließ, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Hinweise wie im Falle von Horb, wo der Pfründner Michael Haug 1652 sein Mas Horber Pfründwein daransetzte, um die Hälfte der Menge guten Weines ausgeschenkt zu bekommen, lassen sich nicht ohne weiteres verallgemeinern. Allerdings spricht das Steuerberaitungsprotokoll der vorderösterreichischen Länder vom Ende des 17. Jahrhunderts eine deutliche Sprache[554]. In ihm werden alle Rebflächen außer jenen in Rottenburg ja als schlecht oder sehr schlecht eingestuft. Während den Rottenburgern bei der Steuerberechnung ihre Weingärten doppelt angerechnet wurden, kamen zum Beispiel die Horber Bürger mit einer einfachen Veranlagung davon. Gegenüber der Situation in Hohenberg scheint sich der Herrenberger Weinbau nach dem Krieg nicht mehr recht erholt zu haben. Daß der Herrenberger Spital seine Weingüter in Breitenholz schließlich verkaufte, war nur die logische Konsequenz dieses Niedergangs.
Eine zweite Serie von Mißernten traf die Spitalwirtschaften seit 1662. In den folgenden fünf Jahren erlitten alle Weinbauern dramatische Ernteausfälle. Knappe zwei Drittel betrugen die Rottenburger Zehnterträge, vom Eigenbau kam weniger als die Hälfte ein und die Kelter brachte lediglich ein Drittel. Ähnlich katastrophal war die Situation in Horb: nur noch die Hälfte normaler Erträge verzeichnete der Schreiber beim Zehnt und Eigenbau, 58 Prozent notierte er für die Keltern. Im Anschluß an diesen Rückschlag reagierten die meisten Spitäler mit einer erneuten Verbesserung seit 1667. In Rottenburg brachten die Zehntknechte seitdem drei Viertel mehr ein, der Eigenbau florierte mit gut doppelt so viel wie gewöhnlich und die Kelter erreichte wieder ihren einst normalen Stand. Auch beim Horber Weinbau machte sich in diesem Zeitraum ein – allerdings im Vergleich zu Rottenburg abgeschwächter – Boom bemerkbar.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Rottenburger Spitalwirtschaft besonders stark auf den Weinbau ausgerichtet war. Kriegswirkungen trafen diesen Spital deshalb am stärksten. Er konnte seinen Weinbau aber bereits unmittelbar nach Kriegsende wieder auf das alte Niveau bringen und in den 1670er Jahren sogar noch darüberhinaus steigern. In Horb blieb das Rebengewächs vom Krieg eher verschont, nach Kriegsende war die Intensivierung aber auch nicht so deutlich. Während also diese beiden Anstalten nach Kriegsende verstärkt auf den Weinbau setzten, gab jene in Herrenberg ihre Rebkulturen mehr oder weniger auf. Angesichts der damals erzielten Weinpreise, auf die weiter unten näher eingegangen wird, war die Anbauentscheidung im Neckartal durchaus gerechtfertigt. Der Dreißigjährige Krieg führte also nicht unmittelbar und auf direktem Weg – durch die Zerstörung der Weingärten etwa – zum Niedergang des Weinbaus der hohenbergischen Spitäler. Sofern man die Spitalwirtschaft stellvertretend für die Wirtschaft der Stadt Rottenburg betrachtet, müssen die Gründe für den Bedeutungsschwund dieses Wirtschaftsfaktors in mittelbaren Folgen des Krieges oder bei anderen Ursachen gesucht werden. Zu denken wäre an eine Qualitätsminderung wegen der vielleicht nur im Hinblick auf schnelles Wachstum nach Kriegsende angepflanzten Rebstöcke und an die immer wieder als Motiv genannte Änderung der Geschmacksrichtung.
VII. Staatliche Preisregulierungen
Bisher wurden in der vorliegenden Arbeit von den Kräften, welche die Bildung der Preise und Löhne im Untersuchungsgebiet beeinflußten, besonders die Entwicklung der Währung, der Erntezyklus und die Wirkungen des Dreißigjährigen Krieges untersucht. Welche Kräfte haben die Bildung der Preise und Löhne in Rottenburg, Horb und Herrenberg sonst noch beeinflußt? Daß dabei nicht nur Kräfte des freien Marktes mitwirkten, zeigt bei einigen Preis- und Lohnreihen bereits deren treppenstufenartiger Verlauf. Solche Reihen, die sich nach mehrjährigem konstantem Verlauf plötzlich durch einen Preissprung qualitativ verändern, um anschließend während mehrerer Jahre auf dem neuen Niveau zu verharren, legen zumindest den Verdacht obrigkeitlicher Preisregulierung nahe. Tatsächlich läßt sich diese Art landesherrlicher Einflußnahme[555] während des Untersuchungszeitraumes für alle drei Städte und für die Territorien, denen sie angehörten, nachweisen. Sie gehören zu den bedeutenden exogenen Faktoren im Untersuchungszeitraum. Weil dabei für die bearbeiteten Städte jeweils die Maßnahmen ihrer Landesherren zum Tragen kamen, müssen diese für das Herzogtum Württemberg und die Grafschaft Hohenberg untersucht werden. Dabei kommen bevorzugt solche Quellen zur Darstellung, welche die konkreten Verordnungen für das Untersuchungsgebiet wiedergeben und in denen sich die Wirkung der Maßnahmen vor Ort spiegeln, dies sind insbesondere Berichte der einzelnen Ämter im Vor- und Nachfeld der Preisregulierungen[556].
Staatliche Preis- und Lohnregulierungen durch Handwerker- und Taxordnungen sind nicht erst eine Errungenschaft des 17. Jahrhunderts und somit nicht etwa eine Neuschöpfung wegen der wirtschaftspolitischen Probleme jener Zeit. Die erste bekannte Taxordnung Württembergs stammt aus dem Jahr 1425. Daran läßt sich die bis ins Mittelalter zurückreichende Tradition[557] derartiger obrigkeitlicher Eingriffe in den Markt ermessen. Ursprünglich stand hinter solchen Preisregulierungen wohl die Idee vom gerechten Preis. Im Zusammenhang mit der Zunftordnung handelte es sich oft um Ordnungstaxen, die sehr nahe am Marktpreis lagen, damit nur geringe Folgen hatten und deshalb als unechte Preisbindungen bezeichnet werden[558]. Wohl echte Taxen beabsichtigte die Reichspolizeiordnung von 1530, wenn sie die lokalen Instanzen anwies, Löhne für Arbeiter, Taglöhner und Boten festzusetzen und im Gaststättengewerbe Höchstpreise einzuführen. Außergewöhnliche Teuerungen im Jahr 1579 veranlaßten den württembergischen Herzog Ludwig ebenfalls zu echten Taxen[559].
Taxordnungen in Württemberg und Hohenberg 1 | ||
Württemberg | Hohenberg | |
1425 | Erste Taxordnung | |
1579 Nov 14 | Generalreskript, die Handwerker betreffend | |
1622 Jun 15 | Taxa und Ordnung des Feldgeschäfts | |
1622 Aug 17 | Zweite Taxordnung | |
1622 Sep 9 | Generalausschreiben | |
1622 Sep 14 | (Erste) Taxordnung | |
1622 Nov 9 | Generalreskript über Anwendung der TaxO bei Tauschverträgen | |
1623 Jan 25 | Dritte Taxordnung | |
1623 Mrz 31 | Generalreskript mit Zusätzen zu TaxO | |
1625 Samstag vor Ostern | Fleisch- und Metzgertaxe | |
1625 Mai 5 | Generalverordnung in Tax- und Gewerbesachen |
Die Teuerungsjahre der Kipper- und Wipperzeit, deren währungspolitischer Aspekt bereits weiter oben dargestellt wurde, bewogen dann die württembergische Regierung zur Rückbesinnung auf das bekannte wirtschaftspolitische Instrument der direkten Preisregulierung. Herzog Johann Friedrich erließ am 17. August 1622 die zweite umfassende Taxordnung[560], die für das württembergische Territorium bekannt ist und gleichzeitig die erste im Untersuchungszeitraum. Veranlaßt sah sich der Herzog zu dieser Taxierung durch die seit unverdencklichen Jaren hero nie erfahrne schwere Hungersnoth, Thewr- und höchste Staigerung aller Menschlichen Notturft. Er setzte Obergrenzen für Preise und Löhne fest, wobei die Löhne nur summarisch behandelt wurden, zumindest nicht im Vordergrund der Maßnahmen standen. Dabei blieb erklärtes Ziel, die Preise möglichst unter die genannten Grenzen zu senken[561]. Es handelt sich also um Grenzpreise, die lediglich das obere Limit setzten, wohingegen bis zu dieser Grenze Gestaltungsmöglichkeiten blieben, also nicht um Festpreise[562]. Mit sonders ungnädigem Mißfallen[563] mußte der Herzog in den folgenden Jahren indessen immer wieder erfahren, daß seine Verordnungen nur unzureichend befolgt wurden. Deshalb steht die württembergische Taxordnung von 1622 am Beginn einer ganzen Kette weiterer Preisregulierungen und anderer flankierender Maßnahmen. Kein halbes Jahr später, am 25. Januar 1623, folgte die dritte Taxordnung[564]. Ein Stück weit verlagert hatte sich das Teuerungsproblem dann nach der Rückkehr Herzog Eberhards aus dem Straßburger Exil. Nicht mehr nur gegen die Bauern richteten sich die Bestimmungen der Vierten Taxordnung vom 30. April 1642. Vielmehr waren es damals die Handwerker, die ohnerachtet die Früchten und andere Victualien widerumb in zimblich wolfailem und annemblichem Preis zuhaben[565], ihre Löhne in die Höhe trieben.
Taxordnungen in Württemberg und Hohenberg 2 | ||
Württemberg | Hohenberg | |
1642 Apr 30 | Vierte Taxordnung | |
1645 Jun 4 | Verordnung über den Handel ins Ausland | |
1651 Nov 13 | Göppinger Rezeß | |
1651 Dez 10 | Tübinger Taxordnung | |
1652 Mrz 30 | Rottenburger Fleischtaxe | |
1652 Apr 12 | Abschied des Schwäbischen Kreises zur Lohnregulierung | |
1652 Jun 21 | Tübinger Taxordnung | |
1653 Nov 18 | Verordnung Betreff in der Taxen für die Handwerker und Weingärtner | |
1654 Jan 14 | Fünfte Taxordnung | |
1654 Jun | (Zweite) Taxordnung | |
1669 Mai 26 | Tübinger Taxordnung | |
1669 Nov 19 | Generalreskript über die revidierten Taxordnungen | |
1672 Aug 1 | Generalreskript über Lohn- und Preistaxen |
Damals scheinen alle Lohnempfänger, angefangen bei Handwerkern über Weingärtner bis hin zu Tagelöhnern, die Gunst der Stunde genutzt zu haben. Der Arbeitskräftemangel wegen der kriegsbedingten Bevölkerungsverluste[566] erlaubte es, Lohnforderungen nach oben zu schrauben. Da Geld knapp war, ließen sich die Arbeitnehmer teils in Naturalien entlohnen, die sie zum Spottkauf[567] bekamen. Ja, sogar von Preisabsprachen zwischen den Handwerkern mit dem Ziel der Lohnsteigerung weiß die Verordnung zu berichten. Angesichts dieser Sachlage legte die damalige Regierung entsprechende Obergrenzen für Löhne fest. Ähnlichen Inhalt hatte die Taxordnung von 1654. Eine Besonderheit stellt das Generalreskript vom 1. August 1672 dar, weil es nicht mehr Höchstpreise sondern Mindestpreise für Getreide festsetzte: die Entwicklung hatte sich also im Vergleich zu den 1620er Jahren völlig umgekehrt. Am Ende dieser Serie von direkten staatlichen Preisregulierungen im Untersuchungszeitraum standen also grundsätzlich andere Inhalte, als zu deren Beginn. Welche Ursachen dafür nannten die Autoren der Quellen und welche Ursachen lassen sich nach heutigem Erkenntnisstand namhaft machen?
In den herzoglichen Verordnungen ist stets viel von der Gewinnsucht, von gar erkalteter Lieb gegen den Nechsten und vom schandlichen eigennutzigen Geiz die Rede[568]. Auch göttliche Strafe als Ursache der Krise zog die herzogliche Regierung in Betracht: die Teuerung habe der Allmächtig uber uns, unserer überheuften Sünd willen wohlverschuldtermaßen verhengt[569], von Gottes allmächtigem gerechten Zorn[570] war die Rede. Aber auch das Gegenteil fiel dem zeitgenössischen Kommentator, hier dem Herzog und seinen Räten, bei der Ursachenforschung ein, der gleichsamb teufelische Geist[571]. Neben religiösen und moralischen Kategorien kamen aber auch ökonomische Gründe ins Spiel, auffälligerweise selten seitens des Herzogs. Mitglieder des Landtages[572] nannten 1622 als Ursache der Teuerung, daß sich Bauern und Handwerker nicht mehr Kupfer für Silber aufschwatzen ließen und deshalb ihre Preise steigerten. Auch die erste hohenbergische Taxordnung brachte ihre Maßnahmen unmittelbar mit der übermesigen Geldsteigerung in Zusammenhang[573]. Mit dieser Zuweisung ging insofern Kritik etwa am württembergischen Herzog einher, als er das Münzregal ja selbst innehatte. Tatsächlich böte sich in diesem Zusammenhang ein gängiges Muster[574] für die Erklärung von Taxordnungen an. Ein typischer Anlaß für staatliche Preisregulierungen sind Kriege, im Untersuchungszeitraum der Dreißigjährige Krieg. Dabei setzt der Staat seine Präferenzen über die Wünsche der Konsumenten und nimmt die Ressourcen für sich in Anspruch. Als Instrument, um diese Ressourcen abschöpfen zu können, bedient er sich in der Regel einer Geldmengenexpansion, im Untersuchungszeitraum der Ausgabe von Scheidemünzen. Damit verschafft er zunächst sich selbst, aber auch der Bevölkerung, größere Kaufkraft. Diese treibt die Preise in die Höhe, falls nicht Höchstpreisverordnungen die Inflation eindämmen. Gebildet wurde dieses Erklärungsmodell zwar zunächst im Hinblick auf die Weltkriege der Neuzeit. Es paßt aber auch sehr gut auf die Entwicklung im Untersuchungszeitraum. Insofern weist die Stellungnahme des Landtages wie auch der hohenbergischen Verantwortlichen auf einen wichtigen Aspekt der Taxordnungen hin. Vermied die württembergische Regierung bewußt, wo irgend möglich, diese Gründe anzusprechen? Daß sich auch Württembergs Verantwortliche klar darüber waren, wie entscheidend die Geldentwertung an der Teuerungskrise in den 1620er Jahren mitwirkte, zeigte sich im März 1623. Im Lande machte damals das Gerücht von einer bevorstehenden Geldentwertung die Runde, weshalb viele ihre Waren zurückhielten. So wie auch heutzutage jede um die Stabilität ihrer Wirtschaft besorgte Regierung antworten würde, mit einem Dementi, so reagierten schon damals die Verantwortlichen in Württemberg. Tatsächlich dürfte aber die Geldentwertung wegen der Geldmengenschöpfung der wichtigste Grund für die Krise gewesen sein. Am ausführlichsten gingen Untervogt, Bürgermeister und Gericht von Tübingen in einem Gutachten von 1623 auf die vielfältigen Faktoren der Krise ein[575]. Sie wiesen auf die Importabhängigkeit des Herzogtums auch bei glickhlichen und vorgehenden Regierungszeiten Hertzog Christof, Ludwigen und Friderichen hin. Niemals sei das Land mit den fürnembsten zu des Mentschen Ufenthalt erforderten Stuckhen wie Getreide, Fleisch, Schmalz, Unschlitt, Leder, Wolle, Eisen und Kohlen, zu Genuege versehen gewesen, habe sich also niemahlen selbsten versorgen kunden. Als die Commertia ungespert verpliben, habe man solche Waren aus der Schweiz, von Nürnberg, Nördlingen, aus der Baar und von anderen Orten nach Stuttgart und in andere Ämter eingeführt, und dardurch in disem Landt ain Wohlfailin erhalten worden. Auf diesen Zustand traf dann die Geldentwertung durch die doppelten und ainfachen Schillinger und Creitzer, also die minderwertigen Scheidemünzen, weil diese außerhalb des Landes in dem gesetzten Valor nicht angenommen werden wöllen. Wer viele kleine Münzsorten einnahm, litt am meisten unter diesem Zustand: Bäcker und Krämer, welche viele Kleinwaren anboten, sowie die Bauern, welche die Märkte beschickten. Unzahlbarn großen Schaden fügten dem Münzwesen dann auch noch die Kriege direkt zu. Deren Wirkungen trafen das Herzogtum damals in Form des frembd Volckh… von Reitern oder Fuosgehenden, das man zum Beispiel 1622 im Land hatte und mit denselben nachendt allen gehabten Vorrath eingebüest. Auf diese ohnehin angespannte Lage traf dann 1623 zusätzlich eine Mißernte. Während es zuvor noch eine gute Ernte gegeben habe, sei dieses Jahr wegen Hagels und eingefallenen Rosts der Ertrag sehr schwach gewesen, auch uf den Alben des zu lang gelegenen Schnees halben, die Somen solchergestalten versessen, daß nicht sovihl einheimbst worden, solche Güter wider zubesämen. Eine beharrlich geweste Dirre traf zu allem Übel auch noch die Erdgewächse. Dahero besorglich uns kumendt, an dem lieben Brot vihl großerer Mangel dann das vergangen Jahr erscheinen würdt, was man in manchen Orten bereits jetzt erfahre. Hier wird also eine Ursachenkombination genannt: beruhend auf der Importabhängigkeit Württembergs traf die Geldentwertung das Land besonders hart. Die verordneten Taxen verschärften diese Lage zusätzlich, weil sie Einfuhren behinderten. Dazuhin wurden die ohnehin knappen Ressourcen auch noch von einquartierten Soldaten beansprucht und konnten 1623 wegen einer Mißernte nicht mehr ergänzt werden.
Neben Vermutungen über den Anlaß der Krise ließen sich die jeweiligen Regierungen bei ihren Gegenmaßnahmen von bestimmten politischen Zielsetzungen leiten. Diese müssen nicht unbedingt mit jenen übereinstimmen, die Württembergs Herzöge in ihren Einleitungen zu den Taxordnungen vorgaben. Doch sind diese Selbstzeugnisse allemal aufschlußreich, weil sie zumindest zeigen, was die Herzöge für darstellenswert hielten. In aller Regel[576] stecken nichtökonomische Gründe hinter dem Erlaß echter Taxen. Es wird versucht, Ergebnisse des Marktes zu korrigieren. Dabei kann immer nur eine Seite der am Marktgeschehen Beteiligten begünstigt werden, entweder die Verkäufer durch Mindestpreise oder die Konsumenten durch Höchstpreise. Da Märkte für sozialpolitische Erwägungen blind sind, sie nehmen beispielsweise keine Rücksicht auf die Kinderzahl einer Familie, können Höchstpreise tatsächlich zugunsten sozial Schwacher wirken. Darin muß aber noch nicht der eigentliche Grund für die Regulierungen liegen; immerhin aber begründeten die Herzöge ihre Preistaxen bei den untersuchten Taxordnungen – wie allgemein üblich[577], mit dem Schutz der sozial Schwachen. Die Bedürftigen, die Armen, die nichts zu tauschen haben, sind es, denen sich während der 1620er Jahre die väterliche Vorsorge des Landesfürsten zuwandte. Sie sollten vor eusserster Hungersnoth, Elend, Undergang und Verderben gerettet werden und nicht Not und Mangel leiden müssen[578]. Weil Höchstpreise prinzipiell eine Besserstellung des Nachfragers bewirken, erscheint die vom Herzog mitgeteilte Motivation, er handle aus landtsfürstlichen Hulden und väterlicher Vorsorg[579], also auf den ersten Blick doch zumindest nicht ganz unglaubhaft. Seit den 1640er Jahren kehrte sich die Intention für die Taxordnungen und gleichzeitig der Kreis der Begünstigten um. Jetzt ließen sich nicht mehr die Bauern allerhand Tricks einfallen, um ihre Produkte zu überhöhten Preisen an staatlichen Kontrollen vorbei verkaufen zu können. Der durch das höchstleidige Kriegswesen eusserst ruinirte Bawersmann war nunmehr Leidtragender der wirtschaftlichen Entwicklung und wurde deshalb von der herzoglichen Politik begünstigt. Die Früchte sanken zu höchstem Unwert herab, wohingegen es zu einer Clämme des zumal kostbaren Gesinds und Ehehalten gekommen war. Zum Besten des Bauersmannes erließen die Regierungen Lohntaxen und Taxen für die Produkte handwerklicher Arbeit, ja sogar Mindestpreise für Getreide[580]. Freilich standen hinter dieser Sorge um das Wohl der Landwirte wohl auch eigennützige Interessen, weil die herzoglichen Einkünfte und jene des Herzogtums zu einem Großteil der Landwirtschaft entstammten. Der gäntzlich darnider gelegene Acker- und Feldbaw, dessen Krise ja nicht nur die Bauern, sondern auch die Bürger und vor allem die Herrschaft in Mitleidenschaft zog[581], sollte wieder aufblühen. Daß indessen über Eigeninteressen der Herrschaft hinaus das Bestreben, daß je einer neben dem andern die Notturft täglichen Stuckh Brots vermitelten Segen Gottes, seinem Standt undt Thuen gemäß, unverhinderlichen undt unbetrangt gewinnen und gehaben möchte[582] wesentliches zur landesfürstlichen Motivation beitrug, ist kein Widerspruch. Letztendes läßt sich auch nur die Beteiligung Württembergs an den Preisregulierungen durch solche Anhaltspunkte begründen, weil auch das Herzogtum nur einer von vielen an den Preisregulierungen beteiligten Reichsständen war. Württembergs Herzog befand sich mit dem Erlaß seiner Taxordnungen in guter Gesellschaft, sowohl außerhalb seines Territoriums, als auch innerhalb: Mitte des Jahres 1648 bewogen die hohen Löhne den Kleinen Ausschuß des württembergischen Landtages, sich zum Fürsprecher der selbständigen Bürger und Bauern zu machen. Er ging sogar noch weiter als der Herzog, indem er die bis dahin allgemein von Landschaftssteuern befreite Klasse der als vermögenslos Eingestuften, zu denen Handwerksgesellen, Knechte, Diener und Mägde zählten, zu solchen Abgaben heranziehen wollte. Während die Ausschußmitglieder nämlich Bauern und Selbständige als völlig verarmt ansahen, fanden sie der Ehehalten Stand und Condition umb ain Nambhaftes gebessert, vor allem durch ihren Mutwillen und Halsstarrigkeit bei Lohnansprüchen. Freilich verzichtete man schließlich doch auf diese Kopfsteuer der Unbemittelten[583]. Auch in außenpolitischer Hinsicht befanden sich Württembergs Herzöge mit ihrer Politik der Preisregulierung in bester Gesellschaft, es handelte sich dabei um eine zeittypische Erscheinung.
Württembergs Taxordnungen stehen nämlich keineswegs isoliert da. Nur im Verbund und in Abstimmung mit ähnlichen Maßregeln in anderen Landesfürstentümern hatten sie Aussicht auf Erfolg. Vor allem konnten generelle Höchstpreise den vielfältigen lokalen Unterschieden und vor allem bestimmten Grenzsituationen nicht gerecht werden. Beispielsweise waren Vieh, Schmalz und Holz am Rande des Schwarzwaldes billiger, als andernorts[584], was sich etwa auf die westlichen Ämter des Herzogtums auswirkte. Vor allem auch die Transportkosten machten sich als Faktoren unterschiedlicher Preisgestaltung bemerkbar. Herrenberger Seiler, die ihren Hanf in Straßburg bezogen, mußten wesentlich mehr bezahlen, als ihre Kollegen, die vor Ort einkaufen konnten[585]. Ämter in Grenzlage wie Tübingen, Herrenberg und Balingen, die einen großen Bedarf an Lebensmitteln hatten, litten in den 1620er Jahren an erheblichen Mangelerscheinungen. Früchte, tierische Produkte und Brennholz fehlten, weil die Untertanen benachbarter ausländischer Territorien nichts mehr liefern wollten, sobald sie etwas von neuen Taxen hörten[586]. Ein Gutachten von Untervogt, Bürgermeister und Gericht der Stadt Tübingen aus dem Jahr 1623 stellte angesichts dieses Lieferboykotts die Abhängigkeit der Universitätsstadt von anderen Territorien dar[587]. Die Stadt sei volkreich und die Universität, das fürstliche Kollegium, andere Stipendien sowie das Hofgericht würden täglich ain großen Vorrath an Fruchten, Schmaltz, Unschlit, Liechter und allerhand Victualien erforderen. Die Stadt verfüge über keine Vorräte mehr, weil sie diese bei vorangegangenen Hungersnöten ausgegeben habe, auch über kein Geld außer (dem minderwertigen) hohenlohischen und Landmünzen. Nur zehn Tübinger Bauern hätten dieses Jahr Früchte eingebracht, aber nichts davon zum Verkaufen übrig. Auch von den Amtsflecken sei keine Zufuhr zu erwarten. Bei einigen handelte es sich um arme Weinbauorte. Von anderen wie Derendingen[588] sei nichts anderes zu erwarten, dann daß ire arme Kinder uns täglich vor den Häusern betlendt ligendt. Die Bewohner einer weiteren Gruppe von Siedlungen besuchten andere Wochenmärkte. Weil das Tübinger Amt gleichsam mit frembden Herschaften umbgeben, war man bisher von ausländischen Lieferungen auf die Märkte abhängig. Fielen diese jetzt wegen der württembergischen und hohenbergischen Taxen aus, die ja den Anreiz zum Transport nach Tübingen nahmen, so könne keiner dem armen Handwerker sagen, wo er sein Brot nemen solle. Es sei nichts anderes zu erwarten, dann daß wir mit bekimmerten Hertzen, Seuftzen und Weheclagen sehen müesten, unsere arme Mitburger arbaitselig zuerfrieren, auch Hungers zusterben und zuverderben. Die Lieferungen aus den Amtsflecken würden nicht einmal dazu ausreichen, die Universität halb zu verköstigen und zu erhalten. Deren Angehörige würden aber, falls nichts auf den Markt käme, unter Berufung auf ihre Privilegien von auswärts holen, was sie nur bekommen könnten, dahero uf ain solchen Fahl der arm Burgersmann – welcher`s nicht sowohl zubezahlen hat – immerdar darhinder stehen muoß. Damals, in den 1620er Jahren, setzte Württemberg zwar noch auf einheitliche Höchstpreise für das gesamte Herzogtum. In einigen Fällen wie jenem Tübingens gestand die Regierung jedoch Ausnahmeregelungen zu. So blieben die württembergischen Ämter Tübingen, Herrenberg, Balingen und Bebenhausen insofern ausgenommen, als sie mit benachbarten Reichsständen Taxen vereinbaren durften. Auch der Landtag scheint insgesamt eher für Regulierungen innerhalb der einzelnen Ämter plädiert zu haben[589]. Im Geltungsbereich der Taxen zeigt sich dementsprechend ein interessanter Wechsel zwischen den 1620er Jahren und der Nachkriegszeit. Während Württemberg in den 1620er Jahren vor allem auf zentralistische Vorschriften setzte, wurde das Gewicht doch bald auf regionale Absprachen verlagert. Dort ging es nicht mehr darum, einheitliche Taxen für ein großes Gebiet festzulegen, sondern darum, funktionierende Höchstpreise in zusammenhängenden Märkten zu erlassen. Vielleicht spielte bei diesem Wandel auch eine Rolle, daß sich der Gegenstand der Taxierung geändert hatte. Waren es in den 1620er Jahren vorwiegend Lebensmittel, für die Festpreise verordnet wurden, so machten später vorwiegend Löhne, Dienstleistungen und handwerkliche Produkte Regelungen nötig. Erzwang die Mobilität der Arbeiter und Handwerker hier ein Umdenken? Oder spielte doch eher die zuvor gewonnene Erfahrung mit dem Marktgeschehen eine Rolle? Jedenfalls deuten schon die Vorgänge von 1651 auf ein solches Umdenken hin. Der Rezeß des Schwäbischen Kreises vom Oktober 1651 beauftragte Konvente seiner Viertel zur Behandlung von Taxfragen. Einer tagte im November in Göppingen. Dort einigten sich die Teilnehmer darauf, Preisspannen für Löhne anzugeben, die genaue Ausgestaltung aber lokalen Konferenzen, die innerhalb eines Monats noch vor Weihnachten zusammentreten sollten, zu überlassen. Eine solche lokale Konferenz tagte noch im Dezember in Tübingen, zu ihr erschienen Vertreter von Tübingen, Reutlingen, Urach, Rottenburg, Herrenberg, Bebenhausen, Böblingen, Sindelfingen und Hechingen[590]. Die in derartigen Konferenzen vereinbarten Höchstpreise machte sich der Schwäbische Kreis dann in seinem Abschied von 1652, in den die Rezesse der Viertel eingeflossen waren, in einer generellen Klausel zu eigen[591]. Letztendlich beschränkten sich die übergeordneten Gremien also auf die Vorgabe des rechtlichen Rahmens für die Tätigkeit von Angestellten und Handwerkern und gaben Spannen vor, in denen sich die Preise bewegen mußten. Die Ausgestaltung blieb den örtlichen Organen überlassen. Auch nach der württembergischen Taxordnung von 1654, die im wesentlichen auf den Kreisabschied von 1652 zurückgriff[592], blieb es dabei, so daß sich seitdem in den Herrenberger Gerichtsprotokollen jährliche örtliche Höchstpreisverordnungen finden[593]. Und auch die Tübinger Konferenz zur regionalen Preis- und Lohngestaltung tagte immer wieder[594]. Schließlich hatte sich die Überzeugung vollständig durchgesetzt, daß Absprachen nur im regionalen Rahmen sinnvoll waren, wie die entsprechende Diskussion um eine neue Taxordnung von 1669 zeigt[595]. Wegen dieser Erkenntnis und weil für eine Generalordnung erst umständlich und kostspielig Berichte eingezogen werden mußten, verzichtete man damals erneut darauf und überließ die Preisgestaltung weiterhin den örtlichen Behörden, die freilich überwacht wurden. Taxordnungen mußten vorgesetzten Behörden zur Genehmigung vorgelegt werden[596].
Wie sinnvoll eine solche flexible Vorgehensweise auch bei den Lohntaxen und bei Höchstpreisen für gewerbliche Produkte war, zeigen einzelne Berichte zu diesen Vorgängen. Beim Göppinger Rezeß war schon deutlich geworden, daß ein und andern Orths das Vich, Holtz, Eysen, Frucht, Wein und andere Wahren auch die Leuth selbsten beßer als an einem andern Orth zue haben seien[597]. Noch deutlicher machten solche Unterschiede die Abgesandten der Tübinger Konferenz. Sie stellten fest, daß in den vertretenen österreichischen, württembergischen, zollerischen und reutlingischen Ämtern an einem Orth die Leuth noch besser dann in dem andern zuebekommen waren, daß es Unterschiede bei den Beinutzungen gab, in manchen Ämtern etwa, wo Wein wuchs, dieser zum Lohn gehöre, andernorts aber, wo keine Reben gediehen, die Leute keinen Trunk gewohnt seien und ihn auch nicht begehrten. In Württemberg erhöhten die erhobenen Extraordinari- und Accisgelder allgemein das Preisniveau[598]. Die Produkte einiger Handwerker, etwa der Schuster und Schneider waren etwa in Tübingen und in Reutlingen von ganz anderer Gattung. Rohstoffe der Handwerker wie Brennholz, Kohle, Werkholz und anderes kosteten sehr unterschiedlich. Maße und Gewichte, Münzen und Währungen unterschieden sich. Schließlich gäbe es an einem Orths starckhe, hingegen andere Enden leichte Felder und in bestimmten Gegenden besondere Arbeitsbräuche, etwan früeher oder später an die Arbeit und widerumb davon zuegehen. Insgesamt kamen sie zu der Einsicht, daß eine einheitliche Taxe für alles nicht möglich sei[599]. Indessen einigte man sich auf eine Reihe gemeinsamer Löhne, wobei allerdings Württembergs Handwerker befürchteten, daß die benachbarten Territorien diese Höchstlöhne nicht durchsetzen würden[600]. Hinweise zu solchen Unterschieden durchziehen auch den gesamten Schriftverkehr um die fünfte Taxordnung von 1654. So klagten die Herrenberger Gerber, daß sie mit den Esslinger Preisen deshalb nicht mithalten könnten, weil es bei ihnen keine Walkmühle gebe, was doppelte Arbeit mache[601]. Die Meister holzverarbeitender Berufe durften in Herrenberg, Sindelfingen und Böblingen nicht so viel verlangen, wie ihre Stuttgarter Kollegen, weil sie das Material aus dem Schönbuch und aus dem Schwarzwald leicht beziehen könnten[602]. Allerdings erhoben fast alle Handwerker sofort Klagen dagegen. Sie behaupteten, das beste Material werde nach Stuttgart transportiert und bestimmte Rohstoffe wären dort billiger zu bekommen. Die Maurer, die ihr Werkzeug selbst stellen mußten, argumentierten mit dem härteren Stein, den sie im Vergleich zu Stuttgarter Kollegen bearbeiten müßten, daß ein Maurer wegen hiesigen harten Steins gleichsamb in ainem halben Tag mehr am Geschürr verschlage und verderbe, als zu Stuetgardten in selbigem zarten waichen Steinwerckh in dreyen Tagen[603]. Württembergische Schmiede sahen sich im Vergleich zu ihren ausländischen Kollegen in Reutlingen und Rottenburg benachteiligt, weil sie das teure Eisen der herzoglichen Faktoreien beziehen mußten. Die Reutlinger und Rottenburger könnten ihr Eisen kaufen, wo sie wollten, wobei selbst der Transport es nicht teurer machte als in Württemberg, ja wann sie’s auch in der Schweitz einhandlen, sie nit allein jedes Pfundt Eisin umb ein Batzen nur der rawen Wehrung gehaben, sonder auch wann sie Früchten gegen dem See füehren und das Eisen im Zuruckfahren aufladen, sie an solcher Widerfuehr widerumb ihren Vortheil genießen[604]. Außerdem scheinen besonders die Rottenburger ihre württembergischen Zunftgenossen vor den Kopf gestoßen zu haben, weil sie diese gleichsamb nit für Zünftbrüeder und Mitmaister erkennen wöllten[605].
Weiter oben wurde schon darauf hingewiesen, daß obrigkeitliche Eingriffe in das Marktgeschehen nur dann Aussicht auf Erfolg hatten, wenn mit ihnen gleichartige Maßnahmen in benachbarten Territorien einhergingen. Tatsächlich begleiteten die württembergischen Maßnahmen, die ja meist mit entsprechenden Vorhaben des Schwäbischen Kreises abgestimmt waren, fast gleichzeitige in Hohenberg. Allerdings läßt hier die Quellenlage zu wünschen übrig. Schon rechtzeitig zum Erntegeschäft hatte die Hohenberger Regierung eine Taxa und Ordnung des Feldgeschäfts am 15. Juni 1622[606] erlassen. Am 14. September, also etwa einen Monat nach der zweiten württembergischen Taxordnung, folgte eine Taxa und Ordnung, wie und welchergestalten auch in was Wert fürbas allerhand Früchten, auch Fleisch und Visch,… und alles anders, so der Mensch zue täglichem Gebrauch vonnöten, in den beeden Stätten Rottenburg und Horb, auch den dazugehörigen Dörfern… auf das höchste, aber höher nit…verhalten sollen[607]. Dabei orientierte sich die Regierung, wie es in einem Begleitschreiben ausdrücklich heißt, an den in der Nachbarschaft gemachten Taxation und Anschlag[608]. Die Handwerker, von denen in der angefügten Verordnung nicht alle einzeln erwähnt wurden, forderte die Verfügung lediglich insgesamt auf, in allem ainen leidelichen Tax zu gebrauchen. Im Juni 1654, kein halbes Jahr nach der vierten württembergischen Taxordnung, folgte eine weitere[609] für Hohenberg. Nachdeme ein schon geraume Zeit hero nit allein in hiesiger, sondern auch denen benachbahrten Herrschaften, Stätten undt Ämbtern, nemblichen bey denen Taglönern, Dienstboten, Gastgeben, auch under den Handtwerckhsleuthen ins gemein, und sonst durchgehent, ein große unertregliche Staigerung undt Ubersetzung der Löhn, item Zöhrung, Arbeithen und der Wahren, neben anderen mehr Exorbitantien teglichen vorgangen und sich befunden, dahingegen aber die Früchten undt Wein, auch alle andere Victualien sehr wohlfail undt in geringem Werth zue bekohmen, alß hat man mit obbesagten benachbarten Stätten undt Ämbtern von langsten aller obigen Sachen, Bewantnuß in nicht unzeitige Deliberation gezogen undt daraufhin diße gemässene billiche Taxa mit und gegeneinander dergestalten vorgenohmmen, entschloßen undt vollendet. Noch ein halbes Jahrhundert später deutet eine handschriftliche Randnotiz in dem Exemplar der hohenbergischen Ordnung im Hauptstaatsarchiv Stuttgart auf spätere Benutzung des Erlasses hin: 1696 renoviert heißt es dort. Neue Werte für Preise und Löhne sind entsprechend am Rand nachgetragen.
Schon die dichte Serie aufeinander folgender Taxordnungen hinterläßt den Eindruck einer 1622 durch die erste staatliche Preisregulierung ausgelösten Kettenreaktion. Den Eindruck verstärkt die Fülle flankierender Verordnungen, welche sie begleiteten. Immer entstand neuer Regelungsbedarf. Zunächst gegen den bereits erwähnten heimlichen Fürkauf. Bei dieser Geschäftspraxis kaufte einer unentbehrliche Lebensmittel, beispielsweise einen Zentner Schmalz, im Voraus, ohne den Betrag bezahlt oder die Ware erhalten zu haben. Am nächsten Tag überließ er seinen Anspruch einem anderen bis zu 30 Gulden teurer, der die Preisspirale in gleicher Weise höherschraubte, bis die Ware ohne höchstes Verderben nicht bezahlt werden kan[610]. Deshalb wurde nicht nur solcher spekulativer Fürkauf, sondern jedes in gleicher Weise wirksame Hausieren und Herumstreichen verboten[611]. Immer neue Schliche ließen sich die Wucherer einfallen, um die Höchstwerte doch noch zu umgehen. So kam es etwa dazu, daß ein notleidender Weingärtner zwei oder drei Pfund Lichter gegen ein Imi heurigen köstlichen Weins eintauschen mußte. Ein anderer gab für dringend benötigte 15 Pfund Schmalz im Wert von 20 Kreuzern ein Klafter Buchen- oder Birkenholz, das normalerweise fünf Gulden kostete, hin. Auch dies sollten Verordnungen abstellen[612]. Die Anbieter von Nahrungsmitteln ließen sich angesichts der Krise neues einfallen, um höhere Preise zu erzielen. So ließen sich ja auch Kosten auf die Verbraucher abwälzen. Etwa, indem der Bauer das Getreide nicht mehr zum Markt brachte, sondern es bei sich abholen ließ. Wie sich an den daraufhin für abgeholte Früchte dekretierten Preisen ablesen läßt, wurden die Transportkosten beim Dinkel beispielsweise mit immerhin 17 Prozent veranschlagt[613]. Das vielleicht größte Problem in Folge der Taxordnungen stellten jene Bauern dar, die einfach ihre Produkte zurückhielten. Lieber versteckten sie ihr Schmalz unchristlich und unerbar oder gruben es ein, als daß sie es ihren Mitmenschen zu einem fairen Preis ließen[614]. Die Regierung antwortete durch Ansätze zu einer Planwirtschaft, indem die Amtleute Buch über die Bestände von Privatleuten an Getreide, Hülsenfrüchten, Vieh und Schmalz führen mußten. Was über den eigenen Bedarf der Bauern hinausging, sollte (zu Taxpreisen) verkauft werden[615]. Gleichzeitig mußten die Metzger, von denen einige mit Einstellung des Metzgens uns (den Amtleuten) den Spitz und Trutz zu bieten… sich understanden, innerhalb von zwei Wochen jeweils ein Rind schlachten und öffentlich aushauen[616]. Das Problem des Marktboykotts bekam die Regierung während der 1620er Jahre nie ganz in den Griff. Weiterhin klagte der gemeine Mann nicht so sehr wegen der hohen Taxen, als wegen des Mangels an Frucht und Brot, so daß die Grenzpreise in einzelnen Jahren nachgebessert werden mußten[617]. Weil auch die Verführ- und Vertragung außer unserm Hertzogthumb dem Preisanstieg Vorschub leistete, waren bald schon Handelsverordnungen nötig[618]. Am 4. Juni 1645 etwa folgte eine Anzeigepflicht für alle exportierten Waren; Zwischenhändler machten ein Geschäft daraus, die Waren zu völlig überhöhten Preisen wiedereinzuführen. Der Umweg über das Ausland wusch die Waren währungspolitisch rein. Wieder importiert unterlagen sie als eingeführte Güter nicht mehr den Beschränkungen durch die Taxordnung. Also mußte entsprechender Wert auf die Ausfuhr gelegt werden. Gleiches betraf die Einfuhr. Württemberg etwa verbot in den 1650er Jahren die Einfuhr hohenbergischer Weine, weshalb die dortige Regierung auf Drängen ihrer Untertanen mit gleicher Münze heimzahlte[619]. Auch in den Verlauf der Wochenmärkte griff die Regierung ordnend ein. Bis zehn Uhr durften nur noch Ortsansässige kaufen. Erst ein danach eingezogenes Fähnlein gab den Markt für Fremde frei. Dann erst konnten Wirte aus der Nachbarschaft die Stände zu höheren Preisen leerkaufen[620]. Auf den Konsum seiner Untertanen versuchte der frühneuzeitliche Staat in diesem Zusammenhang ebenfalls einzuwirken, indem er zum Beispiel üppige Hochzeitsfeierlichkeiten reglementierte[621].
Während den Jahren der Lohntaxierung machten sich in gleicher Weise wieder die typischen Mechanismen bemerkbar, die schon die Preisregulierungen der 1620er Jahre bestimmt hatten. Eine regelrechte Flut von Taxordnungen gegen die als unangemessen hoch empfundenen Lohnforderungen setzte ein[622], wiederum begleitet von entsprechenden umfassenden Eingriffen in die Lebensverhältnisse der Menschen. Zunächst einmal wurde allen Arbeitsfähigen die Arbeit praktisch zur Pflicht gemacht, jedenfalls derjenige, der nicht arbeitete, ins Abseits gestellt. Faulenzende Eigenbrötler, herrenlos umherschweifendes Gesindel, als Handwerksgesellen getarnte Bettler, unvereidigte Fürkäufer, Zigeuner und alle anderen, welche sich aufs Faulentzen begeben und nicht dienen oder schaffen mögen, traf die ganze Strenge des Gesetzes. Arme Leute, welche oftmahlen mit vielen Kindern begabt, die sie betteln schickten, mußten ihren Nachwuchs stattdessen verdingen[623]. Dem schändlichen Müßiggang, der nach täglichem Bericht kräftige Männer und Frauen dazu trieb, jegliche Handarbeit gäntzlich (zu) verwaigern, auf den Bettelstab schandtlich (sich zu) wenden, andern ehrlichen Leuten mit vilen Kindern und gantzen Haushaltungen, nicht ohne sondere Beschwerd, täglich vor den Thüren ligen, zumahl den rechtdürftigen das Liebe Almusen gleichsam aus dem Rachen (zu) reißen, wollte der Herzog gleichzeitig entgegenwirken. Nach dem Grundsatz, daß jenige, welche nicht schaffen, auch des Essens nicht würdig seien, entzog er ihnen jegliches Almosen und das Bürgerrecht[624]. Wo dies fehlende verfassungsrechtliche Vereinbarungen zuließen, etwa in Hohenberg, sollten Abzugsverbote den Bevölkerungsstand sichern[625]. Traten Knechte und Mägde aber in ein Arbeitsverhältnis, so band sie vor allem seit 1651/52 ein strenges Arbeitsrecht an ihre Stellen. Neue Stellen fanden sie nur, wenn sie ihr früherer Herr mit einer Bescheinigung entließ[626], oder wenn die Behörden eine ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses beurkundeten. Vor allem im Rahmen der Institutionen des Schwäbischen Kreises wurden die entsprechenden Regeln für Württemberg und Hohenberg verfaßt. Richtungsweisend dafür wurde die Konferenz des württembergischen Kreisviertels in Göppingen 1651 und der daraus erarbeitete Kreisabschied von 1652[627]. Ehehalten mußten sich demnach für ein Jahr verdingen. Wenn sie das zusagten, erhielten sie dafür ein Haftgeld[628], das nicht zurückgegeben werden konnte. Eine vorzeitige Beendigung der Arbeit aus wichtigen Gründen mußte die örtliche Obrigkeit genehmigen und bescheinigen. Bestraft wurden auch jene Arbeitgeber, die ihren Kollegen deren Ehehalten widerspenstig machten oder gar abspannten[629]. Deshalb verboten diese Richtlinien außer überhöhten Löhnen auch alle Arten von Beinutzungen, eine Form zusätzlicher geldwerter Leistungen. Dazu gehörte die Erlaubnis, eigenes Vieh mitzüchten oder etwas auf eigene Rechnung anpflanzen zu dürfen. Aber auch Gehaltsaufbesserungen durch eine besonders gute Verpflegung waren verpönt, ebenso wie eine Arbeitszeitverkürzung durch das Gewähren zusätzlicher Feiertage, etwa nach Kirchweihen. Auch Mißbräuche von Tänzen, in den Kunkelhäusern und Lichtstuben, welche neben dem nächtlichen Gassenlaufen und Zusammenschlupfen nichts Guts mit sich bringen als Beinutzungen standen unter Strafandrohung[630]. Damit die Ehehalten diese Lohngrenzen akzeptierten, machte die Herrschaft auch vor Eingriffen in deren Lebensverhältnisse nicht Halt. Eine Verminderung kostspieligen Konsums sollte vermeiden, daß sie zu dessen Finanzierung immer höhere Löhne verlangten. Allgemein und besonders unter den Ehehalten, vor allem aber unter den Weibsbildern, stellten die Teilnehmer an der Göppinger Konferenz 1651 ein große Hoffarth und Übermuth in Kleidern fest, sogar, daß manche Magdt auf einmahl mehr an ihrem Leib trägt, als sonsten ihr gantzes Vermögen ist, und dahero mit den Löhnen nicht ersettigt werden können. Eine Reihe besonders teurer Materialien enthielten die Gesetzgeber den Bedienten, aber auch gemeinen Bürgersöhnen und -töchtern, deshalb vor: seidene und Atlas-Bändel, ausländisches Zeug, Pelz, goldene und silberne Spitzen, conterfeihte Gürtel. Daß sich mit solchen Vorschriften auch die inländische Textilproduktion wieder ankurbeln ließ, dürfte den Konferenzteilnehmern klar gewesen sein, betonten sie doch geradezu, daß die gemeine Leuth Landtücher gebrauchen sollten. Die Konsumvorschriften bezogen sich jedoch nicht nur auf Kleidungsstücke. Auch Tabak, besonders das Tabactrinken als ein sowol der Gesundheit halben als wegen der Fewers-Gefahr… hochschädliches Wesen, war, außer zu medizinischen Zwecken, untersagt. Bis 1669 machte sich insofern ein Gesinnungswandel bemerkbar, als das Rauchen nur noch in den Gebäuden verboten blieb[631], wohingegen allerdings den Fruchtbranntwein der Bannstrahl traf, da alle beede denen bösen Haushaltern nur zu täglichem Zechen Anlaß gibet, zur Arbeit schlummerig und verdrossen machet[632]. Solche und weitere Konsumvorschriften tauchen vor allem seit 1651 regelmäßig in den Taxordnungen und darüberhinaus auch in gesonderten Ordnungen auf[633]. Immer wieder rückten auch die verbotenen Conventicula und Zusammenkünfte der Handwerker und Weingärtner ins Blickfeld[634]. Sie betrachteten die obrigkeitlich verordneten Lohntaxen oftmals nicht als Maximal- sondern als Minimallöhne und vereinbarten, für kein geringeres Entgelt zu arbeiten. Damit sich die Handwerker auf diese Weise nicht durch solidarisches Handeln höhere Löhne erstreiten konnten, mußten Versammlungen im Voraus angezeigt und genehmigt werden[635].
Zur Durchsetzung der weitgespannten Maßnahmen im Zusammenhang mit den staatlichen Preisbindungen ließen sich die Regierungen der frühen Neuzeit einiges einfallen. Zunächst einmal ging es darum, allen Betroffenen den Inhalt der Gesetze bekanntzugeben. Dazu wurden sie vom Vogt oder von den Amtsschultheißen im oder vor dem Rathaus, zum Teil auch vor der Kirche, verlesen[636]. Jedoch nicht nur einmal, sondern auch bei den künftigen Vogt- und Ruggerichten waren sie bekanntzugeben[637]. Außerdem sahen einige Taxordnungen vor, daß der jeweilige Amtmann die darin genannten Handwerker aufs Rathaus zitierte und ihnen den Inhalt nochmals einzeln einschärfte und sie darauf vereidigte[638]. Gleichzeitig bekamen sie die entsprechenden Strafen vor Augen geführt. Freilich ließ sich nur bestrafen, wen man ertappte. Dazu mußten zunächst einmal die eigenen Beamten diszipliniert werden, denen bei Nichtbeachtung der Ordnungen Entlassung, empfindliche Geldstrafen, ja sogar peinliche Gerichtsverfahren drohten[639]. Andererseits mußten die Beamten ihrerseits erst einmal von dem Vergehen erfahren. Deshalb sahen schon frühere Regelungen, besonders aber diejenige des Schwäbischen Kreises von 1652, vor, daß überall gewisse ehrliche Leut heimlichen bestellt würden[640], deren Angaben anonym blieben. Ihnen winkte ein Teil der verhängten Strafgelder als Belohnung[641]. Die Ertappten mußten bezahlen. Kam die Untat ans Licht, so sollte gleich ain soliches Exempel statuiert werden, daß sich andere darob zu bespiegeln haben und ain ieder wissen soll, daß der allgemeine Wolstandt dem Privatnutzen in alwegen vorzusten seye[642]. Dabei verschärfte die Regierung den Strafenkatalog immer weiter. Zunächst einmal drohte stets der Verlust des überteuert gehandelten Gutes und ein Strafgeld[643]. Bei der dritten württembergischen Taxordnung hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß die verhängten Strafen in keinerlei Verhältnis zum erhofften Gewinn der Wucherer standen. Also sah sich Württemberg genötigt, nunmehr den schärpfern Ernst… zugebrauchen. Daß es andern zum Schrecken und Abschewen dienen soll, drohten jetzt eine Buße im doppelten Wert des gehandelten Gutes und vierwöchiges Gefängnis bei Wasser und Brot. Im Wiederholungsfall verdoppelte sich die Turmstrafe, beim dritten Vergehen sollte der Übertreter verhaftet und dem Oberrat zur Verurteilung überstellt werden. Er riskierte auf den eussersten Ungehorsamsfall auch Leibs- und gar Lebensstraf[644]. Auch auf die Vergehen der Handwerker reagierte der Staat mit abgestuften Strafen, zunächst ebenfalls mit vierwöchigem Gefängnis, dann beim zweiten Vergehen mit einem Betätigungsverbot für ein Jahr, schließlich mit der Verweisung aus dem Land[645]. Als sich dann die Stoßrichtung der Taxordnungen fast ausschließlich gegen Arbeiter richtete, gab es keine Waren mehr zu beschlagnahmen. Dem nun ins Auge gefaßten Personenkreis drohten zwar auch Geldstrafen, der Schluß des Schwäbischen Kreises von 1652 sah für Ehehalten eine Strafe von 10 bis 12 Reichstalern vor. Jedoch scheinen Körperstrafen für geeigneter befunden worden zu sein. Wer für seinen Lohn nicht mehr arbeiten wollte, der sollte zu öffentlicher Herrschaft Arbeit und Schellenwerck ohnnachlässig angehalten werden[646]. Zuchthäuslein und die Geigen für eine viertel oder halbe Stunde gehörten ebenfalls zum Katalog[647]. Bei den Strafen zeigt sich also einesteils eine Verschärfung parallel zur Zuspitzung der Krise, andererseits aber auch eine Verlagerung im Hinblick auf den intendierten Personenkreis und dessen Zahlungskraft.
Die Wirkung echter Preistaxen wird von der modernen Wirtschaftswissenschaft[648] negativ beurteilt. Während die kurzfristigen Folgen noch nicht nachhaltig schadeten, würden die langfristigen praktisch ausnahmslos vom gewollten Ziel abweichen. Interessanterweise stießen auch die Taxordnungen des 17. Jahrhunderts in Württemberg bereits damals auf Kritik. So hofften der Tübinger Untervogt, die Bürgermeister und das Gericht der Stadt 1623 auf eine Besserung der damaligen Notlage, sobald die Taxe abgeschafft würde[649]. Damals zeigten sich bereits die negativen Folgen. Einmal nahm der illegale Export enorm zu. Vor allem aber gingen die Wochenmärkte zu Grunde, dann sobald die jüngste Tax angestelt, ist von solcher Zeit an von den Pawren nichts mehr zu Marckht gebracht worden. Dann wann ain Bawrsman den gewisen Tax waist und Gelegenhait hat, seine Fruchten, Schmaltz und anders gleich uf den Tennen oder zu Haus seinem dürftigen Miteinwohner, einer, so ime etwan ohnedas das Jahr umbhin schaffet, oder doch in der Nähe, gleich hinzugeben, hat er nicht Ursach, mit Costen und Versaumbnus (weil sunderlich die Zehrung, Schiff und Geschirr tewer ist), solches ain, zwo, mehr oder münder Meil Wegs zu fieren. Dadurch dann ervolgt, daß bei gewertem Tax kein Körnlin Fruchten, kein Pfund Schmaltz, Obs, Dierschnitz oder andere Kuchenspeis zu failem Marckht alhero kommen, inmaßen dann… alhie solche große Hungersnoth entstanden. Deshalb sei vielen, vor allem Städtern und darunter besonders den armen Leuten, nichts anderes übrig geblieben, als nach einem oder zwayen Laib Brotz manchmahl ain gantzen Tag an usländischen Orten zu suchen, bis sie solche im drei- oder vierfachen Gelt erlangt haben. Deshalb schlugen die Unterzeichneten vor, die Commertia in dero hochlöblichen Hertzogthumb in Gnaden frei pasieren zu lassen, so daß, angesichts der Verbesserungen im Münzwesen, sich selber wider alle Sachen uf den alten Werth nach und nach schickhen. Damit standen sie damals auch gar nicht allzu sehr im Widerspruch mit der Regierung, die ja beim Erlaß der Dritten Taxordnung auf eben diesen Zusammenhang hinwies. Insgesamt zeigt die Kettenreaktion von Taxordnungen und flankierenden Gesetzen, daß der ersten Preisregulierung von 1622 eine langfristige Destabilisierung des Marktes folgte. Unentschieden bleibt angesichts dieser rein ökonomischen Beobachtung, inwiefern solche Eingriffe damals trotzdem – nämlich etwa nach sozialen Kriterien – sinnvoll gewesen sein könnten.
Wie ist nun die Aussagekraft der Taxordnungen hinsichtlich mitgeteilter Preise und Löhne zu beurteilen? Normalerweise legten sie Höchstbeträge für Preise und Löhne fest. Dies schloß natürlich nicht aus, daß Bauern und Arbeitnehmer niedrigere Beträge nahmen, als erlaubt. Württembergs Taxordnungen betonten den Aspekt ausdrücklich, daß niedrigere Beträge als die zugelassenen angestrebt wurden. Andererseits finden sich ja immer wieder Klagen darüber, daß die Maximalbeträge überschritten oder umgangen wurden. Insofern sind Taxordnungen hinsichtlich der Aussagefähigkeit mitgeteilter Preise und Löhne stets genau auf den jeweiligen Zusammenhang zu befragen. Ein Vergleich der in den Taxordnungen genannten Grenzwerte mit den im Untersuchungsgebiet erhobenen deutet jedenfalls darauf hin, daß sie in Zeiten von Taxierungen an der oberen Grenze lagen und daß bei Lohntaxierungen diese in der Regel den gerade noch zulässigen Betrag ausmachten. Dies zeigt sich bei den Lebensmitteln in den 1620er Jahren und bei den Löhnen nach Kriegsende. Da Preise und Löhne häufig wie eine Schere einander bedingen, ist es plausibel, daß die Periode teurer Waren und relativ schlecht bezahlter Arbeitskräfte durch eine Periode hoher Löhne und niedriger Preise abelöst wurde. Wenn die aus den Rechnungsbüchern stammenden Beträge manchmal von den in den Taxordnungen genannten abweichen, kann der Grund auch darin liegen, daß sich aus den Rechnungsbüchern nur Jahreszufallswerte ermitteln lassen. Diese Auswahl hängt davon ab, wann der Spital – von der Reihenbildung her eher zufällig – für welchen Betrag kaufte oder verkaufte.
Die Untersuchung der Taxordnungen für Württemberg und Hohenberg brachte für die vorliegende Untersuchung wichtige Ergebnisse. Weil sich die verordneten Höchstpreise in realistischen Dimensionen bewegten, können einmal die quantitativen Angaben bei Ergänzungen von Preis- und vor allem von Lohnreihen ins Kalkül gezogen werden. Sodann geben Taxordnungen in literarischer Form und summarisch Auskunft über einen Periodenwechsel im Laufe des Dreißigjährigen Krieges. Irgendwann zwischen 1623 und 1642 verloren die württembergische und die hohenbergische Regierung bei ihrem Bemühen, der Teuerung Einhalt zu gebieten, die Lebensmittelpreise aus den Augen und wandten sich stattdessen dem Lohnniveau zu. Schützten sie zuvor noch die armen Bürger, vielleicht aus echter sozialer Verantwortung, so sorgten sie sich hinterher zwar um den armen Bauersmann, wohl aber auch um ihre eigenen Einkünfte. Mit dem Wechsel der Zielgruppe mußten die Regierungen auch ihr Maßnahmenpaket den neuen Erfordernissen anpassen. Darin zeigen die Taxordnungen, auf welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen die Regierungen glaubten, reagieren zu müssen: zunächst auf die Preisentwicklung, dann auf die Lohnentwicklung. Läßt sich nun dieser Periodenwechsel auch mit den quantitativ untersuchten Quellen belegen, vielleicht sogar begründen? Dieser Frage wird weiter unten nachzugehen sein. Gleichzeitig stellen die Taxordnungen einen Faktor dar, der offensichtlich die wirtschaftliche Entwicklung enorm beeinflußte. Zunächst einmal kann ihre Wirkung als exogener Faktor auf die konjunkturelle Entwicklung nicht bestritten werden. Das Verbot von Weinimporten aus Hohenberg beispielsweise traf die Wirtschaft im Untersuchungsgebiet erheblich. Auch jene Kettenreaktion von Höchstpreisverordnungen und flankierenden Gesetzen, die mit allen Taxordnungen einhergingen, zeigt, wie sehr diese Maßnahme das wirtschaftliche Geschehen beeinflußte – hier im Sinne einer Destabilisierung des Marktes. Nach jenem Anstoß, den die kriegsbedingte Geldmengenschöpfung brachte, entwickelte sich durch den Einsatz von Taxordnungen eine eigene Dynamik, die zu einer nicht mehr nur monetären, sondern auch zu einer nachhaltigen Versorgungskrise führte. Diese Entwicklung verschärfte noch der exogene Faktor Krieg. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis in den Quellen auf einen Trend zur Regionalisierung bei der Krisenbewältigung. Dies geht einher mit wertvollen Informationen über die wirtschaftlichen Verflechtungen gerade im Untersuchungsgebiet. Alle genannten Maßnahmen spielten sich nicht auf abstrakter Ebene ab, sondern beeinflußten direkt das Leben in Rottenburg, Horb und Herrenberg. Die Taxordnungen und ihre flankierenden Gesetze bestimmten also auch die Lebensverhältnisse der Menschen in der Frühen Neuzeit, so etwa wenn es um die Arbeitsverhältnisse, um Konsumgewohnheiten und um den Handel ging.
VIII. Die Entwicklung der Preise
Nachdem weitgehend geklärt ist, welche exogenen Faktoren die Preisgestaltung im Untersuchungszeitraum beeinflußten, läßt sich die Entwicklung der Preise wichtiger Waren beurteilen. Bisher ermittelte Informationen können dazu herangezogen werden, um zu erklären, warum Waren teurer oder billiger wurden. Dafür können im einzelnen Kriegsereignisse, Ernteergebnisse, staatliche Preisregulierungen oder andere Ereignisse verantwortlich gewesen sein. In der vorliegenden Arbeit kommt der Preisentwicklung deshalb eine besondere Rolle zu, weil mit ihrer Hilfe der Verlauf der Kaufkraft untersucht werden soll. Sind erst einmal Vergleiche der Kaufkraft verschiedener Jahre möglich, so läßt sich auch die wirtschaftliche Entwicklung der Spitäler anhand preisbereinigter Werte erörtern. Über die erstmalige Darstellung der Konjunktur im Untersuchungsgebiet für den gewählten Zeitraum hinaus geht es also in diesem Kapitel auch darum, die Grundlagen für die Anwendung einer Methode der Preisbereinigung zu schaffen.
Für das 16. und 17. Jahrhundert hat die wirtschaftsgeschichtliche Forschung eine Preisrevolution, vor allem bezogen auf das Getreide, festgestellt[650]. Demnach begann etwa 1520 in ganz Europa eine auffallende Preissteigerung, der zwischen 1550 und 1570 ein zweiter Anstieg folgte. Zur Erklärung für diese Entwicklung wurden der Kreditbedarf kriegführender Nationen und vor allem die Edelmetallzunahme diskutiert. Durch die Silberproduktion im spanischen Amerika hätten sich im 16. Jahrhundert die verfügbaren Edelmetallvorräte verzehnfacht, während die Getreideproduktion stagnierte. Auch den Untersuchungszeitraum prägte bereits vor dem Wirksamwerden des Krieges eine allgemeine Teuerung, die sich besonders nachhaltig während der Kipper- und Wipperzeit bemerkbar machte. Die Bedeutung jener Teuerungskrise zeigte bereits die Untersuchung von Münzedikten und der Taxordnungen. Damals sahen sich die Regierungen zum Kampf gegen die Inflation durch Geldentwertungen sowie durch verordnete Höchstpreise veranlaßt. Freilich scheint dieses Hilfmittel eine eigene Dynamik entfaltet zu haben, die zunächst zu einer laufenden Aktualisierung der Höchstpreise zwang. Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges und vor allem nach 1650, als keine fremden Besatzungstruppen mehr mit Proviant beliefert werden mußten, fielen dann die Preise rapide. In den herrschaftlichen Taxordnungen spiegelt sich dieser Verfall darin wieder, daß schließlich Mindestpreise für bestimmte Produkte verordnet wurden.
Getreidepreise
Die Entwicklung der Preise von Dinkel, Roggen und Hafer läßt sich in den drei untersuchten Orten anhand relativ geschlossener Datenreihen untersuchen. Wo möglich, verbesserten Ergänzungen diese Grundgesamtheit zusätzlich. Zum Teil boten Verkaufspreise Anhaltspunkte für eine entsprechende Ersetzung von Kaufpreisen und umgekehrt. Eine andere Möglichkeit stellt das Verfahren der Ankettung dar. Dabei werden die Lücken einer Preisreihe durch Übernahme von Steigungen einer anderen Getreideart ausgefüllt. Diese Möglichkeit habe ich jedoch nur selten angewendet. Sie ist insofern fehleranfällig, als Getreidepreise häufig vom Ernteertrag und von unterschiedlichen Nachfragefaktoren abhängen; die Ernteerträge wiederum können bei den drei Getreidearten völlig unterschiedlich ausfallen. Beispielsweise gibt es Jahre mit ausgezeichneten Hafererträgen, in denen die Witterung dem Dinkel stark zusetzte. Außerdem hing die Nachfrage nach dem Hafer, den vor allem Pferde zu fressen bekamen, von anderen Faktoren ab, als jene nach dem bevorzugten Brotgetreide Dinkel. Im Extremfall konnte eine Viehseuche die Preise der einen Getreideart verfallen lassen, wohingegen gleichzeitig das Brotgetreide seinen Wert behielt. Nur wenn sich zwei Preisreihen während längerer Perioden gleichlaufend entwickelten, erschien eine Anwendung dieser Ergänzungsmethode gerechtfertigt. Diese Problematisierung mag auch veranschaulichen, wie verfälschend eine einseitig auf den Roggen bezogene Bereinigung des Geldwertes sein kann. Indessen prägen alle drei Getreidearten ähnliche überlagernde Entwicklungen. Einander noch ähnlicher als die Preisreihen verschiedener Getreidearten in einem Ort sind die Reihen für dieselbe Frucht in den drei untersuchten Spitälern. Dies bildet die Grundlage für die am häufigsten angewandte Methode zur Interpolation. Für einen Ort errechnete Steigungen ließen sich durch periodenweises Umindizieren auf die Reihe eines anderen Ortes übertragen[651].
Bereits veröffentlichte Preisreihen aus Cannstatt[652] sowie aus den württembergischen Brenztal- Städten Heidenheim[653] und Giengen[654] erlauben eine Einordnung der Rottenburger, Horber und Herrenberger Getreidepreise in längerfristige und räumlich ausgedehntere Entwicklungen. So läßt sich an einer Preisreihe für Kernen in Cannstatt, welche die Jahre 1528 bis 1628 darstellt, eine gleichbleibende Steigung beobachten. Diese erfolgte stufenartig. Auf die erste Stufe zwischen 1535 und 1559 folgte eine zweite bis 1585. Letztere unterbrach in den Jahren 1569 bis 1575 eine abrupte und heftige Teuerung. Auf der dritten Stufe, welche 1586 begann und in ihrem Grundniveau bis 1621 andauerte, hatte sich der Ausgangspreis verdoppelt bis verdreifacht. Gerade die letzte Stufe, die sich bis in den Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit hinein erstreckt, prägen allerdings einige boomartige Aufgipfelungen, besonders zwischen 1608 und 1615. Sie unterbrachen jenes langanhaltende Niveau, das im Zeitraum von 1586 bis 1621 dominierte. Giengen bietet vor allem Preise, die den Untersuchungszeitraum mit abdecken. Dort konnten die Bauern nach der Hausse der Kipper- und Wipperzeit keinen höheren Erlös als in Friedenszeiten für ihr Getreide erzielen. Grund zur Freude gaben ihnen dann wieder die enormen Gewinne zwischen 1634 und 1636. Allerdings fielen diese Profite zeitlich mit den Pestjahren zusammen, weshalb die Freude geteilt gewesen sein dürfte. Daß jetzt die Früchte wieder wohlfeil seien, behauptete ein Giengener Chronist 1643. Truppendurchzüge und Proviantforderungen von französischen und schwedischen Armeen, welche während der drei Jahre nach Kriegsende in nahegelegenen Garnisonen lagen, trieben dann das Preisniveau wieder nach oben. Erst als die Besatzer das Land 1650 räumten, sank der Getreidepreis, dann allerdings schlagartig. Seitdem galt die Frucht in Giengen nicht einmal mehr den Vorkriegspreis, sondern nur noch etwa halb soviel. Es folgten lange Jahre, in denen die wichtigsten Erzeugnisse des Bodens so billig waren, daß sie die Mühe des Erzeugers kaum noch lohnten.
Auch für Geislingen an der Steige[655] gibt es veröffentlichte Preisreihen. Sie stammen aus den Rechnungen der dortigen Hospitalverwaltung, wobei der Bearbeiter Durchschnittspreise errechnete. Hohe Preise zeichnen vor dem Krieg das Jahr 1612 aus. Die Hausse der Kipper- und Wipperzeit dauerte nur kurz. Während des gesamten Krieges jedoch verharrten die Preise über dem Niveau vor Kriegsbeginn, wobei das Jahr 1634 die größte Amplitude aufweist. Daß daran keine Mißernten, sondern die Kriegswirkungen Schuld waren, geht aus einem Bericht des Chronisten Furtenbach für das Jahr 1635 hervor: die Bauern schnitten das Korn und wahr so wohl geraten, daß man nit genug Menschen haben konnte, so das Korn einsammelten, dahero viel Korn im Feld stehen blieb[656]. Nach dem Ende der Proviantlieferungen verbilligten sich ähnlich wie in Giengen auch in Geislingen die Getreidepreise schlagartig. Vor allem in den 1660er Jahren konnten die Bürger für billiges Geld zu Grundnahrungsmitteln kommen. Damals pflügten die Bauern fast alle der zuvor brachliegenden Äcker wieder.
Nahezu im Gleichklang mit Cannstatt, Giengen und Geislingen entwickelte sich die Agrarkonjunktur in Rottenburg, Horb und Herrenberg. Der gewählte Untersuchungszeitraum beginnt während der anhand des Cannstatter Materials festgestellten dritten Preisstufe. Auch im Untersuchungsgebiet stiegen während einer Unterbrechung des Grundniveaus zwischen 1609 und 1615 die Preise enorm, beim Dinkel auf über zwei Kreuzer je Kilogramm, nachdem er zuvor ein Viertel weniger gekostet hatte. Die hohen Preise klangen dann, wie andernorts ebenfalls beobachtet, in den ersten Kriegsjahren schlagartig ab. Dann leerte die Kipper- und Wipperzeit den Fruchtkäufern ihre Geldsäcke. Diese Währungskrise dauerte in Ausläufern bis 1629. Sie war gekennzeichnet durch eine enorme Teuerung fürnämblich beym lieben Brot, Fleisch und Schmaltz (dessen die menschliche Notturft, bey Arm und Reichen, ja nicht entbären kan)[657]. Doppelt bis dreimal so viel wie zuvor kostete das Getreide. Danach blieb den Verbrauchern nur wenig Zeit, sich auf die niedrigeren Preise einzustellen. Bereits vier Jahre später mußten sie ihre Geldbeutel wieder praller stopfen als vor dem Krieg, wenn sie ihre gewohnten Rationen kaufen wollten. Zwei, drei, ja sogar vier Mal mehr Münzen mußten sie in den nächsten Jahren mit sich auf den Markt nehmen. Jetzt traf die volle Wucht des Krieges die Bürger von Rottenburg, Horb und Herrenberg. Verwüstete Felder fielen als Produktionsflächen aus, während gleichzeitig einquartierte Soldaten nach Lebensmitteln verlangten. Aus der Teuerungskrise entstand unter diesen Bedingungen schon bald eine Versorgungskrise, die sich – darauf weisen die weiterhin erhöhten Preise – bis 1641 hinzog. Dann jedoch kam den Bürgern, die bis dahin überlebt hatten, eine Trendwende zugute. In der vierten württembergischen Taxordnung von 1642 läßt sich die frohe Botschaft nachlesen: die Früchte und Viktualien gab es wieder zu einem wolfailen und annemblichen Preis[658], so daß die Bäcker Gottlob das liebe Brot widerumb zimblich wohlfail verkauften[659]. Seitdem blieb das Getreide billig. Es war bald sogar fast um die Hälfte günstiger als vor Kriegsbeginn. Jene offenbar ganz Württemberg überlagernde, relativ geringfügige, Teuerung der Besatzungszeit bei Kriegsende konnten die an Schlimmeres gewöhnten Verbraucher wohl verkraften, vor allem, da sie schon bald ein regelrechter Unwehrt der lieben Früchte entschädigte[660]. Bauern in Rottenburg, Horb und Herrenberg hatten nun ihrerseits wie jene in den Brenztalstädten Giengen und Heidenheim Grund zur Klage. Ihre Produkte brachten sie nurmehr zum Spottkauf los. Für Mißernten, die allem nach in den Jahren 1661 und 1662 die Preise kurzfristig nach oben trieben, müssen sie geradezu dankbar gewesen sein, sofern ihre Äcker noch etwas zum Verkauf abwarfen. Insgesamt fiel der Wert des Getreides so beträchtlich unter das Niveau vor Kriegsbeginn, daß Herzog Eberhard III. von Württemberg sogar Mindestpreise verordnete[661].
Fleischpreise
Fleisch gehört zu den elastisch nachgefragten Grundnahrungsmitteln der Frühen Neuzeit. Wenn es der Preis und die Leere des eigenen Geldbeutels verlangten, konnten die Verbraucher nämlich auf den Kauf verzichten. Zur Not aßen sie eben Billigeres. Fleischpreise sind vor allem für Rottenburg und Horb sehr vollständig überliefert[662]. Auf Grund der gleichartigen Preisentwicklung konnte durch Umindizieren sehr sinnvoll ergänzt werden.
Um die Hintergründe dieser Preisgestaltung besser verstehen zu können, soll hier auf das Schlachten in der Frühen Neuzeit kurz eingegangen werden. Über die Arbeitsweise der württembergischen Metzger gibt die Metzgerordnung von 1651 Auskunft[663]. Außer den vereidigten Metzgern durfte niemand schlachten. Vor dem Schlachten mußten sie das Schlachtvieh den Fleischschätzern vorführen. Durch diese Begutachtung sollte die Fleischqualität gleich gut bleiben. Von Georgi (23. April) bis Michaelis (29. September) hatten die Metzger alles Fleisch um sieben, sonst um acht Uhr auf ihrer Bank anzubieten. Auf einer Tafel über deren Stand schrieben die Fleischschätzer die Taxe jeder Fleischart auf.
Auch Fleischpreise unterlagen also schon spätestens ab 1622 obrigkeitlicher Taxierung[664]. Die Württemberger konnten ein Pfund Kalbfleisch für acht, ein Pfund Schweinefleisch für sieben Kreuzer kaufen. In Hohenberg galten dieselben Taxen[665]. Um eine Versorgungskrise wegen der Höchstpreise zu vermeiden, verpflichtete jene Taxordnung württembergische Metzger dazu, mindestens einmal pro Woche ein Stück Vieh öffentlich auszuhauen. Über die Einhaltung der Ordnung wachten geschworene Schätzer. Um die Viehzucht im Lande zu schonen, durften auch ausländische Ochsen oder Stiere aus Ungarn, Polen, Burgund und der Schweiz geschlachtet und je Pfund um einen Kreuzer teurer verkauft werden. Doch war ein urkundlicher Nachweis über die Herkunft des Viehs erforderlich. Auch die württembergischen Taxordnungen von 1623, 1642 und 1654 enthielten entsprechende Höchstpreise für Fleisch, wobei stets zwischen den unterschiedlichen Fleischsorten unterschieden wurde. Am teuersten kam den damaligen Verbraucher in aller Regel das Kalbfleisch, zeitweise auch das nicht abgespeckte Schweinefleisch zu stehen. Unterschiedliche Fleischpreise zwischen den Spitälern lassen sich zum Teil durch voneinander abweichende Verzehrgewohnheiten hinsichtlich der Fleischsorten erklären.
Preisdifferenzen zwischen den Fleischsorten | ||||||
JAHR | Kalb | Ochsen | Kuh | Hammel | Schwein | |
xer je | Stech- | gut | schlecht | |||
Pfund | kalb | und Schaf | ||||
1622 | 8 | 7 | 6 | 6 | 5 | 7 |
Feb 13 | ||||||
1622 | 8 | 7 | 6 | 6 | 5 | 7 |
Aug 17 | ||||||
1622 | 8 | 7 | 6 | 6 | 5 | 7 |
Sep 14 | ||||||
1623 | 3-4 | 3 | 7 Pfg | 10-13 h | 4 | |
Sep 17 | ||||||
1625 | 3-5 | 3-4 | 3 | 2 | 4-5 | |
1651 | 3 | 2,5 | 2,5 | 3 | 3 | |
Dez 8 | ||||||
1652 | 3 | 3 | 2,5 | 4 | ||
Mrz 30 | Geiß: 2 xer | |||||
1654 | 3 | 2,5 | 2,5 | 2,5 | 3,5 | |
Mrz 4 |
Die Quellen geben selten darüber Auskunft, welche Fleischsorte in die Teller der Spitaliten kam. Kalbfleisch und Rindfleisch werden genannt[666]. Vor allem während der Krisenjahre scheint auch minderwertiges Fleisch, beispielsweise von Schafen, in den Küchen der Anstalten verwendet worden zu sein[667]. In diesem Zusammenhang überrascht es auch nicht, daß 1652 sogar Geißenfleisch taxiert wurde.
In Anbetracht der unterschiedlichen Fleischsorten, die der Spitalmeister auf der Fleischbank kaufen konnte, ist es eher erstaunlich, daß im Untersuchungszeitraum zwischen den behandelten Orten keine größeren Preisunterschiede auftraten. Im Gegenteil läßt sich gerade beim Fleisch ein sehr einheitliches Preisniveau feststellen. Vermutlich waren das Angebot an Fleischsorten im Untersuchungsgebiet und die Verbrauchsgewohnheiten der untersuchten Spitäler doch sehr ähnlich. Die frühesten überlieferten Fleischpreise bis zum Jahr 1609 betrugen in etwa zwei Kreuzer je Pfund. Anschließend stiegen sie bis zur Kipper- und Wipperzeit, wobei sie um einen Wert von etwa 2,4 Kreuzer je Pfund schwankten. Daran schloß die Teuerungskrise an. Der rapide Boom brachte eine Verdrei- bis Vervierfachung der Preise. Die Rezession nach der Kipper- und Wipperzeit bis zum Wirksamwerden des Krieges führte zu einem Niveau von drei Kreuzern je Pfund. Dieses hielt sich längere Zeit. Erst wieder die Wirkungen der heißen Kriegsphase verteuerten dann auch das Fleisch, dessen Preise auf fünf bis sechs Kreuzer je Pfund anzogen. Diese Entwicklung kippte etwa im Jahr 1642. Es folgte eine langandauernde, immer wieder von kurzen Booms unterbrochene Rezession. Die Preise lagen während dieser Jahre meist etwas über drei Kreuzern. Nach dem Kriegsende verharrten sie einigermaßen konstant zwischen zwei und zweieinhalb Kreuzern.
Am Ende des Dreißigjährigen Krieges durchliefen die Fleischpreise also in etwa den umgekehrten Weg des leichten Anstiegs vor der Kipper- und Wipperzeit. Auf das Niveau der Periode von 1590 bis 1607 sanken sie nur noch kurzfristig am Ende des Untersuchungszeitraumes. Es läßt sich so zum einen festhalten, daß der Dreißigjährige Krieg keine dauernde Verteuerung des Fleischpreises zur Folge hatte, zum anderen jedoch auch, daß sein Wert nach Kriegsende nicht mehr unter den Vorkriegsstand zurückfiel.
Weinpreise
Zur Berechnung der Weinpreise liegen sehr unterschiedliche Reihen vor: in Horb ist bis in die 1630er Jahre hinein die Verkaufsreihe praktisch nicht vorhanden, während die Kaufpreise fast vollständig dokumentiert sind. Anschließend sind dagegen die Verkaufspreise etwas vollständiger überliefert, als die Kaufpreise. Für Rottenburg existieren beide Reihen in etwa gleicher Güte. Für Herrenberg sind vor allem die Kaufpreise sehr geschlossen überliefert, aber auch die Verkaufspreise gut dokumentiert. Bei den Weinpreisen wurden Lücken bei den Kaufpreisen durch Verkaufspreise höchstens auf dem Umweg über das Ankettungsverfahren ergänzt. Ansonsten konnte auf Grund paralleler Reihen der drei Orte ergänzt werden. Die Weinpreise haben sich insgesamt sehr uneinheitlich entwickelt. Dabei sind die Verkaufspreise noch wesentlich stärker variiert, als die Kaufpreise.
Weinpreise je Mas 1608 |
Jg.1605 1,77 xer |
Jg.1606 1,24 xer |
Jg.1608 2,96 xer |
Dies liegt zum einen daran, daß bei den Weinpreisen erhebliche Qualitätsunterschiede zum tragen kommen. Normalerweise kaufte der Horber Spital seinen Wein von Bürgern der Stadt und Winzern aus Ihlingen oder Rexingen, also bei den Produzenten. Schon diese einheimischen Sorten wiesen teils erhebliche Preisdifferenzen zwischen den Jahrgängen auf.
Beim Horber Wein und jenem der genannten Dörfer scheint es indessen kaum Preisunterschiede innerhalb eines Jahrganges gegeben zu haben. Die Horber Anstalt kaufte in aller Regel bei örtlichen Weingärtnern jeweils kleinere Mengen. Seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges gewannen diese Käufe die Züge einer florierenden Naturalwirtschaft. Der Spital ließ sich seine Kreditforderungen, Zinsen und Steuern aus den Dörfern mit Wein entlohnen. Dabei wurden, wie Vergleiche mit anderen Geschäften zeigen, durchaus Marktpreise verrechnet. Auch die Herrschaft Hohenberg ließ vom Landschreibereiverwalter in Rottenburg ihre Zinsverpflichtungen gegenüber dem Spital mitunter in Gestalt von Weinlieferungen begleichen[668]. Gleiches tat die Stuttgarter Landschaft[669]. Dies entsprach durchaus dem Wunsch der Untertanen.
Bürgermeister und Rat in Horb baten etwa 1669 darum, ihnen die Kapitalzinsen unbedingt zu bezahlen. Wenn es kein Bargeld gebe, solle mit Wein und Früchten beglichen werden[670]. Freilich sah sich der Spital mitunter auch zum Erwerb von größeren Fässern auswärtiger Weine gezwungen, vor allem bei schlechten Erträgen im ortsnahen Weinbaugebiet. Dies führte zu ganz erheblichen Preissprüngen. Eine Ladung die sich die Pfleger 1629 aus der Pfalz kommen ließen, kostete wegen des Qualitätsunterschiedes wesentlich mehr als das heimische Gewächs. Vor allem aber verteuerten die Transportkosten das Produkt um weitere 50 Prozent. Eine wichtige Rolle spielte auch, in welchem Rahmen die Preise gebildet wurden. Schankwein, der nach dem kleinsten Hohlmaß für Getränke, dem Mas, zu bezahlen war, kostete wesentlich mehr als die in größeren Mengen verhandelten Sorten. Bei der Bildung von Reihen wurden, sofern erkennbar, Preise für den heimischen Wein von solchen importierten Rebensaftes getrennt und nur erstere herangezogen. Leider besteht trotzdem eine gewisse Unsicherheit darüber, ob alle Importe als solche ausgewiesen werden konnten. Anhand der Kaufpreise läßt sich die örtliche Marktsituation besser ermitteln als an den Verkäufen, da Verbraucher wie der Spital ja direkt bei den Wengertern einkaufen konnten und dabei sehr genau ihre Anschaffungen rechtfertigen mußten.
Es ist sinnvoll, auch die anhand der Untersuchungsobjekte ermittelten Weinpreise vor dem Hintergrund längerfristiger Entwicklungen zu beurteilen. Dazu kann auf eine Preisreihe für Cannstatt zurückgegriffen werden[671], die den Zeitraum von 1456 bis 1626 abdeckt. Diese Reihe von obrigkeitlich ermittelten Durchschnittspreisen zeigt eine erstaunliche Konstanz für die Jahre von 1456 bis 1587. Während dieser langanhaltenden Periode gab es seit 1486 einen stetigen leichten Aufwärtstrend, der 1571-77 zu einem Boom führte. Schlagartig verdoppelten sich dann 1588 die Weinpreise und behielten das hohe Niveau bis 1603 bei. Zwischen 1604 und 1606 verbilligte sich der Wein wieder, vielleicht eine Folge minderwertiger Ernten. Danach setzte sich das 1588 erreichte Niveau bis 1616 mit einem leichten Abwärtstrend fort. Nach einer kurzen Depression bis 1620 folgte die Teuerungskrise der Kipper- und Wipperzeit.
Auch eine Rottenburger Preisreihe von 1545 bis 1620, die Fridrich Pfaff überlieferte[672], deutet darauf hin, daß die den Rechnungsbüchern der Spitäler entnommenen Daten durchaus allgemeinen Trends folgten. Eine Umindizierung der Spitalpreise zeigt für die Jahre der Überschneidung dieselbe Entwicklung. Auch an der von Pfaff überlieferten Reihe läßt sich die für Cannstatt beobachtete Entwicklung nachvollziehen. Es zeigt sich sowohl der kürzere Boom nach 1571 mit Ausläufern bis 1577, als auch jener enorme Preissprung des Jahres 1588, der nahezu eine Verdoppelung der bis dahin gekannten Höchstpreise brachte. Damit scheint eine neue Stufe der Weinpreise erreicht gewesen zu sein, denn bis zur Teuerungskrise der Kipper- und Wipperzeit wurde der Rebensaft praktisch nicht mehr wesentlich billiger. Nur die Jahre 1597 bis 1606 brachten für Rottenburg eine Entspannung der Situation. Die Preisreihen im eigentlichen Untersuchungszeitraum beginnen auf dem seit 1588 erhöhten Niveau.
Hohe Weinpreise verraten häufig einen Bezug zum Erntezyklus, besonders deutlich im Jahr 1602, als unzeitiger Frost praktisch die gesamte Lese vernichtete. So auch 1607-16 als, von zwei Jahren abgesehen, nur unterdurchschnittliche Lesen eingesammelt werden konnten. Zwischen 1621 und 1629 machte sich besonders die Teuerungskrise der Kipper- und Wipperzeit bemerkbar. Zeitweise, besonders 1623, scheint der Wein, welchen die aufgestellten Taxen bis dahin nicht regelten, geradezu preistreibend gewirkt zu haben. So beschwerten sich damals etwa die Herrenberger Bauern, die ihren Rebensaft importieren mußten, über die steigenden Weinkosten. Man müsse auch für den Wein Höchstpreise festlegen, forderten sie. Sonst werde man sie, man mache gleich mit ihnen, was man wölle, zue einer Vich- oder Fruchttax kheinswegs zwyngen noch nöhtigen könden – auch wenn sie deshalb Leibes- und Lebensgefahr gewärtigen müßten. Schließlich könne niemand von ihnen verlangen, ihren äußersten Fleiß, ihre Mühe und ihre Arbeit in der Landwirtschaft einzusetzen, wenn sie hinterher nicht eines Labtrünckhlins in zimblicher Tax erfruwt und getröstet seien.
Die Handwerker im Gäu schlugen damals in dieselbe Kerbe, so daß die Berichterstatter bei einer regionalen Konferenz gar Ufstand oder andere merckhliche Ungelegenhait wegen der Weinteuerung befürchteten[673]. Zwischen 1633 und 1644 wirkte sich anfangs eine schlechte Ernte, später dann der Krieg durch erhöhte Nachfrage und durch Ernteausfälle aus. 1650/51 machten sich dreijährige Mißernten bemerkbar und 1660-67 sind ebenfalls schlechte Weinjahre zu beobachten. Vor allem im Anschluß hieran sanken dann die Weinpreise auf ein Niveau, das unter jenem der Vorkriegszeit lag. Längerfristig betrachtet kostete der Wein vor allem zwischen 1621 und 1644 besonders viel. Nach Kriegsende lagen die Weinpreise wesentlich länger über dem Vorkriegsniveau, als etwa die Getreidepreise. Bier zur Substitution des teuren Weines scheint sich zumindest im Neckartal nicht durchgesetzt zu haben. Vor allem wohl auch, da der Bierpreis sich während der Kriegsperiode nicht mehr erheblich von jenem des Weines unterschieden haben dürfte.
Bier- und Weinpreise | ||
Jahr | Wein | Bier |
1617 | 2,68 | 1,36 |
1629 | 4,29 | 3,1 |
1633 | 2,48 | 3,1 |
In den untersuchten Spitälern können Getreide, Fleisch und Wein gleichsam als Grundnahrungsmittel betrachtet werden. Ihre Preisentwicklung beeinflußte die Spitalwirtschaft deshalb enorm. Ein Vergleich der entsprechenden Preisreihen zeigt einige gemeinsame und einige unterschiedliche Entwicklungen. Dem Krieg gingen beim Getreide und beim Wein im Vergleich mit nachfolgenden Entwicklungen zwar leichte, zeitgenössisch aber sicherlich als sehr belastend empfundene Teuerungen zwischen 1607 und 1616 voraus. Vermutlich veranlaßten sie Mißernten, die bei der Untersuchung des Erntezyklus festzustellen waren. Fleisch verteuerte sich ebenfalls zwischen 1608 und 1610. Verbraucher konnten dieses Nahrungsmittel anschließend jedoch nicht mehr billiger kaufen, es behielt seitdem sein erhöhtes Niveau. Die Kipper- und Wipperzeit verursachte dann, besonders deutlich seit 1622, eine Geldentwertung, welche entsprechende Preiserhöhungen begleiteten. Während Gegenmaßnahmen der Münzherren beim Hafer, vielleicht auch beim Roggen, Erfolg hatten und deren Preise relativ rasch wieder senkten, blieb der Dinkel im Untersuchungsgebiet teilweise teurer als vorher. Besonders die Rottenburger litten anscheinend weiterhin unter einem hohen Dinkelpreis. Auch das Fleisch behielt seitdem einen deutlich höheren Wert, wohingegen der Wein mitunter für frühere Preise zu haben war. Unmittelbare Wirkungen der Kriegsführung beeinflußten in allen drei benachbarten Orten seit 1634 deutlich die Preisentwicklung. Die darauf folgende langanhaltende Teuerung normalisierte sich erst wieder nach 1640. Jener Zeitpunkt, ab dem die Autoren der Taxordnungen Lebensmittelpreise wieder als eher wohlfeil empfanden, dürfte demzufolge zwischen 1640 und 1642 zu suchen sein, er läßt sich also recht genau eingrenzen. Bei Kriegsende verteuerte sich das Getreide dann nochmals zwischen 1649 und 1652. Damals vergrößerten stationierte Besatzungstruppen die Nachfrage. Unterdurchschnittliche Ertragsziffern und Ernteergebnisse kennzeichnen die Getreideteuerung der Jahre 1660-62, auf die auch die Fleischspreise leicht reagierten. Am Ende des Untersuchungszeitraumes, 1674, deutet sich eine erneute breitgefächerte Teuerung an.
Insgesamt läßt sich für das Getreide sagen, daß die Preise vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges deutlich höher lagen, als nach Kriegsende, am ausgeprägtesten beim Dinkel. Fleisch hingegen kostete nach dem Krieg in etwa gleich viel wie zuvor. Beim Wein dürfte sich ein Preisverfall nach Kriegsende erst allmählich bemerkbar gemacht haben. Es gab weiterhin sehr lohnende Weinjahre und erst im langjährigen Durchschnitt zeigte sich ein negativer Trend. Insofern läßt sich auch die Anbauentscheidung vor allem des Rottenburger, aber auch des Horber Spitals nach Kriegsende gut nachvollziehen: Investitionen in den Weinbau schienen allem nach weiterhin lohnend, wohingegen Getreidefelder damals keine goldene Zukunft versprachen.
Entwicklung der Löhne
Die Bedeutung von Löhnen für die Lebensverhältnisse der Menschen ist in Zeiten immer wiederkehrender Tarifverhandlungen ausreichend bekannt, eine Beschäftigung mit ihnen steht deshalb unter keinerlei Begründungszwang[674]. Löhne beeinflussen einerseits die Lohneinnahmen von Verbrauchern, andererseits aber auch das Preisniveau und damit den Geldwert. Zudem stehen Löhne in einem engen Wechselverhältnis zum Beschäftigungsgrad. Alle drei Aspekte sollen deshalb, so weit möglich anhand der spitalischen Rechnungsbücher, untersucht werden. Ergänzende Informationen können die Handwerker- und Taxordnungen, welche die Lohnverhältnisse im Untersuchungsgebiet beeinflußten, liefern. Gerade sie erlauben es, für diese erstmalige Darstellung über die Lohnentwicklung im Untersuchungsgebiet die nötigen grundlegenden Angaben darüber zu ermitteln, wie die Löhne überhaupt gebildet wurden. Anhand dessen wiederum muß dann die Zuverlässigkeit der in den Rechnungsbüchern erhobenen Angaben eingeschätzt werden. Außerdem beeinflußten die zeitgenössischen Rahmenbedingungen einen wesentlichen Teil der damaligen Lebensverhältnisse. Sie betrafen abhängig Beschäftigte in gleichem Maße wie Arbeitgeber.
Je nach Bezahlung lassen sich in den Rechnungsbüchern der Spitäler drei Lohnformen[675] unterscheiden. Einmal gab es jene Handwerker, die einen bestimmten Auftrag im Verding zugeteilt bekamen. Gegen einen im Voraus vereinbarten Festbetrag errichteten sie beispielsweise ganze Häuser oder Dachstühle. Dieser Zahlweise bedienten sich vor allem Einrichtungen der öffentlichen Hand. Der gemeine Mann hingegen, dem nötige Erfahrungen zum Aushandeln eines Verdingwerks fehlten, beschäftigte die Handwerker in aller Regel im Taglohn[676]. Während die Zahlweise des Verdings zur Ermittlung von Lohnverhältnissen praktisch nicht taugt, fällt dieses bei Taglohnaufträgen wesentlich leichter. Für jeden Tag erhielt der Beschäftigte dabei einen bestimmten Geldbetrag, den Lohnsatz. Dieser Zeitlohn war die bei den meisten zünftigen Handwerkern, aber auch bei vielen Taglöhnern übliche Form des Entgelts. Auch Ehehalten, Knechten und Mägden zahlten die Schreiber einen Zeitlohn, allerdings auf ein Jahr bezogen. Eine dritte Gruppe von Arbeitskräften indessen erhielt ihren Lohn gemäß einer bestimmten vollbrachten Arbeitsleistung zugemessen, im Stücklohn. Holzhauer etwa bezogen ihren Verdienst je nach Anzahl der gefällten Stämme oder der Menge des gemachten Holzes. Auch viele Erntearbeiten vergalt der Spital nach der erbrachten Leistung, etwa bezogen auf das Mansmad gemähter Wiese oder auf die Fuder gedroschenen Getreides. Diese Stücklöhne entsprechen nach heutigem Sprachgebrauch dem Akkordprinzip.
Die Spitäler beschäftigten sowohl Männer als auch Frauen. Frauen traten entweder als Mägde, als Näherinnen oder während der Erntesaison in deren Dienst. Sie verdienten stets wesentlich weniger, als ihre männlichen Kollegen, meist nur halb so viel. Während ein Taglöhner 1652 sommers neben der Verpflegung sieben Kreuzer bekam, mußte sich eine Frau mit vier Kreuzern begnügen. Für dieses Geld ließen sich Frauen sowohl beim Heuen, im Feld als auch bei der Weinlese einsetzen. Dieses Lohnniveau findet sich in Horb bereits vor der Kipper- und Wipperzeit, es dauerte auch nach Kriegsende fort[677]. Näherinnen, die ebenfalls ihre Kost in den Anstalten bezogen, und die teils außerordentlich lange Beschäftigung fanden, bis zu 60 Tage in Horb, erhielten täglich gar nur 15 Heller, nach Kriegsende drei Kreuzer (ca 19h). In Herrenberg verdiente die Näherin vor Kriegsbeginn einen Schilling (12h) pro Tag, 1631 drei Kreuzer (ca 17h).
Prinzipiell hing die Höhe des Lohnes auch vom ausgeübten Gewerbe ab. Trotzdem scheinen die Taglöhne von Handwerksmeistern in etwa gleich hoch gewesen zu sein. Dies läßt sich anhand der Taxordnungen für die meisten Gewerbe zeigen. Der nach der Teuerung in den 1620er Jahren allgemein übliche Lohnsatz für einen verantwortlich tätigen Handwerksmeister – egal, welchen Handwerks – betrug mit wenigen Abweichungen 24 Kreuzer. Dies galt für den Fall, daß er für sein Essen selbst sorgte. Verpflegte ihn der Arbeitgeber, so durfte dieser, zum Beispiel im Jahr 1655, dafür zehn Kreuzer einbehalten[678]. Unterschiede zeigen sich mitunter, etwa wenn der Maurer in Herrenberg nach Kriegsende öfters einen Lohnsatz von nur 20 Kreuzern hatte, wohingegen der Zimmermann es gleichzeitig auf 24 Kreuzer brachte[679]. Dies mag im Einzelfall mit der Arbeitssaison oder seinem unbekannten Ausbildungsstand zusammenhängen.
Sehr nachhaltig wirkte sich nämlich der Ausbildungsstand auf das Entgelt aus. Generell werden im Folgenden nur die Löhne ausgebildeter Meister untersucht. Sie hatten die in den entsprechenden Bau- oder Handwerksordnungen vorgeschriebenen Qualifikationen erbracht. Ein Lehrjunge des Maurerhandwerks, der erst zu lernen angefangen hatte, sollte 1655 sommers 16 Kreuzer am Tag verdienen. Von halbem Jahr zu halbem Jahr stieg sein Entgelt um ein bis 2 Kreuzer, bis es jenes eines Gesellen in Höhe von 20 Kreuzern erreichte. Der Meister verdiente 22 Kreuzer. Erst wenn er sich als Steinhauer qualifiziert hatte, standen ihm jener Ordnung zufolge, wie dem Zimmermannsmeister, 24 Kreuzer je Tag zu[680]. Berücksichtigt man diese für einzelne Jahre gültigen Einschränkungen, so genossen Steinmetze, Maurer, Zimmerleute und Schreiner in etwa denselben Taglohn. Allerdings bekam bei größeren Projekten immer einer ein besseres Salär, nämlich derjenige, der das Werck führet, also der Werkmeister[681].
Bei den Löhnen des Herrenberger Werkmeisters war allerdings zu berücksichtigen, daß dieser städtische Polier, besonders in den Jahren vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges, zusätzlich zu einzelnen Taglöhnen eine fixe jährliche Pauschale bezog. Dies hängt mit seiner Zuständigkeit für den städtischen Brunnen- und Brückenbau zusammen. Seit dem Dreißigjährigen Krieg scheint diese Pauschale lediglich noch eine Anerkennung für seine Rufbereitschaft gewesen zu sein, wohingegen sein Taglohn der allgemeinen Handwerkertaxe entsprach. Diese Entwicklung im Anstellungsverhältnis des städtischen Werkmeisters und in der Zahlweise seines Lohnes erklärt den gravierenden Unterschied zwischen seinem Taglohn vor und nach den Kriegsjahren. Berücksichtigt man diese Besonderheit, so entspricht der Lohn des Werkmeisters jenem eines Meisters der Zimmerleute, der einen Auftrag verantwortlich ausführte.
Die Höhe des Lohnsatzes bemaß sich ferner nach der Saison. Beispielsweise unterscheidet die württembergische Bauordnung von 1655 beim Taglohn zwischen jenem im Sommer und jenem im Winter. Ein verantwortlicher Meister verdiente damals im Sommer 24 Kreuzer, im Winter aber nur 20 Kreuzer. Dies hängt mit der unterschiedlichen Arbeitszeit zusammen. Der von Cathedra Petri (22. Februar) bis Galli (16. Oktober) entrichtete Sommerlohn vergütete einen Arbeitstag, der im hohen Sommer morgens um vier Uhr, allgemein jedoch im Morgengrauen begann und sich abends bis 18 Uhr, bei einer weiteren Mahlzeit auch bis 19 Uhr erstreckte. Pausen durften die Handwerker für die Morgensuppe zwischen sieben und acht Uhr, für das Mittagessen zwischen 11 und 12, sowie eventuell zwischen 15 und 16 Uhr für das Unterbrot mit einem Trank machen. Im Hochsommer stand der Arbeiter seinem Auftraggeber also 12 Stunden am Tag zur Verfügung! Samstags allerdings bekam er eine Stunde eher Feierabend, so daß die Woche 71 Arbeitsstunden hatte. Während der übrigen Jahreszeit, im Winter, fing der Handwerker ebenfalls bei Sonnenaufgang an. Da dies aber relativ spät sein konnte, hatte er seine Morgensuppe schon zuvor bei Kerzenlicht zu löffeln, so daß dem Auftraggeber nur die Mittagspause von der Arbeitszeit abging[682].
Damit sind aber längst noch nicht alle Faktoren berücksichtigt, die den Lohnsatz beeinflußten. Zu diesen gehören auch Beinutzungen, etwa die Zuteilung von Kleidern. Diese war für Ehehalten, die Bediensteten also, üblich, für Handwerker und Taglöhner jedoch nicht. Untersuchungen dieser Lohnzugabe können auch Erkenntnisse über den Grundbedarf an Kleidung in der Frühen Neuzeit bringen. Die Spitäler statteten ihre Ehehalten je nach Tätigkeit und nach sozialer Stellung unterschiedlich aus. Insgesamt aber läßt sich eine sehr einheitliche Kluft für Knechte ableiten. Normale Knechte, die keine leitende Funktion hatten, erhielten üblicherweise zwei Hemden, vier Ellen Zwillich, zwei Paar Schuhe, vier Pfund Schmer (rohes Schweinefett) und eine Hose. Der Oberfuhrknecht bekam 1602 zusätzlich ein Paar Stiefel im Wert von 20 Batzen. Mägde statteten die Spitäler statt mit Kleidung mit Tuch aus, aus dem sie sich jene selbst nähen sollten. Außerdem versorgte man sie mit zwei Paar Schuhen und zwei Schleiern im Wert von zehn Schillingen[683]. Im Spätmittelalter benötigten Dirlmeier zufolge Männer als Grundausstattung jährlich einen Rock, vier Ellen Tuch, zwei Hemden, ersatzweise dafür vier bis sechs Ellen Zwillich oder Leinen, ein bis zwei Paar Hosen und ein bis vier Paar Schuhe. Für Frauen ermittelte er einen Grundbedarf von vier bis zehn Ellen Leinen- oder Flachstuch, zwei bis vier Paar Schuhe und gelegentlich einen Schleier. Den Wert dieser Grundausstattung veranschlagt Dirlmeier mit zwei bis drei Gulden[684]. Seinen Angaben zufolge scheinen die Spitäler ihre Ehehalten mit Kleidung nahezu vollständig versehen zu haben. Da der Schuster die Schuhe der Bediensteten auf Kosten der Anstalt außerdem gleich mitreparierte, brauchten sie grundsätzlich keinen Heller von ihrem Lohn für Kleider auszugeben. Den Knechten und Mägden stand mitunter allerdings frei, ob sie den Gegenwert für die Kleidung in Geld empfangen wollten. So galt 1648 ein Kragen 12 Kreuzer, ein Hemd einen Gulden. Der Wert der Hosen wurde 1602 mit 10 Batzen angegeben.
Die aus den Rechnungsbüchern der Spitäler ermittelten Kleidergaben an die Bediensteten hatten vor dem Wirksamwerden des Dreißigjährigen Krieges einen Wert zwischen vier und sechs Gulden. Einen Hinweis auf die Gültigkeit dieser Berechnung gibt ein Eintrag im Rechnungsbuch von 1633. Oberknecht Michael Dreher von Trilfingen (wohl bei Haigerloch) bekam vier Gulden, weil ihm von den Schwedischen dem Spital einquartierten Reitern seine Kleidung alles ausgeplündert und genommen worden. Eine noch umfangreichere Ausstattung der Spitalmumen, die aus Bett und sonstigem Hausrat bestand, bewertete der Schreiber 1580 mit etwas weniger als acht Gulden. Leider ließen sich mit Hilfe der gewählten Quellengruppe keine Preisreihen für Kleidungsstücke bilden, so daß die Kenntnis der Grundausstattung nicht in die Konstruktion eines Warenkorbs einfließen konnte. Bei den Schuhpreisen etwa scheiterte eine Reihenbildung trotz reichlicher Überlieferung an fehlenden Informationen über die jeweilige Qualität. Auf solche Qualitätsunterschiede machen aber gerade die Taxordnungen aufmerksam. Sie nennen als Produkte der Schuster: Stiefel mit und ohne Absätze, Bauern- oder Kniestiefel, gedoppelte und einfache Mannsschuhe, doppelte und einfache Frauenschuhe, Frauenstiefel, verschiedene Kinderschuhe und Pantoffeln[685]. In den Rechnungsbüchern wird zwar selten in dieser Vielfalt unterschieden. Immerhin aber differenzierten die Schreiber in den zwischen Stiefeln, welche Viehknechte erhielten und anderem Schuhwerk. Deutliche Preisunterschiede bei sonstigen Schuhen lassen sich auf den Rang der ausgestatteten Person innerhalb der Spitalverwaltung zurückführen. Die Bekleidung der Füße ihrer Knechte, Mägde, der Keller oder gar der Spitalmeister ließen sich die Anstalten unterschiedlich viel kosten. Am meisten wert legten sie dabei auf den bequemen Gang des Spitalvaters. Die Preisunterschiede lassen sich durch verschiedene Qualität erklären.
?
Wert der Grundausstattung von Bediensteten in den Spitälern (xer) | ||
GEGENSTAND | MENGE | WERT |
Hosen | 1 Paar | 40 |
Schuhe | 2 Paar | 80 |
Zwilch | 6-9 Ellen | 30 – 108 |
Schmer | 3-4 Pfd | 21 – 29 |
Weste | 1 | 80 – 120 |
SUMME in fl | 4 – 6 |
Einen weiteren erheblichen Einfluß auf die Höhe des Lohnsatzes übte eine eventuelle Verköstigung des Arbeiters im Spital aus. Den einzelnen Lohnformen entsprechen dabei unterschiedliche Gewohnheiten. Regelmäßig empfing das Gesinde Naturalleistungen zusätzlich zum Lohn. Es wurde während des Jahres seiner Anstellung im Spital behaust, eingekleidet und verköstigt. Unter den Bediensteten gab es allerdings deutliche soziale Unterschiede. Normale Ehehalten aßen am Tisch der mittleren Pfründner oder der Armen. Der Spitalvater, seine Frau und der Keller besetzten einen eigenen Tisch, wo im Bedarfsfall auch die Handwerksmeister Platz nahmen. Dort gab es beispielsweise mehr Wein zu trinken. Der Verlockung erlagen allerdings nicht alle Handwerksmeister, die gerade in der Anstalt zu tun hatten. Für sie war die Teilnahme an der Spitalverpflegung nicht zwingend, sie scheinen deshalb in aller Regel auch nicht beim Spitalvater gegessen zu haben. Schließlich kostete sie die Speise auch einen erheblichen Teil ihres Lohnes. Zu den Handwerkern, die in Rottenburg in regelmäßig mitaßen, gehörte der Küfer, der außer seinem Taglohn von acht Kreuzern Anspruch auf Suppe, Mittag- und Nachtessen und ein halbes Mas Wein hatte. Somit bezog er die beiden Hauptmahlzeiten und eine kleinere Mahlzeit am Tag, vermutlich eine vollständige Verpflegung[686]. Vor der österreichischen Untersuchungskommission berichtete Rottenburgs Spitalpfleger Michael Gugl darüber, zu welchen Gelegenheiten Handwerker im Spital aßen: wann sy daselbst wercken, sonsten nit[687]. Schneider und Schuster seien jeweils etwa drei bis vier Wochen tätig. Sie äßen mit dem Spitalvater und bekämen Wein. Handwerksgesellen teilten ihre Verpflegung mit dem Gesinde des Spitals, wobei auch sie einen Trunk nicht missen mußten. Eine Ausnahme bildet der Horber Spital in dieser Hinsicht, weil er bis zum Jahr 1643 fast alle beschäftigten Handwerker verköstigte. Auch viele Saisonarbeiter erhielten ihre Kost von den Spitälern. Bei den Erntearbeiten reichte man Suppe und Brot, gelegentlich Wein. Für den Morgen Haferfeld beispielsweise drei Pfund Brot und eineinhalb Mas Rebensaft. Mäher bekamen 1652 für jede Mansmad ein Mas Getränk und zwei Pfund Brot im Wert von zehn Kreuzern. Oft waren es Weingärtner, die zum Beispiel Korn schnitten, sie brauchten für jeden Jauchert in Horb fast drei Tage. Auch sie und die Drescher verpflegte die Anstalt in aller Regel. Regelmäßig war dies auch bei der Weinernte im Herbst der Fall, wo sich die Helfer beim Keltern mit einem Trunk stärken konnten. Außer Mahlzeiten als Naturalleistungen zusätzlich zum Lohn tauchen gelegentlich auch Zulagen auf, welche nicht unmittelbar zum Verzehr kamen. Regelmäßige Zuteilungen an Getreide bekamen in Rottenburg der Stadtschreiber und der Lateinische Schulmeister. Naturale Lohnanteile gehören auch fast unabdingbar zu im Verding ausgehandelten Aufträgen. Für den Bau des Hofes zu Wendelsheim ließ sich der Zimmermann 1528 neben 140 Pfund Hellern noch 12 Malter Dinkel und zwei Malter Roggen zusichern. Ähnliches findet sich beim Bau der Badstube in Rottenburg, der den Spital neben 100 Gulden noch zwei Malter Roggen im Wert von acht Gulden, 12 Malter Dinkel im Wert von 30 Gulden und zwei Ohm Wein für sechs Gulden kostete. Zum Gesamtwert des Verdings trugen die Naturalanteile damals ein Drittel bei. Vermehrt kamen naturale Zulagen in den Krisenzeiten des 30jährigen Krieges zur Geltung, wo sich insgesamt Tendenzen zu einer Tauschwirtschaft bemerkbar machen. So erhielt ein Küfer 1647 drei Vierteil Hafer in Abschlag seiner Verdienst. In gleicher Weise erarbeitete sich der Wagner zwei Malter Dinkel. Schneider, Rebknecht und Kupferschmied trugen jeweils einen Malter Dinkel nach Hause. Dem Stadtschreiber bezahlte die Anstalt zehn Malter Dinkel und den drei Dreschern im Römenhof sechs Malter.
Daß die Rottenburger Höfner während der Kriegsjahre 1636-40 für den Schnitt- und Drescherlohn als Lohn den achten Teil von den ausgedroschenen neun Fuder drei Garben nach Hause trugen, ist sicherlich ebenfalls eine Ausnahme. Zwar ist im Rechnungsbuch davon die Rede, daß den Zehntknechten das Neuntel für Einzug und Dreschen seit alters her gebührt, jedoch finden sich dafür keine ausreichenden Belege. In aller Regel erhielten die Drescher Geldlohn. Die Ausnahme läßt sich mit dem damaligen Rückfall in die Tauschwirtschaft angesichts einer permanenten Krise begründen.
Die Zu- oder Abnahme von naturalen Lohnergänzungen läßt sich meist auf das jeweilige Wertverhältnis zwischen Lohn und Waren zurückführen. Insofern geben veränderte Wertschätzungen dieser Lohnform auch Hinweise auf die Preiskonjunktur. An den 273,5 Tagen, die der Küfer 1612 im Rottenburger Spital arbeitete, verdiente er, wie oben angesprochen, zusätzlich zu seinem Geldlohn die volle Verpflegung für sich selbst. Vergleicht man seinen Verdienst mit dem anderer Handwerker, die nur ab und zu im Spital speisten, so ergeben sich Hinweise auf den Wert des Essens. Damals berechnete der Schreiber zum Beispiel dem im Spital verpflegten Zimmermann sechs oder sieben Kreuzer für die Verköstigung, die Hälfte vom Taglohn! Dies stimmt mit dem von Dirlmeier mitgeteilten Verpflegungskostenanteil von 50 Prozent überein[688].
Geht man davon aus, daß der Küfer als Handwerker dieselbe Qualität auf den Tisch bekam, wie sein Kollege, so scheint er ständig die Hälfte seines Lohnes für das Essen im Spital dreingegeben zu haben. In Rottenburg nahmen außer dem Küfer die meisten Handwerker die Spitalkost nur selten in Anspruch. Die Differenz zwischen Küfertaglohn und dem anderer Handwerker scheint also in der Hauptsache auf dieses Verpflegungsverhalten zurückzuführen zu sein. Der Unterschied klaffte besonders während der Inflationsjahre der Kipper- und Wipperzeit auf. Zwischen 1622 und 1624 verdiente der Zimmermann 50 Prozent, zeitweise sogar fast 300 Prozent mehr als der Küfer. Langfristig stieg sein Lohn immerhin noch um ein Viertel. Des Küfers Entgelt entwickelte sich wesentlich stetiger auf jene 125 Prozent, die dem Zimmermann zuletzt auch nur blieben. In Horb, wo die Handwerker fast immer im Spital aßen, zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Für die Nachkriegsjahre überwiegen auch hier Angaben über Taglöhne für Speis und Lohn. Diese stimmen mit jenen in Rottenburg, aber auch mit jenen in Herrenberg, weitgehend überein. Insgesamt ist zu vermuten, daß auch in den Vorkriegsjahren, als der Horber Spital seine Handwerker im Spital verköstigte, der Lohnsatz etwa jenem in Rottenburg und Herrenberg entsprach. Vor diesem Hintergrund sind die Nettotaglöhne in Horb besonders interessant. Sie machen, ähnlich wie das Küfersalär in Rottenburg, deutlich, daß 1622 eine nominelle Lohnerhöhung über den Ausgleich für die Verköstigung hinaus erzielt wurde (12 statt zuvor acht Kreuzer). Seit 1630 jedoch scheinen Essen und Trinken im Spital einen solchen Wert gehabt zu haben, daß die nominellen Löhne wieder sanken (auf acht Kreuzer). Erst 1634 bezahlte der Spital wieder 12 Kreuzer pro Tag. Und in den 1660er Jahren mußten sich die Handwerker mit zehn Kreuzern begnügen. Glich der naturale Lohnanteil des Rottenburger Küfers oder der Horber Handwerker die inflationsbedingten Lohngewinne der sich selbst verpflegenden Kollegen aus? Vieles deutet darauf hin. Bei Verköstigung im Spital hätte also die Anstalt die hauptsächlich inflationsbedingten Kosten aufgefangen.
Darüber, wie der Wert von Verpflegung eingeschätzt wurde, geben auch die Taxordnungen Auskunft. Ihnen zufolge fiel die volle Verpflegung bei den unterschiedlichen sozialen Gruppen und je nach Saison unterschiedlich ins Gewicht. Sie kostete den Meister in aller Regel mindestens die Hälfte seines Taglohnes, wobei er im Winter meist etwas schlechter wegkam, als im Sommer. Am Ende der Teuerungsperiode betrug der Wert seiner Verpflegung 40 Prozent vom Gesamtverdienst. Beim Gesellen war es unerheblich weniger.
Anteil des Verpflegungswertes am Taglohn | ||||||||
Meister | Geselle | Lehrjunge | ||||||
JAHR | SAISON | xer | xer | xer | GEWERBE | |||
1625 | Sommer | 9 | 38 | 7 | 35 | 5 | 36 | Zimmerer |
1625 | Winter | 8 | 40 | 6 | 38 | 4 | 40 | Zimmerer |
1625 | 10 | 50 | Wengerter | |||||
1640 | Sommer | 12 | 55 | Zimmerer | ||||
1640 | Winter | 8 | 50 | Zimmerer | ||||
1642 | Sommer | 12 | 55 | Handwerker allgemein | ||||
1642 | Winter | 8 | 50 | Handwerker allgemein | ||||
1651 | Sommer | 8 | 40 | Wengerter | ||||
1651 | Winter | 5 | 33 | Wengerter | ||||
1651 | Sommer | 8 | 50 | Taglöhner | ||||
1651 | Winter | 8 | 67 | Taglöhner | ||||
1652 | Sommer | 7 | 50 | Taglöhner | ||||
1652 | Winter | 6 | 60 | Taglöhner |
Taglöhner scheint das Essen beim Auftraggeber ebenfalls mehr als die Hälfte von ihren Löhnen gekostet zu haben. Hafermäher verloren in Horb vor 1630 acht Kreuzer, in den folgenden Jahren bis zum Wirksamwerden des Krieges sechs Kreuzer, sofern sie am Mittagstisch der Knechte Platz nahmen. Bei den Dreschern betrug der Wert des Kostgeldes in den 1620er und 1630er Jahren ebenfalls mehr als die Hälfte vom Lohn, wobei sich seit 1631 ein Rückgang des Anteils zeigt. Auch unter den Dreschern finden sich übrigens besonders viele Weingärtner.
Lohnform, Geschlecht des Arbeiters, Profession, Ausbildungsstand und Funktion eines Handwerkers, die Saison, Beinutzungen und eventuelle Verköstigung beeinflußten den Lohnsatz wie gezeigt nachhaltig. Nur bei Kenntnis dieser Faktoren lassen sich sinnvolle Lohnreihen bilden. Andererseits bilden die genannten Punkte wertvolle Parameter zur qualitativen Beurteilung der Lebensverhältnisse. Vielfach konnten nur Löhne für die im Spital beschäftigten Handwerker ermittelt werden, deren genaue Abhängigkeit von den genannten Faktoren nicht zu bestimmen war. Indessen dürften gerade diese Faktoren die meisten Unterschiede beim Lohnsatz verursacht haben.
Kostgelder beim Dreschen in Volmaringen | ||
JAHR | KOSTGELD | – ANTEIL |
xer/Fuder | AM LOHN | |
1624 | 87,92 | 49 |
1626 | 91,25 | 57 |
1627 | 96,11 | 60 |
1628 | 97,48 | 61 |
1631 | 79,02 | 53 |
1632 | 79,9 | 53 |
1633 | 79,9 | 53 |
1634 | 69,16 | 45 |
Gerade auch zwischen den untersuchten Orten gab es eine Reihe von sehr verschiedenen Gewohnheiten, was die Beschäftigung von Handwerkern und Bediensteten anbelangt[689]. Nur weil die gebildeten Lohnreihen trotz solcher Unterschiede auf eine sehr konstante, stufenartige Entwicklung des Lohnsatzes hinweisen, konnte in Einzelfällen ein ermittelter Taglohn in seiner Abhängigkeit von einem der Faktoren gewichtet und somit in die Reihe integriert werden. Beispielsweise beschäftigten einige Spitäler Handwerker vorzugsweise während des Winters für kleinere Reparaturen. So konnten aus einigen Rechnungsbüchern nur Winterpreise ermittelt werden, die wiederum nur ein Vergleich mit bekannten Winter- und Sommerpreisen als solche zu erkennen gab. Manche auf den ersten Blick überhöhten Lohnsätze zeigten ihren wahren Charakter erst bei genauerem Hinsehen. Maurerlöhne etwa überstiegen das normale Maß, wenn die Meister in der Höhe, vorzugsweise auf Dächern, arbeiten mußten. Insgesamt blieb zur Bildung sinnvoller Lohnreihen häufig nichts anderes übrig, als im Einzelfall auf Grund derartiger Erfahrungswerte, vor dem Hintergrund einer sehr gleichartig verlaufenden Reihe und in Kenntnis der jeweiligen Taxordnungen, einen Wert für den Sommertaglohn zu schätzen. Damit ist klar, daß die aufgestellten Lohnreihen doch stärker willkürlich gebildet sind, als die meisten Preisreihen. Bei der folgenden Darstellung gehe ich in der Regel von den während der Sommermonate bezahlten, also höheren, Taglöhnen sowie von jenen der verantwortlich tätigen Meister aus. Erstere Entscheidung bedeutet, daß die Handwerker während des langen Sommertages arbeiten mußten, um diesen Lohnsatz zu erzielen. Letztere liegt deshalb nahe, weil die Spitäler tatsächlich in aller Regel Meister beschäftigten, Gesellen traten nie als selbständig tätige Handwerker auf. Zudem betrachte ich jene Taglöhne, die sowohl für die Arbeit als auch für die Speise bezahlt wurden. Auf dieser Grundlage erst konnte die Lohnentwicklung in Rottenburg, Horb und Herrenberg beurteilt werden. Vor allem das Herrenberger Material ließ sich dank der zusätzlichen Auswertung von Bürgermeisterrechnungen auf eine sehr breite Basis stellen.
Vollständigkeit der Lohnreihen | |||
Rbg | Hbg | Horb | |
Berichtszeitraum | 1590 | 1590 | 1607 |
– 1674 | – 1674 | – 1674 | |
Berichtsjahre | 85 | 85 | 68 |
Merkmalsausprägungen | 35 | 63 | 42 |
– Werkmeister | 49 | ||
– Maurer | 50 | ||
– Zimmermann | 39 | ||
– Holzhauer | 46 | 80 | 60 |
Gewisse Schwierigkeiten bereiteten lediglich die Berichtsjahre 1634-39, da für diesen Zeitraum, zum Teil wegen Lücken in der Rechnungsführung, keine Merkmalsausprägungen zu ermitteln waren. Trotz der Lohntaxierungen konnte der Krieg unverhältnismäßige Teuerungen bewirken. Eine derartige Lohnteuerung verzeichnen beispielsweise die Rottenburger Spitalrechnungen für das Jahr 1637.
Indessen wurde in Anlehnung an die Lohntaxierungen eine lineare Ergänzung der Handwerkerlöhne für den genannten Zeitraum gewählt. So weit aus den Rechnungsbüchern der Herrenberger Anstalt Löhne von Handwerkern bekannt sind, stimmen diese ausnahmslos mit den in den Bürgermeisterrechnungen genannten überein. Anhand der Rechnungsbücher des Rottenburger Spitals konnten leider nur wesentlich lückenhaftere Lohnreihen als in Herrenberg gebildet werden. Erschwerend kommt hinzu, daß die Überlieferung von Rechnungsakten der Stadt Rottenburg durch den Stadtbrand am Ende des Dreißigjährigen Krieges schwer gestört wurde. Die Stadtsäckelrechnungen beginnen erst 1655, so daß nicht wie im Fall Herrenbergs auf eine parallele Überlieferung zurückgegriffen werden konnte. Dieser Tatbestand verliert indessen durch eine günstige Verteilung der Merkmalsausprägungen viel von seiner Bedeutung. So ist gerade für Rottenburg der Zeitraum zwischen 1620 und 1639 sehr gut (15 Merkmalsausprägungen für 20 Jahre) dokumentiert. Bei den entsprechend spärlicher besetzten früheren und späteren Jahren ist ein relativ einheitliches Lohnniveau sehr wahrscheinlich, wofür insbesondere die Lohntaxierungen nach Kriegsende sorgten. In Horb sind die Taglöhne der Handwerker wiederum dichter vorhanden als im Fall des Rottenburger Spitals, wobei insbesondere die Jahre zwischen 1607 und 1643 vollständig durch Merkmalsausprägungen besetzt sind. Während für die Handwerker jeden Ortes eine einzige Reihe, die den Lohnsatz der Meister unterschiedlicher Branchen darstellt, gebildet werden konnte, erschien bei den Akkordlöhnen die Auswahl einer beispielhaften Reihe sinnvoll. Als Beispiel für Akkordlöhne dienen in der vorliegenden Untersuchung Holzhauerlöhne. Sie sind für alle drei Städte durch außergewöhnlich vollständige Reihen belegt. In allen drei Untersuchungsobjekten sind durch sie insbesondere die Krisenjahre des Dreißigjährigen Krieges nahezu vollständig dokumentiert.
Die Entwicklung der Handwerkerlöhne zeichnet sich in allen untersuchten Orten durch eine stufenartige Entwicklung aus, welche Lohntaxierungen verursachten. Absätze dieser Entwicklung vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges bilden offenbar die Jahre 1601 und 1612. Bis 1620 dauerte dieses doch bereits recht hohe Niveau. Nach den Turbulenzen der Kipper- und Wipperzeit festigte sich der Lohnsatz seit 1625 auf dem nur noch selten unterbrochenen Niveau von 24 Kreuzern. Auch nach dem Kriesende behielten die Löhne dieses im Vergleich zu den Vorkriegsjahren etwa verdoppelte Niveau bei. Eine vom Verfasser für den Ort Gomaringen (Landkreis Tübingen) gebildete Lohnreihe[690] deutet darauf hin, daß der Lohnsatz für Handwerkermeister während der längsten Zeit des 18. Jahrhunderts weiterhin 24 Kreuzer betrug. Als Ursache für die Entwicklung der Löhne kann auf die Bevölkerungsentwicklung verwiesen werden. In dem nach dem Dreißigjährigen Krieg ausgebluteten Südwesten, wo ein Drittel der Vorkriegsbevölkerung die Kriegsschäden wiederaufbauen mußte, waren Arbeitskräfte zunächst noch begehrt, weshalb sich anfangs die durch die Teuerungskrise der 1620er Jahre und die anschließende Kriegsteuerung erhöhten Löhne hielten. Sehr zum Leidwesen der Regierungen, wie die damaligen Maßnahmen der Taxordnungen gegen den Trotz und Mutwillen der Taglöhner und Dienstboten, deren kheiner baldt mehr zuersättigen und zuerfüllen sein will[691], zeigten. Nach Kriegsende deuten sich leichte Rückgänge im Lohnsatz an, bei Meistern jedoch nie unter 20 Kreuzer. Dabei ist allerdings im Einzelfall schwer zu beurteilen, ob nicht die oben genannten Faktoren der Saison oder des Ausbildungsstandes dabei die entscheidende Rolle spielen. Jedenfalls verdienten die Handwerker nach Kriegsende weiterhin deutlich mehr, als vor Kriegsbeginn.
Zum Vergleich mit dem Zeitlohn soll der Akkordlohn der Holzhauer herangezogen werden. Holzhauer wurden entsprechend der Menge des gehauenen Holzes bezahlt, also in Kreuzer je Klafter. Wie den Rechnungsbüchern zu entnehmen ist[692], benötigte ein Holzhauer etwa einen Tag, um ein Klafter Scheiterholz zu machen. Die Holzhauerlöhne werden in allen untersuchten Rechnungsbüchern getrennt vom Holzpreis und auch getrennt von den erheblichen Fuhrkosten rubriziert.
Wo möglich wurden sie gewichtet, das heißt, daß bei unterschiedlichen Löhnen innerhalb eines Jahres auf Grund der zu einem bestimmten Lohn gehauenen Mengen der jährliche Durchschnitt errechnet wurde. Für Herrenberg liegen den Lohnreihen wiederum die Angaben aus den Bürgermeisterrechnungen zu Grunde. Für den Spitalwald angegebene Holzhauerlöhne weichen davon allerdings zum Teil in der Höhe erheblich ab, da die Schwankungsbreite innerhalb eines Jahres – besonders im Zeitraum zwischen 1620 und 1650 – sehr groß sein konnte. Auch die Art des gehauenen Holzes spielte bei der Bemessung des Stücklohnes eine Rolle, wobei etwa Eichenholz im Jahr 1627 mit 20 Kreuzern je Klafter, anderes Laubholz hingegen lediglich mit 18 Kreuzern je Klafter entgolten wurde[693]. Da hierüber jedoch nur spärliche Angaben vorliegen, eine Aufteilung in verschiedene Holzarten anhand der Rechnungsbücher in aller Regel als vollkommen unmöglich erscheint, wurde nur ein allgemeiner Durchschnittslohn für Holz berechnet. Der gewichtigste Faktor für Unterschiede beim Holzhauerlohn war die Entfernung des bearbeiteten Waldstücks von der jeweiligen Stadt. So kostete den Herrenberger Spital das Hauen eines Klafters im Stadtwald in der Regel zwei Kreuzer mehr als im Spitalwald[694]. Vor allem dieser Umstand wird für die unterschiedliche Honorierung von Holzhauern in Rottenburg, Horb und Herrenberg verantwortlich sein.
In den drei Städten lag der Lohnakkord für das Holzhauen im Allgemeinen etwa gleich hoch. Allerdings treten, besonders vor 1636, vermutlich wegen unterschiedlicher saisonaler Gewichtungen und einer bis dahin unterschiedlichen Handhabung der Lohntaxen, doch erhebliche Differenzen auf. Vor 1621 kann von einem recht einheitlichen Lohnniveau für die Holzhauer in Höhe von etwa 12 Kreuzern je Klafter ausgegangen werden, was in etwa dem Taglohn eines Handwerksmeisters im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts entsprach. Die Teuerung der Kipper- und Wipperzeit ließ auch die Holzhauerlöhne 1622 sprunghaft ansteigen. Seit 1629 pendelten sie sich auf einem Niveau von etwa 16 Kreuzern ein, wobei allerdings die Entwicklung in Horb viel gemäßigter verlief und sich dort die Löhne auf 12 Kreuzer je Klafter hielten, nachdem sie vor 1621 bei acht Kreuzern gelegen hatten. Einen erneuten Anstieg brachten die Jahre 1635-38. Das infolge der damaligen Kriegseinwirkungen gestiegene Niveau blieb bis 1645/48 auf etwa 20 Kreuzer je Klafter. Anschließend fiel es, vermutlich eine Folge von Taxierungen, auf 15 Kreuzer je Klafter in Horb und blieb dort bei diesem Wert. In Rottenburg und vor allem in Herrenberg blieben die Holzhauerlöhne indessen unreguliert oder von anderen Faktoren abhängig, so daß sie in Rottenburg zwischen 12 und 15 Kreuzern, in Herrenberg zwischen 14 und 18 Kreuzern schwankten. Lokal wirksam werdende Kriegslasten mögen hierbei eine Rolle gespielt haben. Teuerungen brachten in beiden Städten nochmals die Jahre 1650-55 sowie in Herrenberg 1657-65. Gegen Ende des Untersuchungszeitraumes verringerten sich diese Stücklöhne wieder, während sie in Horb ihr durch Taxierung festgelegtes Niveau hielten. Allgemein läßt sich auch für diese Lohnakkorde erkennen, daß die Lohnsätze nach dem Dreißigjährigen Krieg etwa doppelt so hoch blieben wie vor Kriegsbeginn. Bei der Horber Sonderentwicklung mag sich ausgewirkt haben, daß für den Spital der Holzhau seit 1639/40 eine besondere Bedeutung besaß. Die damals erbaute Sägmühle bildete den Rückhalt für eine umfangreiche Holzbewirtschaftung, die auf den Verkauf von Holzflößen abzielte. Vielleicht hatten deshalb der Horber Magistrat und die Hohenbergische Regierung ein besonderes Interesse daran, die Holzhauerlöhne auf einem geregelten Niveau zu halten.
In allen drei untersuchten Städten verläuft die Lohnentwicklung angesichts unterschiedlicher Faktoren im Detail sehr unterschiedlich, hinsichtlich der groben Ausschläge aber doch recht einheitlich.
Das jährliche Lohneinkommen von Handwerkern hing außer vom Lohnsatz und den beeinflussenden Faktoren vor allem von der Beschäftigungsdauer ab. Dirlmeier geht davon aus, daß Lohnempfänger in der Frühen Neuzeit an etwa 265 Tagen pro Jahr arbeiten konnten[695]. Die faktische 6-Tage-Woche und etwa 100 arbeitsfreie Sonn- und Feiertage werden dabei für das Spätmittelalter angenommen. Allerdings kam es auch im päpstlichen Kalender zu einer Reduktion von Feiertagen. Leider kann anhand der Quellen aus dem Untersuchungsgebiet nicht nachvollzogen werden, ob die Brevierreform Pius V. von 1568 (Reduktion auf 87 Feiertage) und vor allem die Bulle Universa per orbem Urbans VIII. vom 13. November 1642 (nur noch 34 Festtage als gebotene Feiertage)[696] nicht nur die mögliche, sondern auch die reale Beschäftigungsdauer von Lohnempfängern in Hohenberg erhöhten. Die Bulle von 1642 läßt sich vielleicht auch als Reaktion auf den damaligen Mangel an Arbeitskräften interpretieren.
Bei der Anzahl der Tage, die einzelne Handwerker in den drei untersuchten Spitälern beschäftigt waren, treten große Unterschiede auf. Einige, vor allem den Küfer, scheint etwa der Rottenburger Spital mitunter dauernd beschäftigt zu haben. Wie eng sein Dienstverhältnis war, zeigt sich auch daran, daß er einen Eid auf die Spitalordnung ablegen mußte, in der seine Aufgaben und seine Entlohnung genau geregelt waren[697]. Im Jahr 1612 rechnete die Rottenburger Anstalt mit ihrem Küfer Hans Strauß für 273,5 Tage ab. Zusätzlich hatte er zwei 25-öhmige und drei gemeine Fässer seinem Auftraggeber in Rechnung gestellt. Er hatte sie wohl auf eigene Kosten angefertigt.
Beschäftigungsdauer der Küfer in Rottenburg | ||
JAHR | TAGE | NAME DES KÜFERS |
1559 | 155 | Benz Dußling |
1580 | 237 | |
1590 | 166 | |
1596 | 173 | Hans Biering |
1602 | 168 | |
1630 | 267 | |
1636 | 158 | Christoph Zeberlin |
1638 | 245 | |
1647 | 7 | Der Küfer von Wurmlingen |
Beim Küfer muß allerdings auch angesichts einer ganzen Reihe von Jahren, während denen er nicht ausgelastet sein konnte, gefragt werden, ob er nicht noch für andere Auftraggeber tätig war. Für die meisten anderen Handwerker, die der Rottenburger Spital mitunter beschäftigte, stellt sich diese Frage in viel stärkerem Maße. Zimmerleute, die nur hin und wieder Gebäude ausbessern mußten, hatten oft nicht einmal zehn Tage zu schaffen, in Ausnahmefällen auch schon einmal über 50 Tage. Für Horb zeichnet sich ein ähnliches Bild ab.
Zwischen 1608 und 1671 bekam der Zimmermann nur 1608, 1609 und 1614 für mehr als zwanzig Tage Arbeit. Allerdings boten gerade diesem Personenkreis die Spitäler eine zusätzliche lukrative Saisonbeschäftigung im Herbst. An den Kelterbäumen ließen sich die Zimmerleute brauchen. Während der meist neun bis zehn Tage, an denen die Kelterbäume der Spitäler Weintrauben preßten, fanden je nach Anzahl der eingesetzten Bäume also Zimmerleute Anstellung[698]. Der Horber Spital setzte an seinen bis zu vier Bäumen jeweils zwei Personen ein, die teils Tag und Nacht mosteten. Es ist folglich damit zu rechnen, daß die einzelnen Handwerker auch noch weiteren Verdienst von den Spitälern empfingen. Trotzdem erreichte sicherlich keiner den Beschäftigungsgrad des Rottenburger Küfers. Der Umstand, daß dieser zusätzlich zu seinem Einkommen aus Taglohnarbeit noch Fässer verkaufte, spricht für eine recht ausgedehnte jährliche Erwerbszeit. Auch in der Spitalordnung war angenommen, daß der Küfer solche Arbeiten nicht während seiner normalen Arbeitszeit erledigte. 1612 fand er Zeit, über die 273,5 Arbeitstage im Spital hinaus fünf Fässer zu fabrizieren, die ihm nochmals die Hälfte seines auf Taglohnbasis erarbeiteten Lohnes eintrugen. Möglicherweise beschäftigte er dafür auf eigene Rechnung Gesellen. Auch könnten die Fässer in früheren Jahren angefertigt worden sein.
Für Taglöhner boten die aufwendigen Erntearbeiten aller Spitäler regelmäßig gute Gelegenheit, ihre Einkommen aufzubessern. In Horb gab es stets für mehrere Personen Arbeit im Heuet. Die Landwirtschaft des Spitals bot vielen Taglöhnern während der Saison Beschäftigung. Häufig waren es Weingärtner, die diese Saisonarbeiten übernahmen. Sie konnten Wiesen mähen, wobei auf jeden Mansmad ungefähr ein Tag verwendet werden mußte. Strohschneider fanden jährlich bis zu 80 Tage lang Arbeit, wobei sie pro Tag circa fünf Malter verarbeiten konnten. Auch die 40 Jauchert Haferfelder der Horber Anstalt konnten an jeweils einem Tag bewältigt werden. Kornschneider brauchten drei Tage pro Jauchert, bei einem Auftragsvolumen von meist 42 Jauchert. Drescher arbeiteten in Horb etwa 500 Manntage jährlich, sie brauchten vier bis fünf Tage für jedes Fuder, zu viert also ungefähr einen Tag für die Wagenladung.
Insgesamt blieben die Beschäftigungsmöglichkeiten der Handwerker normalerweise auf fällige Reparaturen beschränkt, von der Ausnahme des Küfers in Rottenburg abgesehen. Und Taglöhner konnten eigentlich nur während der Erntesaison zuverlässig mit Einkünften rechnen. Fand dieser Personenkreis noch anderweitig Beschäftigung? Konnten diese Arbeiter durch solche sporadische Tätigkeiten ihren Lebensbedarf decken? Für wie viele Personen reichte das Lohneinkommen?
Vermutlich mußten viele Handwerker und Taglöhner im Untersuchungsgebiet einen nicht unerheblichen Teil ihrer Bedürfnisse, vor allem was die Lebensmittel angeht, aus eigener Landwirtschaft decken. Vielleicht gibt auf diese Verhältnisse das Beispiel eines Gärtringer Handwerkers einen Hinweis. Er brachte 1679 nur die halbe Ernte von seinem 2,5 Morgen kleinen Hofgütlein ein. Ihm mußte der Herrenberger Spital bereits wegen dieses einmaligen Ernteausfalls eine Roggengült nachlassen, weil ihme das liebe Brodt bald auch ausgehen wirdt. Dem gemeinen Handwerksmann attestierten die Beamten eine schwere Haushaltung und daß es ihm unmöglich sei, den Roggen aufzuetreiben[699]. Das Beispiel zeigt, wie sehr dieser Mann auf den landwirtschaftlichen Zuerwerb aus seinem kleinen Gut angewiesen war und welch geringe Möglichkeiten ihm offensichtlich sein Handwerk bot, um den Ernteausfall auszugleichen. Auch ein Rottenburger Ratsprotokoll aus dem Jahr 1770 charakterisiert die Abhängigkeit der Handwerker vom Zuerwerb: Rottenburg ist ein Bauern-Städtlein, worin die meisten Bürger sich mit Feldbau ernähren und kein Bürger von seiner Profession allein leben und sich erhalten kann[700]. Schon Karl Otto Müller hatte aufgrund der Besitzstruktur, die er für Hohenberg anhand der Musterregister ermittelte, darauf hingewiesen, daß in der Stadt landwirtschaftliche Kleinbetriebe vorherrschten. Weil von einem solchen Kleinbetrieb niemand seine Familie ernähren könne, schloß Müller auf landwirtschaftlichen Nebenerwerb[701]. Auch Franz Quarthal spricht von der Notwendigkeit zu landwirtschaftlichem Zuerwerb für jeden der Gewerbetreibenden; dieser Zuerwerb habe zum großen Teil die hauptsächliche Verdienstmöglichkeit dargestellt. Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß 1681 von den 396 Kontribuenten, die im Universalsteuerberaitungsprotokoll genannt werden, 68 Prozent ein Handwerk als Beruf angaben, 91 davon dieses aber nicht ausübten[702].
Die Untersuchung der Löhne in den drei untersuchten Orten deutet also darauf hin, daß sowohl in Horb und Rottenburg als auch in Herrenberg kaum ein Handwerker alleine von seinem Handwerk leben konnte. In allen drei Städten, von denen nur Rottenburg wesentlich mehr als 2000 Einwohner zählte[703], war fast jede Familie auf eigene Landwirtschaft als Lebensgrundlage angewiesen. Diese Schlußfolgerung ergibt sich auch aus den geringen Versorgungskapazitäten mit Lebensmitteln, die selbst eine ganzjährige Beschäftigung eröffnet hätte. Da die tägliche Arbeitszeit, mit der sich ein Handwerker seinen Taglohn verdienen konnte, indessen von morgens 4 Uhr bis abends um 7 Uhr dauerte[704], hätte ein vollbeschäftigter Handwerker seine Familie nicht ernähren können, sofern diese nicht im Zuerwerb tätig war.
IX. Der Gesamtindex
In der vorliegenden Arbeit wurden bisher die Grundlagen der Untersuchungsobjekte und der verwendeten Quellen dargestellt sowie die exogenen Faktoren der Wirtschaftskonjunktur behandelt. Dazu gehörten die Entwicklung der Währung, staatliche Preisregulierungen, Einflüsse des Krieges und der Erntezyklus. Eine Untersuchung von Preis- und Lohnreihen sowie Erwerbsverhältnissen der Lohnempfänger schloß sich an. Jene warf die Frage nach dem realen Wert von Geldbeträgen besonders dringlich auf. Wie kann man sinnvoll die Kaufkraft messen? Läßt sich der Untersuchungszeitraum anhand der Kaufkraftentwicklung in augenfällige Perioden einteilen? Diesen methodisch zentralen Fragen wendet sich das vorliegende Kapitel zu. In ihm wird zunächst die theoretische Grundlage für ein Modell zur Kaufkraftermittlung gelegt, welches dann aufgrund der in den vorigen Abschnitten untersuchten Grundlagen ausgeführt werden soll.
In der Wirtschafts- und Sozialgeschichte[705] geht es um die Lebensumstände einzelner Menschen oder Gruppen von Menschen, dabei ist besonders an Familien gedacht, vergangener Zeiten. Der Begriff Familie wird in der vorliegenden Arbeit weitgehend durch jenen des Spitals und seiner Insassen ersetzt. Die Verbraucher, deren Lebensgewohnheiten damit in den Blickpunkt rücken, sind zunächst zwar keine normalen Verbraucher, sofern man unter normal einen auf Grund statistischer Untersuchungen ermittelten Durchschnitt versteht. Aber für den Untersuchungszeitraum existieren zur Konstruktion derartiger Normalität meines Wissens keinerlei Quellen. Einzig einige Großverbraucher zwang ihre Eigenschaft als Einrichtungen der öffentlichen Hand oder der Kirche zu geregelter Rechnungsführung. Aber nicht alle diese Institutionen sind dazu geeignet, ein möglichst durchschnittliches Verbrauchsverhalten zu ermitteln. Über die Wirtschaftsführung einiger fürstlicher Höfe beispielsweise geben zwar mitunter Rechnungsbücher Auskunft, indessen kann dabei wohl kein normales Verbrauchsverhalten angenommen werden. Ähnlich fragwürdig erscheinen die Rechnungsbücher von Klöstern. Man muß also schon in den Städten oder auf dem Lande nach Institutionen suchen, die viele Menschen, welche möglichst unterschiedlichen sozialen Schichten angehörten, ernähren mußten und die eine geeignete Rechnungsführung unterhielten. Diese Anforderungen erfüllen wie bereits mehrfach angesprochen die städtischen Spitäler in geradezu idealer Weise. Aufgabe dieser Großhaushalte mit eigener Rechnungsführung war in aller Regel die Versorgung einer sozial recht unterschiedlich zusammengesetzten Anzahl von Insassen, oft untergliedert in reiche, mittlere und arme Pfründner. Somit spiegelt sich in der sozialen Schichtung der Spitäler in gewisser Weise auch diejenige der jeweiligen Stadt – wenn auch möglicherweise verzerrt – wider. Die Insassen der Anstalten wiederum beanspruchten eine ihrem Stand gemäße Versorgung, die sich also an den zeit- und raumüblichen Sitten orientierte. Besonders deutlich wird die Anbindung an das Ortsübliche bei den Reichen, welche sich in Pfründen einkaufen konnten und dabei wohl bemüht waren, ihren Lebensstandard vertraglich zugesichert zu bekommen. Arme waren auf die Gnade des städtischen Rates angewiesen, konnten also nicht im gleichen Maße auf ihre gewohnten Lebensumstände pochen[706]. Untersucht werden somit die Verhältnisse einer Menschengruppe, die größer ist, als eine Familie. Diese dürften sich freilich angesichts der gesellschaftlichen Einbindung nicht allzusehr von jenen in normalen Haushalten unterschieden haben. Rückschlüsse auf die allgemeinen Lebensverhältnisse wären somit möglich.
Grundlegend für solche Lebensumstände sind stets die meist nur qualitativ erfaßbaren Sitten, etwa die jeweiligen Ernährungs-, Bekleidungs- und Wohngewohnheiten. Von diesen ausgehend lassen sich Bedarfszusammenhänge ableiten: Wieviel mußte der Rottenburger, Herrenberger oder Horber Spital im 17. Jahrhundert von seinen Feldern ernten oder sonst einnehmen, um seine Spitaliten diesen Anforderungen gemäß ernähren zu können? Was ließ er ihnen zukommen? Wie viele Menschen hätte er angesichts seines wirtschaftlichen Potentials theoretisch aufnehmen können? Wie paßte er seine Verbrauchsgewohnheiten veränderten Preisen, Löhnen, Ertragslagen oder Versorgungsengpässen an? Neben qualitativen Grundlagen kommt es also auf quantitativ zu ermittelnde Entwicklungen an.
Um die Entwicklung der Lebensverhältnisse in den Spitälern untersuchen zu können, läßt sich das erforderliche statistisch verwertbare Material aus den Rechnungsbüchern gewinnen. Aus dem gesamten Material müssen einzelne Merkmale isoliert werden. Erst dann lassen sie sich sinnvoll miteinander vergleichen. Jenen Teil davon, welcher sozusagen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen außerhalb der Anstalt angibt, habe ich weiter oben bereits ausgeführt. Im Rahmen der später abzuhandelnden Darstellung der Wirtschaftsführung der Spitäler wird er um die internen Daten ergänzt. Von denen freilich werden einige schon jetzt zur Ermittlung eines Preisbereinigungsfaktors im Voraus herangezogen. Dieser Vorgriff läßt sich aus darstellerischen Gründen nicht vermeiden.
Wenn es um die Lebensverhältnisse[707] geht, denen Menschen einst ausgesetzt waren, dann hilft die mathematisch-statistische Theorie der Lebenshaltungskosten und deren Meßmethode des Lebenshaltungspreisindex[708] weiter. Der Lebenshaltungspreisindex dient normalerweise dazu, die Preisentwicklung jener Güter und Leistungen wiederzugeben, welche in den privaten Haushalten verbraucht werden. Er ist ein Index zur wirtschaftlichen Diagnose und hat seinen Ursprung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er besteht aus einer Zahl, welche darüber informiert, wieviel mal mehr oder weniger ein Geldbetrag im jeweiligen Berichtsjahr im Vergleich zu einem im Voraus bestimmten Basisjahr wert war. Zu seiner Konstruktion werden zwei Elemente benötigt, ein Wägungsschema und Datenreihen.
Zunächst einmal muß also ein Wägungsschema vorhanden sein. Es wird auch als Warenkorb bezeichnet. In ihm sind die wichtigeren Güter und Dienstleistungen anteilsmäßig zusammengestellt, die von privaten Haushalten verbraucht und in Anspruch genommen werden. Darin spiegeln sich also die jeweiligen Verbrauchssitten wider. Welche Güter und Dienstleistungen soll man aber auswählen, um die Kaufkraft für die Frühe Neuzeit zu messen? Und wie läßt sich deren Menge bestimmen? Das besondere Problem der vorliegenden Untersuchung ist also die Zusammensetzung und die Gewichtung jenes Warenkorbes, der einer Preisbereinigung zu Grunde liegt. Das Statistische Bundesamt stützt sich bei der Bewertung des monatlichen Anstiegs der Kosten für die Lebenshaltung in der Bundesrepublik Deutschland auf einen Warenkorb, welcher entsprechend stichprobenartiger Publikumsbefragungen sorgsam gefüllt wurde. Kritik trifft dieses Wägungsschema, weil es normalerweise von feststehenden Gewichtsanteilen ausgeht, welche die Veränderungen der Verbrauchssitten also nicht berücksichtigt[709]. Nur alle paar Jahre findet eine Anpassung statt. Bisher gibt es keine wissenschaftliche Untersuchung über die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters oder der Frühen Neuzeit, die einen ähnlichen Standard umzusetzen versucht, weil die Quellen nicht in ausreichendem Maße entsprechende Daten zur Verfügung stellen. Dirlmeier kam durch seine diesbezüglichen Bemühungen zu keinen Ergebnissen. Deshalb beschränkten sich frühere Forscher beim Kaufkraftvergleich darauf, mit einer Äquivalenz-Methode zu arbeiten: sie rechneten Geldbeträge zum jeweiligen Jahreskurs in entsprechende Mengen von Getreide oder Silber um. Diese Vorgehensweise bedeutet die Reduktion des Warenkorbs auf jeweils einen einzigen Inhalt. Ulf Dirlmeier und andere kritisieren diese Methode denn auch grundsätzlich, weil ihrer Meinung nach Getreide doch nur einen beschränkten Teil des Bedarfs mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Lebenshaltung deckte[710]. Verbrauchsgewohnheiten blieben völlig unberücksichtigt. Besonders Dirlmeier hat demgegenüber die wichtigsten Bereiche von Lebenshaltung im Spätmittelalter so eingehend systematisiert, daß kein Zweifel an der Einseitigkeit der genannten Äquivalenzmethoden bestehen kann. In der neueren Forschung wurde deshalb versucht, Warenkörbe zusammenzustellen, welche wenigstens die wichtigsten Bereiche der Lebenshaltung erfassen[711]. Entscheidender Nachteil all dieser Modelle bleibt jedoch, daß die Mengen der in sie gepackten Waren auf Grund vermuteter Verbrauchsgewohnheiten konstruiert sind. Zudem behalten diese Waren den einmal festgelegten Wert. Veränderte Verbrauchsgewohnheiten können diese statischen Warenkörbe also nicht oder kaum berücksichtigen. Gerade aber im Untersuchungszeitraum mit dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bruch, den der Dreißigjährige Krieg darstellt, kann von einer Kontinuität des Verbrauchsverhaltens nicht ausgegangen werden. Einige Grundnahrungsmittel nämlich fragten auch die Verbraucher im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit einkommenselastisch, also je nach Einkommen mehr oder weniger, nach. Eindrücklichstes Beispiel für ein derartiges Verbrauchsverhalten ist dasjenige beim Fleischkauf. Da der Mensch auf Fleisch für seine Ernährung nicht unbedingt angewiesen ist, kann er darauf am ehesten verzichten. Besonders in Zeiten verteuerter tierischer Lebensmittel ist damit zu rechnen, daß der Fleischverbrauch sinkt, der Konsument hingegen vermehrt auf andere Nahrungsmittel zurückgreift. Gerade im Untersuchungszeitraum dieser Arbeit, währenddessen es so tiefgreifende Einschnitte in die Lebensverhältnisse gab wie die Inflation der Kipper- und Wipperzeit und den Dreißigjährigen Krieg, kam es zu solchen veränderten Verbrauchsgewohnheiten. Dies wird sich weiter unten bei der Untersuchung von Versorgungsleistungen der Spitäler zeigen. Einen Fortschritt in dieser Richtung versucht die vorliegende Arbeit nun durch die Anwendung einer Methode zur Bildung eines Warenkorbs, der vom zeitgenössischen Verbrauchsverhalten abhängt, zu machen. Gleichzeitig soll anhand verschiedener Warenkörbe diskutiert werden, inwiefern Veränderungen des Verbrauchsverhaltens die Kaufkraft des Geldes beeinflußten. Ist es beim Verbrauchsverhalten im Untersuchungszeitraum und im Untersuchungsgebiet zu größeren Veränderungen gekommen, so werden diese sich auch in den Spitalhaushalten bemerkbar gemacht haben. Gelingt es nun, mit Hilfe der Rechnungsbücher von Spitälern Unterschiede beim Verbrauchsverhalten zu ermitteln, so können diese in die Diskussion um das Wägungsschema und den Warenkorb einbezogen werden.
Dieser Warenkorb läßt sich freilich nur dann füllen, wenn für jede Position darin Datenreihen verfügbar sind. Ein Vorteil ist, daß sich die erforderlichen Preisreihen aus demselben Urmaterial gewinnen lassen, wie das Wägungsschema, eben aus den Rechnungsbüchern der Spitäler. Freilich sind dabei gegenüber den Anforderungen heutiger Methoden einige Abstriche zu machen. Prinzipiell nämlich müßten diese Reihen aufgrund von Produkten gleicher Art, Sorte und Qualität gebildet werden, um vergleichbar zu sein. Da zeigen sich aber die Grenzen eines Urmaterials, welches nicht gezielt im Hinblick auf spätere Indexberechnungen gebildet wurde. Etwa die Qualität landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die von den wechselnden Witterungs- und Anbauverhältnissen abhängt, ist anhand der Spitalrechnungen praktisch gar nicht, oder höchstens in Extremjahren, zu erfassen. Auf Erkenntnisse über solche Qualitätsunterschiede und die damit verbundenen Probleme wurde bereits weiter oben im Zusammenhang mit dem Erntezyklus näher eingegangen. Die vorliegende Untersuchung geht allerdings von dem Umstand aus, daß sich die Unterschiede zwischen den Produkten in aller Regel doch innerhalb relativ enger Grenzen bewegten. Würden diese Toleranzen auch für die Feinanalysen heutiger Statistiker nicht ausreichen, so versprechen sie angesichts des Jahrzehnte umfassenden Untersuchungszeitraumes doch wesentliche Erkenntnisse. Auch jahreszeitliche Preisschwankungen, die normalerweise in der Preisstatistik durch die Bildung arithmetischer Jahresmittelwerte ausgeglichen werden, konnten anhand des untersuchten Materials nicht sicher ausgeglichen werden. Zwar liegen den Preisreihen die anhand der Wirtschaftstätigkeit von Spitälern errechneten Mittelwerte zugrunde, jedoch können diese im Jahresverlauf durchaus zufällig zustande gekommen sein.
Ein weiteres Problem stellt die Lückenhaftigkeit der Überlieferung dar. Das Forschungsziel dieser Arbeit, die gewählten Methoden und die manchmal nicht genügenden Quellen, zwangen deshalb in einer Reihe von Fällen dazu, zwischen zwei gegebenen Werten andere Werte zu schätzen, also zu interpolieren. Dieses Verfahren ist in der quantitativen Geschichtswissenschaft durchaus gängig[712]. Je nach Quellenlage kamen dazu verschiedene Methoden zur Anwendung. Im folgenden werden sie nach ihrer Wertigkeit geordnet dargestellt, das heißt, daß zunächst die zuverlässigste Ergänzungsmethode behandelt wird.
Da die drei untersuchten Orte geographisch sehr eng beieinander liegen, entwickelten sich die Preise und Löhne selten sehr unterschiedlich voneinander. Auf einen wirtschaftlich eher homogenen Raum weisen auch die Taxordnungen im württembergischen Amt Herrenberg und in Hohenberg hin, welche aufgrund gemeinsamer Preis- und Lohnkonferenzen zustande kamen. Diese Beobachtung ließ es bei einigen Preis- und Lohnreihen angebracht erscheinen, durch Vergleich mit einer vollständigeren Reihe der Nachbarstadt fehlende Werte zu ergänzen. Dieses wurde durch wechselseitiges Umindizieren der jeweiligen Steigung angestellt.
Ein zweites Verfahren bezieht sich auf einen Vergleich von Kauf- mit Verkaufspreisen. Schon der Nestor der gesamten Preis- und Lohnforschung in Deutschland, Moritz John Elsas[713], kam aufgrund seiner reichlichen Erfahrungen mit Preisreihen zu dem Ergebnis, daß zwischen der Verlaufskurve von Kauf- und Verkaufspreisen kein wesentlicher Unterschied bestehe. Dieser Befund konnte im Wesentlichen am vorliegenden Material bestätigt werden, wobei allerdings der Weinpreis die große Ausnahme bildet. Denn beim Wein unterscheidet sich in aller Regel die Qualität des gekauften Weines von jener des verkauften. Von dieser Ausnahme abgesehen wurde jedoch auf die Elsassche Beobachtung zurückgegriffen und entsprechend ergänzt.
Nur selten hingegen wurde auf das ebenfalls gängige Verfahren[714] des Vergleichs mit den Preisen ähnlicher Produkte zurückgegriffen. So könnte prinzipiell versucht werden, fehlende Dinkelpreise durch Umindizieren von vorhandenen Roggenpreisen her zu ergänzen. Jedoch schlossen in aller Regel die bereits oben dargestellten Schätzverfahren diese denkbaren Fälle mit ein und wurden bevorzugt.
Denkbar wäre auch eine Ergänzung auf Grund eines vermuteten und statistisch untermauerten Verlaufs der Entwicklung. Mit Hilfe bewährter Methoden wie der Berechnung der Standardabweichung kann der Statistiker bestimmen, welche lineare Funktion oder welche Funktion höheren Grades einer Zeitreihe oder einer Teilzeitreihe am nächsten kommt. Die ermittelte Funktion gestattet es dann, einen fehlenden Zeitpunkt mit einer relativ großen Wahrscheinlichkeit zu schätzen. Neben linearen Entwicklungen, die in dieser Weise auch in der vorliegenden Untersuchung behandelt wurden, tauchte als geometrische Funktion indessen häufig die rechnerisch sehr schwer handhabbare Logistische Kurve[715] auf, die durch eine längere Anlaufzeit, starkes Ansteigen und allmähliches Abflachen gekennzeichnet ist. Sie dient häufig zur Beschreibung biologischer Vorgänge, etwa dem Wachstum einer Bakterienkultur, aber auch zur Beschreibung wirtschaftlicher Gegebenheiten[716]. Für das Untersuchungsgebiet spielt sie insbesondere für den Zeitraum zwischen 1620 und 1650 eine große Rolle. Wegen ihrer schweren Handhabbarkeit wurde sie indessen rechnerisch nicht eingesetzt, höchstens zur Beschreibung von Schaubildern verwendet.
Wie ist nun die Tatsache zu werten, daß zur Umsetzung der entwickelten Methode in dieser Weise Werte geschätzt werden mußten? In der vorliegenden Arbeit wird Datenmaterial des endenden 16. und des 17. Jahrhunderts bearbeitet. Von diesem zeitlichen Horizont her erscheint es mir durchaus tragbar, die Anforderungen an das Datenmaterial nicht ganz so streng zu nehmen, wie in der zeitgenössischen wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Forschung. Macht man sich die Schwächen des Urmaterials bewußt, so sind durchaus brauchbare Ergebnisse zu erzielen.
Bereits bei der Erhebung des Zahlenmaterials aus den Rechnungsbüchern mußte eine Vorentscheidung insofern erfolgen, als sich nicht alle mitgeteilten Daten erfassen ließen. Zwar wurden alle Rubriken summarisch aufgelistet, alleine schon, um die erhobenen Werte durch Gegenrechnen überprüfen zu können, aber einzelne Rubriken verändern im Laufe der Zeit ihren Gehalt und innerhalb der Rubriken können unterschiedliche Angaben von Interesse sein. Auf diese Inhalte wurde bereits bei der Darstellung der Quellen eingegangen. Alleine schon für die Datenerfassung mußte also das Wägungsschema frühzeitig zur Anwendung kommen. In dem für die vorliegende Untersuchung gebildeten Warenkorb fanden zunächst einmal jene Waren Aufnahme, deren Bedeutung für die Spitalwirtschaft sehr groß war. Diese läßt sich an den eigenen Rubriken in den Rechnungsbüchern ablesen, die ihnen der Spitalschreiber widmete. Zu dieser Warengruppe gehört als wichtigstes Grundnahrungsmittel das Brotgetreide Dinkel. Schon etwas luxuriöser und daher in Abhängigkeit vom sozialen Stand zugeteilt, beziehungsweise je nach Einkommen nachgefragt, waren Fleisch und Wein[717]. Daß gerade diesen drei Waren auch im Spitalhaushalt entscheidende Bedeutung zukam, belegt unter anderem eine Instruktion für die Spitalmutter in Rottenburg vom Beginn des 17. Jahrhunderts[718]. Diese legte der Gattin des Spitalvaters ganz besonders die Aufsicht über Brot, Fleisch, Schmalz, Unschlitt und andere Küchenspeisen ans Herz. Gleichzeitig wurde der Spitalkeller darauf vereidigt, Wein nur nach der Ordnung auszuteilen. Ein besonderes Problem bei der Zuordnung von Waren zu einem Wägungsschema stellen die Kosten für gewerbliche Produkte sowie Dienstleistungen aller Art dar. Dieses Problem ließ sich auch in der vorliegenden Arbeit nicht direkt lösen, da keine ausreichenden Datenreihen zu ermitteln waren. Indessen wurde ersatzweise auf die allgemeine Entwicklung der Lohnkosten zurückgegriffen. Versuchsweise konnten auch die Kostenfaktoren Holz, Textilien, Unschlitt und Salz in die Berechnungen mit einbezogen werden. Es zeigte sich indessen, daß bei diesen Merkmalen der Spitalhaushalte keine ausreichend dichten Preisreihen für alle drei Untersuchungsobjekte gebildet werden konnten und daß die Anteile am Warenkorb angesichts der übrigen Unsicherheitsfaktoren zudem vernachlässigbar gering blieben.
Einen entscheidenden Fortschritt gegenüber konstruierten statischen Warenkörben bietet die gewählte Methode dadurch, daß die Gewichtung der in den Warenkorb aufgenommenen Waren einem realen Verbrauchsverhalten entspricht. Zwar nicht, wie in der modernen Preisstatistik, jenem eines durch Umfragen ermittelten normalen Haushaltes, aber immerhin dem eines realen Verbrauchers, der einen Querschnitt aus einer städtischen Bevölkerung versorgte. Es ist eben das Verbrauchsverhalten der Spitäler und ihrer Insassen. Deren jährlicher Verbrauch an Dinkel, Fleisch oder Wein sowie ihre Inanspruchnahme ausgewählter Dienstleistungen hatte einen bestimmten Wert. Er wird im folgenden als hypothetischer Gesamthaushalt bezeichnet. In Bezug zu diesem Gesamthaushalt konnten die Anteile jener Waren ermittelt werden, die in den Warenkorb aufgenommenen wurden. Diese Anteile wiederum liegen der Gewichtung von Preisen bei der Berechnung des Gesamtindexes zu Grunde. Dabei geht es stets nur um Verhältnisse, nicht aber um absolute Werte. Es kommt also darauf an, ob für den Dinkel in einem bestimmten Jahr etwa zwei Prozent mehr ausgegeben werden mußte und für Wein und Fleisch jeweils ein Prozent weniger als in einem Vergleichsjahr. Gefragt ist jedoch nicht, ob der Dinkelverbrauch um eine Tonne stieg. Deshalb bleibt diese Gewichtung auch von der Anzahl versorgter Personen unabhängig. Allerdings ist hierbei zu beachten, daß sich die Zusammensetzung der Spitalinsassen möglicherweise insofern auswirkte, als etwa durch eine überproportionale Aufnahme reicher Pfründner der Fleisch- und Weinkonsum relativ steigen konnte. Im Zusammenhang mit einer Untersuchung der Versorgungsleistung wird darauf nochmals eingegangen werden, ansonsten gelten allgemein die weiteren Ausführungen. Paßten die Spitäler den Verbrauch einzelner Waren wegen einer Teuerung oder auf Grund sonstiger Ursachen veränderten Verhältnissen an, so schlägt sich dies in den Kostenanteilen nieder. Ersetzten sie allerdings eine der genannten Waren zu wesentlichen Teilen durch ein bis dahin nur selten verbrauchtes Produkt, etwa indem plötzlich Erbsen statt Brot auf den Tisch kamen, dann versagt auch diese Methode. Sie muß folglich je nach Quellenlage daraufhin überprüft werden, ob sich nicht die Aufnahme weiterer Güter in den Warenkorb empfiehlt. Bei der Auswertung von Geldbeträgen, die auf Grund der hier entwickelten Methode bereinigt wurden, ist außerdem zu berücksichtigen, daß die Gewichtung nicht den Gewichten im Verhältnis zum tatsächlichen Haushalt, sondern zu einem hypothetischen Haushalt entspricht, insofern also bedingt willkürlich ist.
Wie oben ausgeführt sollen in dem Warenkorb auch Lohnkosten enthalten sein. Sie stehen dabei stellvertretend für Dienstleistungen aller Art und für jene gewerblichen Produkte, deren Preis sich hauptsächlich nach dem Lohn des Handwerkers bemaß. Damit berücksichtigt das gewählte Modell jene Kosten auf relativ einfache Art und Weise. Es wird sich später bei der Beurteilung dieses Weges zeigen, daß er von erheblichem Einfluß auf die Preisbereinigung ist. Gerade die Preis/Lohn-Schere der Frühen Neuzeit mit dem wechselweisen Auseinanderklaffen beider Entwicklungen hatte ja ihren Einfluß auf die Lebenshaltung. Wie aber können die Löhne in den Warenkorb aufgenommen und dort gewichtet werden? Grundsätzlich standen zwei relativ komplette Lohnreihen für diesen Zweck zur Verfügung. Das eine sind die Stücklöhne für das Holzhauen. Andererseits boten die Taglöhne der Handwerksmeister eine gute Möglichkeit, das allgemeine Lohnniveau zu erfassen. Allerdings war bei den Handwerkerlöhnen jeweils zu entscheiden, welcher von mehreren angegebenen Lohnsätzen in die Reihe aufgenommen wurde, da auch Meister für unterschiedliche Tätigkeiten unterschiedlich bezahlt wurden, manchmal gar nur wie ein Geselle. Ich habe diese Frage bei der Darstellung der Lohnentwicklung weiter oben bereits ausgiebig problematisiert. In aller Regel handelt es sich bei den ausgewählten Taglöhnen um diejenigen eines den Bau führenden Zimmermanns oder Maurers, also um den höchsten möglichen Lohnsatz. Zur Gewichtung dienten die Aufwendungen der Spitäler für alle kontinuierlichen Kosten, die nicht dem Gutsbetrieb dienten, also vor allem Besoldungen und Handwerkerlöhne, Mahlkosten für Getreide, Aufwendungen für den Kaminfeger, für den Schuhmacher, für Weber und Holzhauer. Außen vor blieben die Rubriken mit Baukosten, da die teils erheblichen jährlichen Schwankungen zufallsbedingte Komponenten sind, Erntekosten und Kosten für den Weinbau, da letztgenannte Rubriken auf die Haushaltsseite des spitalischen Gutsbetriebes geschlagen werden müssen. Solche Kosten dürften in einem Normalhaushalt nicht angefallen sein. Auswahlprinzip war in diesem Fall also die Frage nach einem vermuteten Normalhaushalt, in dem die Selbstversorgung durch Neben- und Zuerwerb gesichert wurde, also keine Lohnkosten für Mähen, Ernten und Dreschen anfielen. Nicht berücksichtigt werden konnten die geringen Lohnkosten, die innerhalb der Rubrik gemeine Ausgaben ab und zu auftauchen. Auch Botenlöhne und Zehrkosten blieben außen vor.
Am besten lassen sich die Preise der in den Warenkorb aufgenommenen Güter in Form von Indizes zusammenfassen. Sie geben bestimmte Werte nicht in absoluten Beträgen an, sondern nur in Beziehung zu einem bestimmten Vergleichsjahr, dem Basisjahr. Welches Jahr soll aber als Basis für die Indexberechnungen dienen? Zum einen muß es die Anforderungen eines Normaljahres[719] erfüllen. Nur, sofern es einer zusammenhängenden Reihe von Rechnungsbüchern angehört, läßt sich seine Normalität im Vergleich mit den benachbarten Berichtsjahren und der Gesamtentwicklung beurteilen. Es darf auch keinem Begründungszwang hinsichtlich wirtschaftsexogener Ereignisse wie dem Dreißigjährigen Krieg oder der Kipper- und Wipperzeit unterliegen. Ferner sollten der Getreide- und der Weinanbau ebenfalls in etwa normale Erträge liefern. Außerdem muß es für alle drei Untersuchungsobjekte dasselbe sein, damit die Spitäler miteinander verglichen werden können. Diese Anforderungen schränken die Zeitspanne, in der das Basisjahr liegen kann, schon erheblich ein, da erst ab 1607 Datenreihen für alle drei Untersuchungsobjekte vorliegen und seit 1621 bereits mit den Auswirkungen der Kipper- und Wipperkrise zu rechnen ist. In diesem Zeitraum wiederum bot das Jahr 1609 die vollständigsten Merkmalsausprägungen. Damals konnten die Spitaldiener Ernten einfahren, die nicht allzusehr vom langjährigen Durchschnitt abwichen, die Preise und Löhne hatten das gemäßigte Vorkriegsniveau. Deshalb habe ich mich für das Jahr 1609 als Basisjahr entschieden. Alle folgenden Indexberechnungen führen insofern zu einem Vergleich mit dem Vorkriegszustand des Jahres 1609.
Alle obigen Vorüberlegungen sollen dazu dienen, ein Instrument zur Preisbereinigung zu gewinnen, welches ein einziger Wert darstellt. Er gibt an, wieviel mal mehr ein Geldbetrag in einem bestimmten Jahr wert war als 1609. Somit gibt er Auskunft über die Entwicklung der Kaufkraft und entspricht in dieser Hinsicht dem oben erwähnten Lebenshaltungspreisindex. Durch diesen Wert können dann die zu bereinigenden Geldbeträge geteilt und damit wertmäßig bereinigt werden. Dieser Wert heißt im folgenden allerdings nicht Lebenshaltungspreisindex, sondern Gesamtindex. Mit dieser Sprachregelung soll der qualitative Unterschied zu den heutzutage ermittelten zuverlässigeren Indizes dokumentiert werden. Der Gesamtindex wird aus den Indizes der einzelnen ausgewählten Waren bezogen auf das Jahr 1609 gebildet. Die einzelnen Indizes werden dabei nach der Methode Laspeyres gebildet, wobei der Gewichtung ein durchschnittlicher Warenkorb zu Grunde liegt. In ihm finden die oben genannten ausgewählten Waren und Dienstleistungen auf Grund des prozentualen Anteils Eingang, den sie am hypothetischen Gesamthaushalt ausmachen. Da der Gesamtindex aus prozentualen Teilbeträgen aufgebaut und auf das Jahr 1609 bezogen ist, hat er in diesem den Wert 100.
Berechnung der Kostenanteile
1. Getreidewert W1 = Getreideverbrauch * Preis P1
2. Fleischwert W2 = Fleischverbrauch * Preis P2
3. Weinwert W3 = Weinverbrauch * Preis P3
4. Hypothetischer Haushalt Whyp = W1 + W2 + W3 + Lohnkosten W4
5. Getreideanteil q1 = W1/Whyp
6. Fleischanteil q2 = W2/Whyp
7. Weinanteil q3 = W3/Whyp
8. Lohnanteil q4 = W4/Whyp
9. Preise p1 – p3 und Löhne l4 (Handwerker) und l5 (Holzhauer)
Das grundsätzliche Problem bei den beiden möglichen Formen zur Indexbildung, jener von Paasche und jener von Laspeyres[720], besteht darin, daß sich nicht sowohl das Verbrauchsverhalten als auch die Preisentwicklung in einem einzigen Wert zusammenfassen lassen. Gerade aber den Untersuchungszeitraum prägen, wie bereits oben gesehen, erhebliche Unterschiede sogar zwischen einzelnen Jahren hinsichtlich der verbrauchten Mengen und der dafür bezahlten Preise. Im folgenden wird als Weg zur Untersuchung auf die Einteilung in Perioden zurückgegriffen, wie sie sich schon anhand der Preisentwicklung, des Verbrauchsverhaltens und der Erntezyklen abgezeichnet hat. Entscheidend für die Bildung des Warenkorbs sind jeweils die durchschnittlichen Verbrauchswerte einzelner Perioden. Wird das Preisniveau der zweiten Periode untersucht, so wird dem Vergleich deren durchschnittlicher Warenkorb zu Grunde gelegt. Insgesamt müssen also fünf verschiedene Warenkörbe zur Anwendung kommen. Innerhalb dieser wird nach den Kostenanteilen am hypothetischen Gesamthaushalt gewichtet. Es seien qd der Kostenanteil von Dinkel, qf jener von Fleisch, qw jener von Wein und ql der von Lohnkosten. Preise im Basisjahr tragen die Bezeichnung 0, jene im Berichtsjahr 1 die Bezeichnung 1. Dann errechnet sich der Laspeyres-Index für das Jahr 1 wie folgt:
(pd1 x qd + pf1 x qf + pw1 x qw + pl1 x ql) : (pd0 x qd + pf0 x qf + pw0 x qw + pl0 x ql) x 100.
Durch diesen Kompromiß kann das geänderte Verbrauchsverhalten der Spitäler immerhin periodenweise erfaßt und berücksichtigt werden.
Ein Beispiel soll das Verfahren illustrieren. Der Rottenburger Spital verbrauchte im Durchschnitt der Jahre von 1596 bis 1674 in seiner eigenen Haushaltung anteilsmäßig 44 Prozent Getreide, 14 Prozent Fleisch, 20 Prozent Wein und 22 Prozent Lohnkosten. Es kosteten im Berichtsjahr: Dinkel 3,01 xer, Fleisch 4,84 xer, Wein 5,964 xer, Holzhauerlöhne 18,64 xer, Handwerkerlöhne 20 xer. Im Basisjahr 1609 lassen sich als Preise und Löhne ermitteln: für Getreide 2,209 xer; für Wein 2,607 xer; für Fleisch 1,99 xer; für Handwerkerlöhne 12 xer; für Holzhauerlöhne 9,6 xer. Der Gesamtindex wäre nun also wie folgt zu errechnen:
(3,01×44+4,84×14+5,964×20 + (18,64+20)/2×22) / (2,209×44+1,99×14+2,607×20 + (9,6+12)/2×22) x 100 = 179
Der Gesamtindex sagt aus, wieviel mal mehr oder weniger der Spital im jeweiligen Berichtsjahr für die Lebenshaltung seiner Insassen ausgeben mußte als im Basisjahr. Teilt man Geldbeträge durch den Gesamtindex, so lassen sie sich dadurch wertmäßig bereinigen. Wenn sich also in Rottenburg für das Jahr 1635 ein Gesamtindex von 179 errechnen läßt, so bedeutet dies, daß damals gemessen an Preisen und Löhnen des Jahres 1609 unter Heranziehung eines durchschnittlichen Warenkorbs Geldbeträge nur noch 100/179, also 56 Prozent wert waren. Verdiente der Oberknecht im Basisjahr 20 Gulden jährlich und im Berichtsjahr 25 Gulden, so hatte er einen realen Verlust von sechs Gulden im Vergleich zum Jahr 1609 zu verkraften.
Die Preisbereinigung nach der Methode des verbrauchsabhängigen Warenkorbs basiert auf der Auswahl verschiedener Waren und auf der Konstruktion eines hypothetischen Gesamthaushaltes. Es werden also nur bedingt reale Verhältnisse dargestellt. Dies bringt einige Nachteile mit sich. Will man die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung auf ihre Aussagekraft hin befragen, so ist es unerläßlich, sich diese Schwächen bewußt zu machen. Ihrerseits erhalten die Unzulänglichkeiten ihre Bedeutung wiederum nur in Abgrenzung zu den Stärken, die das gewählte Modell zur Preisbereinigung ebenfalls hat.
Es geht darum, Annäherungen an frühere Lebensverhältnisse zu gewinnen. Im Vergleich zu den bisher angewandten Methoden bringt das neue Modell des verbrauchsabhängigen Warenkorbs den wesentlichen Vorteil, daß er aufgrund tatsächlicher Verbrauchsgewohnheiten gewichtet wird. Er hängt also nicht einseitig von einem bestimmten Äquivalent ab. Leider läßt sich der Kritik, daß längere Indexreihen veränderte Verbrauchsgewohnheiten zu wenig berücksichtigen und deshalb unbrauchbar seien, nur durch aufwendige Mehrfachberechnungen ein Stück weit begegnen[721]. Die ermittelten Ergebnisse lassen sich zudem relativ einfach genauer untersuchen, indem der Gesamtindex rückschreitend entfaltet wird.
Wie sehr die Entscheidung für einen bestimmten, festgelegten Warenkorb den Wert der Kaufkraft bestimmt, zeigt ein Vergleich. In der vorliegenden Arbeit konnten für jeden Spital durchschnittliche Warenkörbe nach Perioden gebildet werden. Im Falle des Rottenburger Spitals lassen sich vor allem nach Kriegsende die höchsten Differenzen je nach Wahl der Basisperiode feststellen. Berechnet man beispielsweise die durchschnittlichen Laspeyres-Indizes für die Nachkriegsperiode, so kommt es bei der Gewichtung nach dem Verbrauchsverhalten in der Nachkriegsperiode und jenem in der 1. Kriegsperiode zu Abweichungen von 25,87 Punkten (1609 = 100). Alleine die Gewichtung des Warenkorbs kann also darüber entscheiden, ob ein bestimmter Geldbetrag ein Viertel mehr oder weniger wert war! Und dabei wurden dieser Berechnung bereits durchschnittliche Wägungsschemata zu Grunde gelegt.
Eine Reihe weiterer Schwächen zeichnet ebenfalls auch die meisten der übrigen in Frage kommenden Methoden – meist in noch größerem Maße – aus. Sie lassen sich dadurch wesentlich abmildern, daß man sie bei der Interpretation berücksichtigt. Zum einen Teil resultieren Nachteile aus dem Umstand, daß ein hypothetischer Gesamthaushalt konstruiert werden muß. Dadurch wird der gewählte Warenkorb bedingt willkürlich – immerhin nicht so willkürlich, wie ein hypothetischer Warenkorb. Schließlich werden an Nahrungsmitteln im wesentlichen lediglich Dinkel, Fleisch und Wein einbezogen. Wegen dieser Auswahl maßgeblicher Waren bleiben einige Güter unberücksichtigt, deren Anteil am gesamten Haushalt in einzelnen Jahren bedeutend sein kann. So gewinnt für den Rottenburger Spital in den Jahren 1626 und 1637 der Kauf größerer Erbsenmengen ein Gewicht im Spitalhaushalt, das normalerweise lediglich dem Dinkelkauf zukam. Freilich trifft dieser Vorwurf einen hypothetischer Warenkorb mindestens ebenso hart. Eine Schwäche bedeutet darüberhinaus auch der Zwang, Fehljahre ergänzen zu müssen. Dies läßt sich häufig nicht umgehen, da die gewählte Methode für jedes Berichtsjahr eine Fülle von Daten voraussetzt. Darauf wurde bereits weiter oben eingegangen.
Für die Konstruktion des Gesamtindexes ist das Zusammenspiel von Preisen und Löhnen besonders wichtig. Sofern Lohnsätze nur parallel zum Preisniveau stiegen, gab es für Handwerker keinen realen Einkommenszuwachs. Andererseits müssen teuerere Lebensmittel nicht unbedingt eine Verschlechterung der Lebensverhältnisse bewirkt haben, da ja Lohnverbesserungen dem entgegenstehen konnten. Die Untersuchung der Taxordnungen für Württemberg und Hohenberg erbrachte bereits einen deutlichen Hinweis darauf, daß im Zeitraum zwischen 1640 und 1642 eine deutliche Zäsur im Verhältnis zwischen Preisen und Löhnen aufgetreten sein muß. Damals hielten die Regierungen das Niveau der Lebensmittelpreise für wohlfeil, während die Lohnforderungen der Arbeiter den Zeitgenossen übertrieben erschienen. Betrachtet man vom Jahr 1641 aus die Entwicklung der oben untersuchten Preis- und Lohnreihen, so zeigen sich bei allen drei Spitälern relativ einheitliche Trends. Zunächst einmal erscheint das Jahr 1641 tatsächlich als Umschlagpunkt. Zuvor hinkten die Löhne meist den Preisen hinterher, anschließend sanken die Preise unter das Lohnniveau. Den mit Hilfe von Taxordnungen ermittelten Umkehrpunkt bestätigen also die gebildeten Preis- und Lohnreihen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, daß die Löhne nach Kriegsende im Vergleich zur Vorkriegszeit fast doppelt so hoch blieben, während die Preise entweder unter das Vorkriegsniveau sanken, besonders die Getreidepreise, oder nur wenig darüber lagen wie jene für Wein und Fleisch. Erklärungen dafür, daß ausgerechnet die Jahre 1641 und 1642 diesen Schnittpunkt bilden, lassen die ausgewerteten Quellen nicht zu. Dazu müßte vermutlich die Bevölkerungsentwicklung genauer untersucht werden. Im Falle Herrenbergs wird dies weiter unten geschehen. Die obige Betrachtung läßt jedoch eine Bestimmung der Kaufkraft von Einkommen lediglich auf Grund von Getreidepreisen zweifelhaft erscheinen. Im Warenkorb wohl jedes Verbrauchers spielten schon damals Löhne für Handwerker oder zumindest Preise für gewerbliche Produkte eine Rolle. Nur ein Wert, der die verschiedenen Preise und Löhne zu einem einheitlichen Bereinigungsfaktor zusammenfaßt, verspricht angemessene Hinweise auf die realen Verhältnisse. Diese realen Verhältnisse stellen sich als äußerst kompliziert dar.
Verbrauchsverhalten der Spitäler
Ein zentrales Problem bei Berechnungen zur Kaufkraftentwicklung in der älteren Forschung war stets die Gewichtung der Warenkörbe. Anhand des Quellenbestandes städtischer Spitäler wurde in der vorliegenden Untersuchung erstmals der Versuch einer Gewichtung, die sich an tatsächlichem Verbrauchsverhalten orientiert, vorgestellt. Welche Ergebnisse lassen sich hinsichtlich der Entwicklung des Verbrauchsverhaltens im Untersuchungszeitraum formulieren? Dabei soll als Grundlage, um langfristige Veränderungen im Konsumverhalten erkennen zu können, auf eine anhand des Materials gebildete Periodisierung zur Untersuchung zurückgegriffen werden. Damit können einerseits zufallsbedingte Momente ausgeschaltet, andererseits aber auch mögliche Fehler, die als Folge von Ergänzungen oder als Folge von unzulänglichem Datenmaterial auftreten können, etwas ausgeglichen werden. Zur Beschreibung einzelner Perioden – stets verbunden mit der Vorstellung der Grenzpunkte dieser Perioden – wird auf das ungeglättete Material zurückgegriffen.
Verbrauchsanteile in den drei Spitälern | |||
Getreideanteil in | Horb | Rottenurg | Herrenberg |
1590 – 1621 | 37 | 46 | 42 |
1622 – 1626 | 38 | 49 | 45 |
1627 – 1634 | 40 | 58 | 54 |
1635 – 1641 | 55 | 54 | 81 |
1642 – 1650 | 40 | 45 | |
1651 – 1674 | 28 | 34 | |
1590 – 1674 | 37 | 44 | 48 |
Fleischanteil in | Horb | Rottenburg | Herrenberg |
1590 – 1621 | 36 | 14 | 21 |
1622 – 1627 | 35 | 12 | 14 |
1627 – 1634 | 33 | 11 | 14 |
1635 – 1641 | 12 | 14 | 4 |
1642 – 1650 | 20 | 13 | |
1651 – 1674 | 28 | 15 | |
1590 – 1674 | 28 | 14 | 18 |
Weinanteil in | Horb | Rottenburg | Herrenberg |
1590 – 1621 | 12 | 25 | 10 |
1622 – 1626 | 14 | 26 | 22 |
1627 – 1634 | 9 | 18 | 14 |
1635 – 1641 | 15 | 20 | 2 |
1642 – 1650 | 8 | 17 | |
1651 – 1674 | 10 | 17 | |
1590 – 1674 | 11 | 20 | 11 |
Lohnanteil in | Horb | Rottenburg | Herrenberg |
1590 – 1621 | 14 | 15 | 27 |
1622 – 1626 | 12 | 13 | 19 |
1627 – 1634 | 18 | 13 | 17 |
1635 – 1641 | 18 | 12 | 13 |
1642 – 1650 | 33 | 25 | |
1651 – 1674 | 34 | 34 | |
1590 – 1674 | 24 | 22 | 23 |
Als absolut dominierend im Warenkorb aller drei Spitäler erwies sich das Getreide mit über 40 Prozent. Unterschiedliche Akzentsetzungen in der Tabelle beruhen zum einen auf der unterschiedlichen Überlieferungslage. Für Herrenberg fehlen die gesamten Nachkriegsjahre mit den niedrigen Getreidepreisen, weshalb der Getreidekostenanteil überdurchschnittlich hoch ist.
Umgekehrt fehlen für Horb 16 Bände, welche Auskunft über die teueren Vorkriegsjahre geben könnten, wohingegen die billigeren Nachkriegsjahre dokumentiert sind. Untersucht man, um diese Ungewichte zu vermeiden, den Zeitraum vor Beginn der Kipper- und Wipperkrise, sofern Angaben zu allen drei Spitälern vorliegen, so zeichnet sich im Falle des Horber Spitals eine erstaunliche Entwicklung ab: hier verbrauchten die Spitaliten mit über 30 Prozent einen mehr als doppelt so hohen Fleischanteil wie in Rottenburg oder Herrenberg. Das läßt sich auch anhand eines Vergleichs der absoluten Mengen zeigen. Die Fleischpreise in den drei Orten unterschieden sich während des Zeitraumes kaum. Wurden in Horb überdurchschnittlich viele Pfründner versorgt? Hatten die in aller Regel in der Anstalt gespeisten Handwerker diesen Effekt? Oder ging es dort den Spitaliten besser? Verköstigten sich etwa besonders viele Magistratsmitglieder auf Kosten der Anstalt? Dies dann aber vor allem hinsichtlich des Fleischverbrauchs, denn beim Weinverbrauch überragte die Versorgung in Rottenburg mit einem Viertel diejenige der benachbarten Spitäler ihrerseits um das Doppelte. Dies mag eine Folge der besonders günstigen Versorgungslage in dem Weinbaugebiet sein. Da fast alle Anstalten ihren Holzbedarf aus eigenen Wäldern deckten, entstanden für sie an entsprechenden Kosten nur diejenigen für den Holzeinschlag und die Holzfuhr. Immerhin zeigen Holzpreise, daß diese Bearbeitungskosten mehr als die Hälfte der Marktpreise ausmachten. Trotzdem blieben die Aufwendungen aller drei Spitäler dafür unter vier Prozent. Sie sind deshalb mit den Lohnkosten zusammengefaßt. Die Lohnkosten machten knapp 20 Prozent aus.
Zwei empirisch ermittelte Einschnitte in den Jahren 1634 und 1650 prägten die Entwicklung der Kostenanteile. Der erste markiert das Wirksamwerden von direkten Kriegswirkungen nach der Schlacht von Nördlingen. Die bereits zwei Jahre zuvor erfolgte Eroberung Hohenbergs durch Württemberg scheint sich hingegen nicht ausgewirkt zu haben. Das zweite Datum bezeichnet das Ende des Krieges und der Besatzungszeit. Beide Einschnitte zeigen, welche überragende Bedeutung der Dreißigjährige Krieg für die wirtschaftliche Konjunktur hatte. Vorher gaben die Spitäler die größten Anteile ihres Geldbudgets für Getreide aus – fast die Hälfte. Anschließend sank dieser Anteil unter 40 Prozent. Auch für den Wein ihrer Spitaliten gaben die Anstalten nach dem Kriegsende geringere Summen aus. Während die Fleischanteile in Rottenburg nahezu konstant blieben, sanken sie in Horb deutlich, behielten aber gegenüber allen anderen Spitälern eine überragende Stellung. Gegenüber diesen reduzierten Kosten in den Budgets gewannen die Ausgaben für Löhne enorm an Bedeutung. Während sie vor dem Wirksamwerden des Krieges selten ein Fünftel des Spitalhaushaltes ausmachten, wandten die Anstalten nach 1650 mehr als ein Drittel dafür auf. Diese Entwicklung läßt sich in Ansätzen ab 1642 beobachten und entspricht somit der auseinanderklaffenden Lohn/Preisschere, deren Schnittpunkt ja im Zeitraum zwischen 1640 und 1642 geortet werden konnte. Hierfür könnten Ausgaben für den Wiederaufbau zerstörter Gebäude verantwortlich gewesen sein. Fallende Getreidepreise verbilligten die Versorgungskomponente nach Kriegsende, wohingegen die anhaltend hohen Lohnsätze das Budget der Anstalten strapazierten.
Würde man eine Preisbereinigung alleine mit Hilfe der Preisindizes oder gar ausschließlich auf der Basis von Getreidepreisen durchführen, so ließe sich nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges im Untersuchungsgebiet im Vergleich zu den Vorkriegsverhältnissen eine regelrechte Depression feststellen. Indessen würde eine solche Betrachtung irreleiten, da den Geldwert neben den Preisen auch die Löhne bestimmten. Wie die Struktur aller untersuchten Spitalhaushalte vermuten läßt, beeinflußten die Löhne und die von ihnen abhängigen Preise gewerblicher Produkte die Kaufkraft sogar erheblich. Auf den Gesamtindex wirken sich also sowohl Warenpreise als auch Löhne aus. Beide Reihen fanden deshalb Eingang in die Konstruktion des Gesamtindexes.
Vergleicht man die Indizes der drei Untersuchungsobjekte miteinander, so ergeben sich im Detail, vor allem was die Amplituden einzelner Residuen angeht, doch recht deutliche Abweichungen. Hingegen stimmen die Verläufe in der jeweiligen Richtung und bei Richtungsänderungen in hohem Maße überein. Für die abweichenden Amplituden läßt sich eine Reihe von Gründen vermuten. Einmal könnte das zugrundegelegte Quellenmaterial unzulänglich sein. Zum Beispiel läßt sich nicht beurteilen, inwiefern die ermittelten Preise zufällig entstanden. Darauf wurde bereits eingegangen. Innerhalb des Jahresverlaufs wurden die erhobenen Daten eher zufällig gebildet, wobei allerdings zu vermuten ist, daß die Anstalten, sofern sie nicht durch Knappheit gedrängt wurden, möglichst günstige Kaufzeiten wahrgenommen haben dürften. Jedenfalls könnten solche Zufälle Abweichungen zumindest teilweise erklären. Während der Nachkriegsperiode beruhen Unterschiede zwischen Horb und Rottenburg in erster Linie auf dem Umstand, daß für Rottenburg die Erhebung zu anderen Lohnreihen führte, als im Falle des Horber Materials. Dies kann aber die Folge unterschiedlichen Verhaltens beider Anstalten bei der Beschäftigung von Handwerkern sein. Auch Effekte von geschätzten Werten könnten bei Abweichungen natürlich eine Rolle spielen.
Unterschiede zwischen den untersuchten Städten aber scheinen eine Folge der unterschiedlichen lokalen Märkte zu sein. Hohe Transportkosten dürften den Warenaustausch etwa von Getreide zwischen den benachbarten Orten in normalen Jahren verhindert haben, hier ist eher Eigenversorgung zu vermuten. Demgegenüber zeigten sich bei den Fleischpreisen die größten Übereinstimmungen, was auf einen doch weiträumigeren Markt schließen läßt. Beim Wein spielten sicherlich Unterschiede zwischen dem Weinbaugebiet um Rottenburg bis hin zum Herrenberger Importbedarf eine Rolle, wozu noch Qualitätsunterschiede getreten sein werden, auf die ja bereits das Steuerberaitungsprotokoll aus der Zeit um 1680 hinwies[722]. Insgesamt fehlen wesentliche Homogenitätsbedingungen, selbst wenn der Markt transparent gewesen sein sollte.
Ein Vergleich der Entwicklung in den drei Untersuchungsobjekten weist also – bei insgesamt einheitlichen Trends – auf deutliche regionale Unterschiede hin, vor allem was die Ausprägung jeweiliger Amplituden angeht. Dies wirft die Frage nach der Homogenität und Transparenz des Marktes auf[723]. Mit Markt ist dabei jener Prozeß gemeint, den Nationalökonomen wie folgt beschreiben: Austauschbeziehungen zwischen anbietenden und nachfragenden Wirtschaftseinheiten, die hinsichtlich ihrer Verkaufs- bzw. Einkaufsmöglichkeiten in einem so engen Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit stehen, daß das Zustandekommen der Preis- und Mengenentscheidungen jeder Wirtschaftseinheit nur aus dem Zusammenhang der Tauschgruppe erklärt werden kann (Willeke). Dieser Prozeß regelt in der arbeitsteiligen Wirtschaft das Verhältnis von Erzeugung und Nachfrage[724]. Der Markt wird als einheitlich und unzerlegbar bezeichnet, weil alle Preise und Löhne zusammenhängen und einander bedingen. Selbst der Selbstversorger in Bezug auf bestimmte Waren beeinflußt durch den Ausfall seiner Nachfrage den Markt. Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit führten Wochen- und Jahrmärkte sowie Warenmessen Anbieter und Nachfrager zusammen. Dabei spielten Städte eine besondere Rolle, sie gelten als der dauernde Markt (Pantlen). Allerdings hatte die große Mehrzahl der Jahrmärkte nur lokale Bedeutung, vermutlich auch jene in den untersuchten Orten. Das heißt nicht, daß die Preisbildung nicht überregional beeinflußt worden wäre. Dies wird besonders bei gewerblichen Produkten deutlich. Zwar genügte das Quellenmaterial nicht dazu, einigermaßen geschlossene Preisreihen für gewerbliche Güter zu bilden, was unter anderem damit zusammenhängt, daß alle drei Spitäler nur sehr selten und unregelmäßig solche Erzeugnisse des Handwerkerfleißes erwarben. Sie bevorzugten es, wie die Lohnkosten für Handwerker zeigen, viele dieser Güter auf eigene Kosten in Lohnarbeit herstellen zu lassen. Jedoch sprechen die literarischen Quellen eine umso deutlichere Sprache. Nach Württemberg exportierten viele auswärtige Handwerker und Händler Rohstoffe sowie Fertigwaren, das machte bereits die Auswertung der lokalen Taxordnungen deutlich. Die auswärtigen Preise beeinflußten dadurch nachhaltig das Preis- und Lohnniveau. Darauf wiesen die Ämter in ihren Stellungnahmen zu den unterschiedlichen Taxordnungen immer wieder hin. Schmiede, Schlosser, Gerber, Färber und Tucher bezogen wichtige Rohstoffe von außerhalb, ohne daß sie württembergische Taxordnungen schützten. Seitenmahl die Zeit und Läuf von Tag zue Tag sogar sich endern, hieß es 1623, könnten auch die Taxen nicht endgültig festgelegt werden, bevorab, weil man nach der Zeit khein aigentliche Nachrichtung, wie hoch und thewr allerhand Hab und Wahren von der beraith noch wehrenden Frankhforter Herbstmeß hiehero zu bringen sein möchten[725]. Im Falle einiger Herrenberger Handwerker weisen verschiedene Angaben auf die enorme Bedeutung der Stadt Straßburg als preisbildendem Markt hin. Beispielsweise kauften die Herrenberger Seiler Hanf und Strön dort ein[726]. Besonders bedeutsam waren die Messen als Maßstab dafür, welche Waren überhaupt noch zu bekommen waren. Das spielte bei der Argumentation Tübinger Sachverständiger im September 1623 eine Rolle, als sie für die Abschaffung der Taxen plädierten. Sie verwiesen darauf, daß für die vergangene Straßburger Messe Leder, Textilien und anderes in großer Zahl angelangt seien und daß sich für die bevorstehende Frankfurter Messe ein Überfluß an Eisen, Leder und Textilien abzeichne, weshalb viele dieser Waren viel billiger zu bekommen sein würden, dann (als) es noch manchem Gaitzhals lieb sein möchte[727]. Insgesamt scheinen, wie ein oberflächlicher Überblick über die in den Rechnungsbüchern mitgeteilten Preise vermittelt, die gewerblichen Produkte nach Kriegsende eher gleich teuer wie vor der Kriegszeit gewesen zu sein. Das würde zu den anhaltend hohen Lohnsätzen passen.
Über die regionalen Wirtschaftsbeziehungen geben mitunter die Rechnungsbücher Hinweise. Der Herrenberger Spital beispielsweise schickte seinen Meister auf Märkte in Tübingen, Wildberg und Nagold, um Textilien zu kaufen, auf dem Rottenburger Markt beschaffte er vor allem Zwiebeln. Stuttgart taucht als Marktort selten auf. Die hohenbergischen Spitäler wandten sich nach Hechingen und Balingen, um Vieh zu erwerben. Ein weiteres Beispiel soll die Marktsituation beleuchten. Holz war einer der wichtigsten Rohstoffe der Frühen Neuzeit. Zum Beispiel das Scheiterholz als Energielieferant. Da alle drei Spitäler über umfangreiche Wälder verfügten, deckten sie aus diesen ihren Bedarf weitgehend. Deshalb fielen Kosten fast ausschließlich für Holzhauerlöhne und den Transport der Scheiter in die Stadt an. Dabei hängt der Holzpreis und vor allem auch die Verfügbarkeit von Holz eng mit der Bevölkerungsentwicklung zusammen. Bei der Abhängigkeit von der Holzeinfuhr zeigen sich bedeutende örtliche Unterschiede. Vor allem der Tübinger Raum scheint in erheblichem Maße von der Holzeinfuhr abhängig gewesen zu sein. So war von nicht geringer Bedeutung, daß im September 1623 wieder zehen Geschür mit Holtz vom Killertal (bei Hechingen) im Tübinger Amt eintrafen, woraufhin der Preis sofort fiel[728]. Auf große Unterschiede zwischen den drei benachbarten Städten deuten die unterschiedlichen Preis- und Lohnreihen hin. Insgesamt scheint der Markt im Untersuchungsgebiet äußerst inhomogen und wohl auch intransparent gewesen zu sein, was nicht zuletzt an den enormen Transportkosten gelegen haben dürfte. Schließlich kostete ein Pferd im Taglohn mindestens gleichviel wie ein Handwerksmeister! Es läßt sich in Anbetracht dieser Inhomogenität und der fehlenden Markttransparenz kein überregionaler Gesamtindex bilden. Vielmehr bieten lediglich lokale Untersuchungen die Aussicht, daß sich solche Bereinigungsfaktoren gewinnen und anwenden lassen.
Im Detail können die Entwicklungen also durchaus fehlerbehaftet oder von einer unterschiedlichen Marktsituation beeinflußt sein. Jedoch zeugen dominierende Ausprägungen bei allen drei Untersuchungsobjekten von wesentlichen Übereinstimmungen. Für Horb, Rottenburg und Herrenberg bietet sich dabei eine Einteilung in die auf der Grafik gekennzeichneten Perioden an. Ein wesentliches Ergebnis, welches sich aufgrund der ermittelten Gesamtindizes formulieren läßt, ist die Einteilung des Untersuchungszeitraumes in solche Perioden. In der Wirtschafts- und Sozialgeschichte wird häufig – manchmal vielleicht auch auf einer gewissen Zahlenmagie beruhend – mit Perioden von gleicher Länge gearbeitet. Formal erleichtert die Einteilung in regelmäßige Perioden zunächst einmal einige statistische Verfahren. Indessen erscheinen mir solche regelmäßigen Perioden für historische Sachverhalte nicht angemessen zu sein. Deshalb wurde in der vorliegenden Arbeit versucht, vom Material her, das heißt, von den ermittelten Indexreihen her, zur Abgrenzung historisch sinnvoller Teilzeiträume zu gelangen. Diese Einteilung des Untersuchungszeitraumes in Perioden stellt bereits an sich ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung dar. Kriterium zur Einteilung solcher Teilzeiträume waren einesteils Zäsuren, also Brüche in der Regelmäßigkeit der Entwicklung von Reihen. Andererseits bot die Gleichmäßigkeit einer Entwicklung einen wichtigen Anhaltspunkt für die Zuordnung zu einer Periode. Es zeichneten sich dabei sechs die einzelnen Datenreihen und das gesamte Untersuchungsgebiet übergreifende Perioden ab, die später bei der Beschreibung einzelner Entwicklungen wiederum zur Anwendung kommen werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß auf den Schaubildern durch die Bildung gleitender Siebenjahresschnitte die Gipfelpunkte und Zäsuren zeitlich etwas verschoben sein können. Diese Verschiebung ließ sich indessen nicht rechnerisch oder zeichnerisch korrigieren, da sie nicht regelmäßig erfolgte. Je nach dem Wert einzelner Merkmalsausprägungen kann es sich um eine Verschiebung nach unten, nach oben oder gar um eine zufällige Übereinstimmung handeln. Bei der folgenden Periodisierung ordne ich den einzelnen Zeiträumen die für Herrenberg und Württemberg relativ gut überlieferte Bevölkerungsentwicklung zu. Sie war sicherlich einer der entscheidenden Faktoren für die Entwicklung.
Die erste Periode ist von der Vorkriegszeit geprägt. Dieser Zeitraum, in dem sich das Basisjahr befindet, dient als Maßstab für alle im folgenden untersuchten. Auf dem Schaubild sind die entsprechenden Durchschnittswerte für die drei Spitäler eingetragen, welche alle unter 100 liegen. In ihr lassen sich zwar kleinere Sonderentwicklungen unterscheiden, etwa eine gemäßigte Teuerung vor und bei Beginn des Dreißigjährigen Krieges, jedoch treten diese Zäsuren gegenüber den gröberen in den Hintergrund. Kleinere Booms gab es im Basisjahr und vor allem in den drei Jahren nach 1614. Damals machten sich vermutlich die Folgen einer Serie von Mißernten bemerkbar. Anschließend entspannte sich die Situation wieder etwas. Während dieser Vorkriegsperiode wurden im Dekanat Herrenberg knapp 9000 Seelen gezählt, im ganzen Herzogtum Württemberg knapp 450000.
Eine zweite Periode leitet die Teuerungskrise der Kipper- und Wipperzeit 1622 ein. Sie wird durch eine starke nominelle Teuerung gekennzeichnet, als deren Ursachen Mißernten auszuschließen sind. Alle Produkte und die Löhne sind gleichermaßen von der Inflation betroffen. Bei der Untersuchung der Währungsentwicklung ist bereits deutlich geworden, daß die Ursache hierfür im Verfall des Münzwertes und letztlich in der Geldschöpfungspolitik der Territorien zu suchen ist, die sich auf den Dreißigjährigen Krieg vorbereiteten. Im Durchschnitt von fünf Jahren verdoppelte sich der Gesamtindex! Als Zwischenzeit läßt sich die dritte Periode seit 1627 definieren, als sich die Preise nach der Kipper- und Wipperzeit wieder zu normalisieren begannen. Freilich lagen sie noch immer um ein Viertel bis ein Drittel über den normalen.
Das Wirksamwerden des Krieges im Untersuchungsgebiet 1634/1635 stellt wiederum eine deutliche Zäsur dar (Periode vier), welche sich auch bei den Frucht- und Weinerträgen abzeichnet. Ernteerträge nahmen während der folgenden heißen Phase des Krieges deutlich ab und gleichzeitig verteuerten sich Nahrungsmittel wieder erheblich. Kriegerische Handlungen zerstörten die landwirtschaftliche Produktion und das Militär trat verstärkt als Nachfrager auf. Sieben Jahre lang blieb das Niveau des Gesamtindexes verdoppelt. Wer damals nicht doppelt so viel verdiente wie vor Kriegsbeginn, der konnte seinen Lebensstandard nicht länger halten. Andererseits ließen sich aus Überschüssen der landwirtschaftlichen Produktion erheblich größere Gewinne erwirtschaften, da die Teuerung sich zunächst in erster Linie auf Lebensmittel erstreckte. Während ganz zu Beginn der Periode die Bevölkerungsentwicklung in Herrenberg noch ungebrochen war, machte sich in Württemberg bereits ein leichter Rückgang bemerkbar. Dann stieg die Zahl der Getöteten lawinenartig. Symptomatisch für diese Zerstörungen ist die Herrenberger Brandkatastrophe von 1635. Als in den Pfarreien des Herrenberger Dekanats vier Jahre später wieder die Seelen gezählt wurden, war noch etwas mehr als ein Drittel übrig, im Herzogtum insgesamt gar nur ein Viertel!
Die Wende brachte das Jahr 1642 (Periode fünf). Wie sowohl eine literarische Interpretation württembergischer und hohenbergischer Taxordnungen als auch die Auswertung einzelner Preisreihen deutlich macht, gab es damals Lebensmittel wieder wohlfeil zu kaufen, wohingegen Arbeitskräfte teuer blieben. Der Gesamtindex sank damals auf Werte, die nur noch ein Fünftel über dem Ausgangsniveau lagen. Dabei war das Getreide sogar viel billiger, jedoch hielten jetzt die Lohnkosten den Wert hoch. Die beste Erklärung für diese Umkehrung der früheren Teuerungen, bei denen vor allem Nahrungsmittel preistreibend gewirkt hatten, liefert die Bevölkerungsentwicklung. Im Dekanat Herrenberg wohnte 1645 nicht einmal ein Drittel so viel wie vor dem Wirksamwerden des Krieges. Ähnlich wird es auch in Rottenburg ausgesehen haben, wo die Stadt 1644 zum großen Teil abbrannte. Arbeitskräfte waren folglich knapp, wohingegen die Nachfrage nach Lebensmitteln gleichzeitig zurückgegangen war.
Aber erst das Jahr 1651 leitete die Nachkriegszeit und damit die sechste Periode ein. Sie brachte einen ähnlich normalen Gesamtindex wie vor dem Krieg, wobei sich dessen Struktur völlig verändert hatte. Vor allem die Bedeutung der Lohnanteile war enorm gewachsen. Diese Struktur hängt mit der weiterhin dezimierten Bevölkerung zusammen, welche zwar sehr rasch zunahm, aber doch lange Zeit die Verluste nicht ausgleichen konnte. Nur ein starkes Drittel der Zeit vor dem Wirksamwerden des Krieges betrug sie 1652 im Dekanat Herrenberg, zwanzig Jahre später war es immerhin schon mehr als die Hälfte. Ähnlich entwickelten sich die Zahlen im gesamten Herzogtum Württemberg. Insgesamt läßt sich die Entwicklung der Gesamtindizes im Untersuchungszeitraum weitgehend durch die Einflüsse des Dreißigjährigen Krieges, besonders auf die Bevölkerung, erklären.
Im Untersuchungszeitraum machten sich besonders nachhaltig zwei Booms bemerkbar. Den ersten leitete die Teuerungsperiode der Kipper- und Wipperzeit ein. Der zweite folgte dem Wirksamwerden des Krieges. Beide exogenen Störungen der Konjunktur bewirkten langfristig eine strukturelle Änderung jener Faktoren, welche die Entwicklung prägten. Vor allem kam es zur Scherenbildung zwischen Preis- und Lohnreihen im Jahr 1642. Diese Umstrukturierung hatte zur Folge, daß trotz fallender Preise die Gesamtindizes als einheitliche Bereinigungsfaktoren nach Kriegsende höher blieben als vor der Kipper- und Wipperzeit. Gestiegene Lohnsätze wirkten sich hierbei nachhaltig aus.
X. Die Versorgungskapazität der Spitäler
Im vorigen Teil dieser Arbeit wurde der übergeordnete wirtschaftliche Rahmen bestimmt, innerhalb dessen die Spitäler ihre eigene Ökonomie betreiben und die Versorgung ihrer Insassen sicherstellen mußten. Es gelang dabei, einen Gesamtindex zu bilden, der einerseits in einer Zahl den Maßstab für die Konjunktur zusammenfaßt, andererseits als Instrument zur Kaufkraftermittlung dienen kann. Mit seiner Hilfe wird im folgenden die Wirtschaftsführung der drei untersuchten Anstalten erörtert werden. Deren Grundlage, ihre wirtschaftliche Ausstattung, wurde bereits eingangs behandelt. Wie reagierten deren Oberherren auf konjunkturelle Veränderungen, wie auf die Teuerungskrise der Kipper- und Wipperzeit, wie auf die heiße Kriegsphase? Welche weitergehenden strukturellen Veränderungen, die beide Krisen bewirkten, lassen sich aufgrund von Verhaltensweisen der Spitäler ablesen? Welche Rückschlüsse lassen sich auf die allgemeinen Lebensverhältnisse ziehen?
Dazu soll zunächst die Einnahmenseite der Anstalten untersucht werden. Sodann wird es um die Versorgung von Spitaliten und Angestellten gehen, also um deren Lebensverhältnisse, schließlich um die Ausgaben. Wie entwickelte zunächst einmal sich die Möglichkeit der Spitäler, Bedürftige zu versorgen? Zur Beantwortung dieser Frage wird der Begriff Versorgungskapazität eingeführt, der einen Maßstab für das wirtschaftliche Potential der Anstalten bieten soll. Ihm wird weiter unten jener der Versorgungsleistung gegenübergestellt, um aufgrund der Unterschiede zwischen beiden Werten auf das jeweilige Gewicht des Sozialbetriebs schließen zu können. Worauf legten die Spitalverwalter größeren Wert, auf die Erfüllung ihrer sozialen Aufträge oder auf die Gewährleistung des landwirtschaftlichen Großbetriebes beziehungsweise der Kreditwirtschaft?
Geldeinkünfte des Horber Spitals
Eine Besonderheit bei jenen Rechten, die dem Horber Spital Geldeinnahmen bescherten, war die Ortsherrschaft über die Dörfer Altheim, Grünmettstetten, Salzstetten und Ihlingen. Die Tatsache der Ortsherrschaft klingt zunächst nach ausgedehnten politischen Rechten, verbunden mit umfangreichen wirtschaftlichen Erträgen. Wie oben dargestellt, waren die politischen Rechte indessen nicht besonders bedeutsam, da Österreich als Landesherr die Oberherrschaft durchsetzte. Deshalb beschränkten sich die Rechte der Horber Anstalt im wesentlichen auf die Niedergerichtsbarkeit. In wirtschaftlicher Hinsicht beanspruchte sie neben einigen vogteilichen Naturalabgaben Steuern, Schatzungen und Frevel von den Untertanen. An Steuern erbrachten die Orte etwa 80 Gulden jedes Jahr. Davon stammte in aller Regel die Hälfte aus Ihlingen, Altheim trug ein Viertel bei. Am wenigsten zahlten die Einwohner von Grünmettstetten. Auch aus Rexingen, einer Johanniterkommende, bezog die Horber Anstalt Steuern. Diese verdreifachten sich seit 1632 auf dann 30 bis 35 Gulden. Die Bürger von Salzstetten bezahlten keine Steuern an den Spital.
Die außerordentlichen Belastungen der Schatzungen boten den Territorialherren wesentlich bessere Möglichkeiten als die durch landständische Mitspracherechte geregelten Steuern, wenn es galt, zusätzliche Geldmittel zu erschließen. Bis 1639 ertrugen jene denn auch doppelt so viel wie die normalen Steuern.
Zu den Schatzungen trugen nur die Bewohner von drei Orten bei, die von Altheim, die Bürger von Grünmettstetten und jene aus Salzstetten. Auf jeden Flecken entfiel etwa ein Drittel der gesamten Summe. Seit 1640 verzichtete der Spital auf den Einzug dieser außerordentlichen Abgaben, weil die Flecken mit schweren Kriegsquartieren und Kontributionen belegt sind [729]. Anschließend fielen sie in ihrer Bedeutung weiter zurück.
Nur unregelmäßig nahm der Horber Spital Frevel ein, die ihm seine Niedergerichtsbarkeit eintrugen. Ihre Höhe überstieg den Wert von 90 Gulden nie. Im Krieg fielen sie zeitweise sogar vollständig aus. Meist verzeichnete der Schreiber jährliche Frevel zwischen 30 und 60 Gulden.
Insgesamt bescherten die herrschaftlichen Rechte dem Horber Spital lediglich Einnahmen von weniger als 300 Gulden, seit den 40er Jahren nicht einmal mehr die Hälfte. Nicht gerade viel, wenn man dagegen den Bedeutungsgehalt des Begriffes Ortsherrschaft in die Wagschale legt, aber immerhin bis zu zehn Prozent der Geldeinnahmen. Das in erster Linie politische Recht brachte nur geringe wirtschaftliche Vorteile, sofern es nicht mit entsprechenden grundherrlichen Rechten verbunden war.
Mit zu den weniger bedeutenden Einkünften gehörten auch die Grundzinsen, welche der Spital von verschiedenen belasteten Immobilien bezog. Sehr konstant blieben darunter während des Untersuchungszeitraumes die Gülten und Hellerzinsen, die meist auf Grundstücken hafteten und bis 1614 über 190 Gulden betrugen. Den Währungsverfall der 1620er Jahre und der Kriegsperiode scheinen einige Inhaber zinspflichtiger Güter genutzt zu haben, um ihre Grundstücke von derartigen Belastungen zu befreien. Anschließend stabilisierten sich die Hellerzinsen bis 1653 bei etwa 140 Gulden und entfernten sich auch weiterhin selten erheblich von diesem Wert, der meist etwas mehr als fünf Prozent zu den Einnahmen beitrug. Von Wiesen- und Wasserzinsen profitierte der Spital nur mit etwa 15 Gulden bis 1639, anschließend nahmen sie weiter ab. Einen bedeutenden Posten bilden hingegen jene Zinsen, welche die Anstalt für ausgeliehene Hauptgüter, also Geldbeträge, einnahm. Das Darlehensgeschäft kann als das wichtigste Standbein der Geldeinnahmen gelten. Es wucherte aber auch, wie sich bei einer Untersuchung der Restanzen zeigen wird, zu deren Crux aus. Die Kapitalzinsen erbrachten jährlich bis zum Kriegsende über 1400 Gulden. Auch als deren Höhe anschließend abnahm, machten sie in aller Regel immer noch die Hälfte aller Geldeinnahmen aus. Sie scheinen vom Krieg nicht direkt beeinflußt worden zu sein, da der Schreiber hohe Geldbeträge bis 1653 verbuchen konnte. Allerdings waren dies zum Teil wohl lediglich nominelle Buchungen, da die Inhaber zinspflichtiger Immobilien erhebliche Beträge schuldig blieben. Zu viel Verbuchtes floß in die Rubrik der Restanzen ab, manche Ansprüche mußten endgültig abgeschrieben werden. Vor allem indirekt wirkte sich also der Krieg bei dieser Einnahmequelle aus. Im Rechnungsjahr 1654 kam es zu einem abrupten Rückgang auf Werte um 500 Gulden, die sich erst zehn Jahre später wieder verdoppelten. Gleichzeitig legte der Schreiber aber Wert auf die Feststellung, daß die verliehenen Kapitalien die alten hohen Beträge von weit über 20000 Gulden betrugen wie zuvor. Er verwies aber auf das nicht erhaltene Rezeßbuch, demzufolge ein Teil der Zinsforderungen nicht eingegangen wäre. Dafür mag der jüngste Reichsabschied von 1654 mit seiner Verfügung einer allgemeinen Herabsetzung der kriegsbedingten Zins- und Schuldverpflichtungen verantwortlich gewesen sein[730]. In den Rechnungsbüchern wird dies allerdings erst 1667 deutlich, als die Zinsen bereits wieder stiegen. Damals verbuchte der Schreiber hohe Abgänge bei den Ausgaben, weil praktisch von sämtlichen Kapitalzinsen die Hälfte regelmäßig verloren ging. Also führte auch der erneute Aufschwung der Kapitalzinsen zehn Jahre nach dem jüngsten Reichstagsabschied nicht zur endgültigen Wiedereinsetzung der Anstalt in ihren alten Stand, sondern lediglich zu einem höheren Anteil, den die Schuldner damals von ihren Darlehenszinsen entrichten mußten. Insgesamt dokumentieren diese Werte die Rolle des Horber Spitals als Vorläufer späterer Darlehenskassen. Bei dem damals üblichen Zinssatz von etwa fünf Prozent hatte die Anstalt immerhin an die 30000 Gulden verliehen und zu beanspruchen. Vor allem Institutionen der öffentlichen Hand nutzten ihre Kreditkraft. Eine Aufstellung von 1609 weist die Herrschaft Hohenberg und Österreich als hauptsächliche Einzelschuldner mit über 1500 Gulden aus. Es folgten verschiedene Adelige, so drei Grafen von Zollern, die Herren von Neuneck, die Anweil und die Schütz zu Baisingen mit zusammen 2000 Gulden. An Städten und Dörfern standen bei der Anstalt Weilheim bei Hechingen, Berneck, Binsdorf und Oberjesingen (heute Kreis Böblingen) in der Kreide, außerdem eine Reihe von 28 Einzelpersonen[731].
Veränderungen bei den Kapitalzinsen müssen ihren Niederschlag im Vermögenshaushalt finden, da sie entweder vergebene Kredite, eingegangene Rückzahlungen oder Abschreibungen voraussetzen. Verkäufe von Vermögenswerten waren sogar die Regel in der Horber Spitalwirtschaft. Besonders umfangreiche Rechte veräußerte die Anstalt bis 1626. Tatsächlich entsprechen Rückgängen bei den Zinseinnahmen in aller Regel Rückzahlungen von Krediten. Noch im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts bezahlte Herzog Maximilian von Bayern eine Schuld von 3000 Gulden zurück[732]. Weil seit Jahren angeblich Herrschaftszinsen zuviel im Rechnungsbuch mitgeführt wurden, mußte der Spital 1616 einen Betrag von 2108 Gulden abschreiben[733].
Seinerseits verschuldete sich die Horber Anstalt nur selten, in nennenswertem Umfang lediglich in den Jahren 1607 und 1617 mit jeweils 1000 Gulden. Die von neuen Schulden eingenommenen Beträge wurden in der Darstellung mit den Vermögensverkäufen zusammengefaßt.
Eine andere Einnahmequelle für den Horber Spital bedeutete die Möglichkeit, an reiche Bürger Pfründen zu verkaufen. Immerhin knapp zehn Prozent trug diese Geldquelle seit der Kipper- und Wipperkrise bis zum Wirksamwerden des Krieges bei, in den übrigen Jahren vor Beginn der heißen Kriegsphase nur etwa halb so viel. Wer genügend Geld besaß, konnte sich in den Spital einkaufen, um dort einen gesicherten Lebensabend zu verbringen. Er gehörte damit zur privilegierten Gruppe der reichen Pfründner. In einzelnen Jahren[734] zahlten sie dem Spital über 1000 Gulden, 1628 sogar mehr als doppelt so viel. Einkünfte aus verkauften Pfründen lassen sich im Untersuchungszeitraum bis 1635 und dann wieder seit 1656 feststellen. Nach Kriegsende war die Bedeutung des Pfründgeschäftes allerdings deutlich gesunken.
Unregelmäßige Einnahmen erzielte die Horber Anstalt auch durch den Verkauf von Holz aus seinen Wäldern. Sie sind im Schaubild mit anderen Verkäufen zusammengefaßt. Holz versilberte sie um etwa 50 Gulden jedes Jahr. Hohe Summen erbrachten die Spitalwälder 1633 und 1639. Ein Jahr später bewirtschaftete die Anstalt ihre Wälder noch gezielter, indem sie auf eigene Rechnung Flöße zusammenstellte und neckarabwärts bis nach Stuttgart verkaufte. Auch der Viehhandel konnte lukrativ sein. Bis 1655 erlöste der Horber Spital daraus fast jährlich über 100 Gulden, oft noch bedeutend mehr[735]. Insgesamt trugen die verschiedenen Verkäufe seit der Kipper- und Wipperzeit über zehn Prozent zu den Gelderträgen bei.
An Naturalien, die der Spital verkaufte, hatten vor allem Dinkel, Hafer, Wein und ab und zu auch Roggen eine entscheidende Bedeutung. Sie trugen ebenfalls etwa ein Zehntel zu den Geldeinnahmen bei. Vor 1632 setzte die Anstalt kaum Wein ab, indessen sehr kontinuierlich Hafer und seltener größere Mengen Dinkel. Besonders zu Beginn des 17. Jahrhunderts scheint besonders Getreide sehr gefragt gewesen zu sein wegen der new gebawten würtenbergischen Stat und anstoßenden Schwarzwaldts, so taglich die Früchten bey uns abführen[736]. Verkaufter Wein brachte dann in den Kriegsjahren 1635 bis 1645 besonders viel ein, während damals der Spitalmeister kaum noch Getreide absetzte. Nach Kriegsende gewann die Bedeutung der Naturalverkäufe für den Haushalt erheblich an Gewicht. Kontinuierlich führte die Anstalt dem lokalen Markt Wein, Dinkel, in geringeren Mengen Hafer und Roggen zu. Die Bedeutung der Haferverkäufe sank damit etwas, wohingegen jene vor allem von Wein, aber auch von Dinkel stieg.
Beiträge zur Versorgungskapazität in Horb | ||||||||
in | Geld | Dinkel | Hafer | Roggen | Wein | in fl | Einnahmen | Kapazität |
1607-21 | 58 | 20 | 9 | 5 | 8 | 1607-21 | 3356 | 5774 |
1622-26 | 43 | 26 | 12 | 9 | 9 | 1622-26 | 3663 | 8442 |
1627-34 | 49 | 27 | 12 | 7 | 5 | 1627-34 | 3060 | 6189 |
1635-41 | 40 | 28 | 12 | 12 | 8 | 1635-41 | 3300 | 8316 |
1642-50 | 61 | 20 | 9 | 5 | 4 | 1642-50 | 2770 | 4539 |
1651-74 | 57 | 20 | 11 | 6 | 7 | 1651-74 | 2183 | 3817 |
Bezeichnet man als Versorgungskapazität den Wert aller wesentlichen Erträge des Spitals, also sowohl der Gelderträge (ohne den Vermögenshaushalt und ohne Fruchtverkäufe), als auch den Wert der naturalen Erträge an Dinkel, Roggen, Hafer und Wein, so erhält man einen Maßstab für seine Fähigkeit, soziale Aufgaben wahrzunehmen.
Beim Horber Spital zeigt sich, daß die Gelderträge vor der Kipper- und Wipperkrise und seit 1642 nahezu 60 Prozent dazu beitrugen. Also immer dann, wenn die Preise eher niedrig lagen, hatten die Geldeinnahmen ein überragendes Gewicht. Trieben hingegen hohe Preise den Wert von Naturalien nach oben, so nahm ihre Bedeutung für die Versorgungskapazität zu. Dann sank der Geldanteil auf 40 Prozent. Für den Horber Spital war der Dinkel ständig am wichtigsten, er trug in Teuerungszeiten ein Viertel, sonst ein Fünftel zur Versorgungskapazität bei. Der Haferanteil machte ein Zehntel aus, jener des Roggens blieb knapp darunter. Gegenüber dem Dinkel, aber auch dem Hafer, kam der Wert des Weines in Horb kaum zur Geltung. Nur während der Kipper- und Wipperperiode brachte er es auf annähernd ein Zehntel der Versorgungskapazität, sonst lag er meist bei fünf bis acht Prozent.
Der reale Wert sowohl der Geld- als auch der Naturaleinnahmen sank im Untersuchungszeitraum erheblich. Ein reichliches Drittel weniger als vor Kriegsbeginn nahm die Anstalt nach 1650 ein. Da auch der Wert von Naturalien eher niedriger lag und die vollen Erträge nach dem Kriegsende lange nicht erzielt werden konnten, ging die gesamte Versorgungskapazität ebenfalls um ein Drittel zurück. Der Dreißigjährige Krieg verringerte also die Möglichkeiten der Horber Anstalt, Bedürftige zu versorgen, erheblich, wobei der Niedergang freilich bereits in den 1620er Jahren einsetzte. Zu dem Tiefstand nach Kriegsende führte eine im Durchschnitt sehr kontinuierliche Abnahme, die mit der Teuerungskrise der Kipper- und Wipperzeit begann und ihr Ende in den 1640er Jahren fand, als sich der Geldwert stabilisierte. Langfristig gesehen bewährte sich, daß die Spitalwirtschaft zwei Standbeine hatte. Neben den Gelderträgen trugen zu einem gleichen Teil die Erträge der Landwirtschaft und naturale Abgaben zu deren wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit bei. Dies machte sie in Geld- und Preiskrisen doch recht stabil. Gegenüber kriegsbedingten Substanzverlusten blieben die Vorteile dieser Struktur allerdings wirkungslos. Die Abnahme der Versorgungskapazität des Horber Spitals dürfte langfristig weniger eine Folge währungs- und preispolitischer Zerrüttung gewesen sein – dagegen schützte weitgehend eben diese Struktur – als vielmehr das Ergebnis von Substanzverlusten, welche der Dreißigjährige Krieg verursachte.
Einnahmen des Rottenburger Spitals
Sein statlich Einkhommen hatte Rottenburgs Spitals im Jahr 1604[737]. Aus den Aussagen, die österreichische Untersuchungskommissare seinerzeit zu hören bekamen, läßt sich ein aufschlußreiches Bild über die zeitgenössische Beurteilung seiner Ökonomie gewinnen. Zu der Erkenntnis, daß die Anstalt so groß Einkhommen habe, sollt man daselbsten im Gelt paden khinden, kam damals die Enttäuschung darüber, daß khaines vorhanden sei[738]. Die angeprangerte Mißwirtschaft wurde bereits weiter oben angesprochen. Jetzt soll das stattliche Einkommen daraufhin untersucht werden, worauf es beruhte und wie es sich im Untersuchungszeitraum entwickelte.
Ein wesentlicher Teil der Aufgaben des Haischers bestand darin, die Zinsen und Gülten der Anstalt einzuziehen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts handelte es sich dabei um über 1000 Gulden, welche der Spitalbedienstete von verschiedenen Schuldnern einzufordern hatte. Über die Höhe dieser konstantesten Einnahmen des Rottenburger Spitals waren verschiedene Personen, welche vor den österreichischen Kommissaren aussagten, gut informiert[739]. Hinsichtlich der Erhebung dieser Gefälle durch den Haischer spielte es keine Rolle, ob der Spital die entsprechenden Rechte ablösig oder ewig in Händen hielt. Trotzdem hatte dieser rechtliche Status große Bedeutung, weshalb etwa das Gülturbar von 1537 und auch die späteren Urbare deutlich zwischen diesen Charakteren unterschieden.
Unablösig waren meist jene Gültrechte, die als Seelgerät, pro remedio animae, gestiftet worden waren[740]. Sie sollten ja dem Stifter ewiges Seelenheil durch das immerwährende Gedächtnis der Armen verschaffen. Darüberhinaus erbrachten Wasserrechte, Wiesen und die Badstuben des Spitals regelmäßige Zinsen in meist gleichbleibender Höhe. Variabel indessen wurden die ablösigen Zinsen gehandhabt. Belastete Immobilien konnte der Vertragspartner zu bestimmten Terminen freikaufen. Ablösige Zinsen haben deshalb den Charakter von Zinszahlungen für Kredite. Seit 1604 erbrachten Zinsen und Gülten der Rottenburger Anstalt regelmäßig über 1400 Gulden. Der Betrag stieg, von kleineren Rückschlägen abgesehen, weiter auf knapp unter 2000 Gulden in den 1630er Jahren. Während des Krieges sah sich die Anstalt zur Kapitalisierung einiger Zinsrechte genötigt, weshalb seit 1634 die Einnahmen aus Zinsen und Gülten ständig sanken und 1656 den Wert von etwa 1500 Gulden erreichten. Nochmals schlagartig verringerte sich dieser Posten im Spitalhaushalt 1669, als bedeutende Rechte an das Rottenburger Jesuitenkolleg abgetreten werden mußten. Nominell und real übertrafen die Zins- und Gülterträge des Rottenburger Spitals nach Kriegsende jene vom Beginn des Jahrhunderts trotzdem beträchtlich. Ihr Beitrag zum Geldertrag stieg von etwa einem Drittel vor 1634 um immerhin etwa zehn Prozent während der nachfolgenden Perioden. Als in den 1660er Jahren mehrere aufeinander folgende Mißernten dem Spital die Möglichkeit nahmen, Überschüsse aus seiner Landwirtschaft zu verkaufen, erreichten die bestendigen Zins zeitweise sogar einen Anteil von mehr als der Hälfte am Budget der Anstalt. Angesichts abnehmender Einnahmen anderer Aktivposten gewannen diese konstanten Einkünfte nach Kriegsende wesentlich an Bedeutung. Allerdings muß dabei berücksichtigt werden, daß nicht alle verbuchten Zinsen und Gülten tatsächlich in des Spitals Kassen flossen. Vor allem fehlende Eingänge aus dieser Rubrik waren es nämlich, die das Restanzenkonto des Spitals, besonders während der Kriegsjahre, aber auch noch danach, aufblähten. Die schlechte Zahlungsmoral der Schuldiger hinterließ bleibende Verluste. Daß seinerseits der Spital nicht immer zimperlich war, wenn es um den Einzug von Gültrückständen ging, zeigt eine Episode von 1512. Sie trug sich also weit außerhalb des eigentlichen Untersuchungszeitraums dieser Arbeit zu, dürfte aber dennoch bezeichnend für den keineswegs neutralen Charakter der Spitäler sein. Damals ergriffen Stadtknechte auf Befehl einiger Ratsmitglieder den Thomas Scheffer von Bierlingen auf dem Wochenmarkt. Angeblich mißhandelten sie ihn und ließen den Inhaftierten schwören, vom Bierlinger Spitalhof abzuziehen. Scheffers ganzes Vergehen hatte darin bestanden, daß er eine Gült von zehn Maltern Roggen nicht völlig beglichen hatte[741]. Nur wegen eines Gültrückstands sollte er also von seinem Gut vertrieben werden! Insgesamt waren die Zinsen und Gülten sozusagen der Sockel für die Geldwirtschaft des Spitals, alle anderen Rubriken erbrachten wesentlich unzuverlässigere und meist auch geringere Erträge.
Dies gilt generell auch für die Erträge aus den Pfründverkäufen[742], welche nur in einzelnen Jahren jene von Zinsen und Gülten übertrafen. Österreichs Kommissare bekamen 1604 manch abenteuerliche Vorstellung der Rottenburger Bürger über die Einnahmen aus solchen Geschäften zu hören. 3000 bis 4000 Gulden sollen daraus jährlich erlöst worden sein[743]. Weitaus nüchterner waren da die Ergebnisse, welche die Kommissare selbst jenen 16 Rechnungsbüchern entnahmen, die sie mit sich nach Innsbruck genommen hatten[744]. Lediglich das Jahr 1601 mit Pfründverkäufen in Höhe von 2103 Gulden kam den Angaben nahe. Im Durchschnitt waren es aber nur 786 Gulden, was in etwa dem Durchschnitt des gesamten Untersuchungszeitraumes entspricht. Allerdings muß bei dieser Überprüfung zeitgenössischer Vorstellungen über den Reichtum des Spitals und dessen Quellen berücksichtigt werden, daß die unter dem Titel Einnahmen aus Pfründ- und Leibgedingverkäufen verbuchten Gelder häufig nur geleistete Anzahlungen erfassen. Ratenzahlungen, die möglicherweise in Folgejahren eingingen, summierte der Stadtschreiber in der Regel unter dem Titel Einnahmen aus Schulden und Erbfällen zusammen mit anderen Ratenzahlungen. Eine Vorstellung vom Charakter solcher Zielkäufe, wie sie die Anstalt praktizierte, vermittelt die Aussage des Spitalpflegers von 1604: hab nur ainer ain Pfrüendt khauft, per 700 Gulden, daran sein 330 Gulden par erlegt worden. Das übrig geb er zu Zil iedes Jars 50 Gulden[745]. Vielleicht bezogen sich ja jene Rottenburger, die übertriebene Vorstellungen von den Pfründerträgen hatten, auf die ausgehandelten Summen? Wären die Kommissare noch zwei Jahre länger geblieben, so hätten sie weitere Spitzenwerte notieren können, denn 1607 und 1608 verdankte die Anstalt aufgenommenen Pfründnern zusammen tatsächlich über 4600 Gulden. Weitere Spitzenwerte bescherten dann erst wieder die Jahre 1621 und 1622 mit 5400 Gulden. Der Boom dürfte zu einem Gutteil inflationsbedingt sein, denn der Preis für Pfründen hatte sich zwischen 1561 und den 1620er Jahren verdoppelt[746]. Bis in die 1630er Jahre hinein setzte sich die Bedeutung dieser Einnahmeart mit jährlichen Durchschnittswerten von über 1000 Gulden fort, wobei sich 1633 mit über 3200 Gulden der absolute Spitzenwert findet. Vielleicht nutzte der Spital diese Möglichkeit zur Kapitalbildung[747]. Anschließend ging das Pfründgeschäft deutlich auf etwa 200 Gulden zurück[748] und erholte sich auch nach Kriegsende nicht mehr richtig, sondern blieb bei höchstens 400 Gulden. Diese Entwicklung findet auch eine Bestätigung, wenn man sie mit jener der Kosten für die Lebenshaltung und mit den durch Pfründverträge ermittelten Personenzahlen vergleicht[749]. Für den Spitalhaushalt gewannen die Pfründverkäufe nach der Depression in den 1640er Jahren im Untersuchungszeitraum also nie mehr die Bedeutung, die sie zuvor hatten. Während vor dieser Zäsur ihr Anteil oft weit über 20 Prozent betrug, lag er anschließend nur noch halb so hoch. Erklärungen dafür bieten die Umstände der Nachkriegszeit: ein Großteil der Bevölkerung war durch den Krieg verarmt und der Menschenverlust hatte den Kreis möglicher Kunden verkleinert[750]. Andererseits könnte auch der Spital seine Haushaltspolitik geändert haben, vielleicht weil das Pfründgeschäft nicht mehr als rentabel galt. Oder konnten sich potentielle Pfründner angesichts gesunkener Lebenshaltungskosten anderweitig besser versorgen?
Eng mit dem Pfründgeschäft hing die Einnahmeart der Schulden und Erbfälle zusammen. An ihr erst läßt sich erkennen, ob die für das Pfründgeschäft gewonnenen Erkenntnisse nicht einfach auf einer rechnungstechnischen Veränderung beruhen. Der Schreiber listete als Einnahmen von Schulden und Erbfälle auf, was der Spital an Ratenzahlungen für verkaufte Pfründen, Leibgedinge, Güter oder Gülten einnahm. Mitunter finden sich derartige Einnahmen aber auch in anderen Rubriken verbucht, etwa verkaufte Güter, verkaufte Pfründen und Leibgeding oder Gemein Einnehmen Geld, ohne daß die jeweilige Zuweisung ein einheitliches System erkennen ließe. Während es sich bei den Schuldzahlungen öfters um bedeutende Summen handelte, hielten sich die in derselben Rubrik verbuchten Erbfälle in engen Grenzen. Sie konnte der Spital von verstorbenen Armenpfründnern beanspruchen[751]. Drei Booms mit insgesamt fallendem Trend kennzeichen die Entwicklung dieser Einnahmeart. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts verbuchte der Schreiber noch durchschnittlich 600 Gulden, zu Beginn der 1630er Jahre dann nur noch halb soviel und schließlich Ende des 1660er Jahre nur noch ein knappes Viertel vom Ausgangswert. Zwischen diesen Hochperioden gab es erhebliche Depressionen auf zum Teil nur noch zehn Gulden. Da gleichzeitig mit den Einnahmen aus diesem Titel auch jene aus Pfründverkäufen abnahmen, läßt sich der festgestellte Trend beim Pfründgeschäft also tatsächlich nicht buchungstechnisch erklären. Keine der Rubriken, die für die Buchung eingehender Ratenzahlungen in Frage käme, weist einen reziprok steigenden Trend auf. Hieraus ist zu schließen, daß der Spital insgesamt seine vermögenswirksame Kapitalbildung durch den Verkauf von Renten erheblich reduzierte.
Auch bei der Entwicklung des Verkaufs von Vermögenswerten mußten die Einnahmen von Schulden und Erbfällen entsprechend berücksichtigt werden. Hierbei verfälschten sie aber ebenfalls keineswegs die festgestellten Trends. Vermögenswerte, welche die Anstalt veräußern konnte, waren neben Immobilien insbesondere ihre Zins- und Gültrechte. Der Charakter des Darlehensgeschäftes brachte gerade für die Gültrechte eine ständige Fluktuation von Erwerb und Verkauf mit sich. Vermögensverkäufe müssen deshalb nicht unbedingt als Symptom einer Krise gewertet werden. Anders sieht es allerdings aus, wenn umfangreichen Verkäufen keine entsprechenden Neuerwerbungen gegenüberstanden. Um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert verkaufte der Rottenburger Spital so viele Immobilien, daß dies den verantwortlichen Beamten eine Reihe von Vorwürfen eintrug[752]. Zeugen brachten diese Kapitalisierung mit den in etwa zeitgleichen Baumaßnahmen der Anstalt in Verbindung[753]: Burgermaister Johann Pfeiffer habe mit seinem Pawen dem Spital also zu Grundt geholfen, das es sich so baldt nit wieder werde erholen khinden. Im Jahr 1594 verkaufte man des Götlers und des Lindenfels Hof, beide in Seebronn, um zusammen fast 3000 Gulden, gleichzeitig lösten das Kloster Kreuzlingen und die Yflingerischen Vormünder nochmals denselben Betrag an Schulden ab[754]. In den beiden Jahren 1600 und 1602 nahmen die Pfleger auf ähnliche Weise alleine mehr als 3500 Gulden ein! 1610 folgten fast noch einmal 3000 Gulden. Solche Veräußerungen in Anbetracht der wenig gewinnbringenden Investition in eine Badstube sowie angesichts der für damals bezeugten Mißwirtschaft dürfen wohl tatsächlich als Symptom einer Krise gewertet werden. Freilich verkaufte die Anstalt auch anschließend fast ununterbrochen und in erheblichem Umfang Güter, wobei allerdings den Verkäufen oftmals auch Neuerwerbungen gegenüberstanden. Besonders während der Kriegsjahre müssen die Vermögenskapitalisierungen als Verlustsymptome gewertet werden, da ihnen nur wenige neue Investitionen gegenüberstanden. Schatzungen, einquartierte Soldaten, die hohen Lebenshaltungskosten der Zeit sowie die schlechte Zahlungsmoral von Schuldigern zehrten an der Substanz. Gleichzeitig entnahm die Stadt Getreide und Wein aus des Spitals Vorräten, um damit Besatzungstruppen zu verproviantieren. Zwar verbuchte der Schreiber solche Zuteilungen als Verkäufe, jedoch mußte er die Kaufsummen sofort in ausstehende Forderungen umschreiben. Über derartige Umwege floß ein Teil des kapitalisierten Spitalvermögens in die Rubrik Restanzen ab. Wie weiter unten noch zu sehen sein wird, ging mit der Kapitalisierung von Vermögen in der Bilanz des Spitals ein Anstieg der Restanzen einher. Dabei sah sich die Anstalt angesichts der Krise durchaus zu Verkäufen unter Wert genötigt. So überließ sie dem Bäcker Hans Georg Müller 1647 beispielsweise 60 Gulden Hauptgut, die ihr dieser noch für sein Haus im Kuhgäßlein schuldete, um 26 Gulden Bargeld in des Spithals höchsten Nöthen. Durch die hohen Schatzungen, die auf Grund und Boden lasteten, waren die Grundstücke zwar ohnehin bereits erheblich im Wert gefallen[755], jedoch erscheint das oben genannte Geschäft als tatsächlicher Notverkauf. Auch ihre Gültrechte kapitalisierte die Anstalt je nach Bedarf und Möglichkeit. Die Vermögenserlöse des Jahres 1600 stammen daher. Daß solche Kapitalisierungen tatsächlich wegen der Baumaßnahmen geschahen, beweist eine Eintragung in der Baurechnung für die Badstube des Spitals von 1602. Von abgelösten Gülten verbuchte der Schreiber dort 571 Gulden wegen des Bads. Von diesem Boom gleich zu Beginn des Untersuchungszeitraumes einmal abgesehen, blieben die Gültablösungen meist unter 300 Gulden. Einen erneuten Boom brachte dann erst wieder das unmittelbare Kriegsende, als innerhalb von nur drei Jahren seit 1649 über 3500 Gulden eingingen. Einzelne Spitzenwerte brachten außerdem die Jahre 1656, 1664 und 1668, als die Herrschaft Gültkapital vom Spital auf das Jesuitenkolleg umschreiben ließ.
Insgesamt standen dem Spital eine Fülle von Möglichkeiten zur Verfügung, um in Bedarfsfällen Geldmittel freisetzen zu können. In einzelnen Jahren jedoch kam auch die ansonsten eher wohlhabende Anstalt um die Aufnahme von Krediten nicht herum. So verursachte der Bauboom der Jahrhundertwende 500 Gulden Schulden. Die meisten Kredite mußten aber wegen des Krieges entliehen werden, in den Jahren 1635 bis 1640 zusammen über 4000 Gulden. Dies sind aber wirkliche Einzelfälle und die Gelder konnten sehr rasch wieder zurückbezahlt werden. Vor allem lag die Verschuldung stets weit hinter den eigenen ausstehenden Forderungen zurück. Zum Beispiel schuldete die Stadt Rottenburg alleine ihrem Spital schließlich weit mehr, als dieser bei anderen zurückzubezahlen hatte.
Beim Rottenburger Spital trugen auch die Verkäufe von Produkten der eigenen Landwirtschaft und der Viehhaltung in einigen Jahren erheblich zu den Geldeinnahmen bei. Vor allem die Teuerung der 1620er Jahre trieb diesen Anteil von zuvor etwa zehn Prozent in die Höhe, auf über ein Viertel der gesamten Geldeinnahmen, welchen Wert derartige Verkäufe anschließend bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes im wesentlichen behielten. Dabei kam es allerdings zu Verlagerungen bei den hauptsächlich verkauften Produkten. Der Verkauf von Vieh und von tierischen Produkten hatte praktisch nie eine größere Bedeutung, auch nicht der Verkauf von Holz. Während vor der Kipper- und Wipperzeit besonders viel Getreide abgesetzt werden konnte, dominierten seit Kriegsende vor allem die Weinlieferungen. Bei den Weinverkäufen spielten zunächst noch Abgaben an Besatzungstruppen eine besondere Rolle. Anschließend scheint der Spital seinen Rebensaft vor allem innerhalb Rottenburgs verkauft zu haben, jedenfalls gibt es in den Rechnungsbüchern kaum Hinweise auf Exporte. Von Weinlieferungen auf die Schwäbische Alb zeugen immerhin zwei Einträge in einer dem Rechnungsbuch von 1673 beigefügten Schuldnerliste. Zwei Personen in Großengstingen und Trochtelfingen (beide heute Landkreis Reutlingen) standen bei der Anstalt noch mit zusammen 28 Gulden für empfangenen Wein in der Kreide. Auch Weinexporte durch Zwischenhändler wären denkbar. Allerdings traten in erster Linie städtische Institutionen als Erwerber auf: der Rat und das Gutleuthaus, welche den Wein zu subventionierten Preisen bezogen. Einen nicht zu unterschätzenden Posten stellte auch der Weinausschank dar, den die Anstalt seit 1361 betreiben durfte[756]. Nach 1650 scheint sich die Spitalwirtschaft insgesamt zunehmend auf den Verkauf von Wein konzentriert zu haben, dessen Anbau die Verwalter auch folgerichtig ausdehnten. Auch andere Naturalien, vor allem Getreide, müssen angesichts des niedrigen Nachkriegspreise, weiterhin in größeren Mengen abgesetzt worden sein. All dies deutet, zusammen mit entsprechenden Veränderungen im Verbrauchsverhalten, auf einen strukturellen Wandel hin. Aufgrund des eingeschränkten Konsums im Spital nach Kriegsende konnten offenbar Naturalien in einem Maße verkauft werden, wie dies vor 1634 angesichts der zu versorgenden Personenzahl nicht möglich gewesen war. Andererseits bedeutete die Dominanz der Weinverkäufe, daß sich der Großbetrieb von einer Sonderkultur abhängig machte, einem Produkt, welches bereits damals nicht mehr besonders begehrt gewesen sein soll[757]. Solche Informationen sind freilich mit Vorsicht zu genießen. Gerade in den 1680er Jahren stuften Steuerschätzer die Rottenburger Rebflächen als gut im Vergleich zu den schlechten der Niederen Herrschaft Hohenberg ein[758]. Hingegen schätzten Zeitgenossen des 17. Jahrhunderts die Qualität des sauren Neckarweins ansonsten gering. Schon im 16. Jahrhundert war er nach Erkenntnissen Dirlmeiers[759] billig gewesen und vor allem dem Gesinde zugute gekommen[760]. Trotzdem muß der Wiederaufbau der Weinproduktion in Rottenburg nach 1648 als für damalige Verhältnisse folgerichtige Entscheidung eingestuft werden, weil von den Preisen agrarischer Erzeugnisse lediglich diejenigen für den Wein ein einigermaßen hohes Niveau behielten. Deshalb hing vom Wein seit 1650 ein Gutteil der Geldeinnahmen des Rottenburger Spitals ab.
Freilich entschieden nicht nur Geldeinnahmen darüber, wieviele Personen die Anstalt versorgen konnte. Auch der Wert der nicht verkauften, sondern selbst genutzten Naturalerträge hatte seine Bedeutung dabei. Rechnet man den Wert der Naturalerträge und die Geldeinnahmen ohne jene von Fruchtverkäufen zusammen, so ergibt sich ein Hinweis auf die Versorgungskapazität. Zu dieser trug der Wert der Erträge bis 1634 fast zwei Drittel bei, nach 1642 allerdings nur noch etwa ein Drittel. Sie hatte zu Beginn einen realen Wert von über 8000 Gulden, seit 1635 nur noch von ungefähr 5000 Gulden oder darunter. Eine nominelle sowie reale Abnahme sowohl der Geldeinnahmen als auch des Wertes der Naturalien waren dafür verantwortlich. Vom Basisjahr aus gesehen, klafften Nominal- und Realwert der Versorgungskapazität nach 1650 kaum noch auseinander, vor allem jedoch zwischen 1621 und 1650, als sich die Turbulenzen der Kipper- und Wipperzeit sowie des Krieges bemerkbar machten.
An dieser Stelle seien nochmals die wesentlichen Merkmale der Entwicklung in Rottenburg zusammengefaßt. Grundlage der Geldeinnahmen waren die Zinsen und Gülten, deren Bedeutung nach dem Krieg noch stieg. Demgegenüber verringerte sich das Pfründgeschäft der Anstalt, dessen Höhepunkt die 1630er Jahre gebracht hatten. Substanzverluste erlitt die Anstalt einmal anläßlich ihrer Baufreudigkeit um 1600 und dann in größerem Maßstab während des Krieges. Dies drückte sich in entsprechenden neuen Schulden und im Verkauf von Vermögenswerten aus. Das Wirksamwerden des Krieges brachte für den Rottenburger Spital insofern einen nachhaltigen Einschnitt mit sich, als generell die Möglichkeit, Bedürftige zu versorgen, rapide abnahm.
Geldeinkünfte Herrenberger Spital
Auch der Herrenberger Spital erzielte seine hauptsächlichen Einnahmen durch Zinsen und Gülten: knapp unter 40 Prozent vor der Kipper- und Wipperkrise, während dieser Teuerungsperiode dann nur noch ein Drittel. Das Wirksamwerden des Krieges trieb den Anteil dieser sehr konstanten Einnahmen dann allerdings im Gegenzug auf mehr als die Hälfte empor. Erst als sich die Preise normalisiert hatten, fiel der Anteil von Zinsen und Gülten wieder auf ein starkes Drittel aller Gelderträge zurück. Sie stammten von verschiedenen belasteten Gütern, Häusern und von verliehenen Kapitalien. Bei den Hellerzinsen gab es die zwei bereits erwähnten Arten, die ewigen und die ablösigen. Ewige Zinsen fallen durch ihre Beständigkeit auf, 20 Pfund Heller beziehungsweise 13 Gulden. Ablösige Hellerzinsen waren eine Art von Geldzins, der von Hauptgütern, den eingesetzten Kapitalien, entrichtet werden mußte. Der Schuldner hatte das Recht, das Hauptgut zurückzuerstatten und somit seine Zinsverpflichtungen abzulösen. Sie trugen den größten und den veränderlichen Anteil an den Zinsen und Gülten bei. Ihre Höhe blieb von allen Einnahmearten am größten und betrug jährlich zwischen 441 und 994 Gulden. Nach den niedrigsten Werten zu Beginn des Untersuchungszeitraumes (um 600 Pfund Heller) stiegen die Zinsen und Gülten 1614 auf etwa 700 Gulden. Dieser Betrag nahm bis 1653 nur um etwa 80 Gulden zu. Nach Kriegsende löste kurzfristig eine Depression den ansonsten stetig steigenden Trend ab. Massive Güterverkäufe setzten dann zu Beginn der 1660er Jahre Gelder zur Investition in weitere Kapitalien frei, so daß mit 866 Gulden besonders hohe Werte und seit 1671 Höchstwerte von 957 Gulden und darüber verbucht werden konnten. Die Herrenberger Anstalt verlagerte damals praktisch ihr gesamtes Vermögen in das Darlehensgeschäft. Mit der Aufgabe einer eigenen Spitalwirtschaft beraubte sie sich allerdings eines Standbeines, welches in Teuerungszeiten Inflationseffekte durch den Wert von Naturalerträgen hätte auffangen können. Die meisten der etwa 900 Seiten des Lagerbuches von 1675 füllen folgerichtig Zins- und Gültrechte. Sie machten seit den Zukäufen der 60er Jahre annähernd 60 Prozent aller Geldeinnahmen aus, nachdem die Ratenzahlungen für veräußerte Güter ausgelaufen waren, sogar über zwei Drittel.
Die zweitwichtigste Geldquelle stellte der Verkauf von Pfründen dar, wenigstens vor dem Wirksamwerden des Krieges. Reiche und gemeine Pfründner, die um Aufnahme in den Spital nachsuchten, hatten dafür Geldbeträge einzuzahlen. Sie genossen als Gegenleistung Unterkunft und Verpflegung bis an ihr Lebensende. Aufgenommene Arme indessen wies das Stadtgericht gnadenhalber dem Spital zu, wo sie in der Armenstube unterkamen. Ihr gesamtes Hab und Gut verfiel dem Spital, deren geringer Wert bei den Pfründverkäufen berücksichtigt ist. Sie trugen bis 1626 etwa 30 Prozent zu den gesamten Einnahmen bei, in einzelnen Jahren über 2000 Gulden, anschließend noch ein Viertel. Besonders viele Pfründen verkauften die Herrenberger zwischen 1614 und 1625, als durchschnittlich etwa 800 Gulden in die Kassen des Spitals flossen. Seit dem Wirksamwerden des Krieges und auch nach Kriegsende verlor das Pfründgeschäft seine Bedeutung fast völlig.
Der Verkauf von Vermögenswerten spielte vor der Kipper- und Wipperzeit mit zehn bis 15 Prozent eine gewisse Rolle. Bedeutsam aber wurden Güterverkäufe vor allem in den 1660er Jahren, als die Anstalt ihre Eigenwirtschaft auflöste. Selbst im langjährigen Durchschnitt trugen sie nach 1651 etwa 30 Prozent zu den Geldeinnahmen bei. In nur sieben Jahren, zwischen 1662 und 1669 verbuchte der Spitalschreiber den gewaltigen Betrag von 4221 Gulden. Damals, vor allem im Rechnungsjahr 1662, verkaufte der Spital praktisch seine gesamten Grundstücke um 2500 Gulden, die in Raten während der gesamten 1660er Jahre bezahlt wurden. Tatsächlich finden sich im Lagerbuch des Spitals[761] von 1675 als Eigenbesitz nur noch die Spitalgebäude, ein paar Äckerlein in Haslach (15 Jauchert), ein Weingarten in Gültstein und die Wälder bei der Raistinger Mark, wo einst das Waldhaus stand. Dieser Vorgang einer vollständigen Verlagerung der Vermögenswerte von Immobilien auf das Darlehensgeschäft ist einzigartig im Untersuchungszeitraum und unter den drei untersuchten Spitälern. Gerade also nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges versilberte der Herrenberger Spital einen erheblichen Teil seiner ökonomischen Grundlage, investierte allerdings in Kapitalgeschäfte, was die Einkünfte aus Zinsen erhöhte. So kaufte der Herrenberger Spital 1666 dem Stuttgarter Hofprediger Johann Friedrich Laux sein vom Flecken Hildrizhausen aufgenommenes Kapital von 450 Gulden ab[762]. Diese Handlungsweise erklärte der spätere Herrenberger Vogt Hess folgendermaßen: mit welcher Administration der Spithal besser zurecht kommen können, weil man wahrgenommen, daß bey der selbsteigenen Administration – wegen immer höher angewachsenen Preisen der Materialien, auch Eigennutzigkeit der damit interessierten Personen – der Spithal nicht mehr fortkommen können[763]. Demnach wäre das Darlehensgeschäft also besser zu kontrollieren und wegen geringerer Verwaltungskosten lukrativer gewesen. Zum Darlehensgeschäft gehören auch Rückzahlungen der Kreditnehmer. Bedeutend waren solche Rückzahlungen vor allem im Jahrzehnt vor der Kipper- und Wipperzeit[764]. Bedeutende Beträge gingen auch im Zeitraum nach 1656 ein[765].
Selbst Kapitalien aufnehmen mußte der Herrenberger Spital eigentlich nur im Zeitraum zwischen 1614 und 1619, als zehn Prozent der Einnahmen durch Kredite gedeckt wurden, durchschnittlich knapp 250 Gulden jährlich. Den Grund für die enorm hohe Verschuldung nannten die Vorgesetzten des Spitalmeisters bei der Abhörung der Rechnung. Ihre Aussagen sind im Anhang des Rechnungsbuches notiert: Demnach der Spitahl Maister ain namhafte Summa bey diser Rechnung dem Spital per Rest schuldig verbleibt, namblich 947 Pfund 15 Schilling 2 Heller, beneben um Verzinsung 700 Pfund lehnungsweis ufgenommen worden, also daß man in vleisiger Einziehung dises Rests solcher Ufnamen man gar wol entfhaten het kinden…[766]. Nur die schlechte Zahlungsmoral von Schuldigern und die Unfähigkeit des Spitalmeisters, Ausstände einzutreiben, hätten demnach zur eigenen Kreditaufnahme gezwungen. Als 1635 nach dem großen Stadtbrand Gelder für den Neubau der Gebäude benötigt wurden, griffen die Spitaloberen ebenfalls auf Kreditbeschaffung zurück. Bei Erhard Wild in Tübingen liehen sie Wein im Wert von 384 Gulden aus.
Immerhin noch von einer gewissen Bedeutung für die monetären Erträge des Herrenberger Spitals waren die Verkäufe von Ackerfrüchten und von tierischen Produkten. Fruchtverkäufe kamen dabei vor 1607 und dann erst wieder seit den Kriegswirkungen ab 1635 zur Geltung. Sie verdreifachten ihren Anteil damals auf über zehn Prozent, welch hohen Wert sie bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes hielten, weil die Anstalt praktisch ihre gesamten Einnahmen an Gültfrüchten versilberte. Tierische Produkte hingegen erbrachten dem Herrenberger Spital lediglich vor Beginn der Kriegswirkungen Gelderträge, jährlich zwischen sechs und 11 Prozent. Während des Krieges schrumpften diese Einnahmen auf Null, weil nach Aufgabe der Eigenwirtschaft keine entsprechenden Produkte mehr produziert wurden.
Definiert man die Versorgungskapazität eines Spitals als seine materiellen Möglichkeiten, Bedürftige zu versorgen, so läßt sich diese durch den Wert der Geldeinnahmen ohne Ausstände und ohne Fruchtverkäufe vermehrt um den Wert der Fruchterträge darstellen. Im Falle des Herrenberger Spitals fällt auf, daß der Wert der Fruchteinnahmen beträchtlich hinter dem der Geldeinnahmen zurückstand. Bis zur Aufgabe der Eigenwirtschaft des Spitals trug der Wert der Fruchterträge lediglich etwa 40 Prozent zur Versorgungskapazität bei, seit 1642 zunächst noch 15 Prozent, gegen Ende des Untersuchungszeitraumes so gut wie nichts mehr. Dies deutet auf die geringe Eigenwirtschaft der Anstalt hin und unterscheidet sie grundlegend von den bedeutenderen hohenbergischen Spitälern, die weitaus ausgedehntere landwirtschaftliche Betriebe unterhielten und denen bessere Rechte größere Gefälle eintrugen. In Anbetracht der Geldwertschwankungen läßt sich die Entwicklung der Versorgungskapazität als relativ konstant erkennen. Zu Beginn des Untersuchungszeitraumes erreichte sie ein – im Durchschnitt gesehen – sehr gleichbleibendes Niveau von 2000 bis 2500 Gulden, dem dann das Wirksamwerden des Krieges ein Ende setzte.
Die Einnahmen der drei Spitäler
Vergleicht man die drei untersuchten Spitäler hinsichtlich ihrer Einnahmen miteinander[767], so läßt sich deutlich erkennen, daß die Rottenburger Anstalt die weitaus bedeutendste war, ganz der Bedeutung der Städte angemessen. Wenn diese Zahlen auch nicht exakt sind, sich in ihnen nicht alle eingenommenen Produkte wiederspiegeln, so geben sie doch einen deutlichen Hinweis auf die Größenordnungen.
Versorgungskapazität der Spitäler preisbereinigt in Gulden | |||
Periode | Horb a.N. | Rottenburg | Herrenberg |
1590-21 | 5323 | 8567 | 2159 |
1622-26 | 4898 | 6540 | 1974 |
1627-34 | 4447 | 7856 | 1845 |
1635-41 | 4235 | 5308 | – |
1642-50 | 3033 | 3487 | – |
1651-74 | 2608 | 4170 |
In sämtlichen Perioden übertraf der im Rottenburger Heilig-Geist-Spital verbuchte Geldwert jenen im benachbarten Horb fast um das Doppelte. In Herrenberg vollends nahm der Spital nur knapp halb so viel Geld und Frucht ein, wie in Horb.
Zu diesen Verhältnissen trugen die hohen Rottenburger Naturaleinnahmen einen wesentlichen Teil bei. Sie beruhten auf den umfangreichen Zehntrechten und dem ausgedehnten Eigenbau, welcher von eigenen Höfen aus betrieben wurde. So konnte die Rottenburger Anstalt stets größere Mengen von Frucht und Wein verkaufen als die benachbarten Anstalten. Auch spielte für den Rottenburger Spitalhaushalt der Wein eine weitaus größere Rolle als für die anderen, nur hier konnte Wein in größeren Mengen verkauft und zur Kapitalbildung genutzt werden. Für den Horber Spital zahlte sich demgegenüber der Besitz von Dörfern wirtschaftlich nicht aus. Rottenburgs Ausstattung mit Zehntrechten war da wesentlich lukrativer.
Alle drei Spitalhaushalte prägt auf der Einnahmenseite die Dominanz der Gült- und Zinsgelder. Sie resultierten in erster Linie aus dem Darlehensgeschäft und dokumentieren somit die Rolle, welche alle drei Anstalten damals als Kreditgeber spielten. Das Pfründgeschäft scheint in allen Orten seit der Wipper- und Kipperkrise bis zum Wirskamwerden des Krieges besonders geblüht zu haben und trug bis dahin stets wesentlich zum Geldertrag bei. Während die Pfleger in Rottenburg und Horb die Frucht- und Weinerträge ihrer Anstalten stets zur Kapitalbildung nutzen konnten, war dies den Herrenberger Kollegen seltener und nur in sehr viel bescheidenerem Maße möglich. Sie brauchten, gerade auch angesichts der im Vergleich mit den hohenbergischen Anstalten überdimensionalen Pfründgeschäfte, ihre Erträge für die Versorgung der Spitalinsassen. Trotzdem zeigte sich auch in Herrenberg wie in beiden hohenbergischen Spitälern die vor Kriegsbeginn sehr ausgeglichene Struktur. Sie kennzeichnete ein gewisses Gleichgewicht zwischen naturalen Erträgen und Geldeinnahmen. Allerdings war dieses zweite Standbein in Herrenberg mit meist unter 40 Prozent schwächer ausgeprägt, als in Hohenberg. Daß die Herrenberger während des Krieges ihre Eigenwirtschaft auflösten und ihr Spitalvermögen fast ausschließlich in das Kreditgeschäft investierten ist eine Sonderentwicklung, die vielleicht gerade mit der doch eher geringen Eigenwirtschaft zusammenhängt. Möglicherweise war der kleinere Gutsbetrieb weniger lebensfähig als die großen Ökonomien. Vor allem in Rottenburg, aber auch in Horb bauten beide Anstalten ihre Vorkriegsstruktur wieder auf, wenn sich dies angesichts der niedrigen Nahrungsmittelpreise nach Kriegsende auch nicht unmittelbar im gesunkenen Anteil des Naturalwertes spiegelt. Dabei kam es zu einer Verlagerung bei den Verkäufen vom Getreide auf den Wein, vor allem in Rottenburg, wo entsprechend große Weinerträge zur Verfügung standen. Diese Weinmengen wurden wohl auch deshalb freigesetzt, weil nicht mehr so viele Pfründner aufgenommen wurden und entsprechend weniger Rebensaft für den Konsum abgezweigt werden mußte. Die untersuchten Spitäler standen in aller Regel wirtschaftlich so gut da, daß sie nur selten auf Neuverschuldungen angewiesen waren. Wenn es dazu kam, so meist als Folge von Baumaßnahmen oder wegen der Kriegslasten. Stets überwogen dabei die als Guthaben geführten Restanzen die eigenen Schulden bei weitem.
Das Restanzenproblem
Bei der Untersuchung der Spitalhaushalte muß stets berücksichtigt werden, daß die Gesamteinnahmen und die Gesamtausgaben, die in den Rechnungsbüchern genannt werden, verschiedenartige Restanzen beinhalten. Solche Restanzen bestanden meist aus Schulden, vor allem der öffentlichen Hand, bei den Spitälern[768]. Weiter oben wurde bereits auf die katastrophalen Teuerungen eingegangen, zu denen die Geldschöpfungspolitik der Territorialherren durch Münzverschlechterung geführt hatten. Neben diesem Weg, ihre Einnahmen zu erhöhen, stand ihnen vor allem noch die Aufnahme von Krediten zur Verfügung. Darin bestand eine der wenigen Möglichkeiten des frühneuzeitlichen Staates, Budgetdefizite kurzfristig auszugleichen. Die Alternative dazu, nämlich Steuern zu erhöhen, war angesichts landständischer Mitspracherechte demgegenüber nicht gleichermaßen nutzbar. Kreditfinanzierungen haben gegenüber Steuern allerdings den enormen Nachteil, daß sie durch Zins- und Tilgungsverpflichtungen zukünftige Haushalte belasten, demnach werden der Sache nach gegenwärtige gegen künftige Steuerverpflichtungen getauscht. Dieser Charakter der Staatsverschuldung führte in der Frühen Neuzeit angesichts ständig hoher Budgetbelastungen durch Kriege zu einem enormen Anstieg der Staatsverschuldung. Auf Seiten der Kreditgeber, in diesem Fall der Spitäler, machen sich solche Staatsschulden als Restanzen bemerkbar. Immer mehr der von den Spitälern freigesetzten Vermögenswerte flossen im Laufe des 17. Jahrhunderts in diese Rubrik, deren Beträge sich zum großen Teil als uneinbringbar erwiesen.
Restanzen übertrugen die Spitalschreiber aus den Rechnungsbüchern des Vorjahres in das jeweils aktuelle. Dadurch blähte diese Rubrik den Haushalt nominell auf. Tatsächlich kamen deren Beträge der Spitalwirtschaft aber nicht zugute. Häufig nahm die Rubrik deshalb geradezu explosionsartig zu, weil von den verliehenen Krediten nicht einmal mehr Zinsen eingingen.
In Rottenburg machten die Restanzen 1609 über 3000 Gulden aus, sie wurden kurz danach wieder abgebaut. Vor allem nach 1625 stiegen sie wieder stark an, damals auf 1632 Gulden. Bei einem weiteren Wachstum von jährlich etwa 1000 Gulden erreichte die Rubrik 1634 den Grenzwert von 10000 Gulden, 1641 hatte sich der Betrag verdoppelt. Das Jahr 1651 brachte den Höhepunkt dieser Entwicklung mit 31263 Gulden. Während des Dreißigjährigen Krieges schwollen die Restanzen des Spitals vor allem deshalb an, weil viele Zinszahlungen nicht eingingen und weil die Stadt ihre Besatzungskosten zum Teil aus dem Spitalhaushalt bestritt. So gingen die bei vielen Getreide- und Weinausgaben an das Militär in den Spitalrechnungen verbuchten Erlöse nie ein. Als Verfügungsberechtigter über den Spital hatte die Stadt freilich eine gute Ausgangsposition. Nach Kriegsende ließ sie in den beiden Jahren 1651 und 1656 zusammen 23418 Gulden abschreiben, die sie ihrer Sozialanstalt schuldete. Vergleicht man diesen Betrag mit den 103558 Gulden, die die Stadt um 1680 an privaten und öffentlichen Schulden hatte[769], so zeigt sich, welch enorme Bedeutung die Kreditkraft des Spitals während der Kriegsjahre für die Kommune hatte. Immerhin kamen diese Ausgaben dem städtischen Gemeinwesen zugute, was in weiterem Sinne der Intention der Stifter entgegengekommen sein dürfte. Weitere 2700 Gulden ließ die Herrschaft 1668 umbuchen, als sie damit die Errichtung des Jesuitenkollegiums unterstützte. Gleichzeitig ist in jenen Jahren das Bemühen der Herrschaft zur Tilgung ihrer Schulden erkennbar. Sie ließ die 1057 Gulden, welche der Heilig-Geist-Spital an Steuern und Zinsen der Herrschaft noch schuldig war, mit ihren eigenen Schulden beim Spital verrechnen und zwar an den ausständigen Zinsen, nicht jedoch an den 20000 Gulden Kapital, welche der Spital bei der hohenbergischen Landschreiberei guthatte. Wegen der Eigenschaft des Spitals als causa pia, der seine Mittel zur Underhaltung Presthafter und armer Leithen einsetzte, sollten die restlichen Ausstände von der Landschreiberei auf jeden Fall und zwar mit Wein, Früchten und Geld getilgt werden[770].
Seit 1620 muß der Rottenburger Spital über 26000 Gulden freigesetzt haben, um diese Auszehrung finanzieren zu können. Dieser Betrag läßt sich somit auch als Gewinn der städtischen Institution bezeichnen. Zum Teil handelte es sich dabei allerdings auch um die Kapitalisierung von Spitalvermögen. Pfleger Michael Gugel formulierte bereits 1604, welches Prinzip hinter dieser Nutzung des Spitalvermögens in städtischem Sinne stand: Man sag alle Zeit, die Stat und das Spital seyen Brüeder, welches nicht hab, dem helf das ander[771]. Während des Dreißigjährigen Krieges war es in erster Linie der Spital, welcher half, die Stadt profitierte. Zu den Außenständen kamen jene Geldbeträge, die vertraglich als Kredite ausgegeben worden waren. Vor allem auch die Herrschaft Hohenberg profitierte davon[772]. An den 8720 Gulden, welche die Landstände anläßlich der Erbhuldigung 1483 aufbrachten, um die bis dahin an den Grafen Eberhard von Württemberg verpfändeten Dörfer Hirschau und Wurmlingen[773] auszulösen, beteiligte sich der Rottenburger Spital mit 1695 Gulden. Von den 40000 Gulden, mit denen sich die Herrschaft Hohenberg 1509 aus der Pfandschaft der Grafen von Zollern freikaufte[774], hielt der Spital ein Jahrhundert später 11130 Gulden, weitere drei Jahrzehnte später sogar 12000 rheinische Gulden (im Wert von 63 Kreuzern). Über weitere 1500 Gulden lautete ein Wechsel des Spitals von den Schwäbisch-Österreichischen Landständen. Als die Anstalt 1610 für den Verkauf des Lindenfelser Hofes in Seebronn 2000 Gulden einnahm, lieh sie diese den Dörfern Rangendingen und Owingen aus[775]. Bei einer damals üblichen fünfprozentigen Verzinsung erbrachten die im Jahr 1611 insgesamt verliehenen 17000 Gulden dem Spital einen wesentlichen Teil seiner Geldeinnahmen.
Eine Schuldnerliste, die dem Rechnungsbuch von 1673 beigebunden ist, gibt die Summe der Forderungen des Spitals für dieses Jahr mit 11724 Gulden an. Als Hauptschuldner werden darin die Herrschaft Hohenberg mit fast 3000 Gulden, die Österreichisch-Schwäbischen Landstände mit 1361 Gulden und die Orte Grosselfingen, Stein, Sickingen und Bechtoldsweiler (alle bei Hechingen) mit zusammen 4540 Gulden genannt. Die Stadt Rottenburg brachte es trotz ihrer früheren Entschuldungsaktionen auf etwa 900 Gulden, die Grafen von Zollern auf 840 Gulden. Die restlichen Verpflichtungen teilten sich 32 Einzelpersonen.
Nahezu im Gleichklang mit den Rottenburger Restanzen entwickelten sich jene des Horber Spitals. Auffällig ist dabei indessen, daß das Ausgangsniveau der Verschuldung in Horb wesentlich höher war, als in Rottenburg. Von etwa 8000 Gulden im Jahr 1606 ist hier ein steter Anstieg auf über 10000 Gulden schon 1614 zu beobachten. Möglicherweise hängt dies mit einer Verlagerung des Kapitals von Immobilien ins Darlehensgeschäft zusammen, da die Anstalt um die Jahrhundertwende einen großen Teil ihrer Äcker verkauft hatte. Andererseits machten sich auch Zahlungsrückstände bemerkbar. Vor herrschaftlichen Kommissaren wurden seinerzeit Klagen darüber laut, daß ausstendige Zins und Schulden gemach und vahrlessig eingebracht würden[776]. Wegen der vielen Extanzen soll 1605 nichts mehr in der Kasse gewesen sein, so daß man 2 Ehehalten so wegsollen iren Lidlohn nit geben khinden[777]. Immer wieder scheinen es auch Spitalpfleger gewesen zu sein, die dem Spital noch Ausstände schuldig blieben, indem sie Bargeldbestände beim Rechnungsende nicht ordentlich abführten. Ein Beispiel war der Bürgermeister Gerber, welcher 1100 Gulden schuldig blieb, dann ein Biersieder wurde und dazu Früchte aus dem Spital verbrauchte. Seine Schulden nahm er mit sich ins Grab. Mit den Erben wurden lange Ratenzahlungen ohne Verzinsung vereinbart, das mache die grosse Verwanthnus[778]. Als der neue Spitalmeister Peter Bernhardt 1604 so viele Exstanzen vorfand, deren vil unrichtig, beschwerte er sich darüber. Die versprochene Besserung sei nicht eingetreten. Noch 1607 beliefen sich die ausständigen Zinsen und Schulden auf zusammen 6875 Gulden[779]. Hauptschuldner waren die Herrschaft Hohenberg und die Grafen von Zollern. Einen gewissen Erfolg brachte dann die Polizeiordnung der Stadt von 1607[780]. Vom Spital hieß es, daß es dort der Extanzen und Unrichtigkhaiten mer dann zuvil durch Saumbsal der bishero gewesten Spitalpflegern und -maistern gebe. Diese sollten alles Ernsts eingezogen und die Güter renoviert werden. Dann begann eine Einforderungsaktion, die eine nachhaltige Verbesserung mit sich brachte, wobei auch viele Schuldner die Teuerungsperiode der 1620er Jahre zur Entschuldung nutzten. Allerdings kann die Einforderung insgesamt nicht überragend gewesen sein, da alleine 1616 ein größerer Betrag von 2108 Gulden Herrschaftszinsen abgeschrieben wurde, angeblich, weil diese im Rechnungsbuch zuviel gestanden hätten. Zwischen 1621 und 1629 mußte der Spitalschreiber nur etwa 5000 Gulden als Extanzen verbuchen. Dann setzte aber auch in Horb der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der Ausstände ein, überschritt ebenfalls 1634 die 10000 Gulden Grenze, wuchs parallel zur Rottenburger Entwicklung 1641 auf das Doppelte und bis 1653 auf 31752 Gulden. Damals mußten einige Schulden, so zum Beispiel alte Frevel, als verloren abgeschrieben werden, weil niemandt waist, wehr was schuldig ist[781]. Seitdem wurden diese aufgelaufenen Beträge in den Rechnungsbüchern nicht mehr in der althergebrachten Weise verbucht. Indessen deuten unter uneinbringbaren Zinsen von Exstanzen verbuchte Beträge auf ein weiteres Anwachsen der Außenstände auf fast 70000 Gulden im Jahr 1674 hin. Im Gegensatz zu Rottenburg scheinen in Horb keine größeren Beträge abgeschrieben worden zu sein.
Auch beim Horber Spital stand 1609 die Herrschaft Hohenberg mit 1356 Gulden auf der Liste der Schuldner, die Herrschaft Österreich mit 200 Gulden, verschiedene Grafen von Zollern mit 1172 Gulden, außerdem eine Reihe anderer Adeliger. Interessant dabei ist, daß es sich bei diesen Schulden offenbar um Zinsverpflichtungen für mehrere zurückliegende Jahre handelte, im Falle der Herrschaft Hohenberg um drei Jahre, beim Junker Wilhelm von Neuneck gar um 14 Jahre!
Im Falle des Herrenberger Spitals sieht die Entwicklung der Restanzen doch wesentlich freundlicher aus. Das kann zum Teil buchungstechnisch bedingt sein, wird vor allem aber daran liegen, daß die Herrenberger Anstalt einfach über wesentlich weniger Substanz verfügte, als die hohenbergischen. Auch das Bemühen um Einforderung scheint wesentlich nachhaltiger und erfolgreicher gewesen zu sein. So finden sich in vielen der in die Rechnungsbücher eingetragenen Abhörprotokolle Ermahnungen zur Einziehung der Außenstände. Beispielsweise heißt es 1614: es sei unnötig gewesen, 700 Pfund an Krediten aufzunehmen, da die Summe durch Einzug von Ausständen hätte eingebracht werden können. Derowegen hiemit ernstlich befohlen sein solle, ermeldt Rest fürderlich einzuziehen. In Herrenberg waren die Außenstände auch wesentlich variabler in dem Sinne, daß Rückzahlungen und Neuverschuldungen in einem regen Wechselspiel standen. Im Prinzip aber läßt sich die Entwicklung in dieselben Perioden wie in den hohenbergischen Spitälern unterteilen.
Bis in die 1620er Jahre hinein blieben die Restanzen fast immer unter 500 Gulden. Typischerweise kam es im Zusammenhang mit der Kipper- und Wipperzeit zu umfangreichen Tilgungen, so daß in einzelnen Jahren sogar der Spital bei seinen Pflegern Geld aufnehmen mußte, so 1623 bis 1625. Auch in Herrenberg führten die Kriegswirkungen seit 1634 zu einem Emporschnellen der Restanzen, hier auf über 1000 Gulden. Jene 2643 Gulden, welche 1638 als Remanet aufgeführt wurden, konnten nicht liquidiert werden. Vor allem fällige Zinsen gingen damals ab, weil die Leute bey disen trüebseeligen und theuren Zeiten nit alles beytragen können[782]. Damals luden der Spezial und die Beamten Schuldner einzeln vor, bekamen aber trotz ihrer Amtsautorität nur Teilbeträge erstattet. Die Aufwärtsentwicklung setzte sich indessen nur sehr unregelmäßig fort, erreichte aber zwischen 1644 und 1649 mit über 3000 den Höhepunkt. Nach einem vorübergehenden Rückgang in der unmittelbaren Nachkriegszeit stiegen die Außenstände vor allem gegen Ende des Untersuchungszeitraumes wieder gewaltig an und erreichten 1674 fast 3500 Gulden, also mehr, als während des Krieges. Immer wieder wurden Klagen gegen die Haischknechte laut, die die Gefälle angeblich nur nachlässig einzogen. So waren sie 1658 insgesamt 265 Gulden schuldig geblieben.
Vor allem das Beispiel der beiden untersuchten hohenbergischen Spitäler zeigt, daß sich die Verschuldung der öffentlichen Hand im 17. Jahrhundert bis in die Spitalhaushalte hinein auswirkte. Dies geschah auf direktem Wege, indem die Herrschaft, die Landstände, aber auch die städtische Obrigkeit, fällige Zinsen nicht mehr bezahlten, und somit ihre Schulden bei der Anstalt anschwollen. Die Zeit ist in Anbetracht des Krieges durch einen enormen Geldbedarf gekennzeichnet. Die anschwellenden Restanzen sind dafür genauso ein Symptom wie andererseits die Geldentwertung wegen ausgedünnter Münzsorten.
XI. Versorgungsleistung der Spitäler
Nachdem die Möglichkeiten der Spitäler, Bedürftige zu versorgen, untersucht sind, geht es nun um ihre tatsächlichen Versorgungsleistungen, also um die Ausgabenseite der Haushalte. Dabei werden zunächst die Aufwendungen für die Versorgung der Insassen, anschließend die sonstigen Kosten behandelt. Eine genaue Untersuchung des Verbrauchsverhaltens der drei Spitäler ist von großer Bedeutung. Einmal lassen sich dadurch am Beispiel der Spitalinsassen Erkenntnisse über die Lebensverhältnisse auf direktem Weg gewinnen. Des weiteren bietet diese Untersuchung einen Zugang zur Versorgungsleistung der Spitäler. Sodann liegt das Verbrauchsverhalten der Spitäler jener Methode zugrunde, welche bereits bei der Gewichtung des Warenkorbes für die Bildung von Gesamtindizes zur Anwendung kam. Da Verbrauchsmengen von der Zahl der im jeweiligen Spital versorgten Menschen abhängen, lassen sie sich sinnvollerweise am ehesten lokal, also für jeden Ort gesondert, untersuchen. Erst in einem nächsten Schritt können dann lokale Entwicklungen miteinander verglichen werden. Für eine Untersuchung der Verbrauchsmengen kamen bei allen drei Anstalten vor allem die Nahrungsmittel Dinkel, Roggen, Fleisch und Wein in Frage. Sie bilden den am ehesten quantifizierbaren Teil der in den Spitälern verbrauchten Güter. In den Rechnungsbüchern sonst noch genannte Waren des täglichen Bedarfs wie Erbsen, Linsen, Hafer für die Musbereitung, Gerste und andere Getreidearten verbrauchten die Köche in vernachlässigbar geringen Mengen. Andere wiederum wie Kraut, Rüben, Fisch oder Honig tauchen zwar unter den gemeinen Ausgaben hin und wieder auf, jedoch sind die verzehrten Mengen nicht sicher quantifizierbar. Deshalb erfolgte die Beschränkung auf die oben genannten Produkte, welche die Spitalschreiber in eigenen Rubriken auflisteten. Für alle drei Anstalten konnten dafür recht vollständige Datenreihen ermittelt werden.
Wein war im Horber und vor allem im Rottenburger Spital ein alltägliches Getränk. In Herrenberg hingegen muß den Rebensaft bei den Spitalarmen im Untersuchungszeitraum ein anderes Getränk weitgehend ersetzt haben. Ob dabei an selbstgebrautes Bier oder pures Wasser zu denken ist, vielleicht auch an Obstmost, verraten die Quellen nicht. Nur in Einzelfällen, etwa wenn Militär in den drei Städten einquartiert war, taucht Bier in den Rechnungsbüchern auf. Es wurde dann eingekauft und an die Soldaten ausgeschenkt. Für die Spitäler spielte der Wein vermutlich auch wegen seiner angeblichen Heilkraft eine besondere Rolle. Kranke und Frauen im Kindbett glaubten, eusserste Ungelegenhait ihres Leibs befürchten zu müssen, falls sie keinen Wein bekamen[783]. In den hohenbergischen Orten schenkten die Anstalten ihren Insassen normalerweise heimischen Rebensaft aus. Damals dürfte sich der Wein geschmacklich stark von heutigen Sorten unterschieden haben. Die Trinker würzten ihre Sorten mit allerlei Gewürzen und mit Honig. Trotz dieser geschmacklichen Verbesserung scheint das Gewächs nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges einigen Reichenpfründnern nicht mehr geschmeckt zu haben. Zum Beispiel tauschte ein Horber Pfründner 1652 sein Quantum gegen die Hälfte guten auswärtigen Weines. Für einige seiner Stubengenossen, vor allem aber für die Verwaltungsspitze der Spitäler, beschafften die Pfleger deshalb immer wieder größere Weinrationen aus der Pfalz, aus dem Badischen und aus dem Elsaß.
Fleisch zählt zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln der Frühen Neuzeit. Im Gegensatz zu dem Hauptnahrungsmittel Getreide jedoch konnte sein Verbrauch in teueren Zeiten reduziert werden, so daß es zu den je nach Preis elastisch nachgefragten Nahrungsmitteln zählt[784]. Weil die Spitäler trotzdem normalerweise Fleisch in größeren Mengen ausgaben, gehört es zum Grundbestand des für die Preisbereinigung gewählten Warenkorbes. Gerade auch an seinem Beispiel läßt sich die Bedeutung einer nachfrageorientierten Gewichtung des Warenkorbes mit großem Nachdruck vertreten, da in Zeiten hoher Fleischpreise tatsächlich der Verbrauch weitgehend reduziert werden konnte, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden. Wegen dieses Zusammenhangs kann der Verbrauch dieser Ware auch als Indikator für den Wohlstand einer Personengruppe herangezogen werden: wer über größere Geldmittel verfügte, konnte sich mehr davon leisten. Sinkende Anteile des Fleisches an den Versorgungsleistungen der Spitäler deuten im Umkehrschluß auf weniger gute wirtschaftliche Bedingungen und auf verschlechterte Lebensverhältnisse hin.
Die Spitäler in Rottenburg, Horb und Herrenberg deckten ihren Fleischbedarf zum größten Teil durch wöchentlichen Kauf bei den Metzgern der Stadt. Sie ließen darüberhinaus aber auch eigenes Vieh schlachten. Beide Möglichkeiten, Fleisch zu beschaffen, müssen bei der Ermittlung von Verbrauchswerten berücksichtigt werden. Im Untersuchungszeitraum existieren für den Horber Spital detaillierte Fleischrechnungen von fünf Berichtsjahren[785] und für den Rottenburger Spital von einem Berichtsjahr[786], welche die Eigenschlachtung beider Anstalten belegen.
Die Menge und der Preis des gekauften Fleisches sind ansonsten in aller Regel aus den Rechnungsbüchern sehr gut zu ermitteln. Meist als erste Rubrik unter verschiedenen Lebensmittelkäufen, auf jeden Fall als extra Rubrik, verzeichnete der Stadtschreiber die Kosten dafür. Diese dürfte unter anderem deshalb sehr exakt geführt worden sein, weil die Pfleger des öfteren gegen Gerüchte zu kämpfen hatten, sie ließen das Fleisch in verdeckten Wannen zu sich selbst nach Hause tragen[787]. In aller Regel teilte der Schreiber aus diesem Grund sehr genau auch die gekauften Mengen mit.
Nur der Herrenberger Spital bildet hierin insofern eine Ausnahme, als lediglich für die Jahre 1619 bis 1638 Fleischkäufe ausgewiesen sind. In der württembergischen Amtsstadt notierte der Rechnungsführer derartige Aufwendungen in der Rubrik Wochenkosten, in die wöchentliche Käufe von Lebensmitteln Aufnahme fanden. Meist sind die Gesamtkosten dieser Rubrik nur summarisch überliefert. Durch die Angaben aus dem genannten Zeitraum läßt sich indessen zumindest ihr überwiegender Teil als für den Fleischkauf bestimmt erkennen, wobei den verschiedenen Pfründnergruppen unterschiedlich hohe Geldbeträge dafür zur Verfügung standen. Sie erhielten also nicht etwa eine bestimmte Fleischmenge pro Woche zugemessen, sondern einen festen Geldsatz, für den sie sich die Ware kaufen lassen konnten. Dieser betrug bei den reichen Pfründnern zehn Kreuzer, bei den Armen und den Insassen des Siechen- oder Gutleuthauses hingegen zwei Kreuzer und blieb während der genannten Jahre konstant. Lediglich in Festwochen (Pfingsten, Kirchweih, Christtag, Neujahr und Ostern) erhielten die Armen und die Insassen des Gutleuthauses doppelte Rationen, die reichen Pfründner indessen nicht – sie hatten das auch nicht nötig. Dagegen glich die von den Armen in der meist fünf- bis sechswöchigen Fastenzeit verlangte Enthaltsamkeit diese Zulagen wieder aus. Währenddessen bezogen hingegen die reichen Pfründner ihr Wochengeld weiterhin, sie werden es vermutlich für Fisch, Käse oder andere Lebensmittel ausgegeben haben. Zusätzlich zu den Beträgen für die einzelnen Spitalitengruppen bezahlte der Herrenberger Spitalvater jede Woche Geld für Fleisch, das auf die Teller sonstiger Kostgängern, also der Bediensteten und der gerade im Spital beschäftigten Handwerker sowie Erntehelfer, kam. Nur für diesen Posten listete der Stadtschreiber von 1619 bis 1638 auf, wieviel Pfund die Metzger zu welchem Preis jede Woche lieferten. Ansonsten notierte er lediglich, wie oben beschrieben, die den Spitaliten zustehenden Beträge an Wochengeld. Die Ausgaben für Fleisch verdoppelten sich in der Regel während außergewöhnlicher Arbeits- oder Festzeiten, so im Heuet, zum Herbstmahl, während der Erntezeit, anläßlich der Großwäsche und an Fasnacht sowie an Kirchweih, also immer dann, wenn entweder besonders viele Personen zu verpflegen waren oder wenn es Anlaß zum Feiern gab. Angesichts der genannten Verrechnungsmethode in Herrenberg ist nicht auszuschließen, daß die mangels exakterer Quellen generell als Fleischkosten behandelten Wochenkosten auch in größerem Maße als vermutet zur Bezahlung anderer Lebensmittel dienten. Andererseits findet sich ab und zu bei den Wochenkosten für die Armen, die Sondersiechen oder auch für die reichen Pfründner der eindeutige Zusatz für Fleisch.
Wieviel Zentner die Spitäler den Metzgern abkauften, läßt sich insgesamt sehr zuverlässig ermitteln. Größere Probleme bereitet es demgegenüber, zu beurteilen, wieviel eigenes Vieh die Anstalten schlachten ließen und was dieses ertrug. Dieser Punkt muß deshalb sehr genau bedacht werden, weil der gesamte Fleischverbrauch für das gewählte Warenkorbmodell eine entscheidende Rolle spielt. Nur von fünf Berichtsjahren liegen genaue Angaben über Schlachtergebnisse vor. Diese Angaben stammen vom Ende des Beobachtungszeitraumes, aus den 1670er Jahren. Sie belegen einen Anteil des geschlachteten Fleisches am gesamten Fleischverbrauch von 30 bis 40 Prozent in Horb und sogar von über zwei Dritteln in Rottenburg. Nun läßt sich dieser Anteil nicht einfach generalisieren. Vielmehr ist zu erwarten, daß der Dreißigjährige Krieg auch bei der Fleischbeschaffung frühere Gewohnheiten verändert haben wird, alleine schon wegen der enormen Verluste an Vieh durch requirierende Streifscharen. Jährliche Schwankungen beim Fleischkauf lassen sich ihrerseits vermutlich häufig durch den Umfang des Schlachtbetriebes erklären.
Zwei Zugänge bieten die untersuchten Rechnungsbücher, wenn es gilt, das Gewicht des geschlachteten Fleisches zu ermitteln. Dazu muß die Entlohnung des Metzgers untersucht werden. Ihren Metzger, dessen Verdienst in der Regel zusammen mit der Entlohnung anderer Handwerker aufgelistet ist, bezahlte die Anstalt nach der Anzahl der von ihm geschlachteten Tiere, wobei Hagen, Stiere, Kühe, Kälber, Schweine und Schafe jeweils unterschiedlich hohe, manchmal aber auch gleich hohe Stücklöhne kosteten. In Rottenburg beispielsweise bekam der Metzger von 1590 bis zum Jahr 1621 für jedes geschlachtete Tier drei Schillinge, egal ob ausgewachsenes Rind, Kalb oder Schwein. Noch 1628 blieb die Zahlweise gleich, wenn sich der Verdienst des Schlächters auch mittlerweile auf acht Kreuzer je Tier erhöht hatte. Im Jahr 1632 ist dann erstmals festzustellen, daß die Art des geschlachteten Tieres für die Entlohnung wesentlich wurde: ein Rind brachte dem Metzger seitdem 20 Kreuzer, ein Schwein oder ein Milchkalb aber weiterhin nur acht Kreuzer. Die anderen Anstalten bewerteten unterschiedliche Vieharten von vornherein differenziert. Bei allen Ungleichheiten aber setzte die zeitgenössische Berechnung des Metzgerlohnes in allen Fällen eine Kenntnis über die Zahl geschlachteter Tiere voraus. Zum Glück teilten einige Spitalschreiber diese Zahlen auch in den Rechnungsbüchern, den Rechnungsprotokollen oder in den Hausbüchern mit[788].
Diese Stückzahlen lassen sich deshalb weiter auswerten, weil für insgesamt sechs Berichtsjahre (fünf für Horb und eines für Rottenburg) und einige weitere Einzelnennungen das Schlachtgewicht einzelner Vieharten bestimmbar ist. Dabei ist der Stichprobenumfang immerhin so breit, daß sich doch recht zuverlässige Durchschnittswerte bilden lassen. Ich verwende im folgenden das damals gebräuchliche Pfund. Waren nur Stück ohne Unterscheidung der Viehart genannt, so wurde auf Grund von Durchschnittsberechnungen ein Gewicht von 112 Pfund angenommen. Das für Milchkälber errechnete Durchschnittsgewicht liegt im Bereich dessen, was zeitgenössische Quellen angeben[789].
Schlachtgewichte in Horb und Rottenburg | |
VIEHART | PFUND |
Rinder | 194 |
Hagen | 420 |
Kühe | 189 |
Schweine | 80 |
Mastschweine | 131 |
kleinere Schweine | 65 |
Milchkälber | 42 |
Stechkälber, „Nonnen“ | 126 |
Hammel | 32 |
Schafe | 20 |
Einzelnachrichten aus Herrenberg bestätigen – natürlich mit Abstrichen – ebenfalls die ermittelten Werte[790]. Auch ein Vergleich mit den von Elser errechneten Fleischgewichten zeigt, daß die Größenordnungen offenbar für einen geographisch weiteren Raum gelten dürften[791]. Je nach Alter, Größe und Konstitution des einzelnen Tieres sind natürlich erhebliche Schwankungen im Einzelfall zu erwarten. Mit Hilfe der gebildeten Durchschnittswerte ließen sich die ermittelten Stückzahlen geschlachteten Viehs aber immerhin für grobe Berechnungen in Schlachtgewichte umrechnen.
Aber auch diese Vorgehensweise erbrachte nicht für alle Spitäler in sämtlichen Berichtsjahren ausreichende Angaben. Vor allem für Horb klafften weiterhin größere Lücken. So blieb in diesem Fall nichts anderes übrig, als zur Schätzung des Schlachtgewichtes auf eine noch etwas unzuverlässigere Angabe in den Rechnungsbüchern zurückzugreifen. Aber immerhin dürfte auch diese Methode noch das bloße lineare Ergänzen von Verbrauchsreihen an Aussagekraft übertreffen. Nahezu vollständige Datenreihen bilden die von den Spitälern bezahlten Metzgerlöhne. Auf sie wurde weiter oben bereits kurz eingegangen. Sie wurden bisher benutzt, um die Zahl geschlachteter Tiere ermitteln zu können. Aber auch sofern diese Informationen nicht zur Verfügung stehen, spiegelt sich in der absoluten Höhe dieser Metzgerlöhne die Menge des geschlachteten Fleisches wider, im Falle des Herrenberger und des Horber Spitals deutlicher als im Fall des Rottenburger Spitals. Allerdings unterliegen auch die Metzgerlöhne der zeitbedingten Teuerung. Dies läßt sich durch eine entsprechende periodische Bereinigung berücksichtigen. Dann findet durch den unterschiedlichen Schlachtpreis auch das unterschiedliche Schlachtgewicht in etwa Berücksichtigung. Das durchschnittliche geschlachtete Gewicht je Kreuzer Metzgerlohn von 9,959 Pfund im Falle des Horber Spitals lieferten die Berichtsjahre 1665-1673. Beim Herrenberger Spital läßt sich ein Gewicht von 11,15 Pfund je Kreuzer Metzgerlohn wahrscheinlich machen. Im Falle Rottenburgs ergaben sich für den durch Extremwerte gekennzeichneten Zeitraum von 1643-1650 in etwa 5,3 Pfund je Kreuzer Metzgerlohn. Für den Zeitraum 1656-1672 stieg diese Quote nach Ausscheidung der Extremwerte auf 9,62 Pfund je Kreuzer. Grob kann pro Kreuzer Metzgerlohn also mit etwa 10 Pfund geschlachteten Fleisches gerechnet werden.
Die dargestellten Methoden zum Rückschluß von der Zahl geschlachteten Viehs oder vom bezahlten Metzgerlohn auf die Menge des aus eigener Schlachtung gewonnenen Fleisches weisen sicherlich Unwägbarkeiten auf. Die erste Methode, die ein errechnetes durchschnittliches Gewicht je Viehart auf vorgegebene Stückzahlen überträgt, ist sicherlich diejenige, die am ehesten wirklichkeitsnahe Werte liefert. Wo möglich ist daher in jedem Fall auf diese Methode zurückzugreifen. An der durchschnittlich vom Metzger je Lohnanteil geschlachteten Fleischmenge orientiert sich die zweite Methode. Sie ist fehleranfälliger als die erste, da in ihr ein Umweg über den Geldwert des Metzgerlohnes beschritten wird. Dies macht unbedingt eine Bereinigung dieses Geldwertes auf Grund der allgemeinen Lohnentwicklung nötig. Eine Bereinigung konnte auf der Basis der besonderen Entwicklung der Stücklöhne des Metzgermeisters vorgenommen werden. Auch der nächste Schritt von einer durchschnittlichen Fleischmenge je Lohnanteil zur gesamten geschlachteten Fleischmenge birgt Fehlerquellen. Denn gerade angesichts der Lohnentwicklung im Untersuchungszeitraum stimmt das Verhältnis von Stücklohn zu Fleischgewicht zwischen den verschiedenen Vieharten des öfteren nicht. Indessen scheinen die gewählten Methoden gerade dann, wenn man sich bei der Auswertung ihre Schwächen vor Augen hält, vertretbar. Sie sind jeder anderen Lösungsmöglichkeit überlegen. Das Außerachtlassen der Schlachtfleischmengen, die Ergänzung durch einen durchschnittlich errechneten Anteil oder eine lineare Ergänzung bekannter Mengen halte ich demgegenüber für weniger geeignet. Hier ist bei den statistischen Methoden die Marge von Ungenauigkeiten und Toleranzwerten von vorneherein großzügiger anzusetzen.
Getreide war vor Einführung der Kartoffeln das Grundnahrungsmittel schlechthin in der Frühen Neuzeit[792]. Im Untersuchungsgebiet war das wichtigste Getreide neben dem für die Pferdehaltung angebauten Hafer insbesondere der Dinkel[793]. Vor allem in der Schweiz und in Südwestdeutschland galt der Dinkel als wichtigstes Brotgetreide. Eine Besonderheit des Dinkels ist, daß während des Dreschens die Ähre nur in einzelne Abschnitte zerbricht und die Körner noch nicht frei gibt. Diese noch vom Spelz umschlossenen Körner heißen Vesen. Erst ein Gerbgang in der Mühle trennt die Spelzen vom Korn. Dabei stehen zwei Mühlsteine so eng beieinander, daß die Vesenkörner einen Millimeter Platz zu wenig haben. Deren äußere Hüllen werden dadurch zurückgehalten und die reibenden Mühlsteine drücken die Körner aus den Spelzen heraus. Die Gerbmaschine reinigt anschließend die Körner von den 30 bis 35 Prozent Spreu. Aus Dinkelschrot hergestellter Brei diente jahrhundertelang als sättigende Morgenspeise. Brot und Teigwaren ließen sich aus Dinkelmehl sehr gut herstellen und besonders schwäbische Hausfrauen liebten Dinkelmehl wegen seiner Bindigkeit. Durch diese Eigenschaft gerieten ihre Spätzle besonders gut. Vor Einführung der Kartoffel war das Getreide – wie erwähnt – als Grundnahrungsmittel praktisch nicht zu ersetzen, Verbraucher fragten es somit unabhängig von ihrem verfügbaren Einkommen nach. Eine Substitution durch Gemüse und Gartengewächse konnte lediglich in beschränktem Umfang erfolgen. Fast unabhängig davon, wie teuer den Konsumenten das Getreide zu stehen kam, mußte er es sich also in jedem Fall beschaffen. Viele Verbraucher in der Frühen Neuzeit, wie die Spitäler ja auch, bauten allerdings ihr Getreide auf eigenen Äckern an und versorgten sich somit weitgehend selbst. Um den Verbrauch der untersuchten Anstalten an Getreide ermitteln zu können, wurden die beiden wichtigsten Brotgetreidesorten, Dinkel und Roggen, herangezogen. Andere Getreidearten spielten nur eine untergeordnete Rolle. In derselben geringen Größenordnung handelt es sich bei diesen weiteren Getreidesorten um Hafer und Gerste. Auch die Hülsenfrüchte Erbsen und Linsen hatten eine gewisse Bedeutung.
Vor allem Brot ließen die Spitäler aus ihrem Dinkel backen, zu welchem Zweck alle drei Anstalten eigene Bäcker beschäftigten. Für den Rottenburger Spital ist eine Bäckerordnung vom Beginn des 16. Jahrhunderts überliefert, auf welche die Pfister einen Eid ablegten[794]. Zum Mahlen fuhren sie mit in die Mühle. Dort überwachten sie den Mahlvorgang, bei dem aus Kernen Mehl entstand. Bei diesem Dienstgang standen ihnen eine Morgensuppe, ein Laib Brot und zwei Mas Wein bis auf Widerriefen zu. Bis zum Mittagessen erwartete sie der Spitalmeister zurück. Ansonsten durften sie den Spital unerlaubterweise weder bei Tag noch in der Nacht verlassen, vielmehr hatten sie in ihrer Pfisterei zu bleiben. Dort, an ihrem Arbeitsplatz, durften sie keine Gesellschaften nit zehren, weder mit Pfründnern noch anderen Leuten, wie wann zue Zeithen und bishero beschehen. Vielmehr mußten sie die Pfisterei fleißig und getreulich verschlossen halten, die Kholen nach beschehenem Backen und Ausziehen nit ablöschen sondern selbige in die Küchen lüpfen. Aus ungespitseltem Mehl sollten die Bäcker kein Brot backen. Zum Backen verwies sie die Ordnung auf Wasser aus dem Spitalbrunnen und verbot die Verwendung von Neckarwasser. Falls sie Gebratenes im Ofen hatten, sollten sie das Schmalz gleich herausgeben und nit anderwerts hinkommen oder zue Grunde gehen lassen. Auch für die Spitalschweine trugen die Bäcker maßgebliche Verantwortung, wie Mitglieder ihres Berufsstandes ja allgemein häufig als Schweinehalter in Erscheinung traten. Die Verfasser der Ordnung beklagten, daß bei Atzung und Mästung der Schweine großer Unfleiß eingekehrt sei. Angeblich wurde zu viel Getreide für das Borstenvieh aufgewandt. Für den Fall, daß wieder Abgänge festgestellt würden, drohten Strafen. Zusätzlich zu ihrem normalen Dienst waren die Pfister während der Erntezeit, sofern es ihre spezifischen Pflichten zuließen, zur Mitarbeit verpflichtet.
Bäcker hatten einen gefährdeten Arbeitsplatz, da sie leicht der Unmut ihrer Abnehmer treffen konnte. Als 1621 in Herrenberg Klagen gegen den Spitalbäcker aufkamen, reagierte das Stadtgericht mit dessen Entlassung. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges[795] scheinen die Armen in Herrenberg mit dem ihnen zugeteilten Brot wieder nicht zufrieden gewesen zu sein: vihl solches mit grossem Undankh empfahen, und darwider, wie sowohl der Spitahl Pfleger als andere referiren unverandtwortliche Reden usstoßen. Offenbar rührte der Unmut der Armen daher, daß die Spitalverwaltung angesichts schlechter Ernten das Brot nicht aus reinem Dinkel, sondern mit Roggen vermischt zu backen befahl.
Ihr Getreide ließ die Anstalt erst dann, wenn die Bäcker Mehl benötigten, mahlen. Körner sind weitaus länger haltbar als das aus ihnen gewonnene Mehl[796]. Der Rottenburger Spitalvater Sebastian Metzger[797] berichtete 1604, daß er alle drei Wochen zwei Fuhren mit 30 Malter Dinkel und einem Malter Roggen zur Mühle schicke. Dinkel mit Roggen im Volumenverhältnis 30 zu 1 und im Gewichtsverhältnis 30 zu 2 scheint das im Rottenburger Spital gebräuchliche Mischbrot ergeben zu haben. Für die Ausbeute beim Mahlen war der Ausmahlgrad entscheidend, jenes Gewichtsverhältnis zwischen ungemahlenem Vesen und dem daraus gewonnenen Kernen. Er lag in Rottenburg zwischen 50 Prozent (1604) und 70 Prozent. Dieser Ausmahlgrad war recht niedrig, wenn man ihn mit den 85,7 Prozent vergleicht, die Ulf Dirlmeier für Basel im Jahr 1540 ermittelt hat[798].
Die von den Spitälern verbrauchten Mengen hingen in erster Linie von der Anzahl der verpflegten Personen ab. Entsprechend dem allgemeinen Gang der Bevölkerungsentwicklung, die insbesondere Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges beeinflußten, empfahl sich eine Gliederung in vier Perioden. Bis zum Jahr 1634 erreichten die Verbrauchszahlen Höchstwerte. Anschließend setzte in Folge der Kriegsereignisse sehr rasch ein Rückgang ein. Seit 1640 läßt sich bei allen untersuchten Spitälern ein Tiefststand feststellen, der bis 1646 dauerte. Daran schloß sich eine langgezogene Periode der Erholung an.
Verbrauchsverhalten des Rottenburger Spitals
Dem Rottenburger Spital standen jedes Jahr erhebliche Mengen an Weinerträgen zur Verfügung. Dementsprechend bildete der Wein einen ständigen Teil der Spitalverpflegung. Mit Durchschnittswerten von etwa 370 Hektoliter stellt die erste Periode ein in etwa einheitliches Ausgangsniveau dar, an dem die anderen Perioden zu messen sind. Damals erhob die oberösterreichische Regierung die Forderung, das uberflißig Eßen und Trinckhen abzustellen[799]. Allerdings hatte der Verbrauch nach 1604 tatsächlich erheblich zugenommen, 1606 einen Höhepunkt erreicht und sank dann anschließend bis zum Jahr 1609 wieder auf Normalwerte. In der Folge weist der Trend des Weinverbrauchs bis zum Jahr 1630 einen leichten Rückgang auf, den am Ende dieser Periode ein leichter Boom mit Gipfel 1634 abfing.
Es schließt die zweite Periode an, während der sich die Geschehnisse des Dreißigjährigen Krieges vor Ort auszuwirken begannen. Seit dem Rechnungsjahr 1635 bis einschließlich 1639 sank der Weinverbrauch abrupt auf etwa 200 Hektoliter jährlich. Die eigentliche Depression folgte indessen erst noch. Absolute Tiefstwerte brachte die dritte Periode zwischen 1640 und 1646 mit sich. Im Durchschnitt gab der Keller des Spitals damals nur noch 58,5 Hektoliter aus. Am wenigsten Wein bekamen die Nutznießer des Rottenburger Spitals in den zwei Jahren seit 1643 ausgeteilt. Noch vor dem eigentlichen Kriegsende nahm der Weinkonsum wieder zu. In der Periode nach 1647 blieb er deutlich niedriger als in der Basisperiode bei durchschnittlich etwa 150 Hektoliter.
Im Fall des Rottenburger Spitals gibt der Weinverbrauch wesentliche Hinweise zur Ermittlung der Anzahl von im Spital verköstigten Personen. Der Personenkreis, den die Spitäler versorgten, läßt sich durch den bereits mehrfach zitierten Untersuchungsbericht aus dem Jahr 1604 herausarbeiten[800]. Er umfaßte damals die hiesigen armen Leut, so um Gottes Willen ins Spital genommen worden, sowie die Ehehalten und die Pfründner. Den fremden Armen geb man khain Wein, sy seyen dann kranckh…[801]. Zu diesen Kostgängern gesellten sich zuweilen Handwerker, die gerade im Spital arbeiteten, so regelmäßig Schuster und Schneider[802]. Handwerksmeister wie Maurer und Zimmerleute genossen ihr Mahl am Tisch des Spitalvaters, genauso wie Ratsherren und Bürgermeister, wenn sie im Spital zu tun hatten[803].
Der Wein, den der Spital zu Gerichtstagen und sonst außerhalb der Ordnung aufs Rathaus führte, listete der Schreiber separat auf und zwar als verkauften Wein[804]. Unter den in Rottenburg mit Wein versorgten Personen rangierten die Pfründner mit einem ihnen zustehenden Quantum von durchschnittlich einem Mas[805] pro Tag an der Spitze. Manchem Sonderpfründner reichte der Rebensaft aber immer noch nicht aus, so daß er in ein zusätzliches tägliches Mas in Form eines Leibgedings investierte[806]. Besonders aufschlußreich für den Weinverbrauch sind die Rechnungsbücher des Rottenburger Spitals auch insofern, als in ihnen ab 1609 getrennte Angaben über den Weinverbrauch von Pfründnern, von Bediensteten und Armen sowie über des Spitalvaters Tisch stehen. Durch diese Aufgliederung des Hausbrauchs kann nicht nur auf die Personenzahl innerhalb der einzelnen Gruppen zurückgeschlossen werden. Auch gewisse Aufschlüsse über soziale Unterschiede sind möglich. Allerdings unterscheiden die Rechnungsbücher nicht zwischen Sonder- und Gemeinen Pfründnern, sie geben lediglich den Verbrauch der Pfründner im Gegensatz zu jenem der Bediensteten und Armen an. Für Horb hingegen sind die Verbrauchsmengen einzelner sozialer Gruppen im Spital nicht aufgeschlüsselt. Insofern sind die Rottenburger Angaben ein Glücksfall.
Da der Rottenburger Schreiber seit 1609 zwischen den verschiedenen Personengruppen im Spital hinsichtlich ihres Weinverbrauchs unterschied, kann auf Grund der Weinmenge auf deren Anzahl zurückgeschlossen werden. Dazu müssen Zufallsbelege mit dem Verbrauch verglichen werden. Für das Jahr 1621 ist eine Anzahl von 23 Pfründnern bekannt, die für entgangene Heringe in der Fastenzeit durch einen Geldbetrag entschädigt werden mußten. Damals teilte der Keller den Pfründnern 122 Ohm zu. Jeder einzelne hätte das Jahr über also 5,3 Ohm (5,9 Hektoliter) zur Verfügung gehabt. Aufgrund der Untersuchungen von Ute Ströbele ist bekannt, daß jedem Pfründner im Durchschnitt 1,1 bis 1,4 Liter täglich zustanden, aufs Jahr gesehen 401,5 bis 511 Liter[807]. Die Belege über Verbrauchsmengen lassen folglich darauf schließen, daß die Pfründner den ihnen zustehenden Wein tatsächlich voll in Anspruch nahmen und auch zugeteilt bekamen. Möglicherweise war dieses Quantum in einigen Jahren sogar höher, als auf Grund einer Auswertung der Pfründverträge anzunehmen wäre.
Wenn die Pfründner ihre Weinrationen tatsächlich verbrauchten, so kann aufgrund der von ihnen getrunkenen Menge auf ihre Anzahl zurückgeschlossen werden[808]. Für 1626 lassen sich beispielsweise 31 Pfründner errechnen, eine Zahl, die für dasselbe Jahr anderweitig belegt ist. In derselben Weise lassen sich die für 1622 vorgegebenen 26 Pfründner bestimmen. Leider gibt es in den Spitalrechnungen der 40er, 50er und 60er Jahre des 17. Jahrhunderts keine Angaben, die eine Überprüfung der für diese Jahrzehnte errechneten Pfründnerzahlen erlauben würden. Im Katastrophenjahr 1644 (v.a. Rechnungsjahr 1643) ist zwar von 8 Pfriendtner die Rede, diese erhielten aber nur acht Ohm Wein. Aus dem 1643 reduzierten Quantum kann aber nicht geschlossen werden, daß die Reduktion in den folgenden Jahren und insbesondere in der Nachkriegszeit erhalten blieb. Vielmehr dürfte davon auszugehen sein, daß die Pfründner ihre vertraglich zugesicherte Weinration so bald wie möglich wieder voll auskosten konnten. Für sie wird in diesen Krisenjahren gegolten haben, was der Rat den Armen 1602 angesichts einer Mißernte zusicherte, als er ihre Tagesrationen halbieren ließ: …mit Versprechen, wann wider bessere Jar volgen, man inen widerumben völligen Wein geben werde[809]. Offen bleibt die Frage, ob die Pfründner ihr Weinquantum selbst tranken oder es zum Teil weiterverkauften. Ein solcher Rückkauf ist im Rechnungsbuch von 1589 verbucht, als ihnen der Spital zwar 190 Hektoliter ausschenkte, 6,9 Hektoliter wieder zurückkaufte.
Schwieriger als bei den Pfründnern sind Aufschlüsse über die Anzahl und den Weinverbrauch der Armen und der Ehehalten zu gewinnen. Die Anzahl der Ehehalten ist zwar aus der Rubrik Dienerbesoldung zu ermitteln, über die ihnen zugestandene Weinmenge erfahren wir allerdings wenig. Da der Weinverbrauch der Ehehalten mit demjenigen der Armen zusammen verrechnet ist, können Aussagen über die Anzahl der Armenpfründner nur gemacht werden, sofern sich ihr jeweiliges Verhältnis zur Zahl der Ehehalten und deren Verbrauch klären läßt. Die Armenpfründner scheinen 1604 ein Viertel Mas Wein (0,38 Liter) und an Festtagen ein halbes Mas (0,77 Liter) bekommen zu haben[810]. Dieses Quantum wurde aber offenbar erst 1602 im Zusammenhang mit der damaligen Mißernte und in Anbetracht des Umstandes, daß Armenpfründner keinen rechtlichen Anspruch auf ihre Weinration hatten, eingeführt[811]. Seitdem bekamen sie an den vier hohen Festen und an den vier Quatembern iede drey Tag alle Tag ain gantze Mas, doch mit Versprechen, wann wider bessere Jar volgen, man inen widerumben völligen Wein geben werde[812]. Außer einem Viertel Mas an 365 Tagen bekam dieser Personenkreis also doppelte Rationen an den zusätzlichen Feiertagen, die Dirlmeier auf 48 beziffert[813] sowie an den 52 Sonntagen im Jahr und nochmals eine halbe Mas zusätzlich in zwei bestimmten Festwochen. Daraus läßt sich ein Jahresverbrauch in Höhe von 119 Mas (1,8 Hektoliter) und ein tägliches Weinquantum von einem halben Liter errechnen. Ute Ströbele gibt aufgrund ihrer Auswertung der Aufnahmebescheide für Armenpfründner des Spitals ein Weinquantum dieser Personengruppe von 0,4 Litern täglich an, wobei sich Unterschiede wegen des von ihr verwandten Umrechnungsfaktors von Mas in Liter ergeben[814].
Um Aufschluß über die Anzahl der Armenpfründner im Rottenburger Spital zu gewinnen, wird davon ausgegangen, daß die Ehehalten des Spitals in etwa gleich viel Wein wie die Armen aufgetischt bekamen. Dafür spricht der Umstand, daß beide Personengruppen in der Spitalrechnung gemeinsam behandelt wurden. Einen weiteren Hinweis gibt der Umstand, daß die Khindts Muetter des Spitals 1604 ein halbes Mas Wein bezog[815]. Und den Handwerksmeistern, die an des Spitalvaters Tisch mitaßen, stand gleichfalls nur ein halbes Mas täglich zu[816]. Dabei scheint die Verpflegung am Tisch des Spitalvaters ein Privileg gewesen zu sein, in dessen Genuß von den Ehehalten nur der Spitalmeister, seine Frau und der Keller kamen. Den Weinverbrauch über den Tisch des Spitalvaters listete der Schreiber in einer eigenen Rubrik auf. Wenn sich der Küfer schon mit einem halben Mas täglich (0,77 Liter) zufriedengeben mußte, dann dürften seine Gesellen, die zusammen mit dem Gesinde versorgt wurden, eher weniger bekommen haben. Verschiedene Indizien deuten darauf hin, daß zumindest hinsichtlich des Weinverbrauchs Spitalknechte, Handwerksgesellen und die Armenpfründner einer sozialen Gruppe angehörten. Tatsächlich waren ja auch die Armenpfründner zur gemeinsamen Feldarbeit mit den Knechten verpflichtet. Knechte scheinen sich auch in den Räumen der Armenpfründner mit aufgehalten zu haben[817]. Einiges deutet auf eine soziale Struktur hin, in der die Reichen Pfründner und einige Gemeine Pfründner die oberste Schicht bildeten, Spitalvater, Gemeine Pfründer und alle an seinem Tisch die Mittelschicht, schließlich Arme Pfründner, Knechte und Handwerksgesellen die Unterschicht. Bisher wird demgegenüber in der Spitalforschung allerdings davon ausgegangen, daß des Spitals Knechte eher mit den Gemeinen Pfründnern gleichgestellt waren[818]. Vermutlich aber bildete das Spitalgesinde insgesamt keine homogene Schicht. Drei der Ehehalten waren ja bereits dadurch höher klassifiziert, daß sie am Tisch des Spitalvaters aßen. Die Berechnung der unter dem Titel Arme und Ehehalten mit Wein versorgten Personen wird zusätzlich erschwert, weil es offenbar üblich war, den Weinverbrauch der Armen und Ehehalten bei schlechten Ernteergebnissen zu verringern.
Bei den folgenden Berechnungen über die Anzahl der im Spital versorgten Armen und Ehehalten müssen also größere Unsicherheitsfaktoren einkalkuliert werden als bei der Berechnung der Pfründnerzahl. Vor allem die Größenordnung für die relativ normalen Perioden vor Kriegsbeginn und nach Kriegsende verspricht interessante Aufschlüsse. Von 1609 bis 1634 läßt sich eine Zahl von durchschnittlich 62 Personen ermitteln. Tiefpunkte bilden dabei die Jahre 1610 und 1628, als Seuchen die Stadt am Neckar heimsuchten. Während der Nachkriegsperiode dann, von 1669 bis 1674 lag der für Arme und Ehehalten errechnete Durchschnitt bei 38 Personen.
Die Gesamtzahl der im Rottenburger Spital verpflegten Pfründner, Ehehalten und Armen samt dem Spitalmeisterehepaar würde sich in der ersten Periode auf 95, in der vierten auf 55 belaufen. Diese Ansicht gewinnt angesichts der Nachricht an Plausibilität, daß 1604 101 oder 102 Personen in der Anstalt verpflegt wurden[819]. Die im Rechnungsbuch 1580 enthaltenen Angaben reichen aus, um die Anzahl der Pfründner, Armen und Ehehalten mit 76 beziffern zu können, 1589 waren es 69. Im Kommissionsbereicht von 1604 belegen einige Zeugenaussagen eine Anzahl von 70 Personen, während andere wie erwähnt bis zu 102 angaben[820]. Vermutlich wurden zusammen mit Armenpfründnern und Ehehalten jene Personen verköstigt, die nicht zu den Spitalinsassen zählten. Dabei ist vor allem an Handwerksgesellen, Erntehelfer und durchreisende Arme zu denken. Möglicherweise erhielten aber die Ehehalten ein größeres Weinquantum als vermutet. Die allgemeine Bevölkerungsdezimierung während des Dreißigjährigen Krieges läßt auch die für die vierte Periode errechneten Zahlen plausibel erscheinen.
Insgesamt muß wohl aufgrund der Weinverbrauchsziffern davon ausgegangen werden, daß seit Beginn des 17. Jahrhunderts bis zum Wirksamwerden des Krieges zwischen 90 und 100 Menschen im Rottenburger Spital lebten. Im letzten Drittel des Jahrhunderts kann mit halb so vielen Menschen gerechnet werden. Von diesen 50 standen nachweisbar 16 bis 18 als Bedienstete auf der Besoldungsliste der Anstalt. Da mit 14 Pfründnern gerechnet werden kann, beliefe sich die Anzahl der Armen auf 18 bis 20. Nach Kriegsende wäre somit der Anteil der Armenpfründner an der Gesamtzahl der Spitaliten gestiegen.
Aufgrund dieser Überlegungen läßt sich für die Sonderpfründner ein tatsächlicher Weinverbrauch von einem Mas pro Tag und damit fünf Ohm fünf Mas im Jahr vermuten. Die Armenpfründner und Ehehalten genossen durchschnittlich 0,326 Mas pro Tag beziehungsweise ein Ohm 47 Mas im Jahr. Während damit die untere soziale Gruppe jährlich nur etwa halb so viel Wein verbrauchte, wie Dirlmeier als hypothetischen Durchschnittsverbrauch errechnete[821], reichte er bei der oberen sozialen Gruppe an das Doppelte dieses Wertes heran. Dabei sollen die Armen eher mehr als weniger erhalten haben[822].
Für die Beurteilung des Fleischverbrauches im Rottenburger Spital empfiehlt sich die Einteilung in die allgemeinen Verbrauchsperioden, wobei allerdings die letzte zwei Jahre später als die entsprechende beim Weinverbrauch beginnt. Durchschnittlich betrug der Fleischverbrauch etwa 120 Zentner. Während der ersten Periode verbrauchten die vom Spital Verköstigten im Durchschnitt 170 Zentner. Dabei zeichnet sich, ähnlich wie beim Weinverbrauch, ein vorübergehender Boom zwischen 1604 und 1609 ab. Es folgte ein kontinuierlicher Abschwung unter einen Wert von 140 Zentnern. Die Periode beendete ein kurzer Boom 1633.
Auch die anschließende Periode (zwischen 1635 und 1639) stimmt in ihrer Entwicklung mit derjenigen des Weinverbrauchs überein. Damals sank der Fleischkonsum auf die Hälfte verglichen mit jenem im Basisjahr, also auf etwa 100 Zentner. In diesem Zeitraum begann der Dreißigjährige Krieg, nach kaum merkbaren Einflüssen ab 1629, sich nachhaltig auszuwirken. Noch katastrophaler ging es während der letzten Kriegsperiode (1640-1648) bergab. In ihr verbrauchten die Spitalinsassen nurmehr etwa ein Sechstel der Vorkriegsmenge. Diese Periode niedrigsten Fleischkonsums dauerte zwei Jahre länger als diejenige des Minimalverbrauchs an Wein. Nach Kriegsende konsumierten die Spitaliten etwas weniger als halb so viel Fleisch wie in der Basisperiode. Auffällig ist auch hier die zum Weinverbrauch parallele Entwicklung.
Von den 101 bis 102 Personen, die der Rottenburger Spital 1604 speiste, erhielt angeblich jeder ein halbes Pfund Fleisch. Diese vom damaligen Spitalmetzger Bartholomäus Sultzer angegebene Menge stellt sich ganz anders dar, wenn ihr die Pfründverträge entgegengehalten werden. Denen zufolge erhielten Sonderpfründner zwei Mal täglich ein halbes Pfund, Gemeine Pfründner ein Mal täglich ein halbes Pfund und nur sonntags das Doppelte. Spitalarme bekamen zwar prinzipiell dieselben Rationen wie die Gemeinen Pfründner, aber die ausgeteilten Mengen waren dabei nicht festgelegt[823]. An Wurstsorten, die er nach dem Schlachten herstellte, nannte der Spitalmetzger 1604: Kesselwürste, Bratwürste, Leberwürste und Blutwürste. Das Fleisch ließ die Anstalt in aller Regel kochen, vermutlich, wegen der besseren Kaloriennutzung. Nur bei besonderen Anlässen gab es Brates.
Die von Dirlmeier vermutete Anzahl von 230 Fleischtagen pro Jahr[824] kann am Beispiel des Rottenburger Spitals erhärtet werden. Zum einen nennt die Spitalordnung ausdrücklich fünf Fleischtage pro Woche[825]. Zum anderen enthält ein in das Rechnungsbuch von 1605 eingelegter Notizzettel eine Aufteilung des damaligen Fleischkaufs von 15491 Pfund (7281 Kilogramm) auf die einzelnen Wochen und Tage. Das luxuriösere Nahrungsmittel gab es in 46 Wochen des Jahres. Täglich tischte der Spital seinen Kostgängern 67 Pfund Fleisch auf, demzufolge an fünf Tagen pro Woche Fleisch auf den Tisch kam. Freitag und Samstag waren fleischfrei, ebenso die sechswöchige Fastenzeit vor Ostern[826]. Diese Verhältnisse spiegeln sich auch in einer Einkaufsliste wieder, die dem Hausbuch von 1612 inseriert ist.
Beim Dinkelverbrauch zeichnet sich eine Einteilung in etwa dieselben Perioden wie beim Fleischkonsum ab, Verschiebungen ergaben sich höchstens im Rahmen von ein bis zwei Jahren. Im Durchschnitt verbrauchte der Rottenburger Spital etwa 55 Tonnen Dinkel jedes Jahr. Während der ersten Periode waren es um die 80 Tonnen. Dabei ist innerhalb der Periode in etwa dieselbe Entwicklung wie beim Wein und beim Fleisch festzustellen. Allerdings dauerte der erste Vorkriegsboom länger, nämlich bis 1612. Die lange rückläufige Entwicklung bei den beiden anderen Verbrauchsgütern schlug bereits damals in eine Aufwärtsbewegung um, die ihren Boom aber erst 1634 erreichte.
Der folgende Abschwung begann zwei Jahre später und dauerte nur zwei Jahre lang. Er führte zu einem um etwa ein Drittel reduzierten Verbrauch. Anschließend sank auch dieser Konsumwert weiter. Bis zum Kriegsende blieb der Dinkelverbrauch mit ungefähr einem Drittel des Wertes im Basisjahr aber relativ höher als jener von Fleisch und Wein. Nach Kriegsende benötigte die Anstalt wieder mehr als die Hälfte an Getreide.
Pro Woche, so gab der Rottenburger Spitalkeller bei einer Befragung 1604 an, müsse er den Pfründnern 300 Laib Brot auftragen[827]. Jeder Laib wiege acht Pfund, so die damalige Angabe. Das entspräche etwa 3,76 Kilogramm[828]. Daß diese Menge allerdings nur den Reichen Pfründnern zugute kam, ist eher unwahrscheinlich. Von den 161 Kilogramm je Tag hätte sonst jeder fast 5,4 Kilogramm erhalten. Vermutlich nannte der Keller die Brotration an alle Spitalinsassen und sonstigen Kostgängern. Jede Woche bezogen Menschen außerhalb des Spitals weitere 50 Laib Brot, vermutlich als Leibgeding zum Preis von 80 oder 90 Gulden. Dies erregte bei der Untersuchung 1604 Unmut: Dem Spital sey nit Nutz, das man das Brot daraus verkhaufe. Derselben Quelle zufolge mußte der Spital darüberhinaus des Jars von frembden Personen in die 4000 speisen. Zusätzlich zu den 100 Personen in der Rottenburger Anstalt nahmen also etwa 15 Durchreisende Tag für Tag dessen Dienste in Anspruch. Arbeiter, Handwerker sowie Erntehelfer und Brotlieferungen an das Rathaus, des weiteren an die Häuslin-Pfründe, später auch an die Sondersiechen[829], belasteten den Brotaufwand zusätzlich. Diese über den Spitalbedarf hinausgehenden Brotlieferungen betrugen 1596 an die Häuslin-Pfründe 342 Laib sowie im Mai und an Michaelis (29. September) 17 Laib an das Rathaus. Der möglicherweise verordnete, vielleicht sogar bezuschußte Brotpreis lag konstant bei acht Kreuzern. Brotverkäufe in den 1650er Jahren, wiederum über 300 Laib jedes Jahr, kamen damals vor allem den Sondersiechen zugute. Von den anno 1672 verkauften 429 Laib bezogen die Armen im Gutleuthaus 225 Stück um acht Kreuzer und die Stadtfröner 204 Stück zu einem nochmals auf dann fünf Kreuzer subventionierten Preis.
Während des gesamten Dreißigjährigen Krieges zog das Rottenburger Stadtgericht die Anstalt zur Versorgung der anderen Armenstiftungen mit Brot um den Einheitspreis von acht Kreuzern heran. Daran war nichts zu verdienen, vielmehr handelte es sich um eine sozialpolitische Maßnahme. Deren Charakter entpuppte sich vollends am 23. Mai 1669, als eine ordentliche Abrechnung dem Gutleuthaus 919 Gulden von seinen 1149 Gulden Brotschulden erließ. Diese Abschreibung begründeten die städtischen Gerichtsmitglieder damit, daß das Gutleuthaus Personen versorgt habe, deren Unterhaltung eigentlich Sache des Spitals gewesen wäre. Von solchen Personen war schon in dem Kommissionsbericht von 1604 zu lesen. Für den Restbetrag mußte die Gutleuthauspflege 1669 ihre fünf- und sechsteiligen Weingärten im Braitenhart, die auf 200 Gulden geschätzt wurden, an den Spital abtreten.
In welchem Verhältnis zueinander entwickelten sich die verschiedenen Verbrauchsmengen in Rottenburg? Dieses Verhältnis läßt einerseits Rückschlüsse auf die Lebensverhältnisse im Untersuchungszeitraum zu, andererseits liegt es der Gewichtung des Warenkorbs zur Preisbereinigung zu Grunde. Auffällig ist zunächst einmal die parallele Entwicklung aller drei Verbrauchsmengen. Das zeigt sich auch anhand der gleichartigen Periodisierung. Dieser Umstand macht die ermittelten Werte recht plausibel, weil sich dieses konstante Moment durch die Spitalitenzahl erklären läßt. Allen drei Reihen sind folgende Merkmale gemeinsam: mit Beginn des Datenmaterials bis 1597 beim Wein sowie beim Fleisch und bis 1598 beim Dinkel kann eine Aufwärtsbewegung beobachtet werden, ohne daß freilich deren Vorverlauf absehbar wäre. Allen drei Reihen ist dann die erste Periode gemeinsam, die bis 1634/35 anhielt. Während dieser ersten Periode kam es aber bereits zu den eigentlich interessanten Schnittpunkten zwischen den Reihen. Während dabei die beiden elastisch nachgefragten Güter Wein und Fleisch in etwa parallel verliefen, schnitt der Dinkelverbrauch beide Kurven, diejenige des Fleischverbrauchs zuerst 1622, dann die des Weinverbrauchs 1627. Es bleibt für diese Periode also festzuhalten, daß seit 1622 der Fleischkonsum im Verhältnis zum Dinkelkonsum abnahm und daß seit 1627 auch der Weinkonsum relativ geringer wurde. Während dieser ersten Periode kam es zwischen etwa 1604 und 1609 zu einem teils beträchtlichen Boom, der allerdings in erster Linie den Weinverbrauch in die Höhe trieb. Dies spricht vor allem für eine Zunahme der Reichen Pfründner, da bei Fleisch und Dinkel nur geringere Zunahmen zu verzeichnen sind. Während in der Folgezeit die Verbrauchsmengen allgemein zurückgingen, stieg der Dinkelverbrauch seit 1622 wieder eher an. Es scheinen damals also mehr Menschen im Spital mit weniger Luxus versorgt worden zu sein.
Auch die anhand des Weinkonsums errechnete Anzahl von Pfründnern im Rottenburger Spital gibt einen Hinweis auf die Brauchbarkeit dieser Periodisierung. Für die erste Periode kann von einer Anzahl von normalerweise 30 Pfründnern ausgegangen werden[830]. 1634 waren es 31. Fehler gefährden diese Berechnungen vor allem deshalb, weil das Weinquantum jedes einzelnen Pfründners individuell vereinbart war, so daß langfristig der durchschnittliche Weinverbrauch pro Pfründner Schwankungen unterworfen gewesen sein könnte. Die Größenordnung der Pfründnerzahl dürfte aber stimmen. Das trifft auch auf den Pfründner-Boom 1609 zu, als 39 Personen dieser Gruppe in der Anstalt versorgt wurden. Daß der Spital so viele Pfründner versorgen konnte und tatsächlich auch versorgte, bestätigt ein Hinweis im Rechnungsbuch 1580, wo 41 Pfründner genannt werden. Einbrüche in die Pfründnerzahl gab es 1620 auf 20 und 1628 auf 24. Während der letztere ziemlich sicher auf die sterbenden Leuf, also auf Infektionskrankheiten, zurückgeführt werden kann, wegen denen die Badstube des Spitals damals geschlossen werden mußte[831], kann für 1620 nur eine ähnliche Ursache vermutet werden.
An diese lange Vorkriegsperiode schloß sich die relativ kurze Übergangszeit der ersten Kriegswirkungen in Rottenburg an. Während diese bei den elastisch nachgefragten Produkten bereits 1635 einsetzte und bis 1639 reichte, dauerte sie beim Dinkel lediglich zwei Jahre. Sie ist durch einen rapiden Rückgang der im Spital verbrauchten Lebensmittel gekennzeichnet. Dies ging mit einem Rückgang der Zahl Versorgter einher. Für das Jahr 1635 sind nur noch 18 Pfründner zu errechnen. Möglicherweise mußte in dieser Periode auch angesichts von Quartierlasten die Weinration verringert werden.
Es folgte ein noch weiterer Einbruch der konsumierten Nahrungsmittel, der bei Dinkel und Fleisch bis 1648, beim Wein zwei Jahre länger dauerte. Während dieser Zeit blieb der Dinkelverbrauch deutlich (etwa doppelt) über jenem von Fleisch und Wein. Durchschnittlich sieben Pfründner dürften in den Genuß dieser Zuteilungen gekommen sein, für das Jahr 1643 lassen sich acht nachweisen.
Auch die Nachkriegsperiode seit 1649 beziehungsweise 1651 beim Wein ist durch die Dominanz des Dinkelverbrauchs gekennzeichnet, wobei die Parallelität aller drei Reihen besonders ins Auge fällt. Damals verbrauchten die Spitaliten nur noch 40 Prozent so viel Wein, halb soviel Fleisch und 60 Prozent soviel Dinkel wie im Basisjahr. Die Dominanz im Verbrauchsverhalten wechselte nach dem Dreißigjährigen Krieg also eindeutig von den elastisch nachgefragten Gütern zum Grundnahrungsmittel Dinkel. Die Zahl von 14 Pfründnern, die sich errechnen läßt, hätte sich im Vergleich zur Vorkriegszeit mehr als halbiert.
Verbrauchsverhalten des Horber Spitals
In Horb zeichnen sich exakt dieselben Perioden wie in Rottenburg ab. Die vom Spital Verköstigten verbrauchten im Durchschnitt der Jahre etwa 71 Hektoliter Wein, bedeutend weniger als in der Nachbarstadt. Während der ersten Periode vor dem Wirksamwerden des Krieges tranken die Spitaliten – von vier Ausnahmen abgesehen – stets mehr als ein halbes Hundert Hektoliter. Allerdings sagt das Quantum alleine noch nichts über den Wert der Zuteilung aus. Denn bereits damals konnte die Qualität des Rebensaftes in den Bechern der Armen mit jener des Pfründnerweines nicht mithalten, wie der folgende Vers an einen Spitalmeister dokumentiert: Schenk inen ein den gut Wein/ So wirt es vor Gott ein Lob sein/ Aber ich sorg du werdes des vergessen/ Und werdes nemen die sauren Fleschen[832]. Zwei Booms beim Weinverbrauch, der erste langanhaltende zwischen 1613 und 1625 und ein zweiter zwischen 1630 und 1634 finden ihre Parallele und ihre Erklärung in den Pfründverkäufen. Mehrere neu eingenommene Pfründner trieben damals wegen ihrer hohen Zuteilungen den Weinverbrauch in die Höhe. Während der anschließenden ersten Kriegsperiode sank er wieder auf die Hälfte. Eine Ausnahme bildete das Jahr 1636 mit einer Verdoppelung des Weinausschanks. Einquartierte Soldaten nahmen damals die Dienste des Kellers in Anspruch. Die zweite Kriegsperiode erstreckte sich in Horb bis circa 1652. Damals erreichten die Weinaufwendungen den niedrigsten Stand im Untersuchungszeitraum mit weniger als der Hälfte des Quantums vor dem Wirksamwerden des Krieges. Erst nach dem Abzug fremder Besatzungstruppen aus Südwestdeutschland schenkte die Anstalt wieder recht ansehnliche Weinmengen aus, an die 80 Prozent des Wertes im Basisjahr. Die erneut gute Versorgungslage wurde durch einen enormen qualitativen Sprung im Jahr 1653 erreicht.
Beim Fleischverbrauch in der Horber Anstalt zeichnen sich in etwa dieselben Perioden wie beim Weinkonsum ab. Durchschnittlich verbrauchten die Insassen jedes Jahr 162 Zentner. Ein Viertel mehr war es während der Vorkriegsperiode. Eine Nachricht über das Jahr 1597 nennt als Verbrauch pro Fleischtag 63 Pfund, was damals allerdings als zu hoch eingeschätzt wurde[833]. Parallel zu den beiden Booms in dieser ersten Periode beim Weinverbrauch stiegen auch die Fleischaufwendungen.
Anschließend setzte die Periode niedrigsten Verbrauches ein, die bis zum Kriegsende dauerte und Konsumwerte von lediglich etwa einem Viertel brachte. Als Phase der Erholung können dann die Jahre von 1650 bis 1659 bezeichnet werden, als die Fleischverbrauchswerte wieder auf über 40 Prozent stiegen. In der folgenden Periode bekamen die Spitaliten weiterhin nur halb so viel des elastisch nachgefragten Nahrungsmittels zu essen, wie im Basisjahr.
Auch die Horber Anstalt verbrauchte als Brotgetreide in erster Linie Dinkel. Im langjährigen Mittel wandte sie fast 24 Tonnen dieses wichtigsten Brotgetreides der Frühen Neuzeit für ihre Kostgänger auf. Dazu kamen weitere sieben Tonnen Roggen, die zum großen Teil ebenfalls im Mischbrot jener Jahre verbacken wurden. Diesem gemeinsamen Verwendungszweck entsprechend entwickelten sich der Dinkel- und Roggenverbrauch nahezu parallel, weshalb beide Reihen hier gemeinsam dargestellt werden. Als erste Periode läßt sich dabei der im Vergleich zu den Luxusgütern viel einheitlichere Zeitraum zwischen 1607 und 1635 definieren. Im Jahr 1600 verbrauchte der Horber Spital wöchentlich drei Malter Roggen und 14 Malter Vesen, angeblich mer als zu Rottenburg[834]. Dabei zeichnet sich der zweifache Boom der elastisch nachgefragten Produkte während der Vorkriegsperiode sehr viel gemäßigter ab, mit Höchstwerten, die lediglich knapp 40 Prozent über dem Ausgangsniveau lagen.
Mit dem Jahr 1636 erst, zwei Jahre später als bei Fleisch und Wein und ohne deutlichen Einschnitt im Jahr zuvor, begann die kriegsbedingte Depression, die sich bis 1649 hinzog. Damals verbrauchte der Bäcker aber in aller Regel immerhin noch etwa die halbe Dinkelmenge und ein Drittel Roggen. Lediglich das Jahr 1647 brachte beim Dinkel einen Rückgang unter diesen Wert. Parallel zur Entwicklung beim Fleisch scheint die Gliederung der Nachkriegszeit in zwei Perioden mit einer Grenze im Jahr 1660 sinnvoll zu sein. Während der ersten Nachkriegsperiode stieg der Getreideverbrauch zunächst nicht wesentlich an, ein Zeichen für die relative Stabilität der Horber Versorgungsleistung während der Krisenjahre des Dreißigjährigen Krieges. Die zweite Nachkriegsperiode brachte dann eine Erholung auf nahezu 70 Prozent des Wertes im Basisjahr. Ein leichter Boom kennzeichnet dabei die Jahre 1661 bis 1669.
Zusammengefaßt stellt sich die Periodisierung des Verbrauchsverhaltens in Horb schwieriger dar als in Rottenburg. Die erste Periode ist es insbesondere, an deren Ende kein einheitlicher Einschnitt bei allen Verbrauchsgütern steht und die beim Getreide bis 1635 dauerte. Aus jener Periode gibt es eine Angabe über die Anzahl der Spitaliten. In der unteren Stube lebten 1607 selten mehr als zehn oder 12 Personen, wohingegen es früher angeblich bis zu 40 gewesen wären[835]. Unter der damaligen Mißwirtschaft scheinen besonders die Armen gelitten zu haben: den Spital nimpt man an die Hand/ und schlet die Armen an die Wand,… ach Gott, laß des dich erbarmen/ so gat man umb mit den Armen[836]. Angeblich bekamen sie nur die schlechten Reste: Des besten dut er (der Spitalmeister) vergessen/ Des missen darnach die Armen gessen[837]. Ein Spitalit beklagte sich 1607 darüber, daß die Verwalter nicht einmal die Stiftungen einhielten. So hätten sie schon im dritten Jahr das Maimahl nicht ausgerichtet, welches aus einer Suppe, einem Stück gebratenen Fleisches und einer halben Mas Wein bestand. Auch der Pfründwein, der vor Jahren wöchentlich aus anderthalb Mas bestanden habe und sonntags ein weiteres halbes Mas umfaßte, sei gemindert worden. Gleiches traf auf die Rationen während der Arbeitsperioden Heuen, Ömden und Holzhauen zu, wo jeder einst ein halbes Mas bekommen hatte. Jetzt gebe man jedem allein am Sontag die halb Maß saurn Wein, die Wochen nichts. Und dies, obwohl Bürgermeister Hettinger befohlen habe, ihnen den Wein nur zu halbieren. Auch die Eier, die jeder in der Zeit von Ostern bis St. Johannes im Sommer (24. Juni) samstags erhalten sollte, fielen aus[838].
Im Vergleich zu Rottenburg entfällt auch die Zwischenperiode vor der eigentlichen Depression. Da diese Depression in Horb nicht in dem Ausmaß wie in Rottenburg einsetzte, schloß sich gleich an die Basisperiode jene der Niedrigstwerte an, wobei es zu einer Scherenbildung zwischen dem Verbrauch an elastisch nachgefragten Produkten und jenem an Getreide kam. Bereits 1634 sanken der Wein- und Fleischverbrauch relativ unter jenen von Dinkel. Nach dem Krieg erreichte das Getreide wieder Werte von etwa 70 Prozent des Basisjahres, das Fleisch lediglich etwa 60 Prozent. Beim Weinverbrauch zeichnet sich eine langanhaltende Zunahme ab. Im Spital gab es schließlich wieder 80 Prozent der Vorkriegsmenge zu trinken.
Rückschlüsse auf individuelle Verbrauchswerte oder auf die Anzahl der Spitaliten lassen sich aufgrund der schlechteren Quellenlage in Horb leider kaum treffen. Lediglich für die Jahre 1620 und 1621 konnten den Rechnungsbüchern Angaben über 18 bzw. 19 Arme unten im Spital und im Seelhaus entnommen werden. Auf der Besoldungsliste standen samt dem Spitalmeister, jedoch ohne Pfleger und Schreiber, meist etwa 15 Personen.
Bedienstete in Horb a.N. | |
JAHR | ANZAHL |
1607 | 15 |
1616 | 13 |
1641 | 14 |
1658 | 14 |
Generell ist beim Fleischverbrauch und bei den sonstigen Verbrauchswerten weiterhin zu berücksichtigen, daß zu den Verbrauchern im Dreißigjährigen Krieg auch einquartierte Soldaten gehören konnten. So ging in Horb 1634 ein Drittel des erkauften Weines an Soldaten. 1637 waren nachweislich Soldaten in der Anstalt einquartiert und im selben Jahr taucht eine Weinausgabe von drei Fuder 11 Legel an Schwedische Truppen auf, die jedoch extra verbucht wurde. Von den zwei Kompanien eines französischen Regiments, die 1648 in Horb überwinterten, war vom 25. November 1648 bis zum 16. Februar 1649 ein Korporal mit neun Pferden – damit sind seine berittenen Soldaten gemeint – einquartiert. Die durch Einquartierungen verursachten Effekte sind leider im einzelnen nicht immer und vollständig nachvollziehbar.
Verbrauchsverhalten des Herrenberger Spitals
Für den Herrenberger Spital läßt sich Sinnvolles über Verbrauchsmengen nur für den Zeitraum von 1590 bis 1637 aussagen. Anschließend nämlich gab Herrenbergs Anstalt die Versorgung von Spitaliten auf. Erst wieder in den 1660er Jahren beherbergte sie erneut Menschen.
Der Weinverbrauch in Herrenberg ist mehr noch als im Falle der hohenbergischen Spitäler durch den Bedarf der Reichen Pfründner geprägt; deren Anzahl entschied über die Nachfrage. Im langjährigen Durchschnitt schenkte der Spitalmeister an acht Pfründner 42 Hektoliter aus. Es zeichnet sich grob eine ähnliche Periodisierung wie in Rottenburg und Horb ab, vor allem in Form der Zäsur des Jahres 1634. Vor dem Wirksamwerden des Krieges kam es dabei zwischen 1596 und 1605 zu einer langanhaltenden Depression, während der mit der Anzahl reicher Pfründner auch der Verbrauch von elastisch nachgefragten Gütern abnahm. Ihr folgte eine normale Zeit mit acht Pfründnern. Die vermehrte Aufnahme von Pfründnern leitete 1612 einen Aufschwung ein, welcher sich dann ab 1619 zu einem kräftigen Boom aufgipfelte. Abrupt ging dann die Zahl der reichen Pfründner im Jahr 1635 zurück, weshalb nur noch ein Fünftel des Weines benötigt wurden. Ab 1638 ließ der Herrenberger Spital seinen Kostgängern keinen Wein mehr ausschenken.
Im Falle des Herrenberger Spitals findet sich also eine deutliche schichtspezifische Weinzuteilung. Diese war so extrem, daß die Armen und die Siechen seit Ende des 16. Jahrhunderts nur noch 57 Liter Wein am Christtag, an Ostern und an Pfingsten erhielten. Dann entfiel im Laufe des 17. Jahrhunderts auch diese geringe Getränkezuteilung. Lediglich Arme, die krank wurden, kamen hin und wieder in den Genuß des Rebensaftes. Welches Getränk schließlich an seine Stelle trat, kann den Rechnungsbüchern nicht entnommen werden. Dies läßt darauf schließen, daß die Herrenberger Anstalt den Ersatz selbst produzierte. Zu denken ist an Wasser, Bier oder Most. Einzelne Hinweise auf die beiden letztgenannten Getränke sind tatsächlich vorhanden. So machte der Spitalmeister mitunter Kosten für das Austrucken von Most[839] geltend und erstand ab und zu Hopfen[840]. Beide letztgenannten Getränke gehören zu den während der Frühen Neuzeit vorwiegend privat hergestellten. Da der Herrenberger Spital sowohl eine erhebliche Menge Zehntobst jedes Jahr gewann, als auch über die Grundstoffe zum Bierbrauen verfügte, kann das generelle Fehlen entsprechender Kosten in den Rechnungsbüchern erklärt werden. Für einquartierte Soldaten kaufte er auch hin und wieder Bier[841]. Angesichts der besonderen Herrenberger Verhältnisse, wo der Weinbau weniger günstige Voraussetzungen als im Neckartal hatte, mußte der Wein als besonderes Luxusgut gelten, welches in den Mangeljahren des 17. Jahrhunderts nur den Reichen Pfründnern zugute kam. Entsprechend fragwürdig wird in diesem Fall natürlich das für die Gewichtung des Warenkorbes zur Preisbereinigung gewählte Verfahren, da die Weinpreise praktisch nur nach den von den reichen Pfründnern verbrauchten Mengen gewichtet werden. Diese hatten nämlich einen vertraglichen Anspruch auf eine bestimmte Weinration, was sich 1632 zeigte, als sie eine Geldentschädigung erhielten, weil zu wenig alter Wein vorhanden und der neue zu sauer war. Mit ihnen gleichgestellt waren auch der Spitalvater und seine Frau, die jährlich 883 Liter Wein ausgeschenkt bekamen. In aller Regel durften auch die beschäftigten Handwerker etwa 300 Liter Wein trinken, das Gesinde nur kärgliche 50 Liter, die Erntehelfer, Metzger und Wäscherinnen gleichfalls geringe Mengen. Somit fehlt der Kostenanteil sozial Schwächerer beim Getränkeverbrauch, während er in den sonstigen Verbrauchsmengen berücksichtigt wird.
Die Entwicklung des Fleischverbrauches im Herrenberger Spital weicht von jenem des Weines deutlich ab. Dies hängt mit dem Umstand zusammen, daß in Herrenberg praktisch nur die Reichen Pfründner in den Genuß von Wein kamen, wohinhingegen auch Bedienstete, Arme und Sieche Fleisch auf ihren Tellern fanden. Deshalb prägten aufgenommene Reiche Pfründner dieses Verbrauchsverhalten nicht mehr alleine. Die Periodisierung läßt sich indessen gleich wie beim Weinverbrauch wählen. Durchschnittlich tischte der Herrenberger Spitalvater seinen Anvertrauten jedes Jahr 58 Zentner Fleisch auf. Anfangs war dies sogar noch deutlich mehr. Auch beim Verbrauch dieses Produktes zeigt sich der bereits beim Wein beobachtete Abschwung im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts. Es schloß sich eine regelrechte Depression seit 1596 an. Im Gegensatz zum Rebensaft blieb deren Normalniveau aber bis 1618 im wesentlichen erhalten. Einem unvermittelten Boom auf 140 Prozent 1620 folgte ein langgezogener Abschwung bis zum Wirksamwerden des Krieges, währenddessen die Spitalbewohner und deren Gäste meist weniger als 70 Prozent der normalen Fleischmenge verspeisten. Auch beim Fleischkonsum brachte dann das Jahr 1635 den entscheidenden Einschnitt. Von da an gingen die Verbrauchswerte schnell auf Null zurück.
Innerhalb eines Jahres war der wöchentliche Fleischverbrauch sehr unterschiedlich. In der Fastenzeit wurde christlichem Selbstverständnis zufolge kein Fleisch konsumiert, während etwa in Festwochen und während der Erntezeit die Köchin mehr Fleisch im Spital briet oder kochte. Außerdem ist ein ständiger Wechsel bei der Anzahl der Spitaliten zu beobachten, da einige starben, andere aufgenommen wurden.
An Getreide verbrauchte die Herrenberger Anstalt für die Ernährung ihrer Kostgänger, wie in den beiden anderen Spitälern auch, hauptsächlich Dinkel und Roggen. Etwa 12 Tonnen Dinkel und drei Tonnen Roggen sättigten sie jedes Jahr. Beim Getreideverbrauch zeichnen sich in etwa dieselben Perioden ab, wie beim Verbrauch der elastisch nachgefragten Güter, wenn auch die Amplituden weit weniger ausgeprägt sind. Die Depression vor 1606 mit etwa 70 Prozent läßt sich indessen deutlich erkennen. Während des langanhaltenden Booms vor dem Wirksamwerden des Krieges stiegen die Verbrauchsmengen beim Dinkel um etwa ein Fünftel. Der bei den Luxusgütern beobachtete Rückgang 1635 fiel zunächst wesentlich gemäßigter aus. Bis 1637 sank der Getreidekonsum lediglich auf knapp unter 70 Prozent. Dann allerdings sanken die Werte weiter, nach 1640 unter ein Zehntel. Freilich wurden damit nicht mehr Insassen der Anstalt, sondern Externe versorgt. Als der Spital seit 1662 wieder Menschen direkt verköstigte, blieben deren Zuteilungen unter einem Fünftel. Daß auch der Herrenberger Spital Brot zu subventionierten Preisen austeilte, zeigt sich im Rechnungsbuch des Jahres 1662. Weil damals das Broth zimblich thewr gewesen, ließ das Stadtgericht den Hausarmen und Gmainen Leuth zum Besten Brot in nähen Preis khaufen.
Bei der Untersuchung des Verbrauchsverhaltens im Herrenberger Spital zeigte sich eine bei sämtlichen Nahrungsmitteln in etwa gemeinsame Entwicklung, da die Anzahl der Spitaliten alle Verbrauchsdaten beeinflußte. Dabei ergaben sich verschieden hohe Amplituden, weil sich die verstärkte Aufnahme von Reichen Pfründnern 1606, 1612, 1619 und 1625 weitaus stärker auf den Weinkonsum, als auf den Genuß anderer Waren auswirkte.
Die erste Periode bis 1595 kennzeichnet ein Abschwung auf das Niveau des Basisjahres. Dabei blieb der Fleischverbrauch, relativ zu den anderen Gütern gesehen, überdurchschnittlich hoch. Der Schluß liegt nahe, daß damals die Anzahl der Reichen Pfründner, die mehr Fleisch bekamen, etwa im gleichen Verhältnis wie jene der Gemeinen Pfründner und der Armen abnahm. Dafür spricht auch der Weinverbrauch, der in besonderem Maße von den ersteren abhing. Jene zählten zu Beginn des Untersuchungszeitraumes etwa zehn Personen. Deren Ration belief sich auf jeweils etwa 458 Liter im Jahr, täglich also eineinviertel Liter. Freilich war dieses Quantum jedem individuell zugemessen. Während der ersten Periode starben drei Reiche, welche die Spitalrechnungen als die Pfründner in eigenen Gemachen im Gegensatz zu den Pfründnern in der gemeinen Stuben bezeichnen. Der Weinverbrauch der vier Gemeinen Pfründner ist beim Weinverbrauch nicht berücksichtigt, da dieser in späteren Rechnungsjahren nicht mehr auftauchte. Ihr Quantum scheint nach 1592, vermutlich weil in jenen Jahren die Berechtigten starben, nicht mehr ausgeschenkt worden zu sein. Zunächst hatten sie in etwa halb soviel Rebensaft wie die Reichen zu beanspruchen, 204 Liter je Person und Jahr. Genaues über den Fleischverbrauch der Pfründner läßt sich auch nur insofern aussagen, als sie keine bestimmte Fleischmenge, sondern einen Geldbetrag zum Fleischkauf zugewiesen bekamen, 56 Heller jede Woche. Vor der Jahrhundertwende verköstigte der Spital etwa vier Sieche und 15 Arme[842]. Unter den Armen scheinen sich fünf Kinder befunden zu haben. Jeder Arme, außer den Minderjährigen, bekam etwa 20 bis 21 Mal jährlich an den hohen Festen ein halbes Mas Wein. Für das Jahr 1599 sind an Personal in Herrenberg zwei Knechte, ein Bäcker und zwei Mägde genannt, also fünf Personen zusätzlich zum Spitalvater und seiner Frau. Nicht mit verköstigt wurde der auswärts logierende Waldbauer mit seiner Frau.
Anschließend stagnierte die Zahl Reicher Pfründner bei sechs. Das Verhältnis von Fleisch zu Wein schlug dann im Basisjahr 1609 um. Der Wein gewann unverhältnismäßig an Bedeutung, wohingegen demgegenüber das Fleisch leicht zurücktrat. Allerdings blieb der Fleischkonsum nach wie vor über jenem des Getreides. Verantwortlich für diese Entwicklung war die Aufnahme von drei Reichen Pfründnern, deren Anwesenheit in Zukunft am stärksten den Weinverbrauch, sodann den Fleischverbrauch und am wenigsten den Getreidekonsum beeinflußte. Nach 1612 setzte sich der rasante Aufschwung des Weinverbrauchs durch die Aufnahme dreier zusätzlicher Pfründner fort, begleitet von einem wesentlich abgeschwächten Boom des Fleischverbrauchs.
Eine Wende zwischen Fleischkonsum und Getreidekonsum brachte erst wieder die unmittelbare Zeit vor dem Wirksamwerden des Krieges nach 1619. Gleich 1621 kam es damals zur Scherenbildung zwischen Fleisch- und Getreideverbrauch, vielleicht weil der Spital als Folge der damaligen Teuerung weniger Fleisch kaufte. Auch anschließend verbrauchte die Herrenberger Anstalt überdurchschnittlich viel Getreide und unterdurchschnittlich viel Fleisch. Während die Fleischreihe durch einen stetigen Abschwung gekennzeichnet ist, gipfelte sich die Getreidereihe zu einem Boom auf. Gleichzeitig erreichte auch der Weinkonsum seinen Höhepunkt mit verdoppelten Werten. Anscheinend suchten angesichts der Krise zunehmend Arme Hilfe im Spital. Alleine sieben Personen bewohnten damals das mitversorgte Gutleuthaus und 14 logierten in der Armenstube. Gleichzeitig erreichte auch die Anzahl Reicher Pfründner mit 15 Personen ihren absoluten Höhepunkt.
An Fleischgeld bezog jeder Reiche zehn Kreuzer, jeder Sieche oder Arme zwei Kreuzer je Woche. Das entsprach vor der Teuerung Fleischrationen von einem Pfund in der Woche für die Armen und von fünf Pfund für die Reichen. Während in den folgenden Jahren wieder zwei Reiche Pfründner starben, nahmen die Stadtväter weiterhin Arme und Sieche auf, so daß 1631 im Durchschnitt 17 Arme und acht bis neun Sieche, zusammen mit den Pfründnern 38 Personen, Unterkunft und Verpflegung erhielten. Kriegsbedingt nahmen die Verbrauchswerte seit 1635 ab, bei Fleisch und Wein sehr abrupt, beim Dinkel eher kontinuierlich. Damals leitete die Herrenberger Anstalt vermutlich Maßnahmen zur Krisenbewältigung ein, versorgte ihre Insassen mit dem Lebensnotwendigen und reduzierte den Verbrauch von elastisch zuteilbaren Gütern. Im Laufe des Jahres 1635 verlor sie dann einen wesentlichen Teil ihrer Klientel, alle Siechen und Armen. Damals beschäftigte sie noch zwei Knechte, einen Bäcker, einen Koch und die Viehmagd, also fünf Ehehalten. Ein Jahr später hielten gerade noch zwei Pfründner aus, die dann im Laufe des Jahres 1637 starben oder den Spital verließen. Weil er damals seinen eigenen Haushalt aufgab, entwickelten sich die Verbrauchswerte auf Null zu. Nur noch zwischen 1662 und 1668 nahm das Herrenberger Gericht im Untersuchungszeitraum Spitaliten auf. Weinausgaben und Fleischverbrauch werden für sie nicht genannt, sie wurden demzufolge nicht eingepfründet und ihr Getreideverbrauch lag bei höchstens einem Fünftel desjenigen der Basisperiode.
Das Verbrauchsverhalten der Spitäler
Vergleicht man das Verbrauchsverhalten der drei untersuchten Spitäler miteinander, so zeigen sich einige Gemeinsamkeiten, aber auch einige deutliche Unterschiede. Gemeinsam war allen, daß der Dinkel als das Grundnahrungsmittel schlechthin bezeichnet werden kann, das lediglich in Form von Beimischungen durch Roggen ergänzt wurde. Andere Getreidesorten spielten bei der Ernährung praktisch keine Rolle. Das tägliche Mahl der Spitaliten werden außerdem Hülsenfrüchte, Kraut, Rüben, Zwiebeln, Honig, Eier sowie Obst in verschiedener Form bereichert haben. Bei den Getränken hingegen deuten sich einige ortsspezifische Eigenheiten an. Wein gab es in den beiden hohenbergischen Spitälern und vor allem in Rottenburg praktisch für jeden Spitaliten. Als Luxusgut kennzeichnete das Getränk aber auch dort der Umstand, daß es je nach sozialem Stand reiche oder arme Pfründner in unterschiedlichen Mengen zugemessen bekamen. In Herrenberg freilich war der Wein in weit höherem Maße ein begehrtes Luxusgut, das mehr und mehr den privilegierten Reichen Pfründnern vorbehalten blieb.
Versorgungsleistung der Spitäler | Versorgungsleistung der Spitäler | |||||||||
gerundete Werte | gerundete Werte | |||||||||
1599 – 1634 | Rottenburg | Horb a.N. | Herrenberg | 1651 – 1674 | Rottenburg | Horb a.N. | Herrenberg | |||
Wein hl | 370 | 100 | 50 | Wein hl | 163 | 51 | 0 | |||
Fleisch Ztr | 170 | 280 | 60 | Fleisch Ztr | 94 | 106 | 0 | |||
Getreide t | 80 | 40 | 20 | Getreide t | 47 | 24 | 0 |
Derartige soziale Unterschiede gab es in allen Spitälern. Wenn der Weinverbrauch unverhältnismäßig gegenüber dem Getreide- und Fleischverbrauch zunahm, so ist dies stets mit ziemlicher Sicherheit eine Folge der Neuaufnahme von wohlhabenderen Pfründnern. Dieser Personenkreis bekam in allen Anstalten deutlich mehr an elastisch nachgefragter Verpflegung als die Armen, vor allem mehr an Wein. Rottenburger Pfründner durften mit 1,54 Litern pro Tag rechnen, ebenso diejenigen in Horb[843], jene in Herrenberg vermutlich lediglich mit 1,25 Litern. Häufig besserte dieser Personenkreis seine Rationen durch vertraglich abgesicherte Zukäufe auf. Nur halb soviel bekam der Rottenburger Spitalvater samt den an seinem Tisch verpflegten Personen zugeteilt. Das Gesinde und die Ärmeren schließlich mußten sich mit einem Viertel der Luxusration begnügen. Zu den Mengenunterschieden kamen wohl auch Qualitätsunterschiede beim Wein zwischen den unterschiedlichen sozialen Gruppen, welche allerdings nicht meßbar sind. Ob es auch qualitative Unterschiede beim Fleisch und beim Brot gab, läßt sich mit Hilfe der verwendeten Quellen nicht belegen.
Anhand der Versorgungsleistung läßt sich erkennen, daß die Rottenburger Anstalt gegenüber den anderen auch dominierte, was die Anzahl Versorgter anbetrifft. Sie dürfte, gemessen am Getreideverbrauch, etwa doppelt so viele Menschen wie jene in Horb und vier Mal soviele wie jene in Herrenberg untergebracht und ernährt haben.
Was die Versorgung mit den unterschiedlichen Lebensmitteln in den einzelnen Spitälern angeht, so zeigen sich doch erhebliche Unterschiede. Zu erwarten wären vielleicht die höheren Weinquoten in der Rottenburger Anstalt. Daß sie aber so deutlich ausfallen, verwundert doch. Während das Verhältnis von Getreide zu Wein in Horb und Herrenberg vor dem Wirksamwerden des Krieges bei 2,5 liegt, beträgt es in Rottenburg 4,6. Hier bekamen die Insassen also wesentlich mehr Rebensaft zu trinken. Erstaunlich ist aber vor allem, daß es in Horb wesentlich mehr Fleisch zu essen gab. Fragt sich nur, für wen. Dieser um das Dreifache höhere Fleischanteil als in Rottenburg ist keine Folge irgendwelcher Ergänzungsmethoden, da die hohen Horber Werte aufgrund von Fleischkäufen errechnet werden konnten. Auch Verfälschungen durch einquartierte Soldaten, die sonst immer einzukalkulieren sind, können in Anbetracht des Zeitraumes als weniger dominant bezeichnet werden. Vielleicht spielten aber Verpflegungsleistungen an Externe und an die verpflegten Handwerker in Horb eine Rolle. Österreichische Kommissare bemängelten ja gerade den Essensluxus, welchen sich Ratsmitglieder auf Kosten ihrer Anstalt leisteten. Nach Kriegsende blieben die Verhältnisse zwischen Horb und Rottenburg im Wesentlichen erhalten, wobei der Weinanteil in beiden Anstalten leicht sank. Horb hatte immer noch den höheren Fleischverbrauch, der aber verhältnismäßig leicht auf das Zweieinhalbfache gesunken war.
Von der Struktur ihrer Verpflegungsleistung her zeigen alle drei untersuchten Spitäler eine ähnliche Entwicklung. Dies äußert sich in einer doch recht einheitlichen Periodisierung. In den zwei Jahrzehnten vor dem Wirksamwerden des Krieges traten viele Pfründner ein, Arme wurden in größerem Maße aufgenommen. Als deutliche Zäsur erwies sich das Jahr 1634, nach der Entscheidungsschlacht von Nördlingen, da anschließend die Sterbequote dramatisch anstieg, die Anzahl Versorgter entsprechend abnahm und die Versorgungsleistungen zurückgingen. Vor allem die elastisch nachgefragten Produkte wurden seitdem in weitaus stärkerem Maße reduziert als etwa der Dinkel. Nach Kriegsende gab Herrenberg die Versorgung Bedürftiger und reicher Pfründner im Spital auf. In Rottenburg und Horb füllten sich die Stuben der Anstalten nach und nach wieder, wobei entweder ein höherer Anteil Armer unterkam oder aber die Pfründner geringere Leistungen beanspruchten. Vor allem die Fleischversorgung erreichte nicht mehr jenen Anteil, den sie vor dem Krieg gehabt hatte.
XII. Die Ausgaben der Spitäler
Die vorliegende Arbeit ging von den Spitälern aus, deren Quellen in ihrem Mittelpunkt stehen. Eine Besitzgeschichte der drei behandelten Anstalten zeigte zu Beginn der Ausführungen die Grundlagen für ihr wirtschaftliches Handeln auf. Darauf folgte anhand desselben Quellenmaterials eine ausführliche Analyse der Rahmenbedingungen, in welche dieses Handeln eingebettet war. Ausdruck fand die wirtschaftliche Entwicklung in einem Gesamtindex, der es ermöglicht, Geldbeträge preislich zu bereinigen. Mit seiner Hilfe konnte anschließend die Wirtschaftsführung aller drei ausgewählten Spitäler dargestellt werden. Bisher ging es dabei um die Struktur ihrer Einnahmen, um ihre Fähigkeit, Insassen zu versorgen und um die Leistungen, welche diese Personen erhielten. Die Untersuchung der Spitalhaushalte soll nun durch eine Darstellung der Ausgabenseite und einen Vergleich zwischen Versorgungsleistung und Versorgungskapazität abgeschlossen werden.
Die Ausgaben des Horber Spitals
Die zwei wirtschaftlichen Gesichter des Horber Spitals – auf der einen Seite Versorgungsanstalt, andererseits Wirtschaftsbetrieb – prägten auch seine Ausgabenstruktur. Kosten entstanden aufgrund entsprechend vielfältiger Aufgaben und Unternehmungen: für die Verwaltung, für das Personal, für Handwerker, für die Instandhaltung der Gebäude, für den Betrieb der Landwirtschaft, für die Versorgung der Spitaliten und für den Kauf von Nahrungsmitteln.
Laut seiner Stiftungsurkunde war der Horber Spital wie viele andere Anstalten von Steuern und dergleichen befreit. In diese Abgabenfreiheit scheinen auch die Ortsherrschaften einbezogen gewesen zu sein, weshalb ihm deren Leistungen tatsächlich zugute kamen. Die Befreiung galt allerdings nicht für seinen gesamten Besitz, weshalb in Lagerbüchern jeweils vermerkt wurde, welche Güter wie belastet waren. Steuern betrugen in aller Regel nur etwa vier Gulden, konnten allerdings während des Krieges zeitweise steigen, jedoch nicht erheblich, anders dagegen die Kontributionen und Schatzungen. Vor allem mit ihrer Hilfe schöpften der Landesherr und Okkupationstruppen die Finanzkraft der Anstalt aus. Dabei belastete den Horber Spital sein Besitz in Altheim, welchen er erst während des Krieges erworben hatte, besonders stark. Sowohl der dortige Hof als auch die Mühle mußten erhebliche Kontributionsteile entrichten. Vor allem deshalb verschlangen Steuern und Schatzungen in den mageren Kriegsjahren einen Anteil von bis zu 15 Prozent an den gesamten Geldausgaben. Sonst waren es, vor dem Wirksamwerden des Krieges und nach Kriegsende, lediglich etwa fünf Prozent. Die Steuern und Schatzungen müssen deshalb genauer unter die Lupe genommen werden, weil es sehr leicht möglich ist, daß die Kommune ihre soziale Einrichtung in besonders hohem Maße zur Entlastung des eigenen Budgets heranzog. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte es in Horb nämlich bereits eine typische Verhaltensweise der städtischen Obrigkeit gegeben, die zu anderen Städten durchaus Parallelen aufweist[844]. Zur Türkenschatzung ließen die Ratsherren, die sich meist aus den wohlhabenderen Schichten rekrutierten, den Vorrat der Stadt einsetzen, das kombt aber allein den Reichen zuegueten und der Stadt zue Nachtail. Dan ain armer Burger gibt etwa 5 Schilling oder 1 Pfund, da es dem Reichen 10, 20, 30 und mer Pfundt Heller betrifft, also gibt Stat die Schatzung und die Reichen nichtz[845]. Tatsächlich leistete die Anstalt gerade während der schwersten Kriegsjahre so beträchtliche Beiträge zu Kontributionen und Schatzungen, daß an eine unverhältnismäßige Inanspruchnahme durchaus zu denken ist. Besonders hohe Beträge, teilweise über 1000 Gulden, mußte sie in den Jahren 1636, 1639 und 1647 aufbringen.
Für den Betrieb beider Teile des Spitals, sowohl der Versorgungsanstalt als auch der Landwirtschaft, entstanden Verwaltungskosten. So mußten laufend etwa die Rechnungsbücher geführt werden, wofür der Spitalschreiber seinen Lohn erhielt. In einzelnen Jahren, etwa 1614/15, verteuerte sich die Verwaltungstätigkeit, wenn die Anstalt um Grundbesitz prozessierte oder wenn sie ihren Besitz in Güterbüchern verzeichnen ließ. Beispielsweise galt es in den 1660er Jahren ausständige Zinsen gerichtlich einzutreiben[846]. Normalerweise blieben derartige Kosten aber unter 50 Gulden.
Erheblich mehr mußte da der Spital für sein Personal aufwenden, das einesteils die Spitaliten versorgte, sich andernteils aber auch um die Spitalwirtschaft kümmerte. An Personal beschäftigte er meist etwa 14 Personen. Dazu gehörten: der Spitalmeister mit seiner Frau, der Keller, vier Bauernknechte, ein Viehknecht, zwei Bäckerknechte, zwei Weingärtner, ein Waldknecht oder Waldvogt, die Köchin und eine Viehmagd[847]. Mitunter wurden einige Bauernknechte als Fuhrleute bezeichnet. Außerdem standen die beiden Spitalpfleger und der Stadtschreiber auf der Gehaltsliste. Am besten bezahlt war der Spitalmeister mit 30 Gulden, seiner Verantwortung für die gesamte Spitalwirtschaft entsprechend. Oberknechte hatten 20 Gulden, Unterknechte 12 Gulden zu beanspruchen, wobei es große Unterschiede gab. Frauen erhielten wesentlich weniger für ihre Arbeit als die Männer. Mägde verdienten etwa sechs bis sieben Gulden. Die Höhe der Löhne schwankte während des gesamten Untersuchungszeitraums in hohem Maße, weshalb Lohnerhöhungen von diesen üblichen Differenzen nur schwer unterscheidbar sind. Umgekehrt ist aber daraus zu schließen, daß die Erhöhungen nur eine relativ geringe Spanne betragen haben können. Dies mag mit dem Umstand zusammenhängen, daß alle Bediensteten über ihren Lohn hinaus vom Spital versorgt wurden. Sie erhielten Unterkunft, Verpflegung und zum Teil sogar Kleidung gestellt. So bekam der Oberknecht 1658 außer einem damals allerdings aus der Reihe fallenden hohen Lohn von 28 Gulden zwei Gulden für Stiefel und 44 Kreuzer für Schuhe. Da die Anzahl der Bediensteten insgesamt relativ konstant blieb und sich auch die Höhe der Löhne für die meisten Bediensteten nicht wesentlich änderte, blieben die Aufwendungen des Spitals in diesem Bereich sehr einheitlich bei etwa 250 bis 300 Gulden. Eine Ausnahme bilden die Jahre ab 1608, als er jährlich nur gerade 200 Gulden für sein Personal bezahlen mußte. Die meisten Personalausgaben entstanden zwischen 1628 und 1634 mit jährlich 300 Gulden. Anscheinend war die Anstalt gerade in einer expansiven Phase, gerade auch in Anbetracht der Gütererwerbungen in Altheim, als der Krieg dem ein Ende setzte. Es folgte eine kriegsbedingte Abnahme der Anzahl Beschäftigter, die zu einer Halbierung der entsprechenden Kosten führte. Im einzelnen spielten für diese Abnahme sowohl eine Reduktion der Anzahl Bediensteter als auch Unregelmäßigkeiten bei der Lohnzahlung eine Rolle. Nach Kriegsende mußten frühere Versäumnisse ausgeglichen werden. Dann blieben die Personalkosten auch weiterhin meist über 260 Gulden. Nach dem Krieg erreichten sie also bald wieder den Vorkriegsstand, wobei die Anzahl der Beschäftigten die frühere Stärke zumindest behielt. Deren Berufe deuten auf ein verstärktes Gewicht des Wirtschaftsbetriebes hin, insbesondere bis zu vier festangestellte Weingärtner und zahlreiche weitere Knechte.
Der Horber Spital kaufte recht selten gewerbliche Produkte ein. Anscheinend ließ er solche Dinge des täglichen Bedarfs in aller Regel von Handwerkern direkt ausführen. Einige von ihnen verrichteten ständig ihre Aufträge in der Anstalt. Mit ihnen rechneten die Pfleger an den vier Fronfasten[848], also viermal jährlich, ab. Ihre Aufträge erteilten sie an jährlich etwa 20 Handwerker: Zimmerleute, Maurer, Schreiner, Küfer, Schmiede, Sattler, Wagner, Kupferschmiede, Hafner, Schlosser und Metzger. Es findet sich also das ganze Spektrum von Berufen, das für den landwirtschaftlichen Bedarf und für die Instandhaltung von Gebäuden produzierte. Wesentlich mehr als die Personalausgaben beeinflußte die Teuerung im Untersuchungszeitraum die Lohnkosten. Sie ließ diese während der Kipper- und Wipperzeit auf zeitweise über 300 Gulden steigen. Angesichts der nach wie vor hohen Lohnsätze muß der Rückgang von Arbeitsentgelten seit dem Wirksamwerden des Krieges auf meist unter ein Drittel dadurch verursacht worden sein, daß die Anstalt weniger Aufträge erteilte. Nach Kriegsende durften Horbs Handwerker wieder mit Aufträgen im Umfang von über 150 Gulden jährlich rechnen. Weitere geringere Lohnkosten entstanden beispielsweise für die vier jährlichen Großwäschen der Anstalt. Insgesamt mußten die Pfleger für Lohnkosten nach dem Krieg wesentlich weniger in die Tasche greifen als früher.
Der Spitalschreiber buchte indessen nicht alle Arbeitsentgelte als Lohnkosten. Neben der direkten Abrechnung mit den Handwerkern gab es noch die Möglichkeit, ihre Leistungen bei den Baumaßnahmen zu rubrizieren. Größere Beträge tauchen darin während des Untersuchungszeitraumes in Horb indessen nicht auf. Ständige geringfügige Kosten, selten mehr als 100 Gulden, deuten nur auf laufende Maßnahmen zur Instandhaltung hin, etwa auch für das Hebammenhaus[849]. Stiegen sie einmal über diesen Wert, so meist wegen Baumaßnahmen in den Dörfern. Dort gab es, in erster Linie an den Pfarr- und Kirchengebäuden aber auch an dem in Altheim gekauften Hof, immer wieder etwas zu tun. So errichteten Zimmerleute und Maurer 1629 den Wirtschaftshof, dessen Liegenschaften sich die Anstalt in Altheim gekauft hatte. In Vollmaringen, wo sie als Inhaber der Kirchenherrschaft auch die Baulast mittragen mußte, fügten die Zimmerleute 1630 einen mittleren Stock im Pfarrhof ein und verdienten 1668 an einer mit erheblichem Aufwand hergerichteten Zehntscheuer. Gerade anhand der doch relativ gering bleibenden Baukosten zeigt sich, daß der Horber Spital wesentlich weniger durch die Kriegsereignisse zu leiden hatte als die Anstalten in Rottenburg und Herrenberg. Vor allem machte sich dabei bemerkbar, daß die Stadt von verheerenden Bränden verschont blieb. Demgegenüber entspricht es anderen Symptomen der Kriegszeit, daß auf dem offenen Land umfangreichere Schäden entstanden, die repariert werden mußten.
Von den auch während der Kriegsjahre erhaltenen städtischen Einrichtungen aus konnten die Meister den umfangreichen Wirtschaftsbetrieb der Anstalt stets aufrechterhalten. Wie die meisten Spitäler im deutschen Südwesten kann auch der in Horb als landwirtschaftlicher Großbetrieb gelten. Die eigene agrarische Produktion ertrug seinen Grundbedarf an Nahrungsmitteln und verschaffte ihm dadurch eine gewisse wirtschaftliche Autarkie. Darüberhinaus konnte er in normalen Jahren sogar landwirtschaftliche Erzeugnisse in seinen mit dem Zeichen des Heiligen Geistes versehenen Säcken[850] verkaufen. Diese Ökonomie brachte, wie oben gesehen, umfangreiche Erträge, sie verursachte aber auch die meisten laufenden Kosten. Schon ein großer Teil der anfangs behandelten Personalkosten und andere Lohnausgaben gehören dazu. Beispielsweise arbeiteten die vielen Knechte in erster Linie auf den Feldern und in den Ställen. Außer solchen fixen Kosten mußte der Meister je nach Saison immer wieder zusätzlich einzelne Arbeiten in der Landwirtschaft bezahlen. Er entlohnte Taglöhner, die Äcker und Wiesen bestellten, die Ernte einbrachten, Garben droschen und Stroh schnitten. Häufig griff er bei solchen Gelegenheiten auf Weingärtner zurück, welche die zusätzlichen Beschäftigungsmöglichkeiten oft in Anspruch nahmen. Nach Kriegsende dann, als ein Mangel an Arbeitern herrschte, beschäftigten die Pfleger viele Ausländer, besonders Bayern und Schweizer[851]. Durch diese Aufträge an Taglöhner entstanden erhebliche Kosten, mehr als die Hälfte davon beim Dreschen, das meist gleichzeitig vier Männern mindestens einen Winter lang Arbeit gab. Diese Kosten betrugen anfangs etwa 100 Gulden, nach dem Rückkauf einiger Äcker von den Hohenschilt 1612 stieg der Aufwand wieder beträchtlich. Inflationsbedingt vervierfachten sie sich in der Kipper- und Wipperzeit. Nach dem Wirksamwerden des Krieges sank dann diese Kostenart schnell wieder unter den Ausgangsbetrag, was mit drastisch schrumpfenden Erträgen einherging. Nach dem Krieg ließen sich die Pfleger ihre Landwirtschaft wieder etwa ein Drittel mehr kosten als in der ruhigen Vorkriegszeit. Gleichzeitig erhielten sie die Zahl ihrer Knechte, weshalb die Steigerung nicht etwa durch eine Verlagerung von zusätzlichen Aufgaben auf die Taglöhner entstanden sein kann. Ähnlich entwickelten sich die Kosten für die Bestellung der eigenen Weingärten, die den Grenzwert von einem halben Hundert Gulden praktisch nur während der zwei bedeutendsten Inflationsjahre überstiegen. Für die Bewirtschaftung der eigenen Wälder, deren bedeutender Umfang im Rahmen der Besitzgeschichte geschildert wurde, mußte der Schreiber im Laufe des Krieges eine zusätzliche Rubrik anlegen, weil dieser Zweig des Wirtschaftsbetriebes damals enorm an Geltung gewann. Zunächst wandte der Spital lediglich etwa 50 Gulden für jene Holzhauer auf, die für ihn Bäume fällten und in die Stadt transportierten. Diese Arbeiten dürften zu einem Gutteil in der nicht von Feldarbeit dominierten Jahreszeit geschehen sein und somit einer Reihe von Tagelöhnern weitere Einkünfte beschert haben. Seit der Inflationsperiode zahlte ihnen der Meister doppelt so viel aus wie zuvor. Nach 1641 reduzierte er allerdings diese Gelder wieder, sogar auf Beträge unterhalb jener der Vorkriegszeit, vermutlich einfach wegen eines abnehmenden Bedarfs. Nach Kriegsende kostete den Spital seine eigene Holzversorgung wiederum etwa so viel wie anfangs. Allerdings hatte sich eine nachhaltige Veränderungen ergeben, die sich freilich nur außerhalb der genannten Rubrik niederschlug. Zur Eigenversorgung trat eine auf den Verkauf orientierte Bewirtschaftung der Wälder hinzu.
Während des Krieges entstanden deshalb erhebliche Kosten von etwa 200 Gulden, in einzelnen Jahren auch mehr als das Doppelte. Sie fielen seit 1639 durch den Betrieb einer eigenen Sägemühle und für das Zusammenstellen von großen Holzflößen an. Städte am Neckar orderten dieses gebündelte Baumaterial für den Wiederaufbau zerstörter Häuser. Sie zahlten so gut, daß die Horber Anstalt leicht auch die recht teuren Flößer entlöhnen konnte. Sechs von ihnen waren im Jahr 1639 neun Tage lang mit einem Floß nach Stuttgart unterwegs, wofür jeder täglich 76 Kreuzer verdiente. Auch noch nach Kriegsende betätigte sich der Horber Spital längere Zeit sehr erfolgreich in diesem neuen Wirtschaftszweig, dies hatte eine Zunahme von Ausgaben für seine Ökonomie zur Folge.
Zum Bereich des Wirtschaftsbetriebes gehörte auch die Viehwirtschaft. Ihr Umfang ist ein Indikator für das jeweilige Gewicht der Landwirtschaft im Spital. Für das Jahr 1607 ist der genaue Bestand seines Viehs bekannt[852]. Damals standen fünf Zugpferde, 12 Milchkühe und 17 weitere Stück Großvieh im Stall. In speziellen Schweineställen gab es 29 Tiere. Genaue Auskünfte über den Viehbestand geben dann erst wieder die Fleischrechnungen der 1670er Jahre, wobei allerdings als Grundlage für deren Weide auch auswärtige Grünflächen in Salzstetten, Ihlingen und, besonders was die Schafe angeht, Altheim, in Frage kamen. In die folgende Tabelle nicht mit aufgenommen wurden Jungtiere, welche der Meister entweder wieder verkaufen, oder für den eigenen Bedarf schlachten ließ. Deren Zahl war mit bis zu zehn Saugkälbern und an die zwanzig Ferkeln so groß, daß von einer regelrechten Viehzucht zur Fleischversorgung gesprochen werden kann. Auf den Märkten in Balingen und Hechingen ließen die Pfleger demgegenüber recht häufig neue Tiere kaufen, eine besonders große Anzahl in Jahren wie 1611/12, als viele anbrüchig geworden waren und notgeschlachtet werden mußten. Auch junge Fohlen zogen die Knechte zeitweise auf. Einige von ihnen taten bei der Aufzucht allerdings auch mitunter zu viel des Guten. Ein Viehknecht fütterte dem ihm anvertrauten Vieh gedroschenes Korn, als die Drescher gerade nicht hinsahen, was seine Vorgesetzten als Vergehen ahndeten[853]. Andererseits kann in der Verhaltensweise des Mannes auch so etwas wie Freude am Gedeihen der ihm anvertrauten Tiere mitschwingen. Von der aufmerksamen Pflege des kostbaren Bestandes zeugen auch häufige Kosten für den Tierarzt und die immer wieder erwähnten Käufe etwa von Enzian und anderer Arznei für die Gesundheit des Viehs.
Insbesondere am Gedeihen einer bestimmten Tierart hatten auch die Spitaloberen ein ganz besonderes Interesse. Wußten sie doch, daß sie ihre Landwirtschaft ohne Zugvieh nicht in vollem Umfang betreiben konnten. Zugvieh stellte im Untersuchungszeitraum einen wesentlichen Faktor für das Gedeihen der Ökonomie dar. Am effektivsten dabei waren die Pferde. Ihnen scheint freilich eher zuviel als zuwenig des Guten getan worden zu sein. Zumindest was den Bestand angeht. So erhoben Zeugen 1607 Klage. Nicht nur, daß die Pfleger das Zugvieh mitunter privat einsetzten. Vor allem bemängelten sie, daß der Spital an acht Rossen genug gehabt hätte, wehre aber ain Unordnung gewesen, daß man eylf Roß gehalten und jedem die Wochen 1 Malter Habern gegeben[854]. Gemessen am deren gesamtem Haferkonsum erscheinen die Angaben allerdings übertrieben, zumindest belegen Zahlen vom Ende des Untersuchungszeitraumes, daß jedes Tier nur etwa 20 Malter zu fressen bekam.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß die Anstalt ihr Zugvieh nachweislich auch auf die Weide trieb und ihm Heu fütterte, weshalb der in der Zeugenaussage genannte hohe Verbrauchswert von einem Malter je Woche aufs Jahr gesehen durchaus niedriger sein konnte. Unter dieser Voraussetzung deutet bis zum Wirksamwerden des Krieges der Haferverbrauch auf einen Bestand von acht bis zehn Pferden hin. Während des Krieges raubten immer wieder Soldaten das wertvolle Vieh, vor allem, wenn es nicht rechtzeitig gelang, mit Roß und Ochsen nacher Stuetgardt. Tübingen oder Hechingen zu fliehen, was freilich jedes Mal immens hohe Ausgaben verursachte[855]. Während der heißen Kriegsphase ist nur noch mit durchschnittlich zwei Pferden zu rechnen. Nach Kriegsende scheint die Anstalt den Vorkriegsbestand praktisch sofort wieder angeschafft und auf zehn bis zwölf aufgestockt zu haben. Daß auch Ochsen zum Zug eingesetzt wurden, geht aus der oben zitierten Aufzählung der nach Stuttgart geflüchteten Tiere hervor. Insgesamt deutet der Viehbestand nach dem Krieg deutlich darauf hin, daß die Anstalt ihre früheren Kapazitäten zum Betrieb umfangreicher landwirtschaftlicher Güter zumindest wieder erreichen, vermutlich sogar ausbauen wollte.
Viehbestand des Horber Spitals | |||||
1669 | 1671 | 1672 | 1673 | 1674 | |
Melkkühe | 8 | 9 | 11 | 12 | 10 |
Kuhkälber | 5 | 4 | 4 | 6 | 8 |
Saugkälber | (8) | 1 | |||
Mastrinder | 1 | 1 | |||
Wucherrinder | 5 | 6 | |||
Stierlein | 1 | 2 | 1 | ||
Maststiere | 1 | ||||
Rinder | 7 | 11 | |||
Alte Hagen | 3 | 6 | 4 | ||
Hagenkälber | 5 | 2 | 2 | 4 | |
Zugrosse | 8 | 10 | 10 | 11 | 12 |
Fohlen | 4 | ||||
Schweine | 11 | 11 | 10 | 8 | 13 |
Mastschweine | 8 | 1 | 1 | ||
Ferkel | 8 | 9 | (17) | (19) | 10 |
Leithammel | 4 | 1 | 1 | ||
Böcke | 1 | 1 | 2 | (3) | 3 |
Schafe | 4 | 16 | 16 | (51) | |
Lämmer | 19 | (39) |
Während die bisher genannten hohen Kostenfaktoren vor allem für die Existenz des Spitals als Wirtschaftsbetrieb bedeutsam waren, kamen den eigentlichen sozialen Aufgaben zunächst wesentlich geringere Geldbeträge zugute. Sozial Schwache, Kranke, Kinder und Arme empfingen in diesem Rahmen direkte Unterstützungen, oft in Form von Naturalleistungen sowie als Übernahme von Arzt- und Bestattungskosten. Beispielsweise trug die Anstalt die Arztkosten von immerhin fünf Gulden, als ein Eber das Weib eines gewissen Onimus Marx gebissen[856]. Allerdings könnte es sich dabei auch um ein schuldhaftes Vergehen eines Spitalschweines gehandelt haben, dann wäre die Ausgabe nicht so sehr als soziale Leistung, sondern vielmehr als Pflichtausgabe des Tierhalters zu werten. Wie um die Situation der Lebenden, so kümmerte sich die Anstalt auch um jene der Toten. Geld erhielten beispielsweise die Angehörigen Verstorbener, wenn sie für die Beerdigung nicht selbst aufkommen konnten. Auffällig oft finden sich darunter Zuschüsse zu den Kosten für die Totenbäume… armer Buben. Insgesamt betrugen die Sozialkosten anfangs jährlich knapp 100 Gulden. Nach 1614 stiegen sie an und verdoppelten sich dann während der Teuerungskrise der Kipper- und Wipperzeit. Anschließend sanken sie stetig, wobei die heiße Kriegsphase einen absoluten Tiefststand brachte. Vor allem nach dem Kriegsende reduzierte die Anstalt die Kosten für ihren eigentlichen sozialen Auftrag erheblich. Wenn sie nominell auch noch halb so viel wie ursprünglich ausgab, so floß davon doch ein wesentlicher Teil anderen Aufgaben zu, etwa durch die Vergabe von Stipendien an Bürgersöhne. Gerade auf diese Zielgruppe verlagerten die Verantwortlichen einen größeren Teil ihrer Zuwendungen. Einem Studenten etwa, der krank in Konstanz lag, schickte der Spital Geld[857]. Beanspruchten nach dem Krieg nur noch so wenige Arme die Gaben ihrer Sozialanstalt, daß diese übrige Mittel umverteilen konnte? Besonders die Entwicklung der Ausgaben deutet darauf hin, daß der soziale Auftrag nach dem Krieg nicht mehr den Stellenwert hatte, wie früher. Doch wäre eine solche Schlußfolgerung zu früh gezogen, wenn in sie nicht auch die indirekt in den Versorgungsbereich fließenden Aufwendungen einbezogen würden.
In erster Linie vom sozialen Auftrag geprägt waren zum Beispiel auch die Aufwendungen des Horber Spitals zum Kauf von Lebensmitteln. Vor der Kipper- und Wipperzeit schwankten diese erheblichen Kosten um Beträge von etwa 1000 Gulden. Die Köchin bestritt davon ihren öfters wiederkehrenden Bedarf an kleineren Mengen von Pfeffer, Zimt, Muskat, Wacholderbeeren, Zitronen, Rosinen, Mandeln, Mandelreis, Honig, Zucker, eingedicktem Holundersaft, Bier, Branntwein, Essig, Kraut, Rüben, Zwiebeln, frischem und gedörrtem Obst, Tauben, Wildbret und Fisch. Von letzterem werden an Arten Aale, Barben, Forellen, Grundeln, Hechte, Heringe, Karpfen sowie Stockfische genannt. Auch Schweineschmalz, Milchschmalz, Butter, Käse, Fleisch, Hülsenfrüchte, Wein und verschiedene Getreidesorten mußten immer wieder eigene Erträge ergänzen. Die Teuerung ließ entsprechende Kosten in ungünstigen Jahren auf doppelte Werte emporschnellen. Es folgte ein rascher Rückgang während der heißen Kriegsphase, wobei die Käufe meist auf die Hälfte des Wertes in der Basisperiode sanken. Anschließend kaufte der Horber Spital nie mehr so teuer ein, meist sogar nur noch für 200 bis 400 Gulden. Während des Krieges nahmen also zumindest die finanziellen Aufwendungen für die Verpflegung der im Spital ernährten Personen ab und sie blieben anschließend wesentlich geringer als früher. Auch dieser Umstand deutet auf ein reduziertes Gewicht des sozialen Auftrages hin.
Die Käufe von Lebensmitteln verschlangen insgesamt große Anteile des Budgets der Horber Anstalt. Größere Beträge flossen mitunter auch in den Erwerb von Vermögenswerten. Allerdings konnte der Horber Spital Geld für solche Investitionen nur dann freisetzen, wenn günstige Umstände dies erlaubten. Insofern sind Immobilien- und Zinskäufe stets auch als Symptom für seine Prosperität zu werten. In größerem Umfang konnte er sich solche Ausgaben noch vor dem Wirksamwerden des Krieges leisten. Dabei machten sich zunächst Aufwendungen für die Rückkäufe ehemals veräußerter Äcker bemerkbar, zu welchen österreichische Kommissare die Anstalt verpflichtet hatten. Später kaufte sie sich in Altheim einen Hof (1626) und die Mühle (1630), letztere um 2800 Gulden. Nach dem Ende des Krieges investierten die Pfleger wesentlich größere Beträge in das Darlehensgeschäft als in den Grundstückserwerb. Immerhin über ein Fünftel aller ausgegebenen Gelder flossen damals in Kredite. Mit dem Tätigkeitsfeld heutiger Banken vergleichbar ist dieser Aspekt der Spitalwirtschaft, dessen Anteil nach dem Krieg expandierte. Dies ist einer jener Ausgabenposten, die also relativ zunahmen, während sich die Anstalt soziale Aufgaben weniger kosten ließ.
Geldausgaben des Horber Spitals | ||||||
Periode | Ausga- | Abga- | Löhne | Guts- | Vermö- | Käufe |
ben | ben | betrieb | gen | |||
1607-21 | 3139 | 301 | 852 | 227 | 635 | 1124 |
1622-26 | 4789 | 221 | 1283 | 576 | 1287 | 1422 |
1627-34 | 2656 | 166 | 932 | 374 | 538 | 646 |
1635-41 | 2272 | 294 | 766 | 383 | 177 | 651 |
1642-50 | 1561 | 262 | 595 | 276 | 115 | 313 |
1651-74 | 1839 | 81 | 792 | 272 | 407 | 287 |
Bei der Höhe der gesamten Geldausgaben zeichnet sich ein gewaltiger Einbruch ab. Am meisten gaben die Spitalverwalter am Beginn des Untersuchungszeitraumes aus. Wenn seit der Kipper- und Wipperkrise die Kosten nominell auch weiter stiegen, so machten sich bereits damals deutliche Anzeichen für eine Rezession bemerkbar. Die Teuerungskrise der 1620er Jahre erscheint denn auch als Beginn einer nachhaltigen Depression, welche sich während der heißen Phase des Krieges fortsetzte und die zu einer realen Abnahme aller Spitalausgaben um zwei Drittel führte. Dabei bedeutet der Rückgang der Kosten gleichzeitig eine erhebliche Leistungsverminderung, da er sich im Versorgungsbereich überproportional bemerkbar machte. Nach Kriegsende blieben die realen Ausgaben weiterhin erheblich unter jenen der Basisperiode, insgesamt nur etwa halb so hoch. Wiederum ging dies in erster Linie auf Kosten des Versorgungsbereiches. Während einerseits nämlich, wie oben gezeigt, bald wieder umfangreiches Personal mit zum Teil mehr Zugvieh als früher den spitalischen Wirtschaftsbetrieb neu aufbaute und im Bereich der Holzwirtschaft sogar zusätzliche Tätigkeitsfelder erschloß, andere wie das Darlehensgeschäft offensichtlich ausbaute, schrumpften auf der anderen Seite Ausgaben für die Versorgung sozial Schwacher.
Die direkten sozialen Kosten nahmen ab und gleichzeitig gingen die einst vor allem den Spitaliten zugute kommenden Lebensmittelkäufe zurück. Diesen Trend bestätigt eine grobe Betrachtung der Versorgungsleistung des Horber Spitals. Seine Aufwendungen an Geld und an den wichtigsten Nahrungsmitteln halbierten sich sowohl nominell als auch real. Der Zusammensetzung nach kippte das Vorkriegsverhältnis, bei dem Geldausgaben 40 Prozent aller Aufwendungen ausgemacht hatten, gerade um, so daß sie seit 1641 mit 60 Prozent dominierten. Enstprechend sanken die Aufwendungen zur Naturalversorgung trotz der zurückgehenden Geldausgaben auch anteilsmäßig erheblich. Insgesamt sank die Versorgungsleistung also überproportional.
Aus all diesem läßt sich deutlich ablesen, daß sich die soziale und wirtschaftliche Struktur der Anstalt durch den Krieg nachhaltig änderte. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges schränkte der Horber Spital die Versorgungsaufgaben zugunsten der Verwaltungs- und Wirtschaftstätigkeit stark ein. Dies bestätigt auch eine Gegenüberstellung von Versorgungsleistung und Versorgungskapazität, sofern Vermögensgeschäfte unberücksichtigt bleiben.
Die Versorgungsleistung des Horber Spitals | |||||
Periode | Versor- | Geldaus- | Wert des Verbrauchs | ||
gung | gaben | Getreide | Fleisch | Wein | |
1607-21 | 5262 | 2237 | 1268 | 1311 | 446 |
1622-26 | 9498 | 3629 | 2307 | 2583 | 980 |
1627-34 | 5171 | 2135 | 1456 | 1271 | 308 |
1635-41 | 4312 | 1750 | 1781 | 357 | 424 |
1642-50 | 2141 | 1312 | 487 | 255 | 88 |
1651-74 | 2669 | 1596 | 481 | 432 | 160 |
Seit dem Krieg entwickelten sich die beiden preisbereinigten Reihen erheblich auseinander. Die Anstalt hätte beginnend mit den 1640er Jahren ihre Leistung theoretisch verdoppeln können, demgegenüber erbrachte sie verhältnismäßig sogar weniger. Es kam also zu einer weitgehenden Freisetzung und Umschichtung der Mittel. Dies ermöglichte vermutlich ein exogener Faktor. Mit der Zahl der Menschen und mit einer vor allem Arbeitern zugute kommenden Verbesserung der Lebensverhältnisse dürfte sich die Anzahl jener, welche in der Fürsorgeanstalt nach Hilfe suchten, in größtem Maßstab verringert haben. Der Krieg hätte demnach in Horb die sozialen Probleme des beginnenden 17. Jahrhunderts auf makaberste Weise beseitigt.
Ausgaben des Rottenburger Spitals
Auch die Geldausgaben des Rottenburger Spitals prägten deutlich seine beiden wichtigsten Betätigungsfelder, die Versorgung der Spitaliten und der eigene Wirtschaftsbetrieb. Gering blieben demgegenüber Abgaben an die Herrschaft sowie jene Beträge, welche die Anstalt an Zinsen und Gülten zu leisten hatte.
Als Abgaben belasteten ihn vor allem Steuern und Schatzungen. Zwar befreiten herrschaftliche Privilegien, welche österreichische Erzherzöge zur Zeit der Gründung ausstellten, die Anstalt grundsätzlich von Steuern, jedoch galt diese Steuerfreiheit nicht für ihre Höfe in den Flecken, also nicht für den Wendelsheimer Hof und nicht für die Wiesen in Seebronn. Bei den Abgaben für diese Immobilien dominierten eindeutig die Schatzungen und Anlagen. Steuern hingegen konnte die Herrschaft, besonders seit dem Jahr 1573, kaum noch zur Vermehrung ihrer Einkünfte einsetzen, da die schwäbisch-österreichischen Landstände das Selbstbesteuerungsrecht erworben hatten[858]. Für Steuern gab der Spital deshalb bis zum Kriegsende jährlich konstant nur etwa zehn Gulden aus, danach regelmäßig nur noch ein Füntel davon. Anlagen und Schatzungen trugen im Untersuchungszeitraum einen extraordinari Charakter, der zu ihrer Notierung neben den normalen Steuern führte. In den Rechnungsbüchern des 16. Jahrhunderts handelte es sich dabei zunächst vor allem um die Türkenhilfe[859], zu der die Anstalt etwa 30 Gulden beitrug. Während des Dreißigjährigen Krieges sollten Anlagen und Schatzungen dann neue Ansprüche befriedigen, welche das Kriegsgeschehen diktierte. Einen Einschnitt kennzeichnet dabei die Ankunft schwedischer Truppen 1632. Seitdem kosteten die Schatzungen und Kontributionen so viel, daß der Spital bis 1639 einen ganzen Jahreshaushalt – 3468 Gulden – durch sie verlor. Durchschnittlich stieg ihre Bedeutung damals auf über 500 Gulden. Annähernd ein Zehntel aller Geldausgaben jeden Jahres kosteten die Anstalt während der heißen Kriegsphase solche Anlagen, welche zum großen Teil freilich nicht etwa dem schwedischen Feind, sondern vielmehr befreundeten Truppen des Kaisers oder der Liga, später auch den Franzosen, zugute kamen. Ab 1640 blieben die Schatzungen zwar immer noch wesentlich bedeutender als die regulären Steuern, sanken indessen nach und nach unter 100 Gulden. Als sich gegen Ende des Krieges französische Truppen der Stadt bemächtigten, verdoppelten sie sich allerdings wieder, ja bei Kriegsende sogar auf die alten Höchstwerte. Erst am 2. Februar 1653 waren die unmittelbaren Leistungen wegen des Dreißigjährigen Krieges abgeschlossen[860]. Entsprechend sanken die in dieser Rubrik verbuchten Ausgaben. Erst wieder der Holländische Konflikt am Ende des Untersuchungszeitraumes verlangte den Untertanen und dem Spital erneut außerordentliche Gelder ab.
Regelmäßig und sehr konstant belasteten den Spital auch ewige Zinsen und Gülten. Sie hatten allerdings für seine Ausgabenseite keine wesentliche Bedeutung, weil sie sich meist auf etwa 20 Gulden beschränkten, nach Kriegsende gar nur noch halb so viel betrugen. Hingegen gewannen jene Zinsen, welche die Anstalt in einzelnen Perioden für entliehenes Kapital aufbrachte, einiges an Gewicht. Freilich wuchsen solche Schuldverpflichtungen keinesfalls beängstigend und verblaßten stets weit hinter den von der Anstalt für verliehenes Kapital beanspruchten Zinsen. Bei einer seinerzeit üblichen Verzinsung von fünf Prozent hatte der Spital nur 1606/07 sowie nach 1615 bis zum Beginn der Kipper- und Wipperzeit mehr als 2000 Gulden entliehen, sonst höchstens halb so viel. Meist rechtfertigten besondere Aufwendungen die Schuldenaufnahme. So verursachten einesteils der Bauboom um die Jahrhundertwende, als Zehntscheuer, Badstube und ein Kelterbaum neu entstanden, andernteils Engpässe in der Nahrungsmittelproduktion und damit verbunden größere Lebensmittelkäufe die Liquiditätskrise der Anstalt. Kredite beschafften die Pfleger seinerzeit in erster Linie bei der Stadt und bei einzelnen Ratsherren. Dieses Verhältnis zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer sollte sich während des Dreißigjährigen Krieges umkehren, an dessen Ende die Anstalt ihre meisten Ausstände bei der Stadt zu fordern hatte. Es ist sicherlich als Erfolg der im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts in Rottenburg tätigen österreichischen Untersuchungskommission zu werten, daß sie sich noch während dieses Dezenniums vollständig entschulden konnte. Seitdem galt das Bemühen der Verwaltung stets baldiger Rückzahlung. Entsprechend hohe Beträge finden sich damals bei den vermögenswirksamen Ausgaben, speziell den Gültablösungen. Die Geldentwertung der Kipper- und Wipperzeit nutzten des Spitals Pfleger, um die ab 1615 wieder angeschwollenen Schulden zurückzubezahlen. Das trieb die vermögenswirksamen Ausgaben freilich kurzfristig in die Höhe, damals alleine um 1550 Gulden. So konnte der Pfleger vor dem Wirksamwerden des Krieges melden, daß die Anstalt schuldenfrei sei. Am ehesten läßt sich diese vorteilhafte Entwicklung mit Wilhelm Abels Theorie von der Prosperität des Großbetriebes in Inflationszeiten[861] erklären: der Spital profitierte in den 1620er Jahren vom hohen Wert seiner Naturalerträge. Die heiße Phase des Krieges stoppte diese günstige Entwicklung allerdings wieder. Enorme Kontributionen zwangen zur Aufnahme neuer Kredite. Der Zustand verschlimmerte sich noch während der 1640er Jahre. Schließlich scheint der Spital nicht einmal mehr seinen Schuldverpflichtungen gänzlich nachgekommen zu sein: von 663 Gulden fälliger Zinsen zwischen 1636 und 1639 bezahlte er nur ein Sechstel. Umgekehrt vermehrten sich seine beanspruchten Restanzen seinerzeit dramatisch. Zahlungsschwierigkeiten waren allem Anschein nach ein zeittypisches Phänomen. Geradezu sensationell sind angesichts dessen die Entschuldungsaktionen seit dem Ende des Krieges. Von den 4460 Gulden, die damals das Schuldenkonto des Spitals belasteten, blieb nach acht Jahren lediglich ein knappes Zehntel übrig! Danach betrugen die Zinsen nur noch etwa 20 Gulden jährlich. Es gelang also sehr rasch, die durch Kriegslasten verursachten Schulden abzubauen. Gleichzeitig deutet dieser Umstand darauf hin, daß die Verwalter Schulden vermeiden wollten und daß andererseits der Gutsbetrieb genügend Mittel zur Entschuldung freisetzte; und dies angesichts anderer Aufbauleistungen, die es unmittelbar nach Kriegsende zu erbringen galt.
Zur Aufnahme von Schulden konnte die Anstalt in einzelnen Jahren auch der Erwerb von Vermögenswerten zwingen. Investitionsmittel dürfte er vor allem während des 16. Jahrhunderts zur Verfügung gehabt haben, sofern Wilhelm Abels Überlegungen zur Rentabilität der Grundrenten richtig sind[862]. Grundsätzlich kamen zwei Möglichkeiten für Investitionen in Betracht. Einmal ließ sich in Zins- und Gültrechte[863] investieren, also in das Kreditgeschäft. Dabei übernahm der Spital die Funktion einer Darlehenskasse. Zum anderen kamen regelrechte Immobiliengeschäfte in Frage. Bei den Zins- und Gültkäufen erhielt der Schuldner einen bestimmten Geldbetrag, das Hauptgut. Er seinerseits hatte dafür der Anstalt einen festen jährlichen Betrag zu entrichten, meist fünf Prozent vom Hauptgut, eben den Zins[864]. Gültrechte beruhten allerdings auch häufig auf einer Schenkung und hatten dann einen anderen Charakter. Sie war in solchen Fällen meist an eine Immobilie, ein Haus oder ein Grundstück, gebunden und nicht rückzahlbar. Das heißt, daß sich die Stifter dauerhaftes Seelenheil durch die ewige Existenz ihrer Stiftung sichern wollten[865]. Die Zins- und Gültkäufe weisen eine zweigipflige Entwicklung auf. Einem Boom zwischen der Kipper- und Wipperzeit sowie dem Wirksamwerden des Krieges[866], als die Pfleger innerhalb von neun Berichtsjahren über 9000 Gulden anlegten, folgte bei Kriegsende ein zweiter, geringerer von über 2000 Gulden in 13 Berichtsjahren. Möglicherweise veranlaßten die Teuerungen der Kipper- und Wipperzeit verschiedene Kunden zur Kreditaufnahme. Alleine 1622 entliehen die Gemeinden Grosselfingen, Stein, Sickingen und Bechtoldsweiler zusammen 1800 Gulden bei der Rottenburger Anstalt[867].
Als Pendant zu Investitionen in das Kreditgeschäft kamen solche in Immobilien in Frage. Umfangreichere Güter kaufte die Rottenburger Anstalt, vor allem im 16. Jahrhundert. Damals scheinen sich auch andernorts den großen sozialen Institutionen der Städte günstige Investitionsgelegenheiten geboten zu haben[868]. So wie beim Biberacher Spital ist auch für den Rottenburger das 16. Jahrhundert die Schlüsselperiode was den Erwerb von Grundstücken anbelangt[869]. Vor und während des Dreißigjährigen Krieges hingegen standen Zins- und Gültkäufe im Vordergrund[870]. Dies dürfte angesichts des Bevölkerungswachstums im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts an einer Verknappung der zum Verkauf angebotenen Güter liegen. Möglicherweise stellten Zins- und Gültrechte auch eine bequemere Anlageform dar, weil sie einen wesentlich geringeren Verwaltungsaufwand als eigene Güter erforderten und keinerlei eigene Bewirtschaftung nötig machten. Nach Kriegsende deutet sich wieder ein verstärktes Interesse an Immobilien an. Die Booms der Güterkäufe fallen dabei in Depressionsphasen bei den Zinskäufen. Deshalb entwickelte sich die Investitionsquote insgesamt doch recht konstant. Nimmt man beide Arten für Vermögenskäufe zusammen, so zeichnet sich während des Untersuchungszeitraumes ein deutlich fallender Trend ab. Während anfangs noch ein Fünftel bis ein Viertel aller Geldausgaben in Vermögenswerte flossen, verminderte das Wirksamwerden der Kriegsereignisse diese Quote schlagartig auf unter fünf Prozent. Während der kommenden Jahre mußte die Verwaltung ihre Finanzmittel einsetzen, um die Versorgungsleistung der Anstalt aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die erzwungenen Kriegslasten zu tragen. Überschüsse für die Vermögensbildung standen deshalb nicht mehr zur Verfügung. Aber selbst nachdem das Ende des Krieges Mittel freisetzte, gab es Dringenderes zu tun. Zum Beispiel kümmerten sich die Pfleger um den Schuldenabbau. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes blieb die Investitionsquote deswegen geringer als zu Beginn. Weil dem Spital Investitionen nur möglich waren, sofern er seine sonstigen Aufgaben erfüllen konnte, ist deren Umfang auch ein Indikator für die Versorgungskapazität. Freie Investitionsmittel bedeuten also auch, daß seine Kapazität nicht ausgelastet war. Geringe Investitionsquoten wie nach dem Wirksamwerden des Krieges und nach 1671 lassen hingegen eine angespannte Versorgungslage vermuten. Solche Engpässe gab es aber insgesamt sehr selten.
Die Lohnkosten kamen zu einem geringeren Teil der Versorgung von Spitaliten und in größerem Maße dem Wirtschaftsbetrieb der Anstalt zugute. Unter dieser Bezeichnung sind die Entgelte der Bediensteten, Handwerker, Holzhauer und Erntehelfer zusammengefaßt. Sehr viel Geld kosteten stets die eigenen Bediensteten: Spitalvater, Haischer, Keller, Ober- und Unterbäcker, Obermeister, zwei Ober- und zwei Unterknechte, ein Ober- und bis zu vier Unterwengerter, der Waldschütze in Seebronn, die Köchin, eine bis zwei Obermägde, bis zu vier Unter- oder Viehmägde, ein Futterknecht, ein Fohlenknecht, der Viehhirt, ein Zehnt- und Weinzehnteinzieher, die Schaffnerin und der Kalbbube. Insgesamt meist an die 20 Personen fanden in der Rottenburger Anstalt eine dauernde Anstellung. Entsprechende Zahlen erfuhr auch eine österreichische Untersuchungskommission, die 1604 in der Stadt weilte: aufs wenigist 23 Ehehalten seien es, so ordinariter erhalten werden, sambt Vater und Mueter wie auch dem Keller[871]; an Knecht zehne samt den Megden und allerlay Gesindt möchten ungever 20 sein, darüber nit[872]. Seit 1671 kam das Personal der Distelmühle hinzu: der Müller, ein Knecht und ein Fuhrknecht. Außerdem stand der Lateinische Schulmeister auf derselben Besoldungsliste. Zusätzlich beanspruchten die beiden Pfleger und der Schreiber ihre Honorare. Der Rekrutierungsraum für dieses Personal umfaßte die gesamte Region, katholische und evangelische Territorien gleichermaßen. Knechte stammten aus Oberwielzingen bei Münsingen, Metzingen oder Mötzingen, Zwiefalten, Vöhringen bei Sulz oder Veringen bei Sigmaringen, Gammertingen, Melchingen, Haigerloch, Balingen, Ostdorf, Remmingsheim, Breitenholz, Tailfingen bei Herrenberg oder Albstadt, Hechingen, Bieringen, Kiebingen, Hirschau und eher selten direkt aus Rottenburg. Dieses Gebiet stimmt mit der bei Hektor Ammann dargestellten Region, aus der um das Jahr 1400 Menschen nach Rottenburg zuwanderten, weitgehend überein[873]. Etwas überraschend ist, daß auch die eher großzügig bezahlten Obermeister selten aus der Stadt selbst stammten. Diejenigen unter ihnen, die auf eine Spitalordnung vom Anfang des 17. Jahrhunderts vereidigt wurden[874], kamen aus Grosselfingen (Hans Camerer ab 1613), Frohnstetten (Andreas Lettler, ab 1620 und Bastian Moll ab 1625) sowie Kiebingen (Hans Schiting ab 1640). Diese Verhältnisse überraschen besonders deshalb, weil geradezu ein Topos unter den Vorwürfen gegen die städtische Obrigkeit im Jahr 1604 jener der Vetternwirtschaft war. Diesen Vorwurf hat Karl Kempf im übrigen als zutreffend nachgewiesen[875]. Zumindest vom Amt des Spitalmeisters ist bekannt, daß es recht begehrt gewesen sein muß. Angeblich weil er anderen bei der Vergabe dieses Amtes vorgezogen worden war, bezichtigten Neider den Spitalmeister Michael P. 1650 der Hexerei. Nach mehrwöchiger Folter wurde er enthauptet[876]. Selbst sein Vermögen, welches er stiften wollte, konnte ihn nicht retten: da habe er 30 Gulden auf die Altstadt[877], all sein Vermögen nach Weggenthal und den Kapuzinern, sein Haus und die Wiese in die obere Klause, daß sein Eheweib dafür erhalten werden sollte, 70 Gulden dem Magistrat als Straf, 50 Malter Dinkel den Armen vermacht. Offenbar war es demgegenüber für Rottenburger nicht attraktiv, Knechtsdienste in der Anstalt zu leisten. In der heißen Kriegsphase nahm der Personalbestand um die Hälfte ab. Viele Angestellte leistete sich der Spital dann erst wieder, als der Krieg vorüber war und es an den Aufbau der Ökonomie ging. Mehr als vor dem Krieg ließen sich die Pfleger damals ihre Knechte und Mägde kosten.
Im Schaubild sind die Ausgaben für Bedienstete mit denjenigen für die vom Rottenburger Spital beschäftigten Handwerker zusammengefaßt. Die Schmiede, Hufschmiede, Schlosser, Wagner, Sattler, Sailer, Glaser, Küfer, Kübler, Hafner, Schneider, Schuhmacher, Schreiner, Zimmerleute und Maurer, deren Leistungen er jedes Jahr in Anspruch nahm, machen fast fünf Prozent aller im Rottenburger Musterregister von 1615 genannten Handwerker aus[878]. Die Anstalt war also ein wesentlicher Faktor für die Beschäftigungsmöglichkeiten in der hohenbergischen Amtsstadt. Weil Handwerker nur nach Bedarf Aufträge erhielten, konnten die Lohnausgaben für sie allerdings flexibler gehandhabt werden als jene für die Bediensteten. Nominell schwankten die Entgelte an sie bis zur Kipper- und Wipperzeit um den Betrag von etwa 400 Gulden. Der weitere Anstieg, den die Geldentwertung verursachte, verdeckt eine reale Minderbeschäftigung. Nach dem Kriegsende zahlte die Anstalt dann trotz der damals hohen Lohnsätze und ungeachtet des enormen Reparaturbedarfs an zerstörten und heruntergekommenen Gebäuden ein Viertel weniger an Handwerker aus als vorher. Freilich rubrizierte der Schreiber die Ausgaben hierfür vor allem in einer speziellen Rubrik.
Als Zeitraum hoher Baukosten läßt sich außer der Jahrhundertwende denn auch tatsächlich das Kriegsende erkennen. Während anfangs noch Neubauprojekte im Vordergrund gestanden hatten, ging es später um die Instandsetzung der Gebäude, von denen einige beim Stadtbrand 1644 vollständig zugrunde gegangen waren. Auch die Höfe auf dem Land mußten nach dem Krieg praktisch neu gebaut werden. Am Ende des Untersuchungszeitraumes setzten die Pfleger schließlich wiederum größere Geldbeträge für Baumaßnahmen ein, für den Bau der Distelmühle.
Teilweise kamen die bisher genannten Lohnkosten auch dem landwirtschaftlichen Betrieb des Rottenburger Spitals zugute. Die Entwicklung dieses Bereiches soll nun näher betrachtet werden. Welchen Wert die Anstalt auf ihre Ökonomie legte, entschied mit darüber, wieviel Geld für die Erfüllung sozialer Aufgaben übrig blieb. Neben dem ständig für die Pflege von Feldern und Weingärten angestellten Personal fanden besonders während der Erntezeiten immer wieder Tagelöhner Beschäftigung. Der Anstalt entstanden deshalb beim Heuen und beim Ömden Kosten für ihre Wiesen. Auch der Ackerbau, die Ernte und das Dreschen kosteten extra, alles in allem etwa 100 Gulden.
Unter den Personalkosten, aber auch unter Zehrkosten und den allgemeinen Aufwendungen sowie vor allem hinter den Käufen verstecken sich auch ihre jährlichen Aufwendungen für eine umfangreiche Viehhaltung. Einblicke in diesen Bereich geben immer wieder die Anschaffungen von Tieren nach vorangegangenen Seuchen. Sie wurden in erster Linie Balingen und Hechingen beschafft, weshalb den Stückpreis regelmäßig Zehrkosten und Zölle verteuerten. Von diesen Marktorten stammten etwa auch jene acht Stiere, die der Pfleger 1580 bringen ließ. Im Frühjahr 1612 waren es fünf Kühe, drei Kälber, vier Stiere und 12 Gänse, die in des Spitals Ställe trotteten. Als dann im Juli desselben Jahres des Spithals Viehe widerumb anbrüchig worden, mußten weitere drei Kühe, 12 Schweizer Stiere, zwei Schweine, zwei Pferde und vier Kälber gekauft werden. Eine andere Quelle für den Bestand der Anstalt sind die Löhne der Viehhirten. Sie belegen Stückzahlen von bis zu 40 Schweinen, 12 Kühen, mehr als zehn weiteren Rindern und Stieren. Während die Schweine vor allem in Ehingen geweidet wurden, grasten die Stiere bevorzugt in Kalkweil[879]. Auch die Verkäufe unterstreichen den Viehreichtum der Rottenburger Anstalt. Nicht selten konnten die Metzger vier Stück Großvieh und zehn Schweine aus ihren Ställen kaufen. Noch 1646 überließ der Spitalmeister dem französischen Militär, welches die Festung Hohentübingen belagerte, ein Kalb, eine Kuh, sechs Saugferkel, ein Mastschwein, vier Kapaunen, zehn Hühner und 19 Gänse. Daß Viehverkäufe zu den ständigen Einnahmequellen, Viehkäufe aber gleichzeitig zu den ständigen Ausgabearten des Rottenburger Spitals gehörten, deutet auf einen hohen Umsatz hin. Wie bedeutend die Viehwirtschaft war, zeigt auch der Umstand, daß zu den 25 Mitgliedern des ehrsamen Gedings, das den Rottenburger Weidebetrieb regelte, vier Spitalmeier gehörten[880]. Weitere Indizien sind die ständigen Löhne für Rotgerber. Mit dem gegerbten Leder fertigte der Schuster Schuhe für die Insassen an. Mit Fellen wurden einige Knechte, Mägde und Kinder eingekleidet. Allerdings waren der Viehhaltung in Rottenburg durch die geringe verfügbare Weidefläche enge Grenzen gesetzt[881]. Die Anstalt selbst verfügte freilich dank einer Stiftung über den 22 Jauchert großen Kuhwasen[882], auf dem Kühe, die sich im Besitz Schwangerer befanden, kostenlos grasen durften. Allerdings mißbrauchten die Verantwortlichen diese Stiftung, wie sich 1604 herausstellte: anietzt fare man das gantze Jar täglich mit den Schafen darauf, daß die Khüe khain Waid mer haben[883].
Von besonderer Bedeutung waren die Pferde. Der Spitalmeister setzte sie in erster Linie als Zugvieh ein. Als solches waren sie für die gesamte Land- und Holzwirtschaft ungemein wichtig. Sie sind ein sehr brauchbarer Indikator dafür, welches Gewicht die Anstalt ihrer Landwirtschaft beimaß. Vier Fuhrknechte standen ständig in deren Dienst. Über die Anzahl der Pferde gibt regelmäßig die Abrechnung mit dem Hufschmied Auskunft. Für jedes beschlagene Roß bekam er vor 1622 eineinhalb Gulden, danach zwei Gulden. Vor den Krisenjahren des Dreißigjährigen Krieges beschlug er jährlich 12 bis 13 Tiere. Wie wichtig diese waren, zeigte sich 1638, als die Schweden das gesamte Zugvieh raubten. Während der Ernte mußten daraufhin fremde Fuhrleute mit ihren Gespannen aushelfen, die für den Transport von 1362 Garben über 36 Gulden verlangten. Genauere Angaben über die Entwicklung der Pferdezahl lassen sich aus dem Haferverbrauch des Spitals ablesen, denn der hauptsächliche Anteil dieses Verbrauchs kam den Pferden zugute, wie in den Rechnungsbüchern jeweils extra angegeben wird. Von 1598 bis 1632 blieb dieser Wert mit 320 Maltern etwa konstant und deutet also auf eine gleichbleibende Zahl dieser Tierart hin, wohl die 12 bis 13, welche der Schmied jährlich beschlug. Demnach beanspruchte jedes Roß jährlich circa 26 Malter Hafer. Der Tagesbedarf von sechs Kilogramm läge ein Viertel unter demjenigen heutiger Leistungspferde[884]. Dies ist angesichts des Umstandes, daß die Pferde des Spitals auch auf die Weide getrieben wurden und wohl zusätzlich Heu zu fressen bekamen, eine durchaus realistische Größe. Gegen einen noch größeren Futteranteil durch Weide und Heu spricht, daß die verfügbare Weidefläche, wie bereits erwähnt, begrenzt war und daß auf der städtischen Markung kaum Heu geerntet wurde[885]. Schwankungen kennzeichnen die zwei Jahre vor der Schlacht von Nördlingen, als die Schweden mehrfach requirierten. Weil die protestantischen Truppen alle Pferde spoliert hatten, sank der Haferverbrauch 1633 auf 196 Malter. Solchen Wert legte die Anstalt auf ihr Zugvieh und so finanzkräftig war sie damals noch, daß sie den Verlust praktisch umgehend wieder ausglich, der Verbrauch stieg 1634 bereits wieder um die Hälfte. Freilich kamen erneute Plünderungen auf Rottenburg zu, so daß von 1636 bis 1643 auch der Stall des Spitals bis auf ein Drittel leergestanden haben dürfte. Während der anschließenden zweijährigen Depression verfütterten die Knechte sogar nur noch 88 Malter. Wieder aufgestockt wurden die Bestände stets unmittelbar im Anschluß an Verluste. Im Laufe der zehn Jahren nach 1633 kaufte der Rottenburger Spital für 3000 Gulden Vieh. Dieses Bestreben, stets genügend Zugvieh bereitzuhalten, setzte sich auch nach Kriegsende fort. Langfristig pendelten sich seitdem die Bestandszahlen bei etwa drei Vierteln der Basisperiode ein, wohl bei acht bis zehn Pferden. In den 1660er Jahren erwirtschafteten sie durch Fremdaufträge sogar ansehnliche Beträge für ihren Dienstherren, die unter gemeine Einnahmen verbucht wurden. Vermutlich wegen des Transportbedarfs der Distelmühle erhöhten sich die Haferausgaben 1673 erneut. Von den 107 Pferden, die das Steuerberaitungsprotokoll des Jahres 1681 ausweist, standen immerhin zehn Prozent in des Spitals Ställen[886]. Die Anstalt beschaffte ihre verlorenen Zugtiere nach dem Krieg also rasch wieder.
Gegenüber den Ausgaben für die Landwirtschaft nahmen jene für den Weinbau scheinbar ab. Doch trügt dieser erste Eindruck, weil hier zum Teil erhebliche Kosten verlagert wurden. Jedenfalls halbierten sich die in der entsprechenden Rubrik ausgewiesenen Aufwendungen seit der Kipper- und Wipperzeit, als der Spital dazu überging, eigene Weingärtner dauernd zu beschäftigen. Gleichzeitig sanken dementsprechend die Kosten für die Weinlese und das Keltern, letztere nicht zuletzt deshalb, weil im Krieg Kelterbäume abbrannten. Über den Weinbau wachte der Keller, dessen Aufgaben in einer Spitalordnung vom Anfang des 17. Jahrhunderts detailliert beschrieben sind[887]. Er hatte Früchte in den Kästen und Wein in den Kellern zu verwahren. Zu Herbstzeiten achtete er darauf, daß der Rebensaft herbeigeführt, abgefüllt und eingeschlaucht wurde. In den Kellern sollte er stets dreierlei Weinsorten lagern, eine für die Pfründner, eine für des Spitals Ehehalten und die armen Pfründner, die dritte zum Einlagern. Er durfte die unterschiedlichen Sorten nicht mischen und mußte jedem das Zustehende ausschenken. Ging ein Faß zur Neige, so durfte er das neue erst nach erfolgter Anfrage bei den Pflegern anstechen. Über seine Einnahmen und Ausgaben hatte er ständig genau Buch zu führen und dem Spitalmeister darüber Mitteilung zu machen, der die Angaben in sein Hausbuch übertrug. Die Kosten für ihn und für die Weingärtner sind in den Personalkosten enthalten.
Eine Kostenart, die wiederum eher der Versorgung von Spitaliten zugute kam, ist jene für Holz. Jährlich benötigte der Rottenburger Spital etwa 350 Klafter[888] zum Kochen und Heizen. Zwar konnte er die benötigten Scheiter in seinen eigenen Wäldern schlagen lassen, dafür jedoch mußte er Taglöhner anstellen und honorieren. Vor der Kipper- und Wipperzeit verdienten diese je nach Brennstoffbedarf etwa 150 Gulden. Nach dem Wirksamwerden des Krieges fielen die Holzkosten dann beträchtlich, weil der Bedarf zurückging. Nach Kriegsende betrugen sie langfristig nur noch ein Drittel so viel wie vor Kriegsbeginn.
Faßt man die bisher behandelten Löhne, die Bauaufwendungen und die Kosten für den Gutsbetrieb zusammen, so wird deutlich, daß diese Ausgaben mit am konstantesten waren und insgesamt etwa ein Viertel des Budgets aufzehrten. In ihrem Anteil am Etat des Spitals spiegelt sich die allgemeine Entwicklung der Löhne wieder: bis zur Kipper- und Wipperzeit behielten sie einen hohen Ausgangswert von etwa einem Viertel, anschließend sanken sie unter dem Eindruck der Nahrungsmittelteuerung und der Kriegswirkungen auf unter ein Fünftel. Nach Kriegsende machte sich dann die Lohn- Preisschere mit hohen Löhnen und niedrigen Agrarpreisen derart bemerkbar, daß die Anstalt schließlich sogar 38 Prozent ihrer Ausgaben dafür aufwenden mußte. Zwar spielte dabei am Ende der Untersuchungsperiode auch der Betrieb der Distelmühle eine Rolle, jedoch verfälschte er die Verhältnisse nur gering. Insgesamt resultiert die gleichbleibende nominelle Höhe der Lohnkosten aus einer Gewichtsverlagerung innerhalb dieser Rubrik. Während die Kosten für Bedienstete stiegen, nahmen die Ausgaben für Handwerker und für den Weinbau ab, zum Teil wegen vermehrter Aufgaben der Ehehalten, zu denen damals Weingärtner und Mühlenpersonal kamen.
Stiftungszweck des Rottenburger Spitals wie anderer Anstalten war aber nicht der wirtschaftliche Betrieb eines landwirtschaftlichen Gutes, sondern die Versorgung Bedürftiger. Aufwendungen, welche ihnen zugute kamen, waren Stiftungen, Leibgedinge, allerhand Ausgaben für die Haushaltung und immer wieder der Kauf von Nahrungsmitteln. Darüberhinaus sind Kosten für ihre Bedürfnisse auch in den Lohn- und Baukosten versteckt. Ohne größere Bedeutung waren die regelmäßigen Ausgaben für Stiftungen, die jährlich relativ konstant bei 11 Gulden lagen. Hingegen mußten für Leibgedinge, auf deren materielle Erfüllung die Käufer rechtlichen Anspruch hatten, bis zur Kipper- und Wipperzeit erhebliche Beträge aufgewendet werden, stets über 100 Gulden. Der Spital scheint diese Belastung dann gezielt abgebaut zu haben, denn sie fiel seit 1641 dauerhaft aus. Vielleicht auch deshalb, weil nach jenem Umbruchsjahr die billigen Lebensmittel eine Investition in solche Leibgedinge nicht mehr lohnend erscheinen ließ, vielleicht auch niemand mehr Geld für solchen Luxus übrig hatte.
Zu den klassischen Aufgaben der Spitäler gehört auch die Versorgung von Kindern, die zumeist als Findelkinder oder Waisen in die Anstalt kamen. Nur ab und zu geben die umfangreichen Rechnungsposten in den Rechnungsbüchern den Blick auf diese Personengruppe frei. Einer alten Frau aus Schlatt bei Hechingen in der Grafschaft Zollern, gab man 1628 einen Gulden und 12 Kreuzer, weil sie das Findelkind, so verwichne Wochen bei Silchen[889] gefunden und in den Spital getragen worden, mit sich hinweg und für ihr Kind angenommen. Hier löste man also seine soziale Verpflichtung, indem für Pflegeeltern gesorgt wurde. Hin und wieder müssen aber auch Findelkinder im Spital behalten und dort großgezogen worden sein. Darauf, daß sich ständig Kinder in den Gemäuern der Anstalt aufhielten, deuten Aussagen vor der österreichischen Untersuchungskommission 1604 hin. Von einer Khindtsmueter ist die Rede, der man täglich ein halbes Mas Wein reichte[890]. Martin Purckh, ein Bäcker, berichtete von seiner Tätigkeit vor zwei Jahren, als er die Armen speisen helfen, da haben sy in der undern Stuben achtzig khlaine Khinder gehabt[891]. Tatsächlich bestätigt das Rechnungsbuch von 1602 dieses Zeugnis: der Einsammler teilte damals 120 Pfund Schmalz zur Speisung armer Kinder aus. Nun war das Jahr 1602, auf das sich der Bäcker offensichtlich bezog, ein Jahr ausgesprochener Mißernten. Er schränkte selbst die allgemeine Gültigkeit seiner Aussage wieder ein, sie gelte nur zu haleben oder zu teurn Zeiten drey Viertl Jarn. Demnach mußten sich die Spitalpfleger nicht ständig um so viele Minderjährige sorgen. Nur in Ausnahmesituationen kamen derartig umfangreiche Hilfeleistungen auf die Anstalt zu. So auch 1559, als sie 44 Malter Dinkel, fünf Malter Hafer und zwei Malter Gerste Kindern zukommen ließ, welche sie während des Winters in ihrer Kelter untergebracht hatte. Benutzten in solchen Notzeiten mittellose Eltern den Spital als vorübergehendes Kinderasyl? Oder handelt es sich um vagierende Personen? Auf solche Fragen läßt sich auf Grundlage der verfügbaren Quellen keine Antwort formulieren. Manche Waisen kamen auch dauerhaft im Spital unter. Die Tochter des Schreiner Ulrich Greter, weliche, ain verlaßner Ways und Laybs Schwachhait halber, unser erbärmbdt, wurde im Spital mit Laib und Guot uf ein halb Jar seinem Verhalten nach aufgenommen. Fürs Heilen des Gesinds und der Kinder erhielt der Barbier oder der Arzt immer wieder seinen Lohn. Die Spitalkinder erhielten nicht nur Unterkunft und Nahrung, sondern auch Ausbildung. Unter den gemeinen Geldausgaben notierte der Schreiber regelmäßig Schulgeld, das dem Deutschen Schulmeister zukam: zwischen fünf und sieben Schillinge im Jahr 1580 für jedes Quartal. Auch Mädchen waren damals vom Unterricht nicht ausgeschlossen, wie sich anhand des Rechnungsbuches von 1628 belegen läßt, als für zwei Spitalmädlin jeweils 12 Kreuzer an diesen Lehrer gingen. Knaben ermöglichte die Anstalt über eine Elementarbildung hinaus zusätzlich eine Lehre. Jacob Becklin, einen Spitalbuben, ließ man das Hafnerhandwerk lernen, was über sieben Gulden kostete. Als dessen Bruder Laurentius ein Jahr zuvor wandern wöllen, versorgte ihn die Anstalt mit Hemden, Krägen, einer Wehr und einem Kalbfell, um sich einen Ranzen für seine Walz zu schnüren, alles zusammen für fast drei Gulden. Doch nicht nur in Vertretung der Eltern kümmerte sie sich um Angelegenheiten der Bildung. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts unterhielt sie den Lateinischen Schulmeister. Landschreiber Jacob Hornsteiner berichtete 1604 vor der österreichischen Kommission von zwei Pfründen im Spital, welche die Herrschaft zu verleihen hatte, die aine sey dem Schulmaister bewilligt worden[892]. Dies war die Grundlage seiner Finanzierung, vermutlich jene acht Gulden, mit denen er im Verzeichnis der Bediensteten auftaucht. Darüber hinaus bezog er aus dem Sankt-Katharinen-Altar der Spitalkirche etwas über einen Gulden. Des weiteren stellten acht Malter Dinkel seinen Grundbedarf an Brotgetreide sicher. Daß Rottenburgs Lateinischer Schulmeister des Jahres 1580 nicht gerade arm gewesen sein kann, zeigt der Umstand, daß seine Tochter Anna Müller sich damals in eine gemeine Pfründe einkaufen konnte, für 150 Gulden. Ähnlich wie in Horb profitierten auch Studenten von der städtischen Fürsorgeeinrichtung, so jene acht, denen die Pfleger 1609 jeweils einen Batzen zum Almuesen überließen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nur allzu konsequent, daß die Herrschaft dem Spital 1668 den ansehnlichen Betrag von 2550 Gulden entzog, um damit den Jesuiten die Gründung ihres Rottenburger Kollegiums zu ermöglichen[893].
Solche und ähnliche Ausgaben finden sich im Schaubild in der Rubrik Haushaltung subsummiert, in der zusammengefaßt wurde, was der Spitalmeister täglich kaufte, was im Spital an Textilien und Sonstigem verbraucht wurde oder wieviel ihn Zehrungen kosteten. Vor allem die gemeinen Ausgaben blähten diese Rubrik zeitweise auf, so 1623 bis 1625, als wegen der Münzentwertungen zusammen 1805 Gulden abgeschrieben werden mußten, oder zwischen 1647 und 1670. Ansonsten dienten die so zusammengefaßten Ausgaben in aller Regel der Versorgung von Spitaliten und Bediensteten.
Ihnen kamen auch zum größten Teil die Käufe von Nahrungsmitteln zugute, welche der Anstalt stets etwa ein Drittel ihrer Geldmittel abforderten. Zwischen der Kipper- und Wipperkrise und dem Wendepunkt, an dem Nahrungsmittel wieder wohlfeil wurden, waren es sogar 45 Prozent. Nach Kriegsende wandte der Spital dann nur noch ein Viertel seiner Geldausgaben für solche Käufe auf. Gleichmäßig etwa ein Zehntel davon kostete das für viele Lebensbereiche, besonders aber für die Konservierung von Lebensmitteln, benötigte Salz. Bei den Käufen dominierten ansonsten tierische Produkte, vor allem Fleisch und Schmalz, aber auch Vieh, dies besonders während der Inflationsperiode. Ihr Gewicht verschob sich nur in Zeiten, wenn bei den Weinkäufen große Unregelmäßigkeiten auftraten. Diese machten normalerweise bis zu einem Drittel des Lebensmittelerwerbs aus, direkt nach dem Krieg freilich bedeutend mehr, zwischen 1615 und 1644 allerdings zum Teil erheblich weniger. Getreidekäufe spielten im langjährigen Durchschnitt keine große Rolle, wohl aber in einzelnen Teuerungsjahren.
Einen Hinweis auf die Bemühungen des Rottenburger Spitals, Bedürftige zu versorgen, gibt die Versorgungsleistung. In ihr fließen der jeweilige Wert des Getreidekonsums, des Fleischverzehrs und des Weinverbrauchs sowie die Geldausgaben zusammen. Dabei bleiben allerdings von den Kosten jene für Nahrungsmittelkäufe und der Vermögenshaushalt unberücksichtigt. Zum Gesamtwert trugen bis zur Kipper- und Wipperkrise das Getreide ein Drittel, das Fleisch ein Zehntel und der Wein etwa ein Fünftel bei. Annähernd vierzig Prozent machten die Geldausgaben aus. Die Kipper- und Wipperkrise sowie die erste heiße Kriegsphase brachten vor allem eine Umkehr zwischen den Anteilen von Getreidewert und Geldausgaben. Das Verhältnis kippte nach 1641 erneut. Seitdem sank der Getreidekonsum auf ein starkes Fünftel, die in Geld bezahlten Kosten erreichten knapp zwei Drittel.
Bei der Versorgungsleistung zeigt sich, wie nachhaltig der Krieg in das Verhalten des Spitals eingriff. Hatte sie vor Kriegsbeginn noch real über 7000 Gulden betragen, so blieben davon nach dem Ende der Auseinandersetzungen noch knappe 4000 Gulden übrig. Einen Tiefstpunkt brachten die 1640er Jahre. Insgesamt gingen also die Aufwendungen für die im Spital versorgten Menschen erheblich zurück. Dies war eine Folge reduzierter Verbrauchsmengen bei gleichzeitig niedrigen Preissätzen.
Nach dem Krieg blieb also die Versorgungsleistung des Rottenburger Spitals erheblich reduziert. Dies folgte einerseits aus einer ebenfalls, allerdings nicht gleichermaßen stark, verminderten Versorgungskapazität. Gleichzeitig jedoch stellte die Anstalt ihren früheren Personalstand wieder her, beschaffte ihre verlorenen Zugtiere bald wieder und bezahlte ihre Schulden zurück. Hohe Beträge mußte sie auch in die Wiederherstellung der Gebäude investieren. Fruchtverkäufe trugen in jenen Jahren des Wiederaufbaus entscheidend zur Liquidität des Spitals bei. Relativ zu den verfügbaren Geldmitteln stiegen diese Aufwendungen.
Anteile an der Versorgungskapazität | ||||
Periode | Getreide | Fleisch | Wein | Geld |
1597-06 | 33 | 9 | 16 | 42 |
1607-21 | 33 | 10 | 20 | 37 |
1622-26 | 37 | 9 | 21 | 32 |
1627-34 | 45 | 8 | 15 | 32 |
1635-41 | 39 | 11 | 15 | 35 |
1642-50 | 23 | 7 | 9 | 60 |
1651-74 | 23 | 9 | 11 | 57 |
Dies alles deutet darauf hin, daß sich die Spitalleitung vor allem um die wirtschaftliche Erholung des landwirtschaftlichen Betriebes kümmerte. Damit reagierte sie auf die Veränderungen, welche der Krieg brachte, vor allem wohl auf den allgemeinen Rückgang der Bevölkerung.
Ausgaben Herrenberger Spital
Im Vergleich zu den beiden großen hohenbergischen Anstalten wirtschaftete der Herrenberger Spital in eher bescheidenen Verhältnissen. Indessen stimmt die Ausgabenstruktur aller drei untersuchten Einrichtungen im wesentlichen überein, da alle das typische Nebeneinander von Wirtschaftsbetrieb und Sozialanstalt prägte.
In Herrenberg war dies allerdings lediglich bis zum Jahr 1639 der Fall. Zum normalen Ausgabenkanon gehörten Aufwendungen für die Verwaltung, für die Instandhaltung der Baulichkeiten, für den landwirtschaftlichen Betrieb und für die Erfüllung des sozialen Auftrages. In der Grafik sind die ständig fälligen Abgaben mit den Verwaltungskosten zusammengefaßt. Steuerzahlungen und Kontributionen belasteten den Spitalhaushalt vor allem seit der Kipper- und Wipperzeit. Hatten sie vorher Werte von 50 Gulden kaum überschritten, so machten sie damals einen Sprung auf mehr als das Doppelte, in einzelnen Jahren sogar auf das Vierfache. Nach einer vorübergehenden Depression bei Kriegsende brachten besonders die 1660er Jahre vorübergehend erneut höhere Belastungen. Dem zunehmenden Zugriff der Herrschaft auf seine finanziellen Ressourcen entging der Spital damals, indem er seine steuerlich stark belasteten Güter verkaufte. Grundlasten sowie Kapitalzinsen spielten demgegenüber für die Herrenberger Anstalt ebensowenig eine Rolle wie für die bereits behandelten hohenbergischen. Die Hellerzinsen überstiegen selten einmal Werte von 50 Gulden.
Verwaltungskosten entstanden, weil die Besitzungen und der gesamte landwirtschaftliche sowie der sozialer Betrieb geregelt werden mußten. Vor allem der Lohn des Spitalschreibers schlug hier mit jährlich zehn bis 20 Gulden zu Buche. Aber auch einmalige Ausgaben fielen an, in einigermaßen regelmäßigen Abständen etwa für die Renovation der Güter[894]. Diesen Vorgang habe ich weiter oben bei der Vorstellung benutzter Quellen dargestellt. Andere Verwaltungsausgaben kamen auf die Verwaltung zu, als sich der Spital mit der Gemeinde Affstätt in den Jahren 1670 bis 1674 wegen ausstehender Steuern stritt[895]. Für seine einstigen Güter auf Affstätter Markung mußte er schließlich doch noch 163 Gulden nachzahlen, wobei ein Teil des Betrages die Unkosten der Affstätter ersetzen sollte. Gerichtskosten brachte auch die Auseinandersetzung mit Johannes Andler aus Herrenberg. Dieser setzte sich zwischen 1666 und 1668 gegen ein vom Spital beanspruchtes Traufrecht und wegen einem Misthaufen zur Wehr[896]. Als in Folge des kaiserlichen Restitutionsediktes die Anstalt über die früher in ihr praktizierte Religion und ihre Verwaltung Rechenschaft ablegen mußte[897], kostete sie der damit verbundene Aufwand gleichfalls einiges. Mitunter mußte sie auch Zehrungen ihrer Pfleger ersetzen, wenn diese in ihrem Auftrag beispielsweise in eine benachbarte Stadt reisten, um Geld gegen Früchte aufzunehmen, oder um eine Kuh zu kaufen.
Verschiedenen Bereichen der Ökonomie kamen die Ausgaben für Personal zugute. Vor der Aufgabe seiner Eigenwirtschaft beschäftigte der Herrenberger Spital meist neun Personen: den Spitalmeister, in der Regel zusammen mit seiner Frau, einen Bäcker, zwei Knechte und zwei Mägde. Nach Errichtung des Waldhauses in der Raistinger Mark erhielt der dortige Waldbauer mit seiner Frau ebenfalls eine pauschale Entlohnung. Seine Familie bekam für Speise und Lohn knapp 50 Gulden. Oberknechte verdienten meist etwa 20 Gulden, ihre Untergebenen halb soviel und Mägde noch etwas weniger, wobei sich die Höhe der Löhne im Laufe der Zeit änderte. Nicht immer konnten die Bediensteten ihr jährliches Entgelt einstreichen. Der Spital setzte die Auszahlung offensichtlich auch zur Disziplinierung ein. Einem Unterknecht etwa kürzte er 1633 seinen zugesagten, gedingten, Sold von zehn Gulden auf einen einzigen, weil er… ein Roß verwahrlost, daraus ihme (dem Spital) ein grosser Schad entstanden, auch nur drey Viertel Jahr lang gedient und dariber in Krieg gezogen ist[898]. Für ihre Diener wandte die Anstalt anfangs etwa 120 Gulden auf. Bis zum Wirksamwerden des Krieges stiegen diese Kosten nur leicht. Anschließend nahmen sie als Folge der Kriegsereignisse schnell ab. Diese Entwicklung fand ihren Tiefstpunkt durch die Aufhebung der Eigenwirtschaft. Seitdem stand eigentlich nur noch der Spitalpfleger auf der Besoldungsliste, der aber immerhin wegen der Mehrbelastung ein höheres Gehalt einstrich.
Über die Handwerker, die der Herrenberger Spital beschäftigte, geben die mitunter erhaltenen Beilagen zu den Rechnungsbüchern detaillierte Hinweise auf die Art ihrer Ansprüche. Sie reparierten die Bauwerke, das landwirtschaftliche Gerät sowie die Haushaltsgegenstände und die Schuhe seiner Insassen. Zu den Ausgaben für Handwerker habe ich auch solche für die vier bis sechsmal jährlich abgehaltene Großwäsche gezählt. Diese gesamten Kosten blieben fast ständig unter 100 Gulden und hatten seit der Aufhebung der Eigenwirtschaft keine Bedeutung mehr.
Baukosten belasteten den Herrenberger Spital ständig, auch nach Abschaffung der Eigenwirtschaft. Denn er bestand als Institution fort und blieb auch weiterhin im Besitz seiner Gebäude. Diese mußten instandgehalten, zum Teil auch wieder aufgebaut werden. In einzelnen Jahren[899] bezahlten die Pfleger größere Beträge dafür. Besonders seit Kriegsende nahmen die Baukosten deutlich zu, eine Folge des damals nötigen Wiederaufbaus von im Krieg beschädigten Häusern. In den 1650er Jahren machte sich dabei in erster Linie die Wiedererrichtung der Spitalkirche finanziell bemerkbar. Sie konnte am 1. Juni 1656 eingeweiht werden und hatte 1100 Gulden gekostet[900]. Für deren beim Brand uffgangen Glocke leistete sich die Verwaltung 1657 Ersatz von Hans Georg Herold in Stuttgart[901]. Anschließend schlug besonders die Wiederherstellung der Orgel in der Stiftskirche zu Buche, an deren Kosten sich die Anstalt beteiligen mußte. Nicht nur sei das Örgelin in der Stiftskürchen in nicht geringen Abgang geraten, so begründeten die Verantwortlichen entsprechende Investitionen, sondern auch etlich merckliche Fehler ahn zerschidenen Orthen bevorab des verstimpelten Claviers sich erayget. Deshalb sei man bedacht gewesen, solch wurmstichigs Werckhlin vor dem vollkommenen Ruin schnell noch bestmöglich zueversilbern und stattdessen ein neues Werk zu kaufen. Das Kloster Alpirsbach nahm den Herrenbergern schließlich ihre musikalische Altlast ab. Für das neue Werk des Orgelmachers Hans Jacob Fesenbeck und des Malers Lorentz Braun von Calw, der zwei Flügel mit vier Historien in Öl bemalte, wandte die Anstalt 884 Gulden auf[902].
Zum Teil kamen die vom Spital aufgewendeten Personalkosten der eigenen Landwirtschaft zugute. Darüber hinaus verursachte dieser Bereich weitere nennenswerte Kosten, vor allem mußten immer wieder Erntehelfer bezahlt werden. Als der Krieg in Herrenberg wirksam wurde, nahmen diese Aufwendungen rasch ab, sicherlich eine Folge der vielen damals brach liegenden Äcker. Im Schaubild macht sich dies nicht bemerkbar, weil zum Bereich des Gutsbetriebes auch die Viehwirtschaft zählte. Und während der ersten fünf vom Krieg nachhaltig geprägten Jahre glichen hohe Ausgaben für den Viehkauf die Rubrik wieder aus, da immer wieder gestohlenes Vieh ersetzt werden mußte. Seit 1642 änderte sich dies dann nachhaltig, da die Anstalt seitdem ihren Betrieb weitgehend stillegte. Ein Halbmeier scheint den Betrieb am Laufen gehalten zu haben, weshalb sich die Kosten weiter reduzierten. Durch den Verkauf 1662 trennte sich die Anstalt dann endgültig von ihrer traditionellen Existenzgrundlage. Im Auftrag des Spitals sorgten auch Taglöhner als Holzhauer im Wald für den Brennstoffnachschub, merkwürdigerweise auch noch nach Kriegsende, als sich unter den entlohnten Holzhauern besonders viele Schweizer finden[903].
Alle bisher genannten Aufwendungen bilden die Basis für des Spitals eigentliche Aufgabe. Vornehmster Stiftungszweck auch der Herrenberger Anstalt war die Versorgung sozial Schwacher. Wie erfüllte sie im Laufe der Zeit diese Aufgabe? Vor dem Wirksamwerden des Dreißigjährigen Krieges dominierten beim Herrenberger Spital tatsächlich die Sozialausgaben, vor allem, wenn man berücksichtigt, daß ein Großteil der Naturalaufwendungen und der Lebensmittelkäufe ebenfalls den Spitaliten zugute kam. Betrachtet man die reinen Geldausgaben, welche Kindern und Armen direkt zuflossen, so blieben diese bis zum Wirksamwerden des Krieges in etwa konstant über 300 Gulden. Sie hatten einen Anteil von etwa 15 Prozent an den gesamten Aufwendungen. Der Tod vieler Spitaliten während der heißen Phase des Krieges verringerte diese in den folgenden Jahren. Nach Kriegsende nahm die Anstalt erst wieder in den 1660er Jahren ein paar Personen auf. Sie wurden aber nicht mehr wie früher voll versorgt. Entweder ließen ihnen die Stadtväter Bargeld aushändigen, oder aber jede Woche Brot verteilen[904].
Die Anstalt nahm aber auch noch vielfältige andere soziale Aufgaben wahr. Einige Beispiele, wie sie in den Rechnungsbüchern stehen, sollen dies illustrieren. Pflegeeltern, welche Waisen aufnahmen und bei sich versorgten, erhielten eine Entlohnung. Einem Herrenberger Bürger, der das arme Töchterlein des Hans Schnepf aufgenommen hatte[905], bewilligte der Rat 1660 beispielsweise das Nötige an Kleidung und Brot für sein Pflegekind. Armen Knaben finanzierten die Pfleger darüberhinaus mitunter eine Lehre. Drei Jahre lang erhielt so ein Tübinger Meister für einen Knaben, den er ausbildete, sechs Gulden aus der Spitalkasse[906]. Sogar auf Studenten in der Landesuniversität Tübingen erstreckte sich die Mildtätigkeit der Anstalt. Ein gewisser cand. phil. Johannes Neuffer, ein Sprößling der Stadt, bat in einem Schreiben an den Herrenberger Vogt um ein Stipendium. Das nötige geistige Rüstzeug zumindest dazu hatte er sich während seines Studiums offensichtlich erworben. Selbst das Beispiel der Mildtätigkeit eines Königs Alphons von Aragonien führte er dem Adressaten vor Augen. Weiter heißt es in seiner Adresse: Tröstlich ist es und ruhmwürdig, daß auch noch heut nicht manglet an mitleidenden Benefactoribus und Guthätern, die den Dürftigen die hülfreiche Hand zu bieten für Wucher nit achten, wie dann auch in diesem Stück rühmlich verhalten hat meiner Geburt Stat Herrenberg und in derselben der löbl(iche) Magistrat..[907]. In diesen Bereich von Ausgaben für die Bildung der Jugend gehört auch die Anschaffung von Unterrichtsmaterialien. Kirchen- und Schulchöre verdankten dem Spital etwa Johann Rudolph Alenius ersten und zweiten Teil des Newgepflantzten Thüringisch Lustgartens Musicalisch Gewächs[908]. Unterstützung gewährte er hin und wieder auch, wenn arme Leute wegen Arztkosten in Zahlungsschwierigkeiten gerieten. Der Witwe eines Schmiedes erstattete man sechs Gulden für den Arztlohn an einem ihrer sechs Kinder[909]. Die ärztliche Versorgung erstreckte sich auch auf einen Zipperer genannten Mann, als der im Wald von einer Natern gebißen worden, und ime der Arm groß geschwollen geweßen[910].
Gemeinnützigen kommunalen Aufgaben kam die Herrenberger Anstalt ebenfalls nach, indem sie beispielsweise das Zuchtvieh der Stadt unterhielt[911] und die Feuerwehr mitfinanzierte. So kam sie für die Kosten des Feur Wagen auf, als dieser am 2. September 1681, von fünf Pferden gezogen, zur Feurs Brunst nach Weil im Schönbuch[912] eilte[913]. Zu diesem Aufgabenbereich gehörte auch, dies sei hier als eher kuriose Einzelheit am Rande vermerkt, daß Räume in der Herrenberger Anstalt zumindest zeitweilig als Gefängnis dienten. Die Tochter des alten Mötzinger Schultheißen Abraham Stupenlauch verbrachte einige Wochen während des Winters in einem solchen Gemach in Haft.
Seine Spitaliten, seine Bediensteten sowie die häufig beschäftigten Erntearbeiter verköstigte der Spital in der Hauptsache mit den Erträgen seiner eigenen Äcker. Bestimmte Produkte wie Salz jedoch – jährlich etwa neun bis zehn Scheiben[914] – mußte er regelmäßig kaufen. Je nach allgemeiner Ertragslage konnte die Ernährung aller Spitalinsassen in einzelnen Jahren freilich nur durch den Zukauf von landwirtschaftlichen Produkten sichergestellt werden. Beim Dinkel erforderte vor allem die Mißernteperiode 1612-15 solche ergänzenden Fruchterwerbungen. Verschärfend erzwang der weiter oben angesprochene Pfründnerschub bis zum Wirksamwerden des Krieges weitere Geldausgaben für Lebensmittel. Von Hülsenfrüchten wie Linsen und Erbsen kaufte der Spital meist nur geringe Mengen, auch Gemüse wie Kraut und Zwiebeln scheinen die eigenen Gärten in ausreichenden Mengen ertragen zu haben. An tierischen Produkten mußten außer einigem Fleisch auch Schmalz, Unschlitt und Lichter erworben werden. Weinkäufe hingen in erster Linie von den Erträgen der Lese ab, belasteten angesichts des geringen eigenen Weinbaus in Herrenberg jedoch fast ständig die Kasse. Mitunter standen Weinkäufen in ein und demselben Jahr Verkäufe des Getränks gegenüber. Da solche Wechselgeschäfte jedoch keinesfalls regelmäßig erfolgten, kann von einer bewußten und regelmäßigen Handelstätigkeit nicht gesprochen werden, zumindest nicht mehr im Untersuchungszeitraum. Vor 1600 scheint dies anders gewesen zu sein, jedenfalls beobachtete der Herrenberger Chronist Hess beim Spital einen offensichtlich doch recht bedeutenden Weinhandel, welcher dem Corpori nicht geringen Nutzen brachte[915]. Nachdem die eigene Haushaltung während des Krieges aufgegeben worden war, mußten keine Früchte und andere Lebensmittel mehr gekauft werden.
Auf ein Mißverhältnis bei den auf den Feldern angebauten Früchten deuten die ständigen Haferkäufe hin. Hafer dient vor allem als Pferdefutter. Offensichtlich verfügte die Herrenberger Anstalt nicht über genügend Felder, die im Fruchtwechsel Hafer ertrugen. Tatsächlich deutet darauf auch der Umstand hin, daß es nie zu Verkäufen dieser Getreideart kam. Hingegen verkauften die Pfleger jedoch in großem Maße Roggen, mitunter auch größere Mengen an Dinkel, so daß sich beim Getreide insgesamt eine ausgeglichene Bilanz zwischen Käufen und Verkäufen einstellte.
Einen wichtigen Hinweis auf das wirtschaftliche und soziale Verhalten des Herrenberger Spitals liefert die Entwicklung des Vermögenshaushalts. Immer wieder investierte er in den Kauf von Vermögenswerten. Wohl vor allem aus dem Verkauf von Pfründen stammten jene Geldbeträge, welche die Anstalt vor dem Wirksamwerden des Krieges anlegen konnte. Bereits damals kamen in erster Linie Kreditgeschäfte in Betracht. Nachdem die Anstalt ihre eigene Haushaltsführung aufgegeben und die meisten ihrer Äcker 1662 verkauft hatte, konnte sie weitere Mittel für Investitionen freisetzen. Die Erlöse des großen Güterverkaufs flossen also nicht in den Konsum, sondern in eine damals offensichtlich kostengünstigere Anlageform. Der Spital löste damals seine eigenen Verpflichtungen weitgehend ab und konnte gleichzeitig großzügige Kredite gewähren, die ihm in den Folgejahren erhebliche Zinsen einbrachten. Dieses Verhalten läßt sich als Reaktion auf das Besteuerungssystem der Zeit verstehen[916], das Grundstücke in besonderem Maße belastete, hingegen Zinseinkünfte bevorzugte. Innerhalb von nur 18 Jahren profitierte die Anstalt von dieser Umstellung – und sicherlich auch von der geringen Anzahl zu versorgender Armer – so nachhaltig, daß der Schreiber 1681 einen Kassenbestand von 5000 Gulden ausweisen konnte[917].
Die gesamten Geldausgaben des Herrenberger Spitals betrugen jährlich im Durchschnitt knapp 1300 Gulden. Höher lagen sie vor dem Wirksamwerden des Krieges, anschließend dann niedriger. Einen Ausgabenboom über den langjährigen Durchschnitt hinaus brachten dann nochmals die Baumaßnahmen in den 1650er und 1660er Jahren. Allgemein kennzeichnet die Wirtschaftsführung dieser Anstalt der tiefe Einschnitt durch den Dreißigjährigen Krieg besonders deutlich. Wegen ihm schafften die Ratsherren nicht nur die eigene Landwirtschaft, sondern auch die eigene Haushaltsführung ab. Deutliches Merkmal dieser Entwicklung sind die reduzierten Geldausgaben. Noch deutlicher wird diese Entwicklung, wenn man den Wert der wichtigsten Aufwendungen untersucht. Dabei finden außer den Geldausgaben auch die in Geldwert umgerechneten Mengen von Naturalien, welche Spitaliten verbrauchten, Berücksichtigung. Im langjährigen Durchschnitt lag die Versorgungsleistung um etwa 500 Gulden höher als die Geldausgaben. Allerdings machte sich hier der Kriegsbeginn noch wesentlich nachhaltiger als Epochengrenze bemerkbar. Da während des Krieges die Eigenwirtschaft und die eigene Haushaltsführung aufgegeben wurden, finden sich bei dieser Berechnung nach Kriegsende die unveränderten Werte der Geldausgaben. Real läßt sich vor der heißen Kriegsphase ein sehr konstantes Niveau von knapp über 2500 Gulden beobachten, das nur die Teuerungsperiode der Kipper- und Wipperzeit unterbrach. Nominell blieb das Niveau der Versorgungsleistung nach dem Kriegsende kaum halb so hoch wie zuvor. Vor allem hatte sich offensichtlich deren Zielsetzung verlagert. Umfangreichere Ausgaben galten hauptsächlich der Bautätigkeit, die sozialen Leistungen fielen demgegenüber weit zurück. Noch extremer als bei den beiden hohenbergischen Anstalten sanken die sozialen Leistungen. Freiwerdende Mittel flossen jedoch keineswegs in die Landwirtschaft, wie bei den bisher betrachteten Spitälern. Vielmehr fand auch der landwirtschaftliche Betrieb des Herrenberger Spitals ein Ende. An seine Stelle trat die Kreditwirtschaft. Den wenigen Aussagen über die damalige Entscheidung der Spitaloberen zufolge rentierte sich die Umverlagerung der Mittel eher, was vielleicht mit der relativ geringen Größe der Herrenberger Anstalt und dem Besteuerungssystem der Zeit zusammenhängen mag. Außerdem gehört in solche generellen Überlegungen der Hinweis darauf mit einbezogen, daß sich endgültige Aussagen über die Entwicklung des sozialen Standards in Städten nur unter Berücksichtigung anderer Träger als der Spitäler treffen lassen. Vor allem protestantische württembergische Städte mit ihren Armenkästen verfügten hier über ein manchmal bedeutendes Potential, das im Falle Herrenbergs jedoch eine geringere Bedeutung als der Spital hatte[918].
Die Ausgaben der drei Spitäler
Schon ein Vergleich der Einnahmen aller drei untersuchten Spitäler hat deutlich gemacht, wie sehr die Rottenburger Anstalt über die beiden anderen dominierte. Diese Feststellung gilt auch im Hinblick auf die Versorgungsleistung. In den Jahren vor der Kipper- und Wipperzeit wandte der Herrenberger Spital weniger als ein Drittel, jener in Horb etwa drei Viertel der Beträge des Rottenburger Spitals auf. Vor Beginn der heißen Kriegsphase änderte sich das Verhältnis noch deutlicher zugunsten Rottenburgs.
Versorgungsleistung der Spitäler preisbereinigt in Gulden | |||
Periode | Horb a.N. | Rottenburg | Herrenberg |
1590-06 | |||
1607-21 | 4846 | 6452 | 1939 |
1622-26 | 5339 | 5141 | 988 |
1627-34 | 3704 | 5888 | 1702 |
1635-41 | 2200 | 3392 | |
1642-50 | 1431 | 2139 | |
1651-74 | 1823 | 2993 |
Anhand der Versorgungsleistung aller Spitäler läßt sich zudem die mit Hilfe von Preis- und Lohnreihen und vor allem anhand des Gesamtindexes getroffene Periodisierung erhärten. Als wichtigster Einschnitt erscheint dabei das Wirksamwerden des Krieges. In Horb kam es zu einer Abnahme der Leistungen um zwei Drittel. Nach dem Krieg blieben sie auf etwa die Hälfte reduziert. Allerdings hatten sich die Gewichte innerhalb der Ausgaben verschoben. Bei allen drei Anstalten nahmen die Aufwendungen zur Versorgung sozial Schwacher ab. Angesichts der ungeheuren Menschenverluste im Krieg war die Zahl Hilfesuchender vermutlich ebenfalls stark zurückgegangen. Gleichzeitig gestalteten sich die Lebensverhältnisse wegen der niedrigen Lebensmittelpreise und relativ hohen Löhne auch für die Angehörigen unterer sozialer Schichten einfacher. Freilich wird auch nach Kriegsende immer wieder von Verelendeten berichtet, die durch die Lande zogen. So könnte auch die städtische Obrigkeit eine restriktive Sozialpolitik gegen Ortsfremde durchgesetzt haben. Jedenfalls wird die Verlagerung in allen Fällen sehr deutlich. Die beiden Hohenberger Anstalten legten größeren Wert auf ihre Landwirtschaft, was an dem hohen Personal- und Zugviehbestand sowie an entsprechenden Erntekosten abzulesen ist. Gleichzeitig erhöhten Fruchtverkäufe deren Liquidität. In Herrenberg kam es hingegen zu einer Verlagerung auf das Kreditgeschäft. Überhaupt reagierte der Herrenberger Spital am nachhaltigsten auf die Veränderungen, indem er nicht nur seine Eigenwirtschaft und die eigene Haushaltung aufgab, sondern sich mit dem Verkauf der meisten Grundstücke auch der Möglichkeit zur Wiedereinrichtung beraubte. Ihre Schulden konnten alle Spitäler nach dem Krieg rasch abbauen, Restanzen hingegen nur zum Teil. Ihre Substanz freilich blieb von den Kriegswirkungen nicht verschont, Abschreibungen dünnten sie aus.
XIII. Zusammenfassung
In vorindustrieller Zeit, als sich das wirtschaftliche Geschehen innerhalb relativ kleiner räumlicher Einheiten abspielte, müssen die Problemstellungen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte zunächst auf regionaler und lokaler Ebene erforscht werden. Ulf Dirlmeier und Wolfgang von Hippel[919] haben in ihren grundlegenden Arbeiten dieses Anliegen stark betont. Für die Städte Rottenburg, Horb und Herrenberg stellt die vorliegende Untersuchung entsprechendes Datenmaterial zur Verfügung. Die Fülle des Materials konnte dabei voll und ganz den Ansprüchen eines quantitativ arbeitenden Historikers genügen, wie es Karl Heinrich Kaufhold kürzlich beschrieben hat[920]: Und nun kommt der quantitativ arbeitende Forscher! Er zeigt sich in nahezu allen Punkten als das Gegenbild des Benutzers, der dem Archivar vertraut und auf den hin das Archiv orientiert ist. Seine Bestellungen sind umfangreich; am liebsten nimmt er ganze Serien etwa von Rechnungsbüchern auf einmal in Anspruch. Und er ist damit zumeist erstaunlich schnell fertig; im schlimmsten Falle braucht er nur wenige Minuten für einen Band. Beobachtet man ihn, zeigt sich, daß er meist nur einige Seiten näher prüft und daraus Auszüge macht, oft in vorbereitete Formulare oder Tabellen. Besonders kritisch wird es, wenn sein Gesicht zufrieden wirkt und seine Miene heiter wird – dann steht ein umfassender Kopierauftrag ins Haus, weil (wie er sagt) „man so viele Zahlen doch nicht abschreiben kann“. Freilich ist die Freude über ergiebige Quellen nur die eine Seite der Medaille. Mit dem Entzücken geht stets auch die Frage nach geeigneten Methoden einher, mit deren Hilfe erhobene Datenreihen sinnvoll ausgewertet werden können. Besonders Ulf Dirlmeier hat dieses Problem deutlich herausgearbeitet. Für alle drei untersuchten Spitäler dürften nach einer groben Schätzung immerhin an die 100000 Einzeldaten aus etwa 300 Rechnungsbüchern bearbeitet worden sein.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, auf der Basis dieser Daten Rückschlüsse auf die Lebensverhältnisse in der Frühen Neuzeit zu gewinnen. Dies ermöglichte ein Umweg. Die angewandte Methode beruht darauf, Rückschlüsse auf die allgemeinen Lebensverhältnisse durch die Untersuchung von Großverbrauchern und Großbetrieben, nämlich den Spitälern, zu erhalten. Beobachtungen, die sich für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ausgewählter Spitäler formulieren lassen, müssen daraufhin befragt werden, inwiefern sie Rückschlüsse auf die allgemeinen Lebensverhältnisse im Untersuchungsgebiet zulassen.
Der doppelköpfige Charakter der Spitäler, zu welchen neben dem Sozialbetrieb in aller Regel auch eine umfangreiche Landwirtschaft gehörte, versprach insbesondere Erkenntnisse aus dem Grenzbereich zwischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Aus einer homogenen Quellengrundlage, den Rechnungsbüchern, ließen sich Lohn- und Preisreihen, Reihen über Anbauergebnisse, über zeitgenössisches Verbrauchsverhalten und schließlich über die Wirtschaftsführung der Anstalten selbst gewinnen. Das hierzu herangezogene Quellenmaterial hat sich als besonders ergiebig erwiesen und damit den Erwartungen entsprochen.
Freilich muß man sich über einen sehr banalen Sachverhalt klar sein: die Spitalschreiber des 17. Jahrhunderts stellten diese Rechnungen nicht deshalb auf, damit Historiker Quellen für ihre Untersuchungen haben. Deshalb konnte das Material nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen entsprechen, die heutzutage an die Grundgesamtheiten statistischer Untersuchungen gestellt werden. Praktisch bei allen Preisreihen, vor allem aber auch bei den Löhnen, kamen durch die Bildung von Datenreihen Unsicherheiten zum Tragen. Hier gab es die größten Schwierigkeiten, etwa wenn das Zustandekommen erhobener Taglöhne nachvollzogen werden mußte. Mögliche Handwerker-Budgets ließen sich erst gar nicht ermitteln, weil Aussagen über eventuelle Landwirtschaft im Nebenerwerb nur eingeschränkt möglich waren. Aber solche Unsicherheiten wurden zugunsten gröberer Untersuchungsziele hingenommen.
Auf dem Quellenmaterial aufbauend konnte eine Methode zur Preisbereinigung entwickelt werden. Das benutzte Wägungsschema beruht auf dem Gedanken, daß sich Veränderungen im allgemeinen Verbrauchsverhalten auch in jenem der Spitäler niederschlugen. Somit boten die spitalischen Rechnungsbücher Datenreihen, mit deren Hilfe das Wägungsschema für Preisbereinigungen in Abhängigkeit zu den realen Verbrauchsverhältnissen bestimmt werden konnte. Unterschiede etwa in den Verzehrgewohnheiten traten nachweislich gerade während des Untersuchungszeitraums auf. Die Vorteile des Wägungsschemas zeigten sich unter anderem in der Bewältigung einer Scherenbildung zwischen Preisen und Löhnen zu Beginn der 1640er Jahre.
Methodisch erwies es sich als wichtiger Vorteil, daß quantitativ ermittelte Ergebnisse durch die Besitzgeschichte der Anstalten, durch die Untersuchungsberichte österreichischer Kommissare, durch Taxordnungen und durch Münzerlasse erhärtet werden konnten. Schließlich wurden die Spitalhaushalte vor diesem methodischen Hintergrund analysiert, wozu die Begriffe Versorgungskapazität und Versorgungsleistung Verwendung fanden, um das reale Verhalten der Anstalten messen zu können. Dieses liefert Hinweise auf eine mögliche Reaktion auch privater Verbraucher auf die Probleme der Zeit. Darauf wird später abschließend eingegangen.
Der doppelköpfige Charakter der Spitäler als landwirtschaftlicher Großbetrieb und als Versorgungsanstalt für Bedürftige zeichnete sich in allen drei Fällen bei der jeweils erstmals zusammengefaßten Besitzgeschichte deutlich ab. Eigene landwirtschaftliche Betriebe produzierten in der Vorkriegszeit den Grundbedarf an Lebensmitteln. Die zwei größeren Anstalten ernteten so viele Naturalien, daß sie sogar deren Verkauf zur Kapitalbildung einsetzen konnten, nicht jedoch jene in Herrenberg. Bei den Geldeinnahmen dominierten die Gült- und Zinsgelder, Hinweis auf das damals florierende Kreditgeschäft, welches vor allem die Herrenberger Anstalt nach Kriegsende weiter ausbaute. Das Pfründgeschäft blühte bis zum Kriegsbeginn und besonders in den Jahren zwischen der Kipper- und Wipperzeit und der heißen Kriegsphase im Untersuchungsgebiet. Vor dem Krieg gab es eine ausgeglichene Struktur zwischen Naturalerträgen und Geldeinnahmen, die allerdings durch den Krieg aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Wie gesund diese Struktur war, zeigt sich unter anderem daran, daß keiner der Spitäler zu Neuverschuldungen gezwungen war, höchstens einmal bei größeren Baumaßnahmen auf den Kapitalmarkt zurückgreifen mußte.
Unter den drei Anstalten war jene in Rottenburg bei weitem die bedeutendste. Ihre Versorgungskapazität, ihre Versorgungsleistung und ihre Besitzrechte waren am umfangreichsten. Sie übertraf die in Horb fast um das Doppelte und die Herrenberger um das Vierfache. Grundlage ihrer dominanten Stellung waren die selbst bewirtschafteten Hofgüter, umfangreiche Zehntrechte und der Weinbau. Für die Horber Anstalt zahlten sich demgegenüber ihre Ortsherrschaften nicht aus. Sie wandte für ihre Versorgungspflichten aber immerhin noch etwa doppelt soviel wie jene in Herrenberg auf. Der Herrenberger Spital verköstigte vor Kriegsbeginn etwas mehr als 40 Personen. In der Rottenburger Anstalt lebten zur selben Zeit circa 100 Personen, nach dem Krieg nur noch etwas mehr als die Hälfte. Die wirtschaftlichen und sozialen Einflüsse waren indessen sehr ähnlich, was sich nicht zuletzt in einer einheitlichen Periodisierung niederschlug. Sogar in Herrenberg gab es ähnliche Verbrauchsperioden wie in Hohenberg. Unterschiede zwischen den Anstalten lassen sich zu einem großen Teil durch den Charakter der jeweiligen Stadt erklären. Deren Einwohnerzahl und wirtschaftliche Bedeutung spiegelte sich in den Fürsorgeeinrichtungen wieder.
Als wichtigstes Getreide bauten alle drei Anstalten Dinkel an. Hafer spielte als Pferdefutter eine Rolle. In den beiden Hohenberger Spitälern wurde viel Wein angebaut, vor allem in Rottenburg. Für Herrenberg hatte der Weinbau hingegen nur eine untergeordnete Bedeutung.
Den gemeinsamen Entwicklungen stehen aber auch deutliche Unterschiede zwischen den drei untersuchten Spitälern gegenüber. Obwohl die Untersuchungsobjekte einander unmittelbar benachbart waren, zeigen sich lokale Sonderentwicklungen. Vor allem gab es für die drei Städte keinen homogenen Markt[921]. Dafür sorgten schon alleine die sehr hohen Transportkosten, die selbst bei bestehender Markttransparenz einen Ausgleich vieler Preise verhindern mußten. Solche Unterschiede wurden zeitgenössisch, zum Beispiel in den Taxordnungen, immer wieder betont, ihre Ursachen dargelegt. Freilich gab es überregionale Trends, die sich im parallelen Verhalten von Preis- und Lohnreihen niederschlugen. Zum Beispiel hingen gewerbliche Preise deutlich von den großen Messen in Frankfurt und Straßburg ab. Diese überregionalen Trends lassen sich auch in anderen württembergischen Orten ablesen. Ansonsten waren es die Fleischpreise, welche sich in allen drei untersuchten Orten am kontinuierlichsten und am einheitlichsten entwickelten. Hingegen deuten größere Differenzen bei den Getreidepreisen darauf hin, daß sie stärker im lokalen Rahmen gebildet wurden. Diese Erkenntnisse machen besonders deutlich, wie nötig lokale Untersuchungen für wirtschafts- und sozialpolitische Fragestellungen über die Frühe Neuzeit sind.
Die ermittelten Ergebnisse ließen sich in einer Gesamtdarstellung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zusammenführen. Die dabei ermittelten Perioden sind ein wesentliches Ergebnis der vorliegenden Untersuchung. Sie stimmten für das gesamte Untersuchungsgebiet überein, wobei sich die Wendepunkte als in aller Regel von exogenen Faktoren bestimmt erwiesen. Insbesondere spielten die Kipper- und Wipperkrise 1622, die Schlacht von Nördlingen 1634 und der Abzug der Besatzungstruppen 1650 jeweils eine entscheidende Rolle. Die meisten festgestellten Auswirkungen auf die Spitäler und deren Reaktionen lassen sich also exogen, vor allem durch den Krieg, erklären. Exogene Booms, etwa der Gesamtindizes, bewirkten ihrerseits aber wiederum strukturelle Änderungen. So verschob sich das Verhältnis von Preisen zu Löhnen bei der Ausgabenstruktur. Insgesamt paßten die Spitalverwaltungen ihre Verbrauchsgewohnheiten den Kriegsläufen an. Zur Formulierung dieser Veränderungen erwies sich das methodische Instrumentarium der vorliegenden Arbeit als tauglich. Der Untersuchungszeitraum war indessen zu kurz bemessen, um endogene wirtschaftliche Faktoren erkennen zu können. Im folgenden sollen nun die einzelnen Perioden der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vorgestellt und Schlüsse auf Veränderungen der allgemeinen Lebensverhältnisse gezogen werden.
Während der Vorkriegszeit bis hin zur Kipper- und Wipperkrise machten sich unterschiedliche Preise vor allem als Folge von Erntezyklen bemerkbar. Mißernten trieben beispielsweise die Preise in die Höhe, so jene für Wein seit 1607. Getreide kostete nach Mißernten besonders viel zwischen 1609 und 1615. Anschließend verbilligte es sich wieder. In dieser Periode scheinen also in erster Linie Erntezyklen preisbildend gewirkt zu haben. Alle folgenden Vergleiche beziehen sich auf diesen Zeitraum, Entwicklungen werden von ihm aus beurteilt.
Mit der Kipper- und Wipperkrise begann 1622 eine enorme Teuerung, welche Preise und Löhne und somit auch den Gesamtindex in die Höhe trieb. Dafür können Witterungsverhältnisse kaum verantwortlich gewesen sein, da die Ernteerträge in etwa normal blieben. Exogene Einflüsse sind vielmehr in der staatlichen Politik zu suchen. Wollten frühneuzeitliche Staaten Budgetdefizite ausgleichen, so konnten sie dazu entweder ihre Münzen verschlechtern oder Kredite aufnehmen. An der Steuerschraube ließ sich damals weniger stark drehen. Gerade aber die Kriege der Zeit kosteten viel Geld. Deshalb stieg die Staatsverschuldung enorm. Bis in die Spitalhaushalte hinein wirkte sie sich aus, indem die Rubriken der Restanzen anschwollen, welche zu einem erheblichen Teil aus Schulden der öffentlichen Hand bestanden. Staatliche Kassen und Privatleute konnten bald ihre Zinsen und Tilgungen nicht mehr bezahlen, weshalb die Restanzen vor allem während der 1630er Jahre weiter anschwollen. Dieses Phänomen war in Horb und Rottenburg gleicherweise erkennbar. Das andere Mittel, die Münzverschlechterung, steht ursächlich hinter der Kipper- und Wipperinflation.
Die Inflation wirkte sich nachhaltig auf die wirtschaftliche und soziale Situation und somit auf die gesamten Lebensverhältnisse aus. Es kam in allen Orten zu einer Scherenbildung zwischen dem Verbrauch von elastisch nachgefragten Nahrungsmitteln und jenem von Grundnahrungsmitteln. Man schränkte sich also auf das Lebensnotwendige ein. In dieser Lage brachte eine hohe Grundversorgung durch Eigenbau enorme Vorteile. Auch Handwerker konnten diese Krise verkraften, sofern sie oder ihre Familienangehörigen zur Selbstversorgung Äcker im Nebenerwerb oder im Zuerwerb bestellten. Wer von seinem Handwerk alleine lebte, hatte es besonders schwer, da die Löhne eine Zeit lang hinter den Preisen herhinkten. Die Herrschaft versuchte der Teuerung durch Münzedikte und Preisregulierungen zu begegnen. Es handelte sich um echte Preistaxen, welche Höchstpreise vor allem für agrarische Produkte festlegten. Die Taxordnungen beeinflußten in jedem Fall die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig, ob jedoch eher negativ oder positiv ist schwer zu entscheiden. Negativ insofern, als sich die staatlichen Steuerungssysteme als problematisch erwiesen. Sie destabilisierten die Märkte, wofür ein ständiger Regelungsbedarf symptomatisch ist. Vor allem führten sie, weil Produzenten ihre Waren zurückhielten, zu einer Versorgungskrise. Ob der tatsächlich recht bald erreichte Preisstop diese Nachteile aufwiegen konnte, läßt sich kaum entscheiden. Er könnte auch Indiz für eine beginnende Beschäftigungskrise sein.
Gerade die ländliche Bevölkerung scheint damals die Lust an der Arbeit verloren zu haben, schändlicher Müßiggang machte sich breit. An Leibskräften wolvermögliche, Mann und Weib verweigerten sich vast aller Handarbeit und wendeten sich stattdessen schandtlich auf den Bettelstab…, wobei sie andern ehrlichen Leuten mit vilen Kindern und gantzen Haushaltungen,… täglich vor den Thüren ligen, zumahl den rechtdürftigen das liebe Almusen gleichsam aus dem Rachen reißen[922]. Handwerker sprachen ihre Preise ab und trieben damit offenbar die Empörung ihrer Kunden auf den Gipfel, was auch leichtlich zu gemeinem Aufstand dienen köndte[923]. Daß es mit der Arbeitsmoral bergab ging, lag vermutlich in erster Linie an den erzielbaren Löhnen. Sie standen in keinem angemessenen Verhältnis zu den Kosten, die davon bestritten werden mußten. Mangel, Hunger und Kummer machten sich damals vor allem unter der städtischen Bevölkerung breit, wohingegen es der Landbevölkerung besser ging, da diese den Bauern ihre Produkte direkt von der Tenne weg abkaufte. Die Städte seien zu Dörfern, die Dörfer zu Städten geworden, hieß es 1623 aus dem Tübinger Amt[924].
Der Kipper- und Wipperinflation folgte seit etwa 1627 eine Stabilisierung der Preise auf niedrigerem Niveau. Normale Ernteergebnisse und obrigkeitliche Maßnahmen waren für diese Besserung entscheidend. Im Untersuchungszeitraum erreichte der Lohnsatz für Handwerker damals nach dem Inflationsschub der Kipper- und Wipperzeit eine Höhe von 24 Kreuzern je Tag, welcher im wesentlichen während des gesamten 18. Jahrhunderts erhalten blieb und wohl nur noch kurzzeitig zurückging.
Einen nachhaltigeren und schlimmeren Rückschlag als die Kipper- und Wipperzeit brachte für den Südwesten der eigentliche Kriegsbeginn 1634, nach der Schlacht von Nördlingen. Die Störeinflüsse des Dreißigjährigen Krieges suchten seitdem das gesamte Untersuchungsgebiet auf direkte Art und Weise heim, praktisch ohne Unterschied der betroffenen katholischen oder protestantischen Territorien. Eine Versorgungskrise entstand, beispielsweise, als schwedische und württembergische Truppen durch Horb zogen und unser… zuvor eingeheimbste Erndt ufgezehret[925]. Aber nicht nur wegen der verstärkten Nachfrage durch einquartierte und fouragierende Truppen, sondern besonders wegen kriegsbedingter Ernteausfälle kam es zu Versorgungskrisen. Vor allem auf dem Land lagen die Felder jahrelang brach. Die Horber Amtsflecken wurden von durchziehenden Truppen immer wieder grundtsverderblich ruiniert und darüberhinaus die Bewohner auch gahr von Haus und Hof veriagt, maßen in keinem Fleckhen eintziges Mensch, zuegeschweigen ein Stückhlin Vich mehr zuefinden[926]. Es kam wegen der Landflucht zu einem regelrechten Stadt-Landgefälle. Die Städte ihrerseits trafen Plünderungen und Stadtbrände besonders hart, trotzdem behielten sie mehr noch als in Friedenszeiten ihre zentrale Funktion. Aber auch deren Bürgerschaft, welche oftmals bis zur Ernte kaum etwas zu Essen hatte, stand kurz davor, aufzugeben. Sofern Besatzungstruppen noch weiter wie bisher mit ihnen umgehen würden, so klagten die Horber, wier gantz unverschuldterweis gleichergestalt Haus undt Hof verlassen undt das betriebte Exilium suechen müessen[927]. Die Preise stiegen enorm, weshalb die Gesamtindizes einen zweiten Boom durchliefen, den nachhaltigsten im Untersuchungszeitraum. Angesichts dieser Umstände wundert es nicht, daß der Kriegsbeginn ein entscheidender Einschnitt auch beim Konsumverhalten war, die Verbrauchsmengen gingen rapide zurück. Elastisch nachgefragte Lebensmittel wie Fleisch und Wein dürften weitgehend reduziert worden sein. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß einquartierte Soldaten einen Teil der luxuriöseren Verpflegung genossen. Als Folge des Krieges ist zu werten, daß der Herrenberger Spital 1637 die eigene Haushaltung aufgab. Seine Insassen waren gestorben, neue nahm er nicht mehr auf.
Eine Änderung zeichnet sich im Jahr 1641 ab. Damit beginnt die vierte Periode. Deren Ursachen lassen sich wegen einer nur mäßigen Quellenlage nicht eindeutig klären. Wichtig wären Informationen über die Entwicklung der Bevölkerung, wie sie aus einzelnen Jahren für Herrenberg und Württemberg vorliegen. Vermutlich war die Bevölkerung so stark dezimiert, daß die Angebots- und Nachfragestruktur umkippte. Die Änderung bestand hauptsächlich in einer Scherenbildung zwischen Preisen und Löhnen. Zuvor hinkten die Löhne den Preisen hinterher, anschließend umgekehrt. Es kam zu einem nachhaltigen Preisverfall für agrarische Produkte. Hingegen hielten die Löhne ihr altes Niveau. In Warenkörben müssen wegen der Scherenbildung 1641 unbedingt beide Reihen berücksichtigt werden. Nur ihr Zusammenwirken läßt eine Preisbereinigung zu. Für den nach dem Verbrauchsverhalten der Spitäler maßgeblichen Warenkorb kamen die Lohnkosten immerhin mit einem Fünftel zum Tragen. Von hohen Lohnanteilen in einem Handwerkerbudget ließ sich vor allem nach 1642 profitieren, wohingegen Bauern beim Verkauf ihrer Produkte das Nachsehen hatten. Diese Periodengrenze findet auch ihren Niederschlag in den staatlichen Preisregulierungen. Die Intentionen der Taxordnungen wandelten sich in den 1640er Jahren vom Schutz der Konsumenten zum Schutz der landwirtschaftlichen Produzenten.
Vor allem richteten sich die Taxordnungen nunmehr gegen jene Lohnempfänger, welche die enorme Nachfrage nach ihren Diensten ausnutzten. Sie diktierten ihre Forderungen und paßten ihren Lebenswandel – zum Beispiel durch entsprechenden Kleidungsaufwand – der starken Position, die sie innehatten, an. Einige von ihnen verübten angeblich allerhand Sünden, Schandtaten und Laster, indem selbige, ohne Underschid von Männern, Weibern, Wittfrawen und lediger Bursch, hie und dorten in Cammern, Stuben, Stallungen und anderswo zusammenschlupfen, in Worten und Wercken ärgerlich leben und in einem fast wilden barbarischen Wesen ufwachsen, und mit großer Verachtung des Gottesdienst dahin geben[928]. Lohnempfänger zeichneten sich angeblich durch ihren Mutwillen und Halsstarrigkeit bei Lohnansprüchen aus. Gleichzeitig hatte sich der Ehehalten Stand und Condition umb ain nambhaftes gebessert[929].
Die Zustände nach dem Krieg begannen sich eigentlich erst nach dem Jahr 1650, vielleicht erst 1654, zu normalisieren. Bis dahin belasteten einquartierte Truppen die Wirtschaft des Untersuchungsgebietes. Allerdings erholte sich die Landwirtschaft bereits seit dem Ende der 1640er Jahre. Nach Kriegsende blieben die Getreideerträge freilich geringer als vor Beginn. Die zwei hohenbergischen Anstalten bewirtschafteten zwar ihre Äcker erneut, aber deren Erträge erreichten den alten Stand doch nicht mehr. Vielleicht war hierfür ein Mangel an Zugvieh verantwortlich. Insbesondere der Rottenburger Spital investierte auch wieder in den Weinbau. Allerdings konnten die Leistungen der abgebrannten Keltern erst am Ende des Untersuchungszeitraums wieder das alte Niveau erreichen. Die Qualität des Gewächses nahm möglicherweise wegen zu schneller Bepflanzung der Weingärten ab. Trotzdem war die Anbauentscheidung der beiden Anstalten folgerichtig, weil Wein lange Zeit mehr einbrachte als andere landwirtschaftliche Produkte. Vor Kriegsbeginn lagen allgemein die Preise höher als danach. Beim Wein jedoch machte sich der Preisverfall nach dem Krieg langsamer bemerkbar, die Weinpreise blieben wesentlich länger über dem Vorkriegsniveau. Erst seit 1668 sanken sie darunter. Auch beim Getreideanbau reagierten die Spitäler in gewisser Weise auf die Kriegswirkungen. Die Horber Bediensteten bauten nach dem Krieg mehr Hafer als vorher an. Unterdurchschnittliche Ernteergebnisse beim Getreide und beim Wein und Teuerungen zwischen 1660 und 1667 beeinträchtigten die Wirtschaft nur leicht. Im Gegensatz zu den untersuchten hohenbergischen Anstalten verlagerte die Herrenberger ihre Mittel auf das Kreditgeschäft. Bei allen Spitälern gewannen also entweder der landwirtschaftliche Betrieb oder das Kapitalgeschäft nach Kriegsende erheblich an Bedeutung.
Dagegen sank die Versorgungsleistung, vermutlich wegen geringerer Nachfrage. Angesichts der beispielsweise in Württemberg auf ein Viertel reduzierten Bevölkerung und der niedrigen Lebensmittelpreise, welche auch niedrig bezahlten Arbeitern ein Auskommen ermöglichten, wäre diese Entwicklung plausibel. Allerdings könnte auch eine bewußte Entscheidung der Verantwortlichen dafür mitverantwortlich sein. Denn auf einen nach wie vor bestehenden Bedarf nach sozialer Fürsorge deuten einzelne Aussagen hin. So hieß es vom Horber Spital 1669, daß dort die Pfründner und armen Bresthaften gleichsam Hunger und Noth litten und sich mit leufigen Zähren und hertztrengenden Seufzen beklagten, darüberhinaus galten deren Bekleidung und Unterhaltung als höchstens bedürftig und nöthig[930]. Auch an der Bausubstanz der Horber Anstalt gab es nach Kriegsende angesichts des gleichsamb stündtlich, ja augenblückhlichen besorgenden gantzlichen Einfahls viel zu tun[931]. Diese Zustandsbeschreibungen müssen freilich auch politisch verstanden werden, da es galt, die Zahlung ausstehender Restanzen von der Herrschaft zu erwirken. Trotzdem scheint es auch angesichts wieder steigender Konsummengen in den hohenbergischen Spitälern Engpässe gegeben zu haben.
Demgegenüber stellten die Anstalten ihre wirtschaftliche Basis schnell wieder her. Die benötigten Geldmittel erbrachten unter anderem Fruchtverkäufe. Durch den Krieg änderte sich folglich die soziale und wirtschaftliche Struktur der Spitäler erheblich. Nach Kriegsende blieb die Versorgungsfunktion zugunsten der Wirtschaftstätigkeit eingeschränkt. Auch die Konsumgewohnheiten hatten sich geändert. Fleisch kam verhältnismäßig seltener auf den Tisch, Wein etwas mehr. Noch in weitaus größerem Maße als vor dem Kriegsbeginn kann für diesen Zeitraum der Dinkel als das Grundnahrungsmittel schlechthin bezeichnet werden. Für die Reduktion des Fleischverbrauchs spricht auch der Umstand, daß die Fleischpreise nicht unter das Vorkriegsniveau fielen, sondern dieses zumindest hielten.
Die Aufwendungen der Spitäler für Nahrungsmittel sanken nach Kriegsende gewaltig, wohingegen die Lohnanteile auf mehr als ein Drittel stiegen. Diese Entwicklung läßt sich ab den 1640er Jahren beobachten. Lohnempfängern ging es nach Kriegsende folglich relativ besser, weil ihre Einkünfte stiegen und die Preise fielen. Die Obrigkeit bekämpfte wie seit 1642 weiterhin die Lohnforderungen durch Taxordnungen. Noch konnten es sich die Diener leisten, trotzige Worte gegen ihre Herren zu erheben, zu koldern und zu boldern, ihren Zorn und Unwillen an Geschirr und Mobilien, an Kindern, dem Meister und dessen Frau auszulassen[932]. Wieder schlossen sich Handwerker zusammen, setzten Unwillige als Stimpler unter Druck[933]. Damals sollten die Verordnungen den durch das höchstleidige Kriegswesen eusserst ruinirten Bawersmann, den der höchste Unwert der lieben Früchte vom Feldgeschäft abschreckte, schützen. Zu seinen Ungunsten wirkte sich die Clämme des zumal kostbaren Gesinds und Ehehalten aus[934]. Auch Handwerker klagten, weil sie ihren Gesellen die Löhne von Meistern zahlen mußten, wenn sie überhaupt noch welche bekommen wollten[935]. Die Gesellen arbeiteten lieber auf den Dörfern, weil ihnen die Bauern zum Taglohn noch reichlich Essen und Trinken gaben[936]. Vor allem ausländische Taglöhner, von denen sich solche aus Tirol und aus der Schweiz in den Rechnungsbüchern nachweisen lassen, standen im Verdacht, die Löhne zu steigern: durch ihr immerforttreibendes hohes Taglohnen dem ingeseßenen erarmten Landtman das Brot gleichsam vorm Mund abschneiden, hernachmals das eingeseckelte Gelt außer Landts hinwegtragen[937]. Auch importierte alkoholische Getränke und Tabak waren der Regierung ein Dorn im Auge, alle beede denen bösen Haushaltern nur zu täglichem Zechen Anlaß gibet, zur Arbeit schlummerig und verdrossen machet, und zumal wegen des Feuers, wie die eingeloffene Exempel schon bezeuget haben, gantz gefährlich seynd[938]. Gegen solche Genußmittel wie auch gegen Kleiderpracht richteten sich die Ordnungen deshalb, weil die leidige Hoffart Bedienstete zu höheren Lohnforderungen oder gar zum Diebstahl antrieb. Nach Kriegsende blieben die Gesamtindizes, die ja auch die Lohnentwicklung berücksichtigen, trotz des Preisverfalls höher als vor der Kipper- und Wipperzeit. Seit 1674 kam es zu einer neuen Teuerung.
Die arme, übel verderbte Underthonen klagten während des Dreißigjährigen Krieges immer wieder über ihren ublen Standt undt ertaurter Ruin[939]. Was bisher vor allem in literarischer Form über die durch den Krieg veränderten Lebensverhältnisse bekannt war, konnte in der vorliegenden Arbeit anhand einer regionalen Untersuchung durch neue Aspekte erweitert werden. Dabei erwiesen sich die Quellengruppe spitalischer Rechnungsbücher und ein speziell auf diese abzielender methodischer Ansatz als besonders hilfreich.
Abkürzungsverzeichnis
Abb = Abbildung
Abh = Abhandlung
AID = Auswertungs- und Informationsdienst der Landwirtschaft
Anm = Anmerkung
Apr = April
Aufl = Auflage
Aug = August
Bd = Band
Bde = Bände
bearb = bearbeitet
Bl = Balingen
Bü = Büschel
Bz = Batzen
Cap = caput
Ders = derselbe
Dez = Dezember
Diss = Dissertation
Dr = Doktor
Ebd = ebenda
f = folgend
Feb = Februar
ff = fortfolgende
fl = Gulden
flrh = Gulden rheinisch
fol = folio
H = Heft
h = Heller
Hbg = Herrenberg
HDSW = Handwörterbuch der Sozialwissenschaften. Zugl. Neuauflage des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften, hg. v. Erwin Beckerath u.a. 12 Bde. Stuttgart, Tübingen, Göttingen 1956-1965.
HdWW = Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft. Zugl. Neuauflage des Handwörterbuchs der Sozialwissenschaften, hg. v. Willi Albers, Karl Erich Born u.a. 10 Bde. Stuttgart, New York, Tübingen, Göttingen, Zürich 1977-1983.
Hg = Herausgeber
hg = herausgegeben
Hor = Horb
HRG = Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hg. v. Adalbert Erler u. Ekkehard Kaufmann, bisher erschienen Bde. 1-3, Berlin 1971 – 1984.
Hs = Handschrift
hs = handschriftlich
HStASt = Hauptstaatsarchiv Stuttgart
iur = iuris
J = Jauchert
Jan = Januar
Jbb = Jahrbücher
Jg = Jahrgang
Jul = Juli
Jun = Juni
Kap = Kapitel
KB = Kreisbeschreibung
kg = Kilogramm
LaBu = Lagerbuch, Lagerbücher
lbh = Pfund Heller
Lfg = Lieferung
Lib = librum
LThK = Lexikon für Theologie und Kirche, hg. v. Josef Höfer u. Karl Rahner, 2. neubearb. Aufl. 10 Bde. u. ein Registerband, Freiburg 1957 – 1967.
M = Morgen
masch = maschinenschriftlich
Mmd = Mansmad
Mrz = März
Mtr = Malter
Nachdr = Nachdruck
Nov = November
Nr = Nummer
OAB = Oberamtsbeschreibung
Okt = Oktober
PfarrA = Pfarrarchiv
Pfd = Pfund (Gewicht, historisch)
r = recte
Rbg = Rottenburg
ReBu = Rechnungsbuch, Rechnungsbücher
S = Seite
Sep = September
SO = Sommer
Sp = Spalte
SpitA = Spitalarchiv
St = Sankt
StadtA = Stadtarchiv
ßl = Schilling
T = Teil
TLA = Tiroler Landesarchiv
Tü = Tübingen
TW = Tagwerk
u = und
übers = übersetzt
Univ = Universität
v = verso
vgl = vergleiche
Vtl = Vierteil
WI = Winter
Wiss = wissenschaftlich
WJbb = Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde, hg. v. d. königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart.
WR = Württembergische Regesten
WVjH = Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte, hg. v. d. königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1 (1878) ff.
xer = Kreuzer
zugl = zugleich
ZWLG = Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte
Quellenverzeichnis
HAUPTSTAATSARCHIV STUTTGART (HStASt)
A 206 Bü 2392, 2399, 2415, 2432, 2481;-
A 231 Bü 31, 32, 33, 35, 36, 38, 41, 42, 43;-
A 357 Bü 1, Nr.1;-
A 357G Bü 1;-
B 19 Bü 97, 98, 104, 105, 112;-
B 30 Bü 262;-
B 37a Bü 9-12;-
B 40 Bü 263;-
B 41 Bd.3, 9;-
B 43 Bü 7, 7a.
SPITALARCHIV HORB (SpitA Horb)
Lagerbücher 1560, 1663, 1664, 1665 (Salzstetten), 1767, 1767/68, 1768, 1768 (Salzstetten);-
Rechnungsbücher 1607-1612, 1614-1641, 1643, 1644, 1646-1656, 1658-1669, 1671-1674.
STADTARCHIV HERRENBERG (StadtA Herrenberg)
Bürgermeisterrechnungen 1600-1604, 1606-07, 1609, 1611, 1613-33, 1638-40, 1641/42, 1643/46, 1646-74;-
Bestand H: Hospitalpflege H1 (1482, 1484, 1492/94, 1499, 1501, 1507-1509, 1513-1517), H2-H55 (1520-1573), H56 (1575), H57 (1577), H58 (1582), H59-H61 (1585-1587), H62-H66 (1589-1593), H67-H75 (1595-1603), H78-H83 (1605-1611), H85-H111 (1613-1639), H111a (1640-1644, 1645/1648 in einem Band), H112-H115 (1649-1653), H116-H134 (1656-1674), H401 (1495), H402-403 (1525), H404 (1530), H405 mit Duplikat H406 (1579), H407 mit Duplikat H408 (1612), H409 mit Reinschrift H410 (1674/75), H411 mit Reinschrift H412 (1754), H412A (1740): Gülthof in Hailfingen, H412B (1765): Spitalhof in Gärtringen, H413A-H417: Gültstaatbücher, H418-H435: Haischbücher, H 404 (LaBu des Spitals von 1530), H 406, H 501, H 502,503, H 505,506, H 514, H 516, H 517 C, H 581 (1638-1809), H 583, H 401-H 442;-
Chronik des Vogtes Gottlieb Friedrich Hess, 4 Bde, hs. Abschrift aus dem Jahr 1775;-
E 7: Kriegskontributionen;-
Gerichtsprotokolle 1650-1661, 1661-1672.
STADTARCHIV ROTTENBURG (StadtA Rottenburg)
Bestand Spital, Rechnungsbücher von: 1527, 1528, 1576, 1590 (Fragment), 1597, 1598, 1600, 1602-1604, 1607, 1609, 1610, 1616, 1619-1626, 1628, 1632-1635, 1636/1639 (eine Rechnungsperiode), 1640-1661, 1663-1674;-
Rechnungsprotokolle von: 1589, 1598, 1600, 1602, 1604, 1608, 1609, 1612, 1615, 1618, 1622-1626, 1628, 1630, 1632, 1636/1639 (eine Rechnungsperiode), 1642, 1645, 1649, 1654, 1658, 1662, 1663, 1665, 1667, 1669;-
Hausbücher von: 1610-1612, 1616-1618, 1621-1625, 1628, 1631, 1634, 1636, 1638, 1640-1644, 1651, 1652, 1657-1659, 1663, 1665, 1667-1674;-
C 28, 4-6, 12 u. H 2,2;-
Badstubenrechnung: Summarische Reytung über des Spitals aygenthümblich newerbawet Bad in der Vorstatt gelegen; 11 Blatt, bei der Rechnung 1602 liegend. Daselbst: Prothocoll über des Spitals Badt in der Vorstatt was der Bawschilling cost und darufgegangen biß es ufferbawet worden angefangen 16. July 1600;-
Herbstbücher seit 1622;-
Urbare von 1494, 1537 und 1598, 1789.
TIROLER LANDESARCHIV INNSBRUCK (TLA)
Hs.2402: Kommissionsbericht der Landesherrlichen Regierung über die Stadt Rottenburg;-
Kopialbücher Bd.908;-
Leopoldinum B Nr.133.
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[1]Ulf Dirlmeier, Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. (= Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften phil-hist. Klasse Jg. 1978, 1. Abh.) Heidelberg 1978.
[2]Wolfgang von Hippel, Bevölkerung und Wirtschaft im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Das Beispiel Württemberg, in: Zeitschrift für Historische Forschung 5 (1978) S.413-448.
[3]Wilhelm Abel, Zur Entwicklung des Sozialprodukts in Deutschland im 16. Jahrhundert. Versuch eines Brückenschlags zwischen Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte, in: Jbb. f. Nationalökonomie u. Statistik 173 (1961) S.448-489;- Ders., Agrarkonjunktur, in: HDSW 1 (1956) S.49-59;- Ders., Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland, Hamburg und Berlin 1974;- Ders., Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter. 3. neubearb. Aufl. Hamburg u. Berlin 1978.
[4]Thomas Robert Malthus, Das Bevölkerungsgesetz, hg. u. übers. v. Christian M. Barth, München 1977 S.18.
[5]Einen Überblick bietet: Winfried Schulze, Einführung in die Neuere Geschichte, Stuttgart 1987 S.95-123: Von der Agrarwirtschaft zur Industrialisierung.
[6]Wilhelm Abel, Agrarkrisen bes. S.144ff.
[7]Hippel, Bevölkerung und Wirtschaft S.415.
[8]Ebd. S.415, 431 Anm.70.
[9]Moritz John Elsas, Umrisse einer Geschichte der Preise und Löhne in Deutschland vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn des Neunzehnten Jahrhunderts, 2 Bde. Leiden 1936 u. 1949;- Abel, Agrarkrisen;- Hippel, Bevölkerung und Wirtschaft S.414.
[10]Frank Göttmann, Getreidemarkt am Bodensee. Untersuchungen zu wirtschaftlichen, regionalen und politischen Strukturen und Wandlungen im schwäbisch-ostschweizerischen Raum in der zweiten Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert. Habilitationsschrift masch. Konstanz 1985.
[11]Hippel, Bevölkerung und Wirtschaft S.415.
[12]Zur Diskussion um die entsprechenden modernen Verfahren der Kaufkraftermittlung vgl.: Peter J. Denefje, Lebenshaltungspreisindex, in: HDSW 6 (1959) S.540-544.
[13]Dirlmeier, Lebensverhältnisse S.9-18 u. 26-38;- Abel, Agrarkrisen S.13 u. 140f.
[14]Dirlmeier, Lebensverhältnisse S.32-35.
[15]Taro Yamane, Statistik. Ein einführendes Lehrbuch. 2 Bde. Frankfurt a.M. 1976 Bd.1 S.287ff.;- Denefje, Lebenshaltungspreisindex.
[16]Dirlmeier, Lebensverhältnisse S.35.
[17]Vgl. hierzu Denefje, Lebenshaltungspreisindex;- Klaus Lange, Preisstatistik, in: HdWW 6 (1981) S.222-233.
[18]Hans-Jürgen Gerhard, Diensteinkommen der Göttinger Officianten 1750-1850 (= Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen Bd. 12) Diss. Univ. Göttingen 1978 S.168f: Gerhard konfrontiert die Nominalwerte der Löhne Göttinger Officianten mit der Veränderung des Preisniveaus: „In der Konsequenz mußte so auf eine anteilsmäßige Bewertung der einzelnen Güter verzichtet und mit einem einheitlichen Warenkorb für alle Officianten gearbeitet werden. Lediglich der Ausnahmestellung des Roggens als Grundnahrungsmittel wurde durch eine zweifache Berücksichtigung bei der Ermittlung des Gesamtpreis-Indexes Rechnung getragen“.
[19]Hippel, Bevölkerung und Wirtschaft S.415.
[20]Ebd. S.425.
[21]Leider erwiesen sich in möglichen württembergischen Spitälern entweder die Quellenüberlieferung für den Zweck gestört, oder aber die vorhandenen Rechnungsbücher durch die Art der Rechnungsführung als ungeeignet. Auch die benachbarte Reichsstadt Reutlingen fiel als weiteres Vergleichsobjekt mangels Aktensubstanz aus.
[22]Spitäler wurden wie große Haushalte geführt. Vgl. Ute Lindgren, Hospital, in: Lexikon des Mittelalters Sp.133-137 Sp.135.
[23]Württembergs Bevölkerung in früheren Zeiten, in: WJbb 1847 S.94-194 S.184. An dieser Stelle kann keine eingehende Problematisierung der in den Württembergischen Jahrbüchern vorgenommenen Berechnungen der „Seelenzahl“ erfolgen. Die genannten Zahlen sollen deshalb lediglich als Hinweis auf die Größenordnungen dienen;- Vgl. zu dieser Problematik allgemein: Kurt Andermann u. Hermann Ehmer (Hgg.), Bevölkerungsstatistik an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Quellen und methodische Probleme im überregionalen Vergleich (= Oberrheinische Studien Bd.8) Sigmaringen 1990.
[24]Wolfgang Hartung, Armut und Fürsorge. Eine Herausforderung der Stadtgesellschaft im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit, in: Joachim Jahn, Wolfgang Hartung, Immo Eberl (Hgg.), Oberdeutsche Städte im Vergleich. Mittelalter und Frühe Neuzeit (= Regio Bd.2) Sigmaringendorf 1989 S.158-181.
[25]Den aktuellsten Überblick über den Gang der Spitalforschung bietet derzeit: Ralf Reiter, Städtische Armenfürsorge im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert. Sozial-, wirtschafts- und verwaltungsgeschichtliche Untersuchungen zur Sozialpolitik der Stadt Ravensburg und ihrer Einrichtungen 1755-1845. Diss. Univ. Konstanz (= Konstanzer Dissertationen Bd.256) Konstanz 1989 S.1-24;- Rudolf Seigel, Spital und Stadt in Altwürttemberg. Ein Beitrag zur Typologie der landstädtischen Spitäler Südwestdeutschlands (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Tübingen Bd.3) Tübingen 1966;- Jürgen Sydow, Das Spital in der südwestdeutschen Stadt, in: Beiträge zur Landeskunde. Regelmäßige Beilage zum Staatsanzeiger für Baden-Württemberg 5 (1974) S.6-9;- Bernhard Zeller, Die schwäbischen Spitäler, in: ZWLG 13 (1954) S.71-89; gleichzeitig erschienen in: Schwäbische Heimat 2 (1951) S.4-9;- Lindgren, Hospital.
[26]Zeller, Die schwäbischen Spitäler S.71.
[27]Seigel, Spital und Stadt S.40ff.
[28]Eine erste grobe Überprüfung dieser Angaben erlauben die in den württembergischen Visitationsakten des 16. Jahrhunderts mitgeteilten Einkünfte einiger württembergischer Spitäler. Vgl. Julius Rauscher (Hg.), Württembergische Visitationsakten Bd.1: (1534) 1536-1540 (= Württembergische Geschichtsquellen Bd.22) Stuttgart 1932.
[29]Als Vermögen dieses Spitals errechnete Seigel auf Grund der Steuersumme 430 Gulden. Tatsächlich aber weisen Akten des Spitals 2573 Pfund Heller aus, welcher Betrag den von Seigel errechneten um das vier- bis fünffache übersteigt. Vgl. Otto Günter Lonhard, Das Spital zum Heiligen Geist in Blaubeuren, in: Ulm und Oberschwaben 39 (1970) S.26-80 S.69.
[30]In Frage käme beispielsweise auch eine Art von Rastermethode, die sich sowohl auf das den Lagerbüchern entnehmbare Vermögen der Spitäler an Grund- und Herrschaftsrechten, als auch auf die den Rechnungsbüchern entnehmbaren Effektiveinnahmen und Effektivausgaben beziehen könnte.
[31]Vgl. Anm. I,25 u. I,32. Ich nenne hier des weiteren nur jene Veröffentlichungen zur Spitalgeschichte, die umfangreiche Datenreihen zur Verfügung stellen: Wolfgang Berweck, Das Heilig-Geist-Spital zu Villingen im Schwarzwald von der Gründung bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts. Verfassung und Verwaltung (= Schriftenreihe der Stadt Villingen) Villingen 1964;- Christian Heimpel, Die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben des Heiliggeistspitals zu Biberach an der Riß von 1500 bis 1630 (= Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte Bd.15) Stuttgart 1966;- Peter Kolb, Die Juliusspital-Stiftung zu Rothenfels, Würzburg 1985;- Ludwig Ohngemach, Die Geschichte und Entwicklung des Rottweiler Spitals 1580 bis 1640, Wiss. Hausarbeit masch. (Tübingen 1983);- Wolfgang Sannwald, Spital und Wirtschaft. Komponenten wirtschaftlicher Konjunktur in Rottenburg am Neckar im 17. Jahrhundert. Ihr Einfluß auf zwei verschiedenartige Konsumenten. Eine Auswertung der Rechnungsbücher des Rottenburger Spitals. Wissenschaftliche Hausarbeit zur Magisterprüfung im Fach Neuere Geschichte mit Schwerpunkt geschichtliche Landeskunde, Universität Tübingen masch. 1986;- Vgl. auch Wolfgang Sannwald, Der Rottenburger Spital und seine Blütezeit im 16. Jahrhundert, in: Der Sülchgau 28 (1984) S.3-15.;- Alfons Semler, Geschichte des Heilig-Geist-Spitals in Überlingen am Bodensee, Überlingen 1957;- Gebhard Strodel, Das Heilig-Geist-Spital in Ravensburg. Von seinen Anfängen bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts, Diss. Univ. Tübingen masch. Tübingen 1958;- Bernhard Zeller, Das Heilig-Geist-Spital zu Lindau (= Schwäbische Geschichtsquellen und Forschungen Bd.4) Lindau 1952.
[32]Vgl. Anm. I,31. Weiter Darstellungen zur Geschichte einzelner Spitäler: Doeser, Das Spital Horb von der Zeit seiner Gründung bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, in: Reutlinger Geschichtsblätter 26/27 (1915/1916) Nr.5 S.33-39, Nr.6 S.41f.;- Max Duncker, Das Tübinger Spital im Mittelalter im Rahmen Schwäbischer Spitäler, in: Tübinger Blätter 29 (1938) S.20-35, 30 (1939) S.22-25, 31 (1940) S.25-29;- Johannes Greiner, Geschichte des Ulmer Spitals im Mittelalter, in: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte 16 (1907) S.78-156;- Lonhard, Blaubeuren;- Andreas Schwarz, Die Sankt-Katharina-Spital-Stiftung Forchheim, Forchheim 1970;- Paul Schwarz, Die Grundherrschaft der ehemaligen Reichsstadt Reutlingen, Diss. Univ. Tübingen, Tübingen 1953.
[33]Elsas, Umrisse;- Für Österreich gibt es eine parallele Forschung: Alfred Francis Pribram, Materialien zur Geschichte der Preise und Löhne in Österreich (= Veröffentlichungen des internationalen wissenschaftlichen Komitees für die Geschichte der Preise und Löhne. Österreich Bd.1) Wien 1938. Den Anstoß für diese durch die Weltwirtschaftskrise von 1929 angeregten Untersuchungen gab das 1930 von der „Rockefeller Foundation“ ins Leben gerufene „Internationale Wissenschaftliche Komitee für die Geschichte der Preise“, zu dessen Mitgliedern Elsas und Pribram gehörten.
[34]Elsas, Umrisse Bd.1 S.5.
[35]Wolfgang Zorn, Einführung in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, München 1972 S.22.
[36]Heimpel, Biberach.
[37]Ohngemach, Rottweil.
[38]Sannwald, Spital und Wirtschaft.
[39]Bei einigen europäischen Spitälern findet sich eine selbständige Kassenführung seit der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Sie ging teilweise auf die vom Konzil von Vienne 1311 angeordnete Neuorganisation der Verwaltung zurück. Vgl. Lindgren, Hospital Sp.135.
[40]Vgl. allgemein Franz Haug, Archiv des Heiliggeistspitals in Rottenburg am Neckar, masch. Rottenburg 1935;- StadtA Rottenburg, Bestand Spital, Rechnungsbücher von: 1527, 1528, 1576, 1590 (Fragment), 1597, 1598, 1600, 1602-1604, 1607, 1609, 1610, 1616, 1619-1626, 1628, 1632-1635, 1636/1639 (eine Rechnungsperiode), 1640-1661, 1663-1674;- Rechnungsprotokolle von: 1589, 1598, 1600, 1602, 1604, 1608, 1609, 1612, 1615, 1618, 1622-1626, 1628, 1630, 1632, 1636/1639 (eine Rechnungsperiode), 1642, 1645, 1649, 1654, 1658, 1662, 1663, 1665, 1667, 1669;- Hausbücher von: 1610-1612, 1616-1618, 1621-1625, 1628, 1631, 1634, 1636, 1638, 1640-1644, 1651, 1652, 1657-1659, 1663, 1665, 1667-1674.
[41]StadtA Rottenburg, Bestand Spital C 28, 4-6, 12 u. H 2,2;- Spitalordnungen und Pfründverträge untersuchte Ute Ströbele in einer eingehenden Arbeit, auf deren Ergebnisse ich mich bei den folgenden Ausführungen immer wieder stützen werde: Ute Ströbele, Leben im Spital. Zur Sozialgeschichte des Rottenburger Spitals vom 16.-17. Jahrhundert. Wissenschaftliche Hausarbeit masch. Tübingen 1986.
[42]Max Duncker, Die Pfarr- und Gemeinderegistraturen des Oberamts Rottenburg (= Württembergische Archivinventare Bd.8) Stuttgart 1913 S.25-87.
[43]StadtA Rottenburg, Bestand Spital, Urbare von 1494, 1537 und 1598, 1789.
[44]K.O. Müller, Quellen zur Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte der Grafschaft Hohenberg, Teil 1 (= Württembergische Geschichtsquellen Bd.24) Stuttgart 1953, Teil 2 (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde Reihe A Bd.4) Stuttgart 1959.
[45]Franz Quarthal, Zur Wirtschaftsgeschichte der österreichischen Städte, in: Ders. (Hg.), Zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb. Das Land am oberen Neckar, Sigmaringen 1984 S.393-446;- Ders., Wirtschaft und Verkehr, in: Der Landkreis Tübingen. Amtliche Kreisbeschreibung Bd.3, Stuttgart 1974 S.350-362;- Otto Wetzel, Rottenburgs Weidewirtschaft in der österreichischen Zeit, in: Der Sülchgau 1968 S.75-82.
[46]Franz Quarthal, Rottenburg im 18. Jahrhundert, in: Sülchgau 17 (1973) S.21-28;- Nils Köhler, Landstädtischer Haushalt. Das Haushalts- und Rechnungswesen Rottenburgs a. N. in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Wissenschaftliche Hausarbeit masch. Tübingen 1987.
[47]Anton Buhl, Der Haushalt im Rottenburger Spital vor ungefähr 100 Jahren, in: Sülchgauer Scholle 5 (1929) Nr.9 S.34-36, Nr.10 S.37-38, Nr.11 S.42-44.
[48]Ströbele, Leben im Spital.
[49]Adalbert Baur, Die Spitalkirche in Rottenburg. Ihre Pfründe im Mittelalter, in: Der Sülchgau 16 (1972) S.3-7.
[50]Herbert Wyrwich, Stadt-Staat-Kirche und Spital (Bd.1). Streiflichter zur Geschichte des Hl. Geist-Spitals zu Rottenburg am Neckar, Rottenburg 1982. Dieses Buch gewinnt seine Bedeutung vor allem als Sammlung von Belegstellen zur Frühgeschichte des Rottenburger Spitals und durch die Darstellung einiger neuzeitlicher Züge der Rottenburger Spitalgeschichte bis in die Gegenwart hinein. Die Ergebnisse zur Frühgeschichte sind eher umstritten;- Vgl. die Besprechung von Adalbert Baur, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 1984;- Eine ausführliche Erwiderung darauf in: Herbert Wyrwich, Stadt-Staat-Kirche und Spital Bd.2: Das Spital der hl. Katharina zu Rottenburg in der Vorstadt. Neue Beiträge zur Frühgeschichte des Rottenburger Spitals, Rottenburg 1986.
[51]Hans Peter Müller, Frömmigkeit auf materieller Basis. Die wirtschaftlichen Grundlagen des Chorherrenstiftes, in: Joachim Köhler (Hg.), 600 Jahre Stiftskirche Heilig-Kreuz in Horb, Horb 1987 S.151-160 S.160;- Georg Maikler und Peter Silberzahn, Das Spital zum Heiligen Geist in Horb, in: dass. S.161-172 S.164: 1809 wurden in der Stiftungsverwaltung vereinigt: Heiligkreuzpflege, Liebfrauenpflege, Johannespflege, große und kleine Leonhardspflege, St.Erhards- und Ottilienpflege, St.Michaelspflege, Sebastianspflege, Rosenkranzbruderschaft, Gutleuthauspflege, Almosenpflege, Hospitalpflege, Ihlinger St.Jakobspflege und der Schulfond. Daß die Spitalverwaltung sich heutzutage wieder in kirchlicher Hand befindet, gibt es innerhalb Baden-Württembergs sonst nur noch in Mergentheim, Laupheim und Friedrichshafen.
[52]Josef Reiter, Das Spitalarchiv in Horb (= Württembergische Archivinventare Bd.20) Stuttgart 1950.
[53]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: Allerlay Defect der Raitungen, Horb.
[54]SpitA Horb, ReBu 1607-1612, 1614-1641, 1643, 1644, 1646-1656, 1658-1669, 1671-1674.
[55]Eberhard Freiherr von Wächter u. Josef Reiter, Die Gemeindearchive des Kreises Horb (= Württembergische Archivinventare Bd.19) Stuttgart 1947: Ratsprotokolle 1564-1861ff.;- Gerichtsprotokolle 1595-1817;- Hauptrechnungen der Stadt Horb 1621-1747;- Truhenrechnungen 1627-1747. Leider ist dieses Archiv bisher für den quantitativ arbeitenden wissenschaftlichen Benutzer kaum zugänglich gewesen, da die Stadt keine Voraussetzungen für eine geregelte Aushebung und Benutzung geschaffen hatte. Dabei ließe sich die Horber Stadtgeschichte sicherlich in ähnlich gründlicher und interessanter Weise aufarbeiten wie diejenige Rottenburgs. Kein Wunder insgesamt, daß die Horber Stadtgeschichte – trotz der relativen Nähe zur Universität Tübingen – kaum erforscht ist. Die für die vorliegende Arbeit leider nicht mehr wirksame Schaffung einer halben Archivarsstelle durch die Stadt Horb verspricht Besserung.
[56]Maikler/Silberzahn, Heiliggeistspital Horb;- Doeser, Spital Horb.
[57]StadtA Herrenberg Bestand H: Hospitalpflege H1 (1482, 1484, 1492/94, 1499, 1501, 1507-1509, 1513-1517), H2-H55 (1520-1573), H56 (1575), H57 (1577), H58 (1582), H59-H61 (1585-1587), H62-H66 (1589-1593), H67-H75 (1595-1603), H78-H83 (1605-1611), H85-H111 (1613-1639), H111a (1640-1644, 1645/1648 in einem Band), H112-H115 (1649-1653), H116-H134 (1656-1674).
[58]Beilagen enthalten z.B. die Rechnungjahrgänge 1660 (Spitalbau), 1666 (Orgelbau).
[59]StadtA Herrenberg, Bestand H: Hospitalpflege H401 (1495), H402-403 (1525), H404 (1530), H405 mit Duplikat H406 (1579), H407 mit Duplikat H408 (1612), H409 mit Reinschrift H410 (1674/75), H411 mit Reinschrift H412 (1754), H412A (1740): Gülthof in Hailfingen, H412B (1765): Spitalhof in Gärtringen, H413A-H417: Gültstaatbücher, H418-H435: Haischbücher.
[60]StadtA Herrenberg H436-H437 (1634-1811): Rezeßbücher, H438-H443 (1740-1811): Protokollbücher des Hospitalgerichts.
[61]StadtA Herrenberg, Chronik des Vogtes Gottlieb Friedrich Hess, 4 Bde, hs. Abschrift aus dem Jahr 1775. Der Herrenberger Vogt starb 1761. Er erstellte eine umfangreiche Chronik von Stadt und Amt Herrenberg. Eingesehen wurde eine Kopie aus dem Jahr 1775, die der Stadt- und Amtsschreiber Johann Jakob Krafft beglaubigte. Vgl. hierzu Roman Janssen, Kayh – sein Jubiläum, seine Chronisten, seine Überlieferung. in: Ders., Leben in Kayh. Ein Dorf und 800 Jahre Geschichte, Herrenberg 1990 S.13.f.
[62]Vgl. dazu allgemein Otto Herding, Das Urbar als orts- und zeitgeschichtliche Quelle besonders im Herzogtum Württemberg, in: ZWLG 10 (1951) S.72-108.
[63]StadtA Rottenburg, Bestand Spital, Urbar 1537 S.77.
[64]Ebd. S.166ff.: der Hof des Peter Leichtermut in Wendelsheim.
[65]StadtA Herrenberg, Bestand Hospitalpflege H 109 (1637), Rubrik Geld von Armen
[66]TLA Innsbruck Hs.2402: Kommissionsbericht der Landesherrlichen Regierung über die Stadt Rottenburg. Der ehemalige Nagolder Stadtarchivar Karl Kempf stellte mir eine Transskription dieses Berichtes dankenswerter Weise zur Verfügung. S.672: Aussage des Spitalmeister Sebastian Metzger.
[67]StadtA Rottenburg, Bestand Spital H 2,2.
[68]StadtA Herrenberg, Bestand H: Hospitalpflege H 581 (1638-1809).
[69]StadtA Rottenburg, Bestand Spital, Herbstbücher seit 1622.
[70]StadtA Rottenburg, Bestand Spital, ReBu 1647.
[71]TLA Innsbruck Hs.2402 S.638.
[72]Friedrich Ludwig Hochstetter, Beiträge zu Erlernung des wirtembergschen Rechnungswesens, Stuttgart 1784.
[73]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: Defektenprotokoll der Horber Rechnungen.
[74]Vgl. Siegfried Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter, 2 Bde. Stuttgart 1932 Nachdr. Amsterdam 1961 Bd.2 S.56-80.
[75]TLA Innsbruck Hs.2402 S.615: Pfleger Michael Gugl.
[76]Ebd. S.672: Spitalmeister Sebastian Metzger.
[77]StadtA Herrenberg, Chronik des Vogtes Hess Bd.2 S.1950.
[78]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: 1607 Mai 26, Protokoll die Stadt Horb betreffend. Anläßlich der Gerichts- und Ratsersetzung werden auch neue Spitalpfleger bestimmt.
[79]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: 1607 Jun 1, Zeugenverhör des Stadtwesens halber zu Horb fol.24.
[80]StadtA Herrenberg, Gerichtsprotokolle 1650-1661 S.136r: 1653 Nov 14.
[81]Ebd. S.156.
[82]StadtA Herrenberg, Bestand Hospitalpflege H 101. Besonders informativ sind in diesem Zusammenhang Abhörprotokolle, die in einigen Rechnungsbüchern eingetragen wurden, so dem Jahrgang 1629, als die Abhörung am 8. Juni 1630 stattfand.
[83]Vgl. Siegfried Krezdorn, Christoph Wendler von Pregenroths Aufstieg und Fall, in: Hohenberger Warte 12 (1965) Nr.3 S.1-3, Nr.4 S.4, Nr.5 S.8.
[84]TLA Innsbruck Hs.2402 S.990.
[85]HStASt B 19 Bü 97, 1608 Okt 8: Reformierte Polizeiordnung der Stadt Rottenburg; 1609 Aug 28: Erläuterung und Limitation ders.
[86]HStASt B 19 Bü 97: Reformation und Polizeiordnung der Stadt Rottenburg S.59-64,105,106: Reformationen 78-92.
[87]Ebd.: Reformation und Polizeiordnung der Stadt Rottenburg S.59: Reformation 78 und S.105: Nachtrag zur Reformation 78;- Vgl. auch die Berufung auf diese gemilderte Polizeiordnung gegen Ansprüche des Ehinger Propstes HStASt B 41 Bd.3, fol.199r-200r: 1651 Mai 18.
[88]HStASt B 19 Bü 98: Rezesse zwischen der Herrschaft Hohenberg und der Stadt Rottenburg 1609/1695.
[89]HStASt B 37a Bü 9: Kommissionsrelation über die Visitation der Herrschaft Hohenberg 1565 Okt 8 S.12-12v.
[90]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: Allerlay Defect der Raitungen, Horb.
[91]SpitA Horb, ReBu 1638, Rubrik Rest.
[92]HStASt B41 Bd.9 fol.42.
[93]Solche Untersuchungskommissionen legten ihre Berichte für Hohenberg 1565, 1606, 1627, 1682-83 und 1733-34 vor. Vgl. HStASt B 37a Bü 9-12.
[94]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: Bürgermeister und Stadtgericht zu Rottenburg, Ablehnung der Klage- und Beschwerdepunkte des Rats von 1602.
[95]Haug, Spitalarchiv Rottenburg B 24 Nr.8: 1629 Apr 23, Innsbruck. Papierabschrift des Vertrages zwischen Österreich und dem Bistum Konstanz wegen der geistlichen Juridiktion und den Novalzehnten.
[96]StadtA Rottenburg, Bestand Spital, ReBu 1647, 1659;- Dazu die aufschlußreichen Ausführungen von Wyrwich, Stadt-Staat-Kirche und Spital Bd.1 S.141-168 u. S.408ff. Anm.536.
[97]Haug, Spitalarchiv Rottenburg B 24 Nr.4, 5: 1630 u. 1640.
[98]HStASt B 41 Bd.3 fol.199: 1651 Mai 18, Rottenburg.
[99]Ebd. fol.200v-202v.
[100]Ebd. fol.199v.
[101]Ebd. fol.200v-202v.
[102]Ebd. fol.200r.
[103]Wyrwich, Stadt-Staat-Kirche und Spital Bd.1 S.409 Anm.536.
[104]Hermann Fischer, Schwäbisches Wörterbuch 6 Bde. Tübingen 1904-1936. Bd.3, Tübingen 1911 Sp.1358.
[105]TLA Innsbruck Hs.2402 S.513: Vorwurf des Schwanenwirts Stoffel.
[106]HStASt A 206 Bü 2392, 1573 Jul 3: Relation und Resolution betr. das Spital-, Armenkasten-, Almosen-, Witwen- und Waisenrechnungswesen.
[107]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133 und Hs. 2402: die Akten dieses Büschels befassen sich auf entsprechende Beschwerden hin mit den städtischen Verwaltungen und den Spitälern von Rottenburg und Horb im Zeitraum zwischen 1602 und 1607.
[108]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: Reformationsprotokoll Rottenburg 1607. Freiherr von Wolckenstein war Statthalter des Kaiserlichen Hofgerichts in Rottweil und der studierte Jurist Keller war Rat und Verwalter der Landgrafschaft Nellenburg.
[109]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133, 1605 Sep 27: „Gravamina des Gemeindeausschusses zu Rottenburg“.
[110]So wurden drei Wannen mit lateinischen Bibeln, Betbüchern und anderer erbaulicher Literatur eingesammelt.
[111]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133, 1607 Mai 26: Protokoll die Stadt Horb betreffend, Gerichts- und Ratsersetzung usw.
[112]Besonders eindrücklich ist eine Liste mit Verwandtschaftsbeziehungen in: TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: „Anzeig, wie es im Spital und mit dem Regiment der Stat Horb beschaffen“.
[113]Ebd. 1607 Jun 1: „Zeugenverhör des Stadtwesens halber zu Horb“.
[114]Ebd. fol.32.
[115]Ebd.: „Anzeig, wie es im Spital und mit dem Regiment der Stat Horb beschaffen“.
[116]Besonders intensiv zum Spital wurden die Zeugen Nr.19-34 befragt. Einige, wie der frühere Spitalkeller Conrad Eytenbintz, Mitglied des Großen Rats und der Metzger Michael Hohenschildt, Mitglied des Großen Rats und dem Michael Erhardt verwandt, wiegelten ab, wobei Eytenbintz selbst schwere Vorwürfe anderer Zeugen trafen. Eine ganze Reihe von Zeugen hielt sich sichtlich zurück, berichtete höchstens vom „hören sagen“. Die wesentlichen Vorwürfe äußerten der Weingärtner Onophrius Herzog, Mitglied des Kleinen Rats, Georg Rottenburger, Mitglied des Großen Rats und der etwa 1604 angestellte Spitalmeister Peter Bernhardt.
[117]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: „Allerlay Defect der Raitungen“, Horb.
[118]Ebd.: „Anzeig, wie es im Spital und mit dem Regiment der Stat Horb beschaffen“.
[119]Ebd.: „Verzaichnus der Mähler, so die Stat Horb durch das gantze Iahr haben“;- Ebd. 1607 Jun 1: „Zeugenverhör des Stadtwesens halber zu Horb“.
[120]Ebd. fol.21.
[121]Vgl. zu diesem Thema auf lokaler Ebene: Karl Kempf, Die Hexenverfolgungen im Raum Rottenburg, in: Der Sülchgau 28 (1984) S.35-52;- Allgemein Franz Quarthal, Konfessionelle Minderheiten in südwestdeutschen Reichsstädten, Vortrag im Rahmen des Stuttgarter Symposions Minderheiten in der südwestdeutschen Geschichte am 25. Oktober 1990.
[122]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: „Anzeig, wie es im Spital und mit dem Regiment der Stat Horb beschaffen“.
[123]HStASt A 206 Bü 2399, 1614 Nov 3.
[124]StadtA Herrenberg, Bestand Hospitalpflege H 93 (ReBu 1621): Rezeßpunkte.
[125]StadtA Herrenberg, Bestand Hospitalpflege H 96 (ReBu 1624): Rezeßpunkte 1624 Jun 17.
[126]SpitA Horb ReBu 1638, Rubrik Rest.
[127]StadtA Herrenberg, Chronik des Vogtes Hess Bd.2 S.1956.
[128]StadtA Herrenberg, Bestand Hospitalpflege H 111A (ReBu 1640): Rezeßpunkte.
[129]StadtA Herrenberg, Gerichtsprotokolle 1661-1672 S.28v, 1662 Aug 18: Die Ausstände des spitalischen Haischknechts Michael Schertlen.
[130]Wetzel, Weidewirtschaft S.79.
[131]Vgl. Albert Schnettler und Heinz Ahrens, Rechnungswesen, in: HDSW 8 (1964) S.734-742.
[132]Die bürgerlichen Spitäler waren allgemein von dem seit 1219 im Reich wirksamen Gesetz ausgenommen, welches der „Toten Hand“ den Neuerwerb von Grundbesitz weitgehend untersagte. Vgl. Lindgren, Hospital Sp.134f.
[133]Zur Gründung des Horber Spitals: Maikler/Silberzahn, Heiliggeistspital Horb S.161-172;- Reiter, Archiv Horb S.9;- Doeser, Das Spital Horb S.34,37;- Beschreibung des Oberamts Horb, hg. v. d. königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1865 S.115;- ferner Christoph Fichtner, Das Horber Stadtrecht im Mittelalter. Diss. Univ. Tübingen. Warendorf 1990 S.33.
[134]Zur Typologie der Spitäler und zur Einordnung des Horber Spitals vgl. Seigel, Spital und Stadt S.13f. u. 20.
[135]OAB Horb S.115.
[136]Reiter, Archiv Horb S.25f.
[137]Doeser, Das Spital Horb S.37.
[138]Reiter, Archiv Horb S.27.
[139]Stiftungen im Untersuchungszeitraum: 9. Juni 1614: 50 Gulden, 9. Februar 1629: Jahrzeit 100 Gulden, 1651: 100 Gulden.
[140]OAB Horb S.115, 122.
[141]Seigel, Spital und Stadt S.21.
[142]Abb.: SpitA Horb.
[143]Reiter, Archiv Horb S.15;- SpitA Horb, LaBu 1767/68 fol.10;- Doeser, Das Spital Horb S.35.
[144]Abb.: Josef Klink, Alt-Horb. Eine historische Stadt-Führung. masch. o.O.u.o.J. S.5.
[145]Doeser, Das Spital Horb S.35;- OAB Horb S.103,115,120f.
[146]SpitA Horb, LaBu 1767/68 fol.11;- DOESER, Das Spital Horb S.35.
[147]SpitA Horb, LaBu 1767/68 fol.11f.
[148]Ebd. fol.12f.
[149]Ebd. fol.13f.
[150]Ebd. fol.14;- OAB Horb 1865 S.104.
[151]SpitA Horb, LaBu 1767/68 fol.15;- REITER, Archiv Horb S.14.
[152]SpitA Horb, LaBu 1767/68 fol.15.;- REITER, Archiv Horb S.14.
[153]REITER, Archiv Horb S.14;- OAB Horb 1865 S.103.
[154]HStASt B 30 Bü 262.
[155]SpitA Horb, Lagerbücher 1560, 1767;- REITER, Archiv Horb S.10..
[156]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133, ca 1607: „Verzaichnus der Äckher, so von dem Spital zuo Horb verkauft worden“;- ebd. 1607 Mai 26: „Protokoll die Stadt Horb betreffend“.
[157]Ebd. 1607 Jun 2: „Anzeige des Magisters Johann Adam Hertzog über Mängel bei der Stadt Horb und deren Spital“;- ebd. 1607 Jun 1: „Zeugenverhör des Stadtwesens halber zue Horb“.
[158]Verteilung der Äcker des Horber Spitals nach Zelgen: Mittelauchtert 49 Jauchert, die Auchthalden 35,5 Jauchert, das Bildechinger Feld 11,5 Jauchert und die Judengrub 51 Jauchert.
[159]SpitA Horb, LaBu 1560, 1767 fol.21-35, 35-42.
[160]HStASt B 30 Bü 262, 1678-1698: kleineres Steuerbereitungsprotokoll;- QUARTHAL, Wirtschaftsgeschichte S.412.
[161]SpitA Horb, LaBu 1767 fol.44-58;- REITER, Archiv Horb S.12.
[162]SpitA Horb, LaBu 1767 fol.17f.;- REITER, Archiv Horb S.11,14.
[163]SpitA Horb, LaBu 1767 fol.16f.;- REITER, Archiv Horb S.11.
[164]REITER, Archiv Horb S.12.
[165]SpitA Horb, ReBu 1646/47;- REITER, Archiv Horb S.29.
[166]OAB Horb 1865 S.111: Im Jahr 1865 besaß der Horber Spital 800 Morgen Wald, die Stadt Horb hingegen lediglich 545 Morgen.
[167]SpitA Horb, LaBu 1767/68 fol.129-132: Bezirksbeschreibung des Waldstückes „Seeholz“ ohne Größenangabe: die Seehalde kaufte der Spital am 23. März 1401 um 52 Pfund Heller von Conrad von Börstingen, einem Edelknecht, und seiner Frau Anna Böklin.
[168]REITER, Archiv Horb S.13: Das Seeholz lag am Weg von Horb nach Bittelbronn in der Seehalde. Bentz Gut hatte es am 31. März 1467 an den Spital verkauft. Bezahlt hatte er 24 rheinische Gulden, er erhielt vom Spital aber 32 Gulden.
[169]SpitA Horb, LaBu 1767 fol.112ff.;- REITER, Archiv Horb S.13, 14. Die Neunecker Halde lag auf Horber und auf Dettinger Markung. Am 16. Mai 1477 mußte ein Streit um dieses Gehölz, das der Spital gekauft hatte, entschieden werden. Dieses Waldstück vergrößerte der Spital am 2. Mai 1528 um weitere sieben Jauchert, die er von Hans Ganter um 10 Gulden kaufte. Das Vierfache ließ sich der Spital eine weitere Vergrößerung 1570 kosten. Für die Besitzkonzentration dürfte auch ein Tausch mit dem Rexinger Caspar Herdtkhorn am 20. Januar 1591 willkommen gewesen sein, der 20 Jauchert gegen drei Jauchert und 131 Gulden abtrat. Auch während des Untersuchungszeitraumes machte der Konzentrationsprozeß Fortschritte. Im Rechnungsjahr 1659/60 kaufte die Anstalt weiteren Wald in der Neunecker Halde um 60 Gulden. Als das arrondierte Stück 1767 vermessen wurde, umfaßte es 100 Jauchert, von denen 26 Jauchert zur Dettinger Markung gehörten. Dort war sie auch sonst reichlich mit Wäldern versorgt.
[170]SpitA Horb, LaBu 1767 fol.119f.;- REITER, Archiv Horb S.13,14. Im Brandsteig verkaufte Simon Schlotter von Altheim 10 Jauchert am 2. Mai 1549 auf der Brandsteig an den Spital. Ein weiteres Waldstück am Brandsteig ließ er sich am 12. Juni 1589 die beachtliche Summe von 300 Gulden kosten. Verkäufer war ein gewisser Conrad Bisinger. 2,5 Jauchert waren im 18. Jahrhundert zum Acker gerodet.
[171]SpitA Horb, LaBu 1767/68 fol.117. Als die Brandhalde 1735 vermessen wurde, maß sie 78,5 Jauchert.
[172]bd. fol.117f. Der 11 Jauchert große Schlattwald kam möglicherweise 1542 in Spitalbesitz, er lag ebenfalls auf Dettinger Gebiet.
[173]Ebd. fol.115,121f.,123f.,125f.;- REITER, Archiv Horb S.14,43. Vom Wald auf dem Ihlinger Berg lagen im Jahr 1735 fünf Jauchert auf Dettinger Markung. Hier kaufte der Spital von Jakob Beth am 31. Juli 1568 einen Jauchert um 16 Gulden. Ein weiteres Jauchert kam am 22. Februar 1602 um 34 Gulden hinzu. Die fünf Jauchert am Ihlinger Steig, die der Spital 1597 erworben hatte, waren im 18. Jahrhundert für Gült ausgegeben. Gleiches trifft für den 9 Jauchert großen Ihlinger Kapf zu. Weitere fünf Jauchert am Ihlinger Berg, die einst zum Großen Spitalwald gehört hatten, waren damals verpachtet.
[174]SpitA Horb, LaBu 1767/68 fol.115f. Das 1549 in Spitalbesitz gekommene Simeswäldle umfaßte 10 Jauchert.
[175]Ebd. fol.135-144: Beschreibung des Großen Spitalwaldes;- SpitA Horb, LaBu 1665 (Salzstetten) fol.141-149: Bezirksbeschreibung zweier Spitalwälder;- REITER, Archiv Horb S.47: 1387 Sep 6;- DOESER, Das Spital Horb S.34. Einen Wald bei der Ziegelhütte des Albert Dettling kaufte die Anstalt am 26. August 1545 um 50 Pfund Heller. In Salzstetten lag der 357 Morgen große Spitalwald. 1665 werden zwei Wälder beschrieben.
[176]SpitA Horb, LaBu 1767/68 fol.118f. Die 17 Jauchert erwarb der Spital 1534.
[177]Ebd. fol.128f. Die 3 Jauchert wüstes Feld wurden 1757 als Acker bestellt. Der Spital hatte sie 1507 erworben.
[178]Ebd. fol.132f. Die 4 Jauchert hatte der Spital 1467 gekauft.
[179]Ebd. fol.133ff. Der Spital besaß 4 Jauchert, die er 1604 gekauft hatte.
[180]Vgl. Joachim Radkau u. Ingrid Schäfer, Holz. Ein Naturstoff in der Technikgeschichte. Reinbek 1987.
[181]Vgl. QUARTHAL, Wirtschaftsgeschichte S.409f.
[182]LaBu 1767 fol.18-20;- DOESER, Das Spital Horb S.35f.
[183]SpitA Horb, ReBu 1639;- DOESER, Das Spital Horb 35f.
[184]SpitA Horb, LaBu 1767 fol.42ff.;- REITER, Archiv Horb S.15.
[185]SpitA Horb, LaBu 1560, 1767 fol.237-250;- REITER, Archiv Horb S.26.
[186]SpitA Horb, LaBu 1767/68 fol.235-236.
[187]SpitA Horb, LaBu 1560.
[188]REITER, Archiv Horb S.30-32;- DOESER, Das Spital Horb S.34;- OAB Horb S.132.
[189]OAB Horb S.132.
[190]In den Jahren 1448, 1498 und 1506.
[191]SpitA Horb, LaBu 1767/68: Am 7. November 1448 kaufte der Spital ein Drittel von einem Viertel des Laienzehnten um 106 rheinische Gulden. Am 30. Juni 1498 kaufte er ein Zwölftel des Großen Zehnten von Hans Pfost von Neuneck um 100 rheinische Gulden. Ein weiteres Zwölftel kaufte die Anstalt am 13. Januar 1506 von Rudolf von Ehingen um 152 rheinische Gulden. Ein Hofgut des Jacob Kreidler und der Maria Teufler ließ sich der Spital am 28. Februar 1626 den Betrag von 1150 Gulden kosten.
[192]SpitA Horb, ReBu 1626;- REITER, Archiv Horb S.32.
[193]SpitA Horb, ReBu 1630.
[194]SpitA Horb, LaBu 1768: Kaufbrief 1630 Okt 7. Der Kaufpreis beträgt 2800 Gulden.
[195]SpitA Horb, LaBu 1560, 1664.
[196]OAB Horb S.129.
[197]Ebd. S.192.
[198]SpitA Horb, LaBu 1664 fol.82.
[199]SpitA Horb, LaBu 1560: Damals zog der Spital Abgaben von 45 Vogtrechten ein. Sie lasteten zusammen mit verschiedenen Zinsen und Gülten auf 35 Anwesen, zu denen 20 Scheuern und vier Gärten gehörten sowie auf sieben weiteren Hofstätten. Dem Spital zinspflichtig waren außerdem 100,5 Jauchert Ackerland und 17 Mansmad Wiesen. Neben dem Vogtrecht bezog der Spital an Geld 6 Gulden 30 Kreuzer 18 Pfund 12 Schillinge 6 Heller. An Naturalien standen dem Horber Spital jährlich zu: 7,5 Malter, 7 Malter 2,5 Vierteil Hafer, 4,75 Malter nach Zelg und 3 Hühner.
[200]REITER, Archiv Horb S.37: Grünmettstetten wurde erkauft von Kunz von Bellenstein sowie Hans und Reinhard von Dettingen um 970 Gulden 30 Kreuzer;- OAB Horb S.115, 189;- DOESER, Das Spital Horb S.34.
[201]REITER, Archiv Horb S.38f.: 1415 Jan 15 Dornstetten, 1415 Nov 20, 1452 Aug 29, 1465 Jan 17, 1465 Mai 2, 1465 Mai 4.
[202]DOESER, Das Spital Horb S.34.
[203]Ebd. S.37;- OAB Horb S.189.
[204]SpitA Horb, Lagerbücher 1560, 1663;- OAB Horb 189: 1560 beanspruchte der Spital 29 Vogtrechte. Zudem war ihm ein großer Teil der Markungsfläche zinspflichtig: 19 Anwesen mit 12 Scheuern und 20 Gärten sowie vier separate Hofstätten und eine Taverne, 822,75 Jauchert Ackerland, 83 Mansmad Wiesen und etwa drei Jauchert Wälder. Davon bezog der Spital neben seinen Vogtrechten weitere 53,75 Malter Vesen, 77 Malter Hafer, 26 Hühner und 150 Eier. Außerdem bezahlten die Bewohner von Grünmettstetten 7 Gulden 33 Pfund 8,5 Schillinge.
[205]OAB Horb S.141.
[206]Martin Steimblin bewirtschaftete 103 Jauchert Ackerland und 12,5 Mansmad Wiesen. Stoffel Rueffs Hof umfaßte 87,5 Jauchert Ackerland und 4,5 Mansmad Wiesen. Martin Fritz hatte 117,5 Jauchert Ackerland mit 12,5 Mansmad Wiesen. Die Brüder Jakob und Stoffel Dettling verfügten über 125,5 Jauchert Äcker und 14 Mansmad Wiesen. Zu Hans Kaupps Anwesen zählten 74,5 Jauchert und sechs Mansmad, zu jenem von Hans Steimblin 78 Jauchert mit sechs Mansmad, zu demjenigen des Hans Schlotter schließlich 96,5 Jauchert und 11,75 Mansmad.
[207]REITER, Archiv Horb S.42;- OAB Horb S.203;- DOESER, Das Spital Horb S.34.
[208]Burkhard VON EHINGEN, genannt mit dem Zopf, heiratete 1377 Luitgart, die Tochter Ulrich Faists von Ihlingen.
[209]Einen Garten mit Haus kauften sie um 315 Gulden, drei Mansmad Wiesen im Neckartal um 281 Gulden, einen Baumgarten mit einem Häuslein um 370 Gulden, einen Garten mit Haus samt der Wässerei um 380 Gulden. Auch Verkäufe kamen vor: so zwei Mansmad Baumgarten um 240 Gulden. REITER, Archiv Horb S.43, 1589 Jun 5, 1592 Jan 20, 1608 Okt 21, S.43f. 1636 Aug 10, S.44: 1649 Mai 9.
[210]SpitA Horb, ReBu 1631.
[211]Wilhelm MÜLLER, Heimatkunde über Salzstetten. Vortragsmanuskript masch. Salzstetten 1923 S.22;- 900 Jahre Salzstetten. 1085-1985. Festvortrag und Fotoalbum, Salzstetten 1985 Kap.6.
[212]900 Jahre Salzstetten S.18.
[213]REITER, Archiv Horb S.46;- OAB Horb S.240.
[214]REITER, Archiv Horb S.47;- 900 Jahre Salzstetten Kap.6.
[215]REITER, Archiv Horb S.48.
[216]900 Jahre Salzstetten Kap.7.
[217]OAB Horb S.243;- DOESER, Das Spital Horb S.34;- 900 Jahre Salzstetten Kap.6;- 900 Jahre Salzstetten S.18.
[218]DOESER, Das Spital Horb S.37.
[219]OAB Horb S.192;- 900 Jahre Salzstetten Kap.8.
[220]REITER, Archiv Horb S.49;- 900 Jahre Salzstetten Kap.7.
[221]MÜLLER, Salzstetten S.42.
[222]OAB Horb S.122.
[223]SpitA Horb LaBu 1665 (Salzstetten).
[224]SpitA Horb LaBu 1560: Die Erneuerung schreibt dem Horber Spital 20 Vogtrechte zu. Damals gehörte dem Spital der Ort nur zur Hälfte, wie im LaBu ausdrücklich festgehalten wird. Belastet waren 14 Anwesen, zu denen 11 Scheuern und 10 Gärten gehörten, 180,75 Jauchert Ackerland, 58 Mansmad Wiesen sowie zwei Hanfländer. Zusätzlich zum Vogtrecht bezog der Spital daraus vier Malter sieben Vierteil Vesen, vier Malter Hafer, ein Malter fünf Vierteil nach Zelg, sechs Hühner, sechs Gulden 20 Pfund vier Schillinge. Es werden ein Freihof genannt und der Wald zu Salzstetten beschrieben.
[225]SpitA Horb, LaBu Salzstetten 1768 fol.257f.
[226]Ebd. fol.252f.
[227]MÜLLER, Salzstetten S.36.
[228]REITER, Archiv Horb S.59: 1588 Okt 20.
[229]REITER, Archiv Horb S.59;- OAB Horb S.116.
[230]DOESER, Das Spital Horb S.37.
[231]OAB Horb S.254.
[232]OAB Horb S.251f: Kirche 1845-47, Pfarrhaus 1862.
[233]OAB Horb S.110.
[234]OAB Horb S.254.
[235]SpitA Horb, LaBu 1560.
[236]Ebd.
[237]Ebd.
[238]Ebd.
[239]SEIGEL, Spital und Stadt S.14.
[240]WYRWICH, Stadt, Staat, Kirche und Spital. (Bd.I:) u. Bd.II.
[241]WYRWICH Bd.I, Kap.8 u. S.267 Anm.152.
[242]REICKE, Spital Bd.1 S.196-198.
[243]Vgl. oben Kap. 2.
[244]SEIGEL, Spital und Stadt S.61.
[245]Der Landkreis Tübingen. Amtliche Kreisbeschreibung, hg. von der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Tübingen 3 Bde. Bd.1: Allgemeiner Teil, Tübingen 1967, Bd.2, Stuttgart 1972; Bd.3, Stuttgart 1974. Bd.3 S.334f.: Bis heute hat der Rottenburger Spital seinen Stiftungscharakter bewahrt und wird nach wie vor treuhänderisch von der Stadt Rottenburg verwaltet. Organe der Verwaltung sind der Stadtrat, der Hospitalausschuß, der Oberbürgermeister und der Hospitalverwalter.
[246]Vgl. Jürgen SYDOW, Kirchen- und spitalgeschichtliche Bemerkungen zum Problem der Stadterweiterung und Vorstadt (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg Reihe B, Bd.51) Stuttgart 1969 S.107-114.
[247]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg C 25 Nr.10.
[248]Ebd. B 9 Nr.2.
[249]KB Tü Bd.III S.319.
[250]Zum Begriff von Zins und Gült vgl. Theodor KNAPP, Neue Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes. Neudr. d. Ausg. Tübingen 1919, Aalen 1964. S.108ff.
[251]KB Tü Bd.III S.306.
[252]Ebd. S.300.
[253]StadtA Rottenburg Urbar 1537 S.16-18v.
[254]Ebd. S.22
[255]HStASt B 30 Bü 262 fol.25, 1678-1698: Kleineres Steuerbereitungsprotokoll. Die 483,5 Jauchert Rottenburger Meß entsprachen 604 Jauchert Ehinger Meß. In der Steuerbereitung wurden sie mit doppeltem Wert veranschlagt, was – im Gegensatz zu allen anderen damals noch in Hohenberg vorhandenen Rebkulturen – auf eine nach wie vor hocheingeschätzte Qualität der Gewächse hindeutet.
[256]HStASt B 30 Bü 262 fol.25: Das Horber Rebland maß lediglich 81,25 Jauchert, es wurde, weil sehr schlecht, bei der Steuerbereitung nur einfach veranschlagt;- QUARTHAL, Wirtschaftsgeschichte S.414.
[257]Fischer, Schwäbisches Wörterbuch Bd.3 Sp.1753ff.
[258]StadtA Rottenburg Urbar 1537 S.19-21.
[259]Siedlungsplatz südwestlich der Stadt Rottenburg. Vgl. KB Tü Bd.3 S.299f.
[260]Hofgut südlich der Stadt Rottenburg. Vgl. Beschreibung des Oberamts Rottenburg, hg. v. d. königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1828 S.135.;- KB Tü Bd.3 S.326f.
[261]WETZEL, Weidewirtschaft S.77: 1615 gab es 4250 Morgen.
[262]ZELLER, Die schwäbischen Spitäler S.84.
[263]Hans Jänichen, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte des schwäbischen Dorfes (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B 60) Stuttgart 1970 S.93f.
[264]KNAPP, Gesammelte Beiträge S.207-209.
[265]StadtA Rottenburg, ReBu 1596: Zehrungskosten des Haischers, der auf dem Weg zum Salzkauf in Hechingen unterwegs in Engstlatt Gülten eintrieb.
[266]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, A 3 Nr.2: 1779 Akten wegen des Verkaufs; B 12 Nr.1: 1526 Sep 22 (Samstag nach Matthys); B ohne Nr.: 1526 Mrz 9 (Freitag nach Oculi) Quittung des Konrad Preger über den Erhalt einer Anzahlung, Zwistigkeiten mit Jerg Gaislin und Heinrich Ochsenbach sind noch zu klären; 1527 Sep 8, Quittung des Konrad Preger über den Erhalt der Kaufsumme; 1525 Dez 18 (Montag nach Luciae) Quittung der Schwestern zu Kirchberg; 1526 Mrz 12 (Montag nach Lätare) Quittung über die Abbezahlung von Schulden, die auf dem Hof lasteten; 1527 Nov 27 (Mittwoch nach Katharina). Quittung des Klosters Reutin über eine Gültablösung; B 3, 1654 Renovation; 4 An Seebronner Bürger verliehene Güter im 18. Jhdt.; 5 Meßverzeichnis 1719: 116 Jauchert; 7 Verkauf 1778;- StadtA Rottenburg, Urbar 1537 S.156;- OAB Rottenburg 1900 S.343 u. 338;- KB Tü Bd.II S.667;- 800 Jahre Seebronn, Festbuch 1982 S.29.
[267]Über den Kauf dieses Hofes im Jahr 1526 liegen in der bisherigen Literatur mißverständliche Aussagen vor. Während die Oberamtsbeschreibung angibt, daß der Spital diesen Hof dem Konrad PREGER um 500 Pfund Heller abkaufte, nennt das Festbuch der Gemeinde Seebronn einen anderen Vorbesitzer und eine andere Kaufsumme. Demnach kaufte der Spital diesen Hof vom Kloster Kirchberg und dem Karmeliterkloster in Rottenburg um 927 Gulden. Zum Verkauf hätten die beiden Klöster wirtschaftliche Schwierigkeiten genötigt.
[268]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 12 Nr.8: 1566 Sep 27 Ausführliches Regest mit Güterbeschreibung; C 23 Nr.1, 1594 Feb 5, Preis 1460 Gulden, davon bar 600 Gulden, Raten von jeweils 100 Gulden;- DUNCKER, Archiv Rottenburg S.71;- OAB Rottenburg 1900 S.343;- Buhl, Spitalhaushalt Nr.10 S.38.
[269]Als Verkäufer werden genannt: Hans Kaspar von Lindenfels, ein promovierter Jurist und Advokat am Kammergericht zu Speyer, Hans Georg Lindenfels, Schultheiß zu Bondorf und Bruder des Erstgenannten, Sebastian Schlegel von Gruol, Obervogt zu Hechingen, Laurentius Schmid, ein promovierter Jurist, Stephan Genkinger in Ebingen, Georg Kalt, der damals in Rottenburg wohnte und Andreas Pfluger in Seebronn.
[270]HStASt B 19 Bü 97: Polizeiordnung und Statuten fol.63, Reformation 90.
[271]OAB Rottenburg 1900 S.343;- KB Tü Bd.II S.668.
[272]MÜLLER, Musterregister S.148.
[273]TLA Innsbruck Hs.2402 fol.821
[274]Ebd. fol.374
[275]Ebd. fol.821
[276]HStASt B 19 Bü 97: Polizeiordnung und Statuten fol.63, Reformation 90.
[277]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 12 Nr.8: 1610 Aug 23.
[278]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, C 15 Nr.1, 2;- OAB Rottenburg 1900 S.376;- KB Tü Bd.II S.799;- Erich Schorp, Wendelsheimer Heimatchronik, Rottenburg 1953;- DUNCKER, Archiv Rottenburg S.60,61: 1528 Jul 15 u. 1529 Mrz 10.
[279]Einer Vermutung des Wendelsheimer Heimatforschers Erich Schorp zufolge könnte dieser Hof identisch mit dem späteren Leopoldshof sein, der noch 1784 „des Lichtermuths Hof“ genannt wurde. Darauf deuten auch entsprechende Renovationen 1656 hin. Vgl. HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, C 15 Nr.5: 1656 Renovation des Leopoldshofs in Wendelsheim.
[280]Kreditaufnahmen Leichtermuts. HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, C 15 Nr.2: 1496 Jan 13 (Samstag nach Hilarii) 60 Gulden vom Spital; 1515 Sep 6 (Donnerstag vor Mariae Geburt) 40 Gulden, 8 Malter Hafer; 1518 Dez 2 (Freitag nach Andreas) 50 rheinische Gulden von Dr. Kaspar Forstmeister in Tübingen; 1518 Apr 19 (Montag vor Georgi) 50 Gulden württembergischer Währung von Dr. iur. Kaspar Forstmeister.
[281]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, C 15 Nr.2: 1528 Jul 10 Dr. Winkelhofers Witwe 285 Gulden; 1528 Mrz Dr. Forstmeister 140 Gulden.
[282]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, C 15 Nr.3: 1528 Jul 15 (Mittwoch nach Margaretha) Kloster Bebenhausen, Hof in Seebronn, den Eberlin Mayer innehatte.
[283]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, C 11 Nr.1: 1529 Mrz 10. Propst und Kapitel des Stiftes zu St. Georg in Tübingen tauschen ihre Gült aus des Leichtermuts Hof gegen eine solche aus dem Spitallehenhof in Bondorf;- DUNCKER, Archiv Rottenburg S.60,61: 1528 Jul 15 u. 1529 Mrz 10.
[284]OAB Rottenburg 1900 S.164;- KB Tü Bd.II S.199.
[285]Vgl. QUARTHAL, Wirtschaftsgeschichte S.409f.
[286]OAB Rottenburg 1899 S.554.
[287]DUNCKER, Archiv Rottenburg S.73: 1599 Dez 25 Verkaufsurkunde.
[288]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 22 Nr.1: 1424 Feb 3 (Freitag vor Dorothea);- OAB Rottenburg 1900 S.311.
[289]StadtA Rottenburg Urbar 1537 S.24f.
[290]DUNCKER, Archiv Rottenburg S.64: 1547 Sep 1.
[291]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 22 Nr.1: 1599 Dez 25 Der Verkauf umfaßt acht Morgen Wiesen.
[292]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: 1607 Jan 25, Beschwerdepunkte der Amtleute zu Rottenburg, die sie den Kommissaren übergaben, Punkt 38.
[293]TLA Innsbruck Hs.2402 fol.821.
[294]Ebd. fol.657.
[295]Ebd. fol.374
[296]Ebd. fol.282
[297]Ebd. fol.766
[298]Ebd. fol.918
[299]HStASt B 19 Bü 97: Polizeiordnung und Statuten fol.63, Reformation 90.
[300]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 22 Nr.1: 1655 Apr 6.
[301]KB Tü Bd.II S.534.
[302]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 21 Nr.8-15.
[303]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 21 Nr.1-7; 23 Nr.1-4.
[304]Vgl. QUARTHAL, Wirtschaftsgeschichte.
[305]StadtA Rottenburg, Urbar 1537 S.3f.
[306]Buhl, Spitalhaushalt S.37.
[307]StadtA Rottenburg, Urbar 1537 S.3f.
[308]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: 1607 Jan 25, Beschwerdepunkte der Amtleute zu Rottenburg, die sie den Kommissaren übergaben, Punkt 19.
[309]TLA Innsbruck, Leopoldinum B Nr.133: „Begerter Gegenbericht des Landschreibers zu Rotenburg uber die Beschwerungs Puncten der Ambtleut“.
[310]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 24 Nr.11: 1658 Dez 22 Verdingzettel an zwei Zimmerleute für die Aufrichtung eines Kelterbaumes.
[311]KB Tü Bd.III S.359f.: Drei große Mühlen gab es in Rottenburg, die herrschaftliche große Stadtmühle westlich an der alten Zehntscheuer, die kleine Stadtmühle östlich an der alten Zehntscheuer und die obere Mühle, aus der der Spital 1537 Gülten bezog. In die Stadtmühlen waren die Bürger der Stadt, aus Hirschau, Kiebingen, Wurmlingen, Seebronn, Hailfingen und Ergenzingen gebannt. Der Mühlzins, den der Spital aus der oberen Mühle bezog, betrug wöchentlich zwei Vierteil Mühlkern.
[312]Anton Buhl, Die versunkene Distelmühle, in: Sülchgauer Scholle 6 (1930) S.14-22;- KB Tü Bd.III S.360.
[313]DUNCKER, Archiv Rottenburg S.8,79;- HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 6 Nr.3 Abschrift der Stiftungsurkunde und einer Reihe von Vorurkunden; Nr.4.
[314]StadtA Rottenburg Urbar 1537 S.31-33.
[315]Kuno Ulshöfer, Menschen im Spital. Eine Analyse des Haller Hospitalkirchenbuchs 1703-1752. in: Speculum Sueviae. Beiträge zu den historischen Hilfswissenschaften und zur geschichtlichen Landeskunde Südwestdeutschlands. Festschrift für Hansmartin Decker-Hauff zum 65. Geburtstag. Im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg und des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Universität Tübingen hg.v. Hans-Martin Maurer u. Franz QUARTHAL 2 Bde. zugl. ZWLG 40 (1981) u.41 (1982) Stuttgart 1982 Bd.2 S.104-130 S.55;- Dieter Jetter, Geschichte des Hospitals Bd.1, Wiesbaden 1966 S.29.
[316]BUHL, Spitalhaushalt Nr.9 S.35.
[317]OAB Rottenburg 1900 S.30;- Johann Evangelist Weittenauer, Traditionsbuch von dem Anfang, Ursprung und Wachstum des löblichen alten Stiftes St. Mauritii in Ehingen… 1674 zu schreiben angefangen. Original im PfarrA St.Moriz Nr.76 fol.25.
[318]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 17 Nr.2;- KB Tü Bd.III S.333f.
[319]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 17 Nr.2: 1394 Dez 6 (Nikolaus Abend); Nr.2: 1475 Jul 4 (St.Ulrichstag);- OAB Rottenburg 1900 S.96.
[320]StadtA Rottenburg, Urbar 1537 S.31.
[321]Franz MANZ, Rottenburgs Badstuben und Heilpersonal dazumal, in: Hohenberger Warte 12 (1965) S.3f.;- Dieter MANZ, Das Steinhaus bei der Kelter, in: Sülchgau 24 (1980) S.26.
[322]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 17 Nr.2: 1572 Nov 30.
[323]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 17 Nr.2: 1600 Mai 6;- DUNCKER, Archiv Rottenburg S.73.
[324]StadtA Rottenburg, Bestand Spital, „Badstubenrechnung“: Summarische Reytung über des Spitals aygenthümblich newerbawet Bad in der Vorstatt gelegen; 11 Blatt, bei der Rechnung 1602 liegend. Daselbst: „Prothocoll über des Spitals Badt in der Vorstatt was der Bawschilling cost und darufgegangen biß es ufferbawet worden angefangen 16. July 1600“.
[325]TLA Innsbruck Hs.2402 fol.870.
[326]StadtA Rottenburg, Badstubenrechnung, Zehrgelder.
[327]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 17 Nr.2: 1437 Mai 18 (Samstag nach Sophiae); 1459 Aug 31 (Freitag nach Pelagii); 1462 Mrz 9 (Zinstag nach Invocavit); 1472 Jul 6 (Montag nach Ulrich); 1473 Aug 30 (Montag nach Bartholomaei); 1493 Nov 23 (Samstag nach Otmar); 1496 Okt 12 (Mittwoch vor Galli); 1606 Jan 13.
[328]Lehenbriefe der unteren Badstube (Sp.= als Lehenträger des Spitals). Vgl. HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 17 Nr.1: 1387 Feb 5 (Zinstag nach Lichtmeß) Rudolf von Hohenberg an Albrecht und Burkart Stoll; 1479 Sep 16 (Donnerstag nach Crucis Exaltatio) Erzherzogin Mechthild an Konrad Michel den Jungen; 1483 Aug 27 (Mittwoch vor Augustini) Rottenburg. Erzherzog Sigmund an den Bader Hans Hemerl; 1487 Mrz 21 (Mittwoch nach Oculi) Innsbruck. Erzherzog Sigmund an Konrad Michel Bader, der es vom Bader Hans Hamerl erkaufte; 1492 Jan 13 (Hilarii) Peter Velman von Kiebingen und sein Bruder Hensin kauften das Bad von Konrad Michel um 780 Pfund Heller; 1498 Jun 6 (Mittwoch nach Pfingsten) Kaiser Maximilian an Hans Bisinger Sp.; 1533 Mrz 28, Rottenburg. König Ferdinand an Sebastian Schorer Sp.; 1568 Apr 2, Innsbruck. Erzherzog Ferdinand an Sebastian Schorer Sp.; 1571 Nov 17, Innsbruck. Erzherzog Ferdinand an Georg Hailfinger Sp.; 1565 Mrz 16. Statthalter Räte und Regenten von Oberösterreich namens des Erzherzogs Ferdinand an Sebastian SCHORER Sp.; 1598 Aug 14, Innsbruck. Kaiser Rudolf II. an Franz SCHORER Sp.; 1625 Nov 28, Innsbruck. Erzherzog Leopold an Andreas Hofmeister Sp.; 1634 Jul 19, Tübingen. Herzog Julius Friedrich von Württemberg an Jakob Würthner Sp.; 1653 Dez 1, Innsbruck. Erzherzog Ferdinand Karl an Andreas Laux Sp.; 1659 Jul 15. Erlaubnis, an Stelle der verbrannten unteren Badstube eine Sägmühle zu bauen; 1665 Mrz 16, Innsbruck. Erzherzog Sigmund Franz an Andreas LAUX Sp.; 1667 Feb 12, Innsbruck. Kaiser Leopold an Andreas LAUX Sp.;- Beschreibung des Kreises Tübingen Bd.III S.334;- Franz MANZ, Hierher ins Bad, ihr Reich und Arm, in: Hohenberger Warte 12 (1965) Nr.3: MANZ datiert das untere Bad von 1388 bis zum Stadtbrand 1644 und lokalisiert es am Platz der Metzgerei Motzer.
[329]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 17 Nr.1: 1479 Sep 16 (Donnerstag nach Crucis Exaltatio).
[330]Ebd. B 1 Nr.1: 1738 Jan 4.
[331]Lehenbriefe für den Zehnten (Sp.= als Lehenträger des Spitals) Vgl. HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 25. Lehenbriefe: 1460 Dez 26 (Stefani) ERZHERZOGIN MECHTHILD an Ludwig VON EMERSHOFEN; 1464 Jan 30 (Zinstag vor Lichtmess) ERZHERZOGIN MECHTHILD an Ludwig VON EMERSHOFEN; 1475 Okt 13 (Freitag vor Dionysii) ERZHERZOGIN MECHTHILD an Hans von Gültlingen; 1481 Sep 3 (Montag nach Egidii) ERZHERZOGIN MECHTHILD an Junghans Merheld Sp.; 1483 Erzherzog Sigismund an Hans FLYNIG Sp.; 1497 Jan 9 (Montag nach Dreikönig) Kaiser Maximilian an Hans FLYNIG Sp.; 1512 Mai 26 Kaiser Maximilian an Hans Vischer Sp.; 1533 Mrz 28 König Ferdinand an Ludwig Walch Sp.; 1567 Apr 14 Erzherzog Ferdinand an Georg Schertlin Sp.; 1582 Aug 1 Innsbruck, Erzherzog Ferdinand an Andre Joss Sp.; 1598 Aug 14 Innsbruck, König Rudolf II. an Hans Pfeiffer Sp.; 1602 Mai 26 König Rudolf II. an Sigmund Wendelstein Sp.; 1610 Okt 22 Günzburg, Markgraf Karl von Burgau an Hans Wiech Sp.; 1625 Nov 28 Erzherzog Leopold an Johann Weitenauer Sp.; 1634 Jul 19 Tübingen, Herzog Friedrich von Württemberg an Johann Georg Gottfried Sp.; 1653 Dez 1 Erzherzog Ferdinand Karl an Konrad KITTELIN Sp.; 1665 Mrz 16 Erzherzog Sigismund an Konrad KITTELIN Sp.; 1667 Feb 12 KAISER LEOPOLD an Konrad KITTELIN Sp.; 1684 Jul 20 KAISER LEOPOLD an Hans Konrad KITTELIN Sp.; 1688 Jan 8 KAISER LEOPOLD an Johann Schnell Sp.; 1706 Mai 26 Kaiser Josef an Konrad KITTELIN Sp.; 1712 Aug 12 Kaiser Karl VI. an Konrad KITTELIN Sp.; 1736 Jan 24 Kaiser Karl VI. an Johann Konrad Barth Sp.; 1742 Apr 27 Maria Theresia an Johann Konrad Barth Sp.
[332]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 25 Nr.1: 1543 Apr 6 (Freitag nach Quasimodo) Darin ein Ertragsverzeichnis von 1557ff.; Nr.2-5 Renovationen.
[333]Ebd.: 1477 Dez 9 (Zinstag nach Mariae Empfängnis);- OAB Rottenburg 1900 S.38,97.
[334]HAUG, Spitalarchiv Rottenburg, B 29 Nr.2: 1381 Aug 24 (Bartholomei).
[335]Ebd. B 29 Nr.1: 1403 Jun 26 (Zinstag vor Peter und Paul); 1410 Feb 14 (Valentini).
[336]Ebd. B 29 Nr.3: 1495 Mai 18 (Montag vor Urbani) Verkauft werden der Kornzehnt in Rottenburg und Ehingen sowie der Kleinzehnt in Rottenburg, Ehingen und Kalkweil um 550 Gulden mit dem Vorbehalt des Wiederkaufs.
[337]Ebd. B 30 Nr.1: 1498 Mrz 6 (Zinstag nach Invocavit) Verkauft werden der Weinzehnt und eine Landgarbe mit dem Recht zum Rückkauf.
[338]Ebd. B 24 Nr.1-6: 1563 Mrz 29 (Montag vor Palmtag) Endgültiger Kauf;- OAB Rottenburg 1900 S.97.