Von Michael Seifert
Warum sind Fake News so erfolgreich? Dieser Frage ist die Wissenschaftsredaktion des SPIEGEL nachgegangen und hat dazu Studien von internationalen Teams der Psychologie, Kognitionsforschung und Bildungsforschung zusammengestellt. Demnach glauben Menschen von 100 gefälschten Meldungen, die sie lesen, im Durchschnitt mehr als 20. Das liege nach Meinung der WissenschaftlerInnen daran, dass für die Arbeit unseres Gehirns Fake News attraktiv sind. Sie haben festgestellt, dass in sozialen Netzwerken Falschnachrichten öfter gelikt, geteilt und kommentiert werden als wahre Nachrichten und dass sie sich auf diese Weise schneller verbreiten. Als soziale Wesen fühlen sich Menschen ungern als Außenseiter. Wenn viele Menschen eine Falschinformation geteilt oder mit „Gefällt mir“ bewertet haben, halten wir sie eher für wahr.
Schlechte Nachrichten – überlebenswichtig
Der Grund dafür ist leicht zu erklären: Fake News sind meistens schlechte Nachrichten, und diesen schenken Menschen mehr Aufmerksamkeit und halten sie für glaubwürdiger. Und das war auch entscheidend in der Evolution des Menschen: „Wer in einer Welt überleben will, in der Risiken und Gefahren lauern, für den ist eine negative Information unmittelbar wichtig“, so der Psychologe Ralph Hertwig vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Eine positive Nachricht dagegen werde selten als Gefahr gedeutet.
Unsere Sichtweisen werden verfestigt
Auch wenn Falschmeldungen korrigiert werden, erinnert man sich an sie besser als an die Korrektur, denn nach Ergebnissen der Lernforschung behält man von zwei gleichwertigen Informationen die zuerst gelernte besser. Das wird noch dadurch verstärkt, dass Menschen dazu neigen, ihre eigene Wahrheit zu konstruieren. Ungewissheit halten sie schlecht aus, was sie dazu verleiten kann, die eigenen Überzeugungen als Fakten abzuspeichern. Die falsche Information ist umso erfolgreicher, wenn sie unserer Sichtweise entspricht und verfestigt so unsere Überzeugungen.
Diese psychologischen Mechanismen nutzen die „Sozialen Medien“ aus: Aufgrund der digitalen Algorithmen für unsere Präferenzen erhalten wir überwiegend Botschaften und Nachrichten, die unsere Weltsicht bestätigen. Die Glaubwürdigkeit von Falschmeldungen wird dabei noch durch Fotos oder Videos erhöht, auch das belegen Studien. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie eine Information belegen oder nicht, es reicht, wenn man sich besser vorstellen kann, worum es geht.
Taktiken erkennen und Faktencheck
Was hilft dann bei so viel Überzeugungskraft von Fake News, um sie zu erkennen? Nach Meinung von WissenschaftlerInnen der Cambridge University hilft das Wissen um die Taktiken zur Verbreitung gefälschter Nachrichten. Dadurch verbessere sich unsere Fähigkeit, unzuverlässige Informationen zu erkennen, um etwa 20 bis 25 Prozent. Prävention helfe wie eine „Impfung“ gegen die Wirkung der Desinformation, sie stärke unser digitales Immunsystem. Wichtig ist also eine umfassende digitale Ausbildung und Bildung und damit auch die Fähigkeit, einen Faktencheck durchzuführen: Hintergrundinformationen einholen, auf Widersprüche achten und mehrere Quellen für eine Aussage suchen, indem man möglichst unterschiedliche Webseiten heranzieht.
Zum kostenpflichtigen Artikel im SPIEGEL: DER SPIEGEL | Fake News
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