15. Januar 2025

Zurück nach Syrien: Das Herz sagt geh, der Kopf schreit bleib

Die Fahrt mit dem völlig überfüllten Boot war das Grauen. Im Meer zwischen der Türkei und Griechenland sah die damals 15-jährige Farzaneh Hassani Leichen von Erwachsenen und Kindern treiben. Ihre fünfjährige Schwester auf ihrem Schoß sollte sie nicht entdecken. Deshalb hielt die junge Afghanin ihr die Augen zu. Auch Oula Mahfouz und ihre Kinder erlebten auf der Flucht aus Syrien über Ägypten, Libyen und das Mittelmeer nach Italien Schreckliches. Davon berichteten sie und ihre Tochter Reem Kamel-Al Sagheer Mitte Dezember 17 SchülerInnen und der Gemeinschaftskunde-Lehrerin Anne Voykov im Tübinger Wildermuth-Gymnasium.

Fragen von der Flucht bis zum Sturz Assads
Die Jugendlichen hatten die Interviews mit den drei MitarbeiterInnen des Online-Mediums tuenews INTERNATIONAL für das Projekt „Zeitung in der Schule“ sorgfältig vorbereitet. Ihre Fragen reichten von der Flucht über das Ankommen in Deutschland bis zu Alltagserfahrungen danach und Reaktionen auf den Sturz des Diktators Baschar al-Assad.

Rassistische Anfeindungen nehmen zu
Nach der Ankunft in Deutschland hatten viele Menschen der Arabisch-Lehrerin Oula Mahfouz und ihren fünf Kindern geholfen. „Aber es gab von Anfang an auch andere“, sagte sie: „Die haben keine Ahnung, warum wir diesen weiten Weg gegangen sind.“ Rassistische Anfeindungen nehmen seit dem Umsturz in Syrien rasend zu – vor allem in „sozialen Medien“. Das erlebt nicht nur die Familie Mahfouz / Al Sagheer.

Die ganze Zeit Heimweh
Die Syrerin und ihre Tochter haben längst auch einen deutschen Pass. Die SchülerInnen fragten sie nach Rückkehr-Plänen. Reem Kamel-Al Sagheer ist hin- und hergerissen. „Vom Herzen her will ich gerne zurückgehen, weil ich die ganze Zeit Heimweh hatte.“ Doch der Kopf sagt ihr, dass die Situation in Syrien noch mindestens ein paar Jahre schwierig sein werde. Und: Als Jugendliche habe sie jahrelang gekämpft, um studieren zu können. Mittlerweile besucht die Mutter einer kleinen Tochter den Studiengang „Erneuerbare Energien“ an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg.

Keine Rückkehr ins Land der Taliban
Für Farzaneh Hassani gibt es keine Perspektive auf eine Rückkehr ins Taliban-beherrschte Afghanistan. Junge Frauen dürfen dort nicht studieren, arbeiten und allein aus dem Haus gehen. Das ist für die Rottenburgerin undenkbar. Drei Jahre hat sie für ihren Abschluss als zahnmedizinische Fachangestellte gelernt. Außerdem engagiert sie sich in der Initiative „Women without Borders“ („Frauen ohne Grenzen“) und unterstützt dort andere geflüchtete Frauen. Ihr größter Wunsch: „Dass meine Mutter stolz auf mich ist.“

tun24122001

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