28. September 2025

Kelten im Südwesten

Von Bernhard Kirschner

Vor 2600 Jahren hatten im Südwesten von Deutschland die Kelten das Sagen. Eines ihrer Zentren war die Heuneburg über der Donau bei Sigmaringen. Die Kelten hatten Handelsbeziehungen bis in den Mittelmeerraum. Funde von Goldschmuck und edlem Geschirr in sogenannten Hügelgräbern belegen ihren Reichtum und ihre Macht. Ihre Krieger kamen sogar bis nach Syrien.

Kelten ohne schriftliche Zeugnisse
Allerdings haben die frühen Kelten selbst keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen. Sie tauchen nur gelegentlich in Schriften der Griechen und Römer auf. Deswegen sind WissenschaftlerInnen auf archäologische Funde angewiesen. An vielen Orten in Baden-Württemberg stoßen sie auf Spuren der Kelten. Auf der Heuneburg und in Hügelgräbern der Umgebung wurden bei umfangreichen Ausgrabungen Schmuck aus Gold, Bronze und Bernstein, Gefäße für Wein und bemaltes Tongeschirr geborgen. Die Anlage gilt als älteste Stadt nördlich der Alpen. Dort haben mehrere tausend Menschen gelebt. Das Burgareal war mit einer hohen Lehmziegelmauer befestigt. Das Vorbild stammt aus dem Mittelmeerraum.

Befestigung der Kelten auf der Schwäbischen Alb
Aktuell gibt es eine Ausgrabung bei Hayingen (Kreis Reutlingen) im Lautertal auf der Schwäbischen Alb. Seit vier Jahren suchen Archäologinnen und Archäologen des baden-württembergischen Landesamts für Denkmalpflege nach Resten einer keltischen Höhensiedlung. Sie liegt etwa 20 Kilometer nördlich der Heuneburg. Das „Althayingen“ genannte Plateau befindet sich etwa 100 Meter über dem Tal und ist etwa sieben Hektar – das sind zehn Fußballfelder – groß. Das Gelände ist nur von einer Seite gut zugänglich. Die anderen Seiten fallen steil ins Tal ab. Noch heute sind die Wälle und Gräben der Befestigung gut sichtbar. Sie habe die Menschen dort vor Überfällen geschützt, erklärt Landesarchäologe Prof. Dirk Krausse.


Suche nach Tor der keltischen Siedlung
Bisher haben die Archäologen Reste von Mauern und Häusern gefunden. Darin befanden sich Scherben von Tongefäßen, wie sie auch auf der benachbarten Heuneburg genutzt wurden. Die zahlreichen Knochen belegen, dass Schweine und Hühner gehalten wurden. Möglicherweise wurden sie zur Versorgung der Bevölkerung zum Fürstensitz auf der Heuneburg geschafft.
Wo aber lag der Eingang in die befestigte Anlage? Das ist für die ArchäologInnen immer noch ein Rätsel. Derzeit wird in der nordwestlichen Ecke des Geländes gegraben. Dort haben geomagnetische Untersuchungen ungewöhnliche Strukturen festgestellt.



Zerstörung durch gewaltigen Brand
Unterstützt werden die ArchäologInnen des Landesamts für Denkmalpflege dabei von ehrenamtlichen Helfern. In der etwa sieben mal sieben Meter großen und ein Meter tiefen Grube sieht man jede Menge Steine. Eine klare Struktur sei bisher nicht zu erkennen, erklärt Grabungsleiter Lennart Brandstätter. Die Steine sind übereinander gestürzt. Offensichtlich handelt es sich um eine massive Konstruktion. Die Mauer könnte bis zu drei Meter dick und bis zu fünf Meter hoch gewesen sein, meint auch Chefarchäologe Dirk Krausse. Wo der Durchgang gewesen war, bleibt weiterhin unklar. Klar sei jedoch, dass die Anlage einem verheerenden Brand zum Opfer fiel. Viele Kalksteine sind rot gefärbt. Viele zersplittern, wenn sich das Team Schicht für Schicht nach unten arbeitet und die Steine aus der Grube entfernt. Sie müssen sehr viel Hitze ausgesetzt gewesen sein, vermutet Krausse bei einer Begutachtung mit dem Tübinger Archäologen Brandstätter


Kontrolle des Handelswegs vom Neckar zur Donau
Für ein gewaltiges Feuer sprechen auch verkohlte Reste von Holzbrettern, die im vergangenen Jahr geborgen wurden. Sie lagen unter den Steinen, die man abgeräumt hatte. Möglicherweise stammen sie von einem Dach oder Wehrgang des Tores. Warum das Tor angezündet wurde, darüber können die Archäologen nur spekulieren. Möglicherweise wurde die Siedlung von verfeindeten Kelten angegriffen und zerstört.
Denn diese kontrollierte das Tal und sicherte einen wichtigen Handelsweg, vermutet Professor Krausse. Bei der Anlage könnte es sich um einen Vorposten der Heuneburg gehandelt haben. Die Lauter mündet etwas weiter südlich in die Donau. Und auf der wurden wertvolle Waren wie Bernstein aus der Ostsee in den Mittelmeeraum transportiert. Schmuck aus dem begehrten Material fand sich in Gräbern in Ägypten und im Libanon, in Syrien und Mesopotamien, dem heutigen Irak.


Zerstörung und Wanderung der Kelten
Im 5. Jahrhundert vor Christus wurde die Heuneburg zerstört. Das System brach zusammen. Auch Althayingen wurde verlassen. Experten vermuten, dass eine Veränderung des Klimas schlechte Ernten mit sich brachte. Ein Großteil der Bevölkerung zog fort. Um 400 tauchten die Kelten plötzlich im Mittelmeerraum auf. Ihre Krieger sorgten für Angst und Schrecken in Griechenland und Italien. Sie kamen bis in die heutige Türkei und ließen sich in der Nähe von Ankara nieder. Dort wurden sie in den Schriften Galater genannt. Die Kelten waren als tapfere Krieger geschätzt und kämpften für fremde Herrscher wie Alexander den Großen und regionale Könige in Syrien.
Wer sich über das Leben und die Kultur der frühen Kelten im Südwesten von Deutschland informieren möchte, der kann in den Heuneburg-Museen vorbeischauen. Auf dem Bergsporn über der Donau wurden Teile der Lehmziegelmauer und einige Gebäude nachgebaut:
www.heuneburg-pyrene.de
www.heuneburg.de

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