Von Ute Kaiser
Die Flüge nach Istanbul und Beirut sowie die Taxifahrt nach Aleppo dauerten beschwerliche 24 Stunden. Dann betrat Youssef Kanjou erstmals wieder heimatlichen Boden: „Es war sehr emotional.“ Das sagt der ehemalige Direktor des Nationalmuseums in Aleppo über seine Gefühle bei seinem Besuch im befreiten Syrien. Vor zwölf Jahren war er mit seiner Familie aus Aleppo geflohen.

Viele Rückkehrer leben in Zelten
Die Tage waren durchgeplant. Familie, Freunde, Kollegen, das Museum und die Altstadt mit ihren historischen Schätzen, von denen viele zerstört sind – all das wollte der Anthropologe sehen. Die Eindrücke prasselten auf ihn ein. Aleppo, sagt er, sei „sehr überfüllt“. Viele Menschen kehrten nicht nur aus Flüchtlingscamps nahe der türkischen Grenze zurück. Rund eine Million SyrerInnen sollen schon wieder ins Land gekommen sein, sagt Kanjou. Sie wohnen teilweise in Zelten, weil viele Häuser zerstört oder ausgeplündert sind – wie das seiner Familie in einem Dorf bei Aleppo.

Arbeit und Nahrung sind knapp
Die Menschen leiden unter der schlechten wirtschaftlichen Lage und den internationalen Sanktionen. Es gibt kaum Arbeit, außer in Restaurants, Geschäften und im Taxigewerbe. Auch Nahrungsmittel sind knapp, weil es kaum geregnet hat. Strom und Wasser fließen selten. Im Februar ist es in Aleppo sehr kalt. Wer Glück hat, kann mit einem Dieselofen heizen. Um die Sicherheit in der zweitgrößten Stadt Syriens steht es nicht gut, so Kanjou. Dennoch hat der Besucher mit deutschem Pass bis Mitternacht auch viele Frauen und Kinder in den Straßen gesehen.
Ein Bewacher an der Seite
Die Begegnung mit den ehemaligen Kollegen war bewegend. Sie seien „sehr glücklich“ gewesen, ihren ehemaligen Chef nach so langer Zeit wiederzusehen. Mit ihnen besuchte Kanjou unter anderem die Ausgrabung eines Tempels aus der Bronzezeit in der Zitadelle von Aleppo. Sie wurde wegen des Kriegs 2011 beendet. Eine Sicherheitskraft der Übergangsregierung wich ihnen nicht von der Seite.

Das Gehalt reicht nicht für Süßigkeiten
Kanjou und seine Kollegen hatten sich viel zu erzählen – zum Beispiel über die vergangenen Jahre und den kriegsbedingt schlechten Zustand des Museums. Dessen Fenster sind kaputt. Im Keller steht Wasser. Ein Thema war deshalb, wie Deutschland helfen könnte. Die Team-Mitglieder des Museums gehören vielen Ethnien und Religionen an. „Das ist normal in Syrien“, erklärte der Mitarbeiter von tuenews INTERNATIONAL seinen deutschen Journalisten-KollegInnen. Weil die Regierung über fast kein Geld verfügt, verdienen die Museumsleute umgerechnet nur zwischen 10 und 30 Euro im Monat. Zum Vergleich: Ein Kilo der Süßigkeiten im Basar kostet 7 bis 8 Euro – unerschwinglich für die meisten SyrerInnen.

Mit Drohnen gegen Sprengkörper
In der Region zwischen Idlib und Aleppo gibt es viele Landminen. Kanjou erlebte das hautnah. Auf einer Ausgrabungsstätte lag eine kleine Granate. Sie war lebensgefährlich, wie sich zwei Tage nach dem Besuch dieses Orts zeigte. Da ist der Sprengkörper explodiert. Deshalb könnte eins der deutschen Hilfsprojekte sein, Drohnen zu finanzieren. Mit ihnen könnten Blindgänger aufgespürt werden. „Das ist nicht nur wichtig für die Sicherheit der Archäologen“, so Kanjou, „sondern auch für die Bevölkerung.“
Siehe auch: tun25021101
tun25031105