Großer Andrang bei der Job- und Ausbildungsmesse für Geflüchtete am 19. November 2025 in der Rottenburger Festhalle. Drei Stunden lang nutzten Betriebe und Menschen aus aller Welt die Gelegenheit, über Jobs, Praktika oder Ausbildungsplätze zu sprechen. Eingeladen hatte die Fachstelle Arbeitsmarktintegration im Landratsamt Tübingen. Am Ende standen einige vielversprechende Absprachen.
Landrat Hendrik Bednarz hatte sich eine halbe Stunde vor Beginn weit aus dem Fenster gelehnt: „Viele sagen, Ausländer würden alle nix schaffen und seien faul. Wenn das stimmt, müsste heute in der Halle tote Hose sein“, sprach er in die Kamera für einen Instagram-Reel. Von wegen tote Hose. Schon lange vor der offiziellen Eröffnung waren die ersten Job- und Ausbildungssuchenden in die Halle gekommen. 22 Betriebe – vom Malermeister bis zur Kreissparkasse und vom Logistikunternehmen bis zur Firma Bergfreunde – stellten die Angebote ihrer Unternehmen vor. Die nächsten zwei Stunden waren die kleinen Infostände dicht umlagert. Geschätzt an die 200 Interessenten nutzten die Gelegenheit, sich über Jobs und Ausbildungen zu informieren. Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Kreis Tübingen, der Bundesagentur für Arbeit, dem Jobcenter und der Stadt Rottenburg.
Probearbeit auf Montage
Für manche ist es richtig gut gelaufen. Farmalluah ist 17 Jahre alt und kam alleine nach Deutschland. Noch geht er zur Schule. Doch beim Unternehmen R&P-Montagen in Kiebingen kann er Anfang nächstes Jahres probearbeiten. „Hast Du Höhenangst“, fragt Chefin Peggy Enkelmann. Farmalluah schüttelt den Kopf, ebenso bei der Frage, ob es ihm etwas ausmachen würde, bei Einsätzen auswärts zu übernachten. Bernadette Löffler, Sozialpädagogin vom Diasporahaus, die ihren Schützling begleitet, freut sich mit. Eine halbe Stunde später sind schon die Formalitäten mit dem Jobcenter geklärt.
Auch Anna Neklesa hat Hoffnung. Gerade steht sie in der langen Schlange, um sich vom Messe-Fotografen ein professionelles Bewerbungsfoto machen zu lassen. Ihre Umhängetasche ist voll mit Prospekten. Die gelernte Masseurin aus der Ukraine, die 2022 nach Deutschland kam, interessiert sich vor allem für einen Job in der Pflege. Sie würde aber auch als Verkäuferin arbeiten oder eine Ausbildung machen.
Dass das Interesse an Jobs in der Pflege nach wie vor sehr groß ist, zeigte sich auch am Stand der Hospitalstiftung Rottenburg. Nachgefragt wurden sowohl Ausbildungsstellen als auch Jobs, neben Menschen aus der Ukraine hätten sich auch viele aus Syrien und der Türkei für diesen Bereich interessiert, heißt es am Stand.
Praktikum beim Maler
Um Ausbildungsplätze geht es auch beim Maler- und Lackierermeisterbetrieb Samuel Wöllper. „Wir haben jemanden gefunden, der bei uns in den Faschingsferien ein Praktikum machen will“, sagt der Rottenburger Malermeister. Das könne ein Einstieg sein, denn gute Praktikanten seien bei der Bewerbung für einen Ausbildungsplatz in der engeren Auswahl. Auch weitere Interessenten fanden den Weg zum Stand. Das Problem sei in vielen Fällen die Sprache, sagt Wöllper. Das Niveau B2 sollte es schon sein. Zwar könne man sich auf der Baustelle auch mal mit weniger Deutsch verständigen – aber spätestens in der Berufsschule stießen Auszubildende ohne ausreichende Sprachkenntnisse dann an ihre Grenzen.
Lehrer und Elektriker
Quer durch die Branchen gehen die Nachfragen beim Personaldienstleister Randstad. Ein ukrainischer Verkehrsingenieur mit bereits anerkanntem Berufsabschluss, ein Lehrer, ein Lkw-Fahrer und ein marokkanischer Elektriker – nur einige, die am Stand der Firma vorbeischauten und ihre Personalien hinterließen. Marc Cramer, bei Randstad Manager für Arbeitsmarktprojekte, ist zuversichtlich. Im Angebot habe man eine breite Palette von Jobs für Lageristen bis hin zu Facharbeitern und Ingenieuren.
Von einem Facharbeiterjob sind Meva und sein Kumpel noch weit entfernt. Aber nach einem Job gucken wollten sie schon mal. Die beiden sind erst vor Kurzem aus Indien gekommen und haben einen Asylantrag gestellt. Dass ihre Aussichten nicht besonders gut stehen, ist ihnen bewusst.
Mehr Zuversicht strahlt Amin aus. Er kam vergangenes Jahr aus Afghanistan, hat dort als Hotelfachmann gearbeitet und war später im Büro des Präsidenten beschäftigt, wie er erzählt. Selbstbewusst steht er vor der Kamera, um seinen Lebenslauf um das Passbild ergänzen zu lassen. Gerne würde er auch in Deutschland im Hotelgewerbe arbeiten. An Sprachkenntnissen fehlt es ihm nicht. „Ich spreche Englisch, Persisch und Paschtu“, sagt er auf Deutsch. Nach einem Jahr hat er schon die Prüfung für das B2-Niveau geschafft.
Wer sich mit der deutschen Sprache noch schwerer tat, konnte sich an Dolmetscher wenden. Rund 15 Besucher unterstützte allein Sergey Heidebrecht, der als ehrenamtlicher Übersetzer für Russisch und Ukrainisch im Einsatz war. Einen besonderen Service hatte tuenews INTERNATIONAL für die teilnehmenden Betriebe vorbereitet: Sie konnten sich im Videointerview für den Internet-Auftritt präsentieren. Die stehen jetzt zum Abruf unter:
Instagram (tuenews.deutsch)
Veranstalter zufrieden
Sven Jäger von der Fachabteilung Integration des Landratsamts Tübingen zeigt sich zum Ende der Veranstaltung zufrieden. „Das war wieder ein großer Erfolg“, sagt der Abteilungsleiter über die zweite Job- und Ausbildungsmesse in diesem Jahr. Schon bei der Eröffnung zeigte er sich überzeugt, „dass viele Geflüchtete gern arbeiten.“ Die Messe sei ein Angebot, niedrigschwellig einen Job zu finden. Landrat Hendrik Bednarz wies darauf hin, dass man als prosperierende Region in Baden-Württemberg Fachkräfte brauche: „Wir sind angewiesen auch auf Menschen aus anderen Ländern“. Manuela Beck, Finanz- und Bildungsbürgermeisterin in Rottenburg, erinnerte daran, dass Arbeit nicht nur dem Einkommen diene. „Sie schafft auch soziale Kontakte“.
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Von Brigitte Gisel
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