Von Wolfgang Sannwald
„Als syrische Muslimin verurteile ich solche Taten aufs Schärfste. Sie schaden nicht nur unschuldigen Opfern, sondern auch Millionen von Geflüchteten, die sich bemühen sich in ihrer neuen Heimat zu integrieren“: Eine tuenews-Redakteurin hat diese Zeilen kurz nach dem Anschlag von Solingen im Redaktions-Chat gepostet. Viele Geflüchtete und Neueingebürgerte aus dem arabischen Kulturraum fühlen sich durch sogenannten islamistischen Terror persönlich getroffen. Alle MigrantInnen in der Redaktion von tuenews INTERNATIONAL verurteilen die Täter, die dieses Jahr am 31. Mai in Mannheim, am 23. August in Solingen Menschen mit Messer oder Schusswaffe ermordet oder verletzt haben, oder solche Verbrechen am 5. September in München oder am 6. September in Linz am Rhein verüben wollten. Eine ehemals Geflüchtete: „Der sogenannte Islamische Staat (IS) ist ein Hauptakteur des Hasses und verzerrt das Bild des Islam weltweit. Alle seine Opfer sind Unschuldige und die meisten sind Muslime, die unter den Gräueltaten dieser Organisation leiden.“ Sie fühle sich zu Unrecht einem pauschalen Generalverdacht ausgesetzt.
Wenn wir bei tuenews INTERNATIONAL von solchen Verbrechen auch nicht aktuell berichten, so diskutierten wir doch darüber in den drei letzten Redaktionssitzungen. Die Redaktion von tuenews INTERNATIONAL umfasst derzeit neun ehemals Geflüchtete aus Syrien, dem Irak und dem Iran. Bei den wöchentlichen Sitzungen sind auch vier erfahrene RedakteurInnen als Coaches dabei, die lange Jahre für deutsche Tageszeitungen und den Rundfunk gearbeitet haben.
Es ist erschreckend zu sehen, wie sich die Anschläge nicht nur auf die unmittelbaren Opfer, sondern auf die Gesellschaft insgesamt auswirken. Die derzeit vermehrten Angriffe islamistischer Einzeltäter oder Gruppen in Deutschland wirken wie gezielte Attacken auf den Integrationsprozess, „um maximale Zwietracht und Instabilität zu erzeugen“, so die in Syrien geborene Kollegin. Sie habe keine Lust mehr, ihre Wohnung zu verlassen. In manchen Medienberichten und draußen spüre sie Ablehnung, nehme „penetrante Blicke“ wahr, erlebe, wie Menschen das Zugabteil wegen ihr verlassen. Mitschüler beschimpften ihren Sohn in der Schule als „Bombenleger“. Manche SchülerInnen von ehemals Geflüchteten treibe das in die Isolation, hemme Integration. Derartige Zuschreibungen aufgrund von Kleidung, Hautfarbe oder anderen Merkmalen erleben Redaktionsmitglieder unabhängig von ihrem Bleibestatus, auch wenn sie deutsche StaatsbürgerInnen sind. Das mache Angst. Und sie sind besonders traurig über die Gleichsetzung von Terrorismus und Islam: „Dies steht in krassem Widerspruch zu den Werten des Islam, der Frieden und friedliches Zusammenleben predigt.“
tun24091201