Von Brigitte Gisel
In manchen Haushalten werden dieser Tage Sterne angebracht. Auch dekorative Halbmonde stehen plötzlich auf dem Bücherregal, manche sind sogar nachts beleuchtet. Fenster-Girlanden mit orientalischen Motiven zeigen in manchen Häusern auch nach außen, dass eine besondere Zeit angebrochen ist. Immer mehr Muslime sind in den letzten Jahren in Deutschland dazu übergegangen, zu Ramadan die Wohnung zu schmücken. „Das ist ein neuer Trend“, sagt auch tuenews-Mitarbeiterin Lobna Alhindi. Seit etwa zehn Jahren beobachtet sie eine Entwicklung, mit denen manche Familien ihren Kindern eine Atmosphäre ermöglichen möchten, die so ähnlich ist, wie andere Kinder sie an Weihnachten erleben. „Meine Kinder haben aber kein Interesse an Deko, die interessieren sich für den Weihnachtsbaum“, sagt die dreifache Mutter lachend.
Aber auch in ihrer Familie spielt der Ramadan optisch eine Rolle. „Mein 14-jähriger Sohn hat sich sehr über den Ramadan-Kalender gefreut“, sagt Alhindi. Ähnlich wie beim Adventskalender dürfen die Kinder an jedem Tag ein Türchen öffnen: 30 Tage sind vorgesehen. „Aber dieses Jahr dauert der Ramadan nur 29 Tage“, sagt die gebürtige Palästinenserin, die vor dem Krieg in Syrien lebte. Jeden Tag gibt es eine Kleinigkeit: Kekse, Bonbons oder ein Bildchen zum Ausmalen. Alhindi freut sich, dass sie den Kalender ganz normal im örtlichen Supermarkt kaufen konnte. Und über den Aufdruck auf der Rückseite: 100 Prozent halal. Das bedeutet, dass auch Süßigkeiten mit Gelatine den muslimischen Speisevorschriften genügen, also keine Zutaten vom Schwein enthalten. Süßigkeiten aus dem Ramadan-Kalender gibt es für Sohn nach dem abendlichen Fastenbrechen. Seine kleineren Geschwister, die noch nicht konsequent mitfasten, dürfen auch mal zugreifen, wenn sie von der Schule kommen.
Lobna Alhindi selbst sieht die Kommerzialisierung des Ramadan zwiespältig. Einerseits freut sie sich, wenn die für Muslime besondere Zeit auch optisch wahrnehmbar ist. Ramadan-Dekorationen gibt es in speziellen Läden, aber auch im Internet zu kaufen. Anderseits findet sie es nicht so gut, Geld dafür auszugeben. „Ich finde es besser, das Geld armen Leuten zu schenken.“ Was sie aber auch dieses Jahr wieder machen will: traditionelles Ramadan-Gebäck backen.
Auch wenn sie und ihre Familie die Ramadan-Rituale einhalten, vermisst sie in Deutschland ein bisschen die besondere Atmosphäre, die damit verbunden ist. „In Syrien gingen wir nach dem Morgengebet Verwandte besuchen“, erzählt sie. Abends wurde mit Oma und Opa gemeinsam gegessen und anschließend gab es Besuche bei Freunden. Menschen laden sich dort gegenseitig zum Fastenbrechen ein. Und die Moschee ist immer nah. Auch dort gibt es eine Besonderheit: Nach dem fünften Tagesgebet wird im Ramadan ein spezielles Gebet gesprochen, Tarawih genannt.
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