29. April 2025

Kulturerbe der Menschheit in Syrien in Gefahr

von Bernhard Kirschner
„Das Kulturerbe der Menschheit in Syrien ist in Gefahr.“ Mit eindrücklichen Worten bat der frühere Leiter des Nationalmuseums in Aleppo, Youssef Kanjou, bei einem Vortrag im Tübinger Landratsamt um Hilfe zur Rettung der archäologischen Stätten. Der 53-Jährige war 2013 mit seiner Familie vor dem Bürgerkrieg geflohen. Seit neun Jahren lebt er im Kreis Tübingen und arbeitet bei der Nachrichtenplattform tuenews INTERNATIONAL mit.
Im Februar war Kanjou zu einem zweiwöchigen Besuch nach Syrien gereist. Er war schockiert über die Zerstörungen seiner Heimatstadt Aleppo, die er dem Publikum in Bildern zeigen konnte. Fast 50 Interessierte waren zu dem Vortrag ins Tübinger Landratsamt gekommen. Sie waren bestürzt über das Ausmaß der Zerstörungen und ratlos, wie Hilfe möglich sein könnte. Große Teile des riesigen alten Marktes in der Altstadt und der Zitadelle seien beschädigt. „Viele historischen Gebäude sind dem Erdboden gleichgemacht, aber einige können wieder aufgebaut werden. Wenn keine Hilfe aus dem Ausland kommt, ist alles unwiederbringlich verloren“, beschwor Kanjou das Publikum. Es gehe nicht nur um das kulturelle Erbe Syriens, sondern um das Erbe der Menschheit.

Hotspot der Menschheitsgeschichte
Zuvor hatte Kanjou in seinem Vortrag auf die besondere kulturelle Bedeutung hingewiesen: Syrien – ein Hotspot der Menschheitsgeschichte. Seit einer Million Jahre ist das Land besiedelt. Dort wurden die ersten Dörfer und Städte gegründet. Die Großreiche der Sumerer, Babylonier und Assyrer haben ihre Spuren hinterlassen. Alle Imperien waren dort vertreten: Römer, Byzantiner, Osmanen.

Nationalmuseum in Aleppo beschädigt
Ihre Hinterlassenschaften, die bei den zahlreichen Ausgrabungen gefunden wurden, waren im archäologischen Nationalmuseum von Aleppo zu sehen: Steinwerkzeuge, Bronzemesser, Vasen, Reliefs und Skulpturen. Die wertvollsten Zeugnisse wurden vor dem Krieg nach Damaskus in Sicherheit gebracht, die schweren Reliefs und Statuen eingemauert. Sie haben den Krieg und das Erdbeben von 2023 relativ unbeschädigt überstanden. Aber das Museum ist in einem schlimmen Zustand, wie Kanjous Fotos belegen.

Rettung des syrischen Kulturerbes
Sein früherer Leiter hofft nun auf internationale Hilfe. Vor Beginn des Bürgerkriegs 2011 waren über 100 Teams an den archäologischen Stätten aktiv. Auch Deutschland war stark vertreten, mit ArchäologInnen aus Berlin und Tübingen. Aus Tradition. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte der Diplomat und Orientalist Max Freiherr von Oppenheim die Siedlung Tell Halaf aus der Bronzezeit ausgegraben und sensationelle Funde geborgen, berichtete Kanjou. Mit Syrien-ExpertInnen in aller Welt ist er gut vernetzt. Mit ihnen arbeitet er an Plänen, wie eine Rettung der archäologischen Stätten gelingen könnte. Mut macht Kanjou der Besuch einer Delegation des Auswärtigen Amtes in Aleppo, die er treffen konnte. Es gebe positive Signale. Aber man müsse warten, bis es eine neue deutsche Regierung gebe, übt sich der Archäologe in Geduld.

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