Alexander Dobrindt, der neue deutsche Innenminister, hat am 7. Mai 2025, dem ersten Tag der Regierungsübernahme, die Bundespolizei angewiesen, ab sofort Menschen an den deutschen Grenzen, die ein Asylgesuch stellen, pauschal zurückzuweisen. Denn diese seien weil sie ja aus einem angrenzenden sicheren Drittland eingereist. Davon ausgenommen sind Kinder, schwangere Frauen und andere sogenannte vulnerable Gruppen. Die Bundespolizei hat daraufhin mit verstärkten Kontrollen an den deutschen Grenzen begonnen und die Anweisung ausgeführt.
Erste Zahlen lagen nach einer Woche vor und wurden auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben: Demnach ist die Zahl der Zurückweisungen an der Grenze um 45 Prozent auf 739 Fälle gestiegen, darunter waren allerdings nur 32 Asylbewerber. Trotz der Aufstockung der Bundespolizei von 11.000 auf 14.000 Einsatzkräfte wurden in sieben Tagen im Schnitt weniger als fünf Asylbewerber pro Tag zurückgewiesen.
Kritik aus dem Ausland und von der Gewerkschaft
Diese Maßnahme wurde von der Opposition und auch aus dem Ausland kritisiert. So stießen in Polen die Pläne, die Grenzkontrollen auszuweiten und Asylsuchende zurückzuweisen, auf Widerstand von Ministerpräsident Donald Tusk. Und auch aus der Schweiz kamen kritische Worte von Justizminister Beat Jans. Beide Politiker wiesen auf die Einschränkungen für den Grenzverkehr wie lange Schlangen und Nachteile für die Wirtschaft hin und drohten damit, die Zurückgewiesenen nicht wieder aufzunehmen.
Die deutsche Gewerkschaft der Polizei (GdP) schließlich warnte angesichts der ausgeweiteten Grenzkontrollen vor einer Überlastung. Die Kontrollen ließen sich nur noch wenige Wochen durchhalten. „Das schaffen wir nur, weil Dienstpläne umgestellt wurden, die Fortbildungen der Einheiten aktuell auf Eis liegen und derzeit der Abbau von Überstunden gestoppt ist“, sagte der Vorsitzende der Bundespolizei in der GdP, Andreas Roßkopf.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit
Eine Befragung von juristischen Experten durch den „Mediendienst Integration“ ergab zudem Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grenzzurückweisungen. Das Bundesinnenministerium beruft sich mit seiner Maßnahme auf das deutsche Asylgesetz. Demnach kann Asylsuchenden die Einreise verweigert werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein anderer EU-Staat für sie zuständig ist. Allerdings ist das nationale Asylgesetz dem europäischen sowie internationalen Recht untergeordnet. Direkte Zurückweisungen von Asylsuchenden an EU-Binnengrenzen würden insbesondere von zwei EU-Gesetzen ausgeschlossen: Nach dem „Schengener Grenzkodex“ (Artikel 23a) können Drittstaatsangehörige, die im Grenzgebiet ohne Aufenthaltsrecht aufgegriffen werden, zwar unmittelbar in den Staat überstellt werden, aus dem sie eingereist sind. Das gilt allerdings explizit nicht für Asylsuchende. Bei Asylsuchenden, die aus anderen EU-Staaten einreisen, muss außerdem eine Zuständigkeitsprüfung nach der „Dublin-III-Verfahren“ stattfinden. In diesem Verfahren wird geprüft, ob Deutschland oder ein anderer EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist. Demnach hat jede asylsuchende Person in Deutschland auch Anspruch auf die individuelle Prüfung ihres Antrags. Ohne diese Prüfung darf sie nicht zurückgewiesen werden. (Hierüber berichtete tuenews INTERNATIONAL bereits: Geflüchtete reisen nicht irregulär nach Deutschland ein – tuenews)
Eine Ausnahme kann nach EU-Recht nur im Fall einer Notlage erfolgen. Tatsächlich sind die Zahlen der Asylbewerber in Deutschland aber stark zurückgegangen: 36.000 Anträge waren es im ersten Quartal, das sind 30.000 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch im Kreis Tübingen hat sich das ausgewirkt. So berichtete Sven Jäger, Abteilungsleiter für Flucht und Integration beim Landratsamt Tübingen, dass von Januar bis Mai 2025 nur 19 Zuweisungen von neuen Geflüchteten in den Landkreis erfolgten. Auch das Bundesinnenministerium beruft sich bei seiner Begründung nicht auf eine Notlage.
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tun 25052006